Entnommen: Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=12515
Die
Friedensbewegung am Scheideweg
von Doris Pumphrey
Vortrag gehalten am
26.03.2022
Veranstaltung der Regionalgruppe RotFuchs Bernau / TAG
der GRH e.V. Bernau bei Berlin
In den letzten Jahren wurde
immer wieder konstatiert und kritisiert, dass die Friedensbewegung
schwach sei, nur noch Wenige zu Aktionen kommen. Sie spiele in der
öffentlichen Wahrnehmung keine nennenswerte Rolle.
In einem
Artikel Im Oktober 21 über die große Friedensdemonstration in Bonn
1981, fragte der Konfliktforscher Dr. Leo Ensel, wo die Aktivisten
von damals geblieben seien. „Ob sie denn meinten, sie hätten mit
ihrem damaligen Engagement ihr friedenspolitisches Soll für den Rest
ihres Lebens abgeleistet.“
Nein, das meinen sie nicht, denn
ein erheblicher Teil von ihnen ist auch heute noch an vorderster
Front der Friedensbewegung aktiv. Selbst viele Strukturen der
damaligen Friedensbewegung mit ihren engagierten Mitstreitern
existieren weiter. Das Problem liegt woanders, aber dazu kommen wir
noch.
Wer oder was ist die Friedensbewegung?
Ich
muss vorausschicken: Wenn ich in diesem Vortrag von DER
Friedensbewegung spreche, dann ist das nur ein verallgemeinernder
Begriff, der nicht automatisch alle Teile einschließt, denn die
Friedensbewegung ist weder eine Organisation noch ein Bündnis per
se. Sie setzt sich aus verschiedenen bundesweiten oder lokalen
Organisationen, Gruppen und Netzwerken zusammen, mit z.T. auch
unterschiedlichen Schwerpunkten und politischen Sichtweisen.
Untereinander werden auf lokaler und bundesweiter Ebene auch
Bündnisse geschlossen z.B. für einen gemeinsamen Aufruf und/oder
eine gemeinsame Aktion.
Aktivisten der Friedensbewegung, die
aus der Erfahrung der DDR kommen, verstehen oft nicht die
Schwierigkeiten und langwierigen Diskussionen, die damit verbunden
sind. Zum einen sollten die unterschiedlichen Voraussetzungen nicht
vergessen werden: Auf der einen Seite die DDR als sozialistischer
Staat, dem Anti-Imperialismus, der Völkerfreundschaft, der Lösung
der Probleme auf diplomatischem Weg und dem Frieden verpflichtet. Sie
war ein Verbündeter im Friedenskampf in der BRD. Auf der anderen
Seite die imperialistische BRD im Aggressionsbündnis NATO, gegen
deren Aufrüstung, Unterstützung von Aggressionen und Interventionen
eine Friedensbewegung kämpfen muss.
Bei der heterogenen
Zusammensetzung der Friedensbewegung, besteht die Schwierigkeit meist
darin, einen Minimalkonsens zu finden, vor allem wenn ein Bündnis
angestrebt wird. Der Konsens ist einfacher, wenn es um Militär- und
Rüstungsmaßnahmen geht, die das eigene Land betreffen.
Unter
den einzelnen Teilen der Friedensbewegung bestand und besteht jedoch
große Uneinigkeit in der Einschätzung von Regierungen jener Länder,
die ins Visier des NATO-Westens geraten, was die notwendige
Mobilisierung gegen NATO-Aggressionen beeinflusste.
Deutschland
ist Kriegspartei gegen Russland
Die Friedensbewegung hatte
seit Jahren die NATO-Osterweiterung, die Aufrüstung und den
militärischen Aufmarsch an den Grenzen Russlands kritisiert. Doch
sie war – mit Ausnahmen – relativ ruhig geblieben gegenüber der
anti-russischen Hysterie, die nach dem Beitritt der Krim zur
Russischen Föderation 2014 einen ersten Höhepunkt fand.
Dem
Erstarken des Bandera-Faschismus in der Ukraine wurde auch seitens
der Friedensbewegung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, ebenso wie
dem Krieg Kiews gegen die Donbass Republiken, die sich weigerten den
von den USA, EU und Bundesregierung unterstützten Maidan Putsch
anzuerkennen.
Der Krieg hat nicht am 24. Februar 2022
begonnen, wie heute oft behauptet wird, sondern vor acht Jahren mit
militärischer Unterstützung und Rückendeckung des Westens gegen
den Donbass. Er hat nach UNO Schätzungen mehr als 13.000 Opfer
gefordert.
Angefeuert von den USA stand ukrainisches Militär
mit seinen Faschistenverbänden kurz davor den Donbass zu überfallen
und ihn ethnisch zu säubern. Mit der Anerkennung der beiden
Volksrepubliken Donezk und Lugansk als souveräne und unabhängige
Staaten am 21. Februar und der am 24. Februar folgenden
Sonderoperation zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung der
Ukraine konnte Moskau diesen Angriff und das zu erwartende Blutbad
vereiteln.
Die moralische Empörung des „Wertewestens“ –
der plötzlich das Völkerrecht unter seinen Stiefeln hervorzog –
und die den russischen Präsidenten seit Jahren entmenschlichende
Propaganda der Medien, entlud sich in einer beängstigenden,
kollektiven Hetze gegen Russland.
Jene Kräfte in Deutschland,
die sich die vielen Jahre bemüht hatten, die eigene Geschichte zu
verdrängen, die Stalingrad nie überwinden konnten, waren spürbar
erleichtert vom Befreier befreit zu sein und entsorgen nun endgültig
ihre Schuld.
Und jene, vor allem westdeutsche Politiker, die
mit ihrer blau-gelben Begeisterung und devoten Haltung gegenüber der
US-Marionette Selenskyj und dem Nazi-Verehrer Melnyk die Operation
Barbarossa vergessen machen, maßen sich die Rolle des moralischen
Lehrmeisters gegenüber Russland an.
Das Ausmaß
selbstgerechter Heuchelei und moralischer Empörung, die in diesem
Land hochschwappt, ist beispiellos. Da stehen sie nun und sind
zutiefst erschüttert, über den „ersten Krieg in Europa seit
1945“. Das Blut an ihren Händen mit den Bomben auf Jugoslawien,
haben sie schon längst abgewaschen und vergessen.
Der
Anti-Putin Tsunami überrollt jedes rationale Nachdenken.
„Putin-Versteher“ bereuten und verbeugten sich und Erklärungen
von Linken waren durchtränkt von moralischer Empörung.
Ein
Gregor Gysi, der 2014 im Bundestag in einer Brandrede den
beängstigenden Einfluss der Faschisten in der ukrainischen Regierung
und Sicherheitsstrukturen mit vielen Beispielen belegte und der es
schon allein auf Grund der deutschen Geschichte einen Skandal nannte,
dass die Bundesregierung mit diesen Faschisten redet, erklärt heute
ohne rot zu werden: „Russlands Argumente von Genozid und
Entnazifizierung sind völliger Blödsinn“ und vergleicht diese
„Behauptung Putins“ mit der Lüge über Massenvernichtungswaffen
im Irak.
In seiner Funktion als außenpolitischer Sprecher der
Linksfraktion im Bundestag, bietet sich Gregor Gysi nun als
Erfüllungsgehilfe der NATO für Regime-Change in Russland an. Per
Video und in holprigem Russisch ruft er am 21. März die Bürger
Russlands zum Widerstand gegen Putin auf. In einem podcast-Gespräch
mit der Süddeutschen Zeitung zwei Tage später geht er noch weiter
und erklärt, die russische Bevölkerung „muss sich von Putin
trennen, das schaffen wir nicht von außen“. Das stünde „uns“
auch nicht zu. Deshalb habe er mit den Menschen in Russland und den
Russen in Deutschland auf Russisch gesprochen, damit „sie“ den
„Mut haben, das Regime zu beseitigen“. Das müsse von ihnen
ausgehen. „Die Aufrüstung Deutschlands schütze zudem nicht vor
Putin, sondern nur wenn „wir“ in Russland „andere Strukturen
erreichen.“ Den Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO halte er
als Schutz vor einem Angriff Russlands für „nicht uninteressant“.
Man stelle sich vor, der außenpolitische Sprecher einer
Duma-Fraktion würde sich an die deutschen Wähler wenden und sie zum
Widerstand aufrufen, um das Regime in Deutschland zu beseitigen und
andere Strukturen zu schaffen.
Selbst eine ansonsten kühle
und rationale Sahra Wagenknecht ließ sich vom Tsunami mitreißen und
erklärte, „Und natürlich stellt sich die Frage: Wie konnte aus
jenem Putin, der noch vor 20 Jahren den Westen geradezu umarmt und
die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt hat, jener Mann werden, der
jetzt wild um sich schlägt, nationalistische Töne verbreitet und
ohne Rücksicht auf Verluste seine militärische Stärke
ausspielt?“
Die Grüne Außenministerin Deutschlands, das
mit seinem Vernichtungs- und Ausplünderungskrieg gegen die
Sowjetunion nicht nur 27 Millionen Tote, sondern auch verbrannte Erde
hinterließ, stellt sich heute in ihrer eingeübten moralischen
Selbstüberhöhung hin und erklärt, der russische Präsident habe
„alle menschlichen Grenzen“ überschritten und hofft, dass die
Sanktionen „Russland ruinieren„.
Der Grüne deutsche
Wirtschaftsminister beteuert seinem Herrn und Meister in Washington,
dass Deutschland im Kampf gegen Russland eine „dienende
Führungsrolle“ spiele.
Im Reichstag am 27. Februar wird in
der Sondersitzung des Bundestages Andrij Melnyk, der ukrainische
Botschafter und Verehrer des Nazi-Kriegsverbrechers und Massenmörders
Stepan Bandera, als Ehrengast mit Standing Ovations begrüßt –
auch von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.
Es war der
gleiche Tag, der 27. Februar 1933, als der Reichstag in Flammen
stand, angezündet in einer False-Flag Operation der Nazis, um in der
Folge Tausende Kommunisten zu verhaften.
Ganz ergriffen hören
die Bundestagsabgeordneten dem am 17. März im Reichstag
zugeschalteten ukrainischen Präsidenten zu, der ihnen erzählt,
Russland wolle das ukrainische Volk vernichten. PR-mäßig wurde er
zum Medienstar gemacht, der auf Großleinwänden Hilfe für den
Endsieg gegen Russland fordert.
Dem deutschen Kanzler ruft er
zu „geben Sie Deutschland die Führungsrolle die es verdient“ und
beendet seine Rede mit der Parole „Ruhm der Ukraine“ der
ukrainischen Nazi-Kollaborateure. Da stehen sie wieder auf, die
Bundestagsabgeordneten und klatschen langanhaltend.
Es sind
beängstigende Szenen.
Begleitet von Geschichtsrevisionismus,
eskalierten in besonderem Maße deutsche Politiker und Medien in den
letzten Jahren die chauvinistische Hetze gegen Russland, die schon
längst goebbelsches Ausmaß erreicht.
Heute kämpfen
ukrainische Faschisten mit deutschen Raketen und Panzerfäusten gegen
Russland. Mit seinen Waffenlieferungen und Sanktionen ist Deutschland
Kriegspartei gegen Russland. Die Friedensbewegung steht damit vor
ganz neuen Problemen
Lasst uns aber zunächst ein Stück in
die Geschichte und Probleme der Friedensbewegung zurückgehen.
Der
Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluss
Mit dem
NATO-Doppelbeschluss 1979 zur Stationierung der nuklearen US-
Erstschlagwaffen, die eine „Enthauptung“ der Sowjetunion und
einen auf Europa „begrenzten Atomkrieg“ ermöglichen sollten,
begann in der Bundesrepublik eine bisher einzigartige Kampagne der
Aufklärung und Mobilisierung, in der ab November 1980 der „Krefelder
Appell“ eine zentrale Rolle spielte.
Mit dem Krefelder
Appell war es gelungen, politische und ideologische
Meinungsverschiedenheiten der unterschiedlichen Kräfte
zurückzustellen und einen Minimalkonsens in diesem einen zentralen
Punkt zu finden: Die Bundesregierung aufzufordern die Zustimmung zur
Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern
zurückzuziehen.
Der Krefelder Appell wurde zum
wirkungsvollsten Manifest der bundesdeutschen Friedensbewegung.
Gruppen und Persönlichkeiten aus vielen gesellschaftlichen Bereichen
unterstützten ihn, berufsbezogene Friedensinitiativen wurden
gegründet, in Stadt und Land wurde mit dem Appell aufgeklärt und
mobilisiert. Massendemonstrationen und riesige Veranstaltungen der
„Künstler für den Frieden“ folgten.
Der Appell wurde von
fast 5 Millionen Menschen unterschrieben – und damals gab es kein
Internet! Umfragen zeigten, dass sich die große Mehrheit der Bürger
der Bundesrepublik, egal welcher Parteienpräferenz, gegen die
Stationierung der neuen US-Atomraketen aussprach.
Auch wenn
die Friedensbewegung am Ende die Zustimmung des Bundestags zum
NATO-Doppelbeschluss nicht verhindern konnte – soweit reicht diese
parlamentarische Demokratie nicht – die Kampagne hatte die
Einstellung vieler Bundesbürger nachhaltig geprägt.
„Humanitäre
Intervention“ / Regime Change
Mit dem Zusammenbruch der DDR,
der Sowjetunion und des Warschauer Vertrages als Gegenpol zur alten
BRD, NATO und USA, war dem NATO-Westen der Feind
abhandengekommen.
Der US-Imperialismus wähnte sich als ewiger
Hegemon, dem keine Steine mehr in den Weg gelegt werden konnten, um
sich die Welt untertan zu machen und seine Ressourcen und Märkte zu
kontrollieren.
Der militärisch-industrielle Komplex benötigte
dringend neue politische Spannungen und militärische Einsätze. Und
die NATO eine Rechtfertigung für ihre weitere Existenz.
Mit
der völkerrechtswidrigen Bombardierung Jugoslawiens 1999, machte
sich die NATO zu ihrem 50. Geburtstag selbst ein Geschenk. Die Bomben
auf Belgrad waren auch der Türöffner für deutsche
Kriegseinsätze.
War es bei der großen Massenmobilisierung
gegen den NATO-Doppelbeschluss um eine neue Aufrüstung gegangen, die
in ihrer Auswirkung eine unmittelbare Gefahr für das eigene Land,
die eigene Bevölkerung darstellte, so ging es jetzt um Aggressionen
gegen andere Länder.
Dass 2003 der Protest gegen den
geplanten Angriff der USA auf Irak noch ein kurzer Höhepunkt werden
sollte, war der Tatsache geschuldet, dass sich die Bundesregierung
offiziell gegen den US-Angriff ausgesprochen hatte. Somit
mobilisierte praktisch das gesamte politische Spektrum,
Gewerkschaften und Kirchen auch mit Hilfe der Medien zur Teilnahme an
der Demonstration am 15. Februar 2003, als in Berlin 500.000 Tausend
und weltweit Millionen auf die Straße gingen.
Ein ganz
anderes Problem für eine Mobilisierung der Friedensbewegung waren
allerdings die mörderischen Sanktionen gegen Irak und die
Regime-Change Operation gegen die irakische Regierung.
Mit der
Aggression gegen Jugoslawien hatte sich die NATO für ihre
out-of-area Einsätze eine neue Rechtfertigung erfunden: Die
„humanitäre Intervention“. Das Konzept war dehnbar und konnte
variiert werden: zur „Verteidigung“ von Menschenrechten, Rechte
der Frauen, oder Minderheiten, zur „Verhinderung eines
Völkermords“. Es dient seitdem völkerrechtswidrigen Subversionen,
Regime-Change und Aggressionen gegen Länder, die sich dem Diktat des
NATO-Westens nicht unterordnen.
NATO und EU erklären sich zur
„Westlichen Wertegemeinschaft“, als heilige oberste Instanz, die
sich jederzeit über das Völkerrecht hinwegsetzen kann.
Dem
Völkerrecht, hatte der Westen die „regelbasierte internationale
Ordnung“ entgegensetzt. Was damit gemeint ist, beschreibt Volker
Perthes, vormals Leiter der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP) im Klartext: „Eine Allianz williger Staaten muss
internationale Regeln ersinnen, ohne den Verdacht zu erwecken, dass
es dabei um westliche Dominanz geht.“
Das immer gleiche
Propaganda-Drehbuch wurde von der NATO oder Teilen der NATO
durchgespielt, um die Ruhe an der Heimatfront zu
sichern.
NATO-Geheimdienste nutzen soziale Unzufriedenheiten
aus, schüren potentielle oder latente ethnische oder religiöse
Konflikte, unterstützen materiell – auch mit Waffen –
oppositionelle Kräfte, um Proteste bis zu Aufständen auszuweiten,
mit dem Ziel ein entsprechendes Eingreifen seitens der
Regierungskräfte zu provozieren.
Deren Gewalt wird dann in
aller Breite als Niederschlagung einer „friedlichen Opposition“
dargestellt. Die Regierung wird dämonisiert und das jeweilige
Staatsoberhaupt zum „Diktator“, zum „Menschschlächter „oder
„neuen Hitler“ erklärt, gegen den der „Wertewesten“
schließlich mit allen Mitteln – von Sanktionen bis zu Bomben –
vorgehen muss, um die sogenannte „Zivilgesellschaft“ zu
schützen.
Hinzu kommt die subversive Arbeit der ausländischen
Stiftungen und angeblichen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs),
die Oppositionsgruppen in den anvisierten Ländern nicht nur
materiell vor Ort unterstützen, sondern die besonders auch als
Propaganda-Instrumente zur Rechtfertigung der imperialistischen
Aggression fungieren.
Mit einer politischen und medialen
Lügen- und Hetz-Kampagne gegen Slobodan Milošević, der sich
weigerte sein Land in die EU und NATO zu führen, wurde die
Heimatfront auf den ersten Kampfeinsatz einer deutschen Armee nach
dem 2. Weltkrieg in einem Aggressionskrieg vorbereitet.
Dem
Grünen Außenminister Fischer fiel die besondere Rolle zu, den,
damals noch zu erwartenden Widerstand aus seiner Partei und seitens
der Friedensbewegung zu verhindern oder zumindest zu dämpfen.
Was
eignet sich da besser als der Rückgriff auf die deutsche Geschichte.
Mit seinem „Nie wieder Auschwitz“ deklarierte der deutsche
Außenminister die Bombardierung Jugoslawiens als antifaschistischen
Akt. Das verwirrte und lähmte nicht wenige in ihrem Engagement gegen
den Krieg.
Die neue NATO-Propaganda von der „humanitären
Intervention“ – das Trommelfeuer der NATO-Lügen von Jugoslawien
bis Syrien – verfehlte auch nicht ihre einschüchternde Wirkung auf
erhebliche Teile der Friedensbewegung.
Wenn sie die
Militäraggressionen kritisierten, spulten sie zunächst ihr
Distanzierungsritual ab, von Milosevic bis Assad. Sie wollten damit
„glaubwürdig“ sein, aber es war Opportunismus und die Angst eine
unbequeme Position zu beziehen für das Recht aller Nationen über
ihre Staatsform und Regierung selbst zu entscheiden, unabhängig
davon ob einem die Regierung eines angegriffenen Landes gefällt oder
nicht.
Natürlich gab es auch in all den Jahren Initiativen,
Organisationen und Bündnisse, die gegen sogenannte „humanitäre
Interventionen“, mörderische Sanktionen und die Regime Change
Politik Aktionen entwickelten, aber sie blieben im Großen und Ganzen
begrenzt.
Dies wird insbesondere deutlich in der sehr
schwachen Mobilisierung der Friedensbewegung in dem langen
völkerrechtswidrigen Krieg gegen Syrien. Es gab keinen nennenswerten
Protest gegen die Anmaßung der Bundesregierung in Berlin mit
syrischen Oppositionellen im Exil, den sogenannten „Day After“ zu
organisieren – gemeint ist die Zeit nach dem Sturz des legitimen
syrischen Präsidenten Assad – um sich ihren Einfluss in einem
künftigen Syrien zu sichern. Es gibt kaum Protest aus der
Friedensbewegung gegen die mörderische Sanktionspolitik, die den
Wideraufbau erschwert und noch mehr Flüchtlinge schafft.
Obwohl
die Vorbereitung von Regime-Change, Subversionen und militärischen
Aggressionen gegen Länder, die sich dem Diktat des NATO-Westens
nicht unterwerfen, immer nach dem gleichen NATO-Propaganda-Drehbuch
verlief, ließen sich Teile der Friedensbewegung jedes Mal neu
beeinflussen. Das schwächte die Friedensbewegung als Ganzes, und
zwar nachhaltig.
Der von den USA/EU und Bundesregierung
gesponserte Putsch in der Ukraine 2014 und dem folgenden Beitritt der
Krim zur Russischen Föderation, stellte die Friedensbewegung vor
neue Probleme.
Die USA/NATO hatten schnell die
Völkerrechtskarte gegen Russland aus der untersten Schublade
hervorgezogen. Die massiv einsetzende anti-Putin Hysterie wirkte
einschüchternd und lähmend auf jene in der Friedensbewegung, die
Angst hatten als „Putin-Versteher“ gebrandmarkt zu werden.
Die
Frage, ob der Beitritt der Krim zur Russischen Föderation
völkerrechtswidrig war, spielte z.T. eine größere Rolle als die
Einsicht, dass mit dem Beitritt, der Plan der USA vereitelt wurde,
aus Sewastopol einen US/NATO-Stützpunkt gegen Russland zu machen und
damit eine höchst friedensgefährdende Situation entstanden
wäre.
In der Bevölkerung wuchs die Sorge um einen Krieg
gegen Russland und im Frühjahr 2014 gingen Tausende in vielen
Städten zu Mahnwachen für den Frieden. Diese Mahnwachen waren
außerhalb und unabhängig der traditionellen Strukturen der
bundesdeutschen Friedensbewegung entstanden, die in großen Teilen
nur sehr langsam auf das, was sich in der Ukraine zusammenbraute,
reagierte.
Die Herrschenden witterten eine Gefahr: Wenn die
Mobilisierung der neu entstandenen Mahnwachen für den Frieden zu
gemeinsamen Antikriegsaktionen mit der traditionellen
Friedensbewegung führt, könnte eine mächtige Friedensbewegung
entstehen. Das musste unter allen Umständen verhindert werden.
Eine
niederträchtige Kampagne wurde in Gang gesetzt, um die Mahnwachen –
eine politisch unerfahrene Bewegung mit z.T. diffusen Vorstellungen –
als „rechts“ zu diffamieren.
Wir können davon ausgehen,
dass auch die NATO-Geheimdienste aktiv waren, nach dem Muster: schick
ein paar Rechte oder Neonazis in die Nähe einer Bewegung und schon
lassen die Linken ihre Finger davon.
Statt ihre eigenen
Erfahrungen bei den Mahnwachen einzubringen und aufklärend zu
wirken, beteiligten sich nicht wenige aus linken und
friedenspolitischen Reihen an der Hetze gegen die Mahnwachen. Mit dem
verheerenden Ergebnis, dass viele der Mobilisierten sich schließlich
zurückzogen, weil sie nicht als „Rechte“ oder „Nazis“
beschimpft werden wollten. Damit wurde eine Chance zur Erweiterung,
Verjüngung und Stärkung der Friedensbewegung vergeben – ganz im
Interesse der NATO-Kriegstreiber.
In den letzten Jahren hatte
die Friedensbewegung als gemeinsame Aktivität u.a. die Kampagne
gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen und die Kampagne Abrüsten
statt Aufrüsten, gegen die von der NATO beschlossene Erhöhung der
Rüstungsausgaben.
Viele Teile der Friedensbewegung
unterstützen die internationale Kampagne zum
Atomwaffenverbotsvertrag, und fordern den Beitritt der
Bundesregierung zu diesem Vertrag. Ein überflüssiges Unterfangen,
denn um die US-Atomwaffen in Deutschland loszuwerden, könnte die
Bundesregierung auch jederzeit aus der nuklearen Teilhabe aussteigen,
was sie natürlich nicht tun wird. Im Gegenteil, in ihrem
Regierungsprogramm bekennt sich die Ampelregierung ausdrücklich zum
Verbleib der US-Atomwaffen in Deutschland,
Staaten, die weder
Atomwaffen haben noch erstreben, können dem Atomwaffenverbotsvertrag
problemlos beitreten. Doch kein Atomwaffenstaat wird ihn in
absehbarer Zeit unterschreiben.
Auch wenn Russland natürlich
das Ziel einer atomwaffenfreien Welt habe, so könne es dem Vertrag
nicht beitreten, erklärte Sergej Lawrow, da „eine vollständige
Denuklearisierung nur im Rahmen der allgemeinen und vollständigen
Abrüstung unter Bedingungen gleicher und unteilbarer Sicherheit für
alle Staaten, einschließlich der Nuklearstaaten, möglich ist, wie
dies der Atomwaffensperrvertrag festgelegt hat.“ Der Vertrag über
das Verbot von Nuklearwaffen hingegen „entspricht nicht diesen
Grundsätzen und ignoriere die Notwendigkeit alle Faktoren zu
berücksichtigen, die die strategische Stabilität beeinflussen
können, und kann sich daher destabilisierend auf das
Nichtverbreitungsregime auswirken. Im Ergebnis könnte die Welt noch
instabiler und unberechenbarer werden.“
Die Initiatoren der
Kampagne (ICAN) meinen, der Vertrag wirke trotzdem, denn er nehme den
Atomwaffen „die Legitimität und diskreditiere den Besitz“. Nur
werden Atomwaffen ja nicht moralisch gerechtfertigt, sondern
strategisch begründet.
Wie sinnvoll aber ist diese Kampagne
der Friedensbewegung von der man – wenn man sich den Realitäten
nicht verschließt – doch wissen kann, dass sie keine einzige
Atomwaffe beseitigen wird und nur Illusionen und falsche Hoffnungen
erzeugt.
Frei nach Tucholsky könnte man sagen: „Es ist ein
so beruhigendes Gefühl. Man tut etwas für eine atomwaffenfreie
Welt, aber man weiß ganz genau mit diesem Vertrag kommt sie
nicht.“
Friedensbewegung und Klima
Wir erinnern
uns: Im Jahr 2019 stand die Welt kurz vor dem Untergang. Panik wurde
geschürt. Die Greta-Generation würde die letzte sein. „Fridays
for Future“ wurde medienwirksam auf die Weltbühne
gehievt.
Freitags hüpften Tausende Kinder und Jugendliche,
vor allem aus der urbanen gehobenen Mittelklasse – auf den Straßen
um das Klima zu retten – gelobt und gesponsert auf höchster Ebene,
von Politikern, Konzernmedien und Finanzkonzernen, von der EU und
NATO.
Die Klimahysterie ergriff natürlich kaum die wachsende
Zahl von Kindern der erwerbstätigen Armen, der Arbeitslosen, der
Hartz IV Ausgegrenzten, die sich täglich Sorgen machen um ihre pure
Existenz. Kinder und Jugendliche, die hungrig in materiell
vernachlässigte öffentliche Schulen gehen und keinerlei Aussicht
auf eine würdevolle Zukunft mehr haben.
Teile der
Friedensbewegung hatten das Thema „Rettung des Klimas“
aufgegriffen – offenbar in der Hoffnung, junge „Fridays for
Future“ Apostel auch für die überalterte Friedensbewegung zu
gewinnen. Das Ergebnis dürfte sich wohl in Grenzen
halten.
Inzwischen gehört das Thema Klima schon zum
allgemeinen Repertoire der Friedensbewegung. Einige Organisationen
fordern „Abrüsten“ und „Kriege beenden“ um das Klima zu
retten. Die Rüstungsindustrie müsse klimaneutral gemacht
werden.
Der Klimawandel würde viele Menschen in die Flucht
treiben. Das lenkt so schön ab von der Verarmung afrikanischer
Länder durch die imperialistische Ausbeutung ihrer Ressourcen und
den EU-Handelsverträgen zugunsten europäischer Konzerne.
Eine
Friedensbewegung, die den „Kampf fürs Klima“ in ihre Agenda
aufnimmt, isoliert sich nicht nur von der Bevölkerungsmehrheit. Wer
der Regierungspolitik der „Klimawende“ zustimmt, wird die Masse
der werktätigen Menschen gegen sich haben. Denn Millionen von
Menschen werden sich eine drastische Senkung des Lebensstandards
nicht gefallen lassen und Maßnahmen wie die CO2-Steuer, “Frieren
gegen Putin”, Betriebsverbote für Verbrennungsmotoren, irrsinnige
Spritpreise und nicht mehr bezahlbare Heizkosten etc. nicht
widerstandslos hinnehmen.
Zudem scheinen viele in der
Friedensbewegung nicht zu bedenken, dass Klimapolitik als
geopolitischen Waffe eingesetzt werden soll.
Laut dem sog.
Europäischen Green Deal, sollten die Auswirkungen der Klimapolitik
„zu einem integralen Bestandteil der Überlegungen und Maßnahmen
der EU in Bezug auf externe Angelegenheiten werden, auch im Kontext
der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.“
Im
Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es, Deutschland trage
„Verantwortung für Europa und die Welt“. Eine Nummer kleiner
geht es gar nicht mehr. Annalena Baerbock verkündet eine
„Klima-Außenpolitik.“ Um das Klima zu retten, müsse Deutschland
wieder „voranschreiten und zum Vorreiter“ werden. Klimapolitik
sei nicht nur“ moderne Wirtschafts-, sondern auch
Sicherheitspolitik.“
Letzten Dezember gab es sogar den
Versuch, das Klima zu einem Faktor der internationalen Instabilität
zu erklären und den Kampf gegen den Klimawandel in den
UNO-Sicherheitsrat einzubringen. Russland sprach sich entschieden
gegen die Politisierung des Klimas aus und legte sein Veto ein.
Laut
Wassili Nebenzya, dem russischen UNO-Vertreter, sei dies ein Versuch,
„Treibhausgasemissionen sowie die Sonne und den Mond“ für
bestimmte Konflikte verantwortlich zu machen. Demnach müsste der
UNO-Sicherheitsrat, „der über militärische Interventionen,
Sanktionen und den Einsatz von Friedenstruppen entscheidet, bestimmte
Konflikte ausschließlich auf Klimafaktoren zurückführen oder
Länder mit Klimaproblemen zu Verursachern globaler Bedrohungen
erklären.“
Es ist unschwer zu erahnen, dass das Klima, wie
schon vorher die „Menschenrechte“ als Waffe eingesetzt werden
könnte, gegen Länder, die sich dem Diktat des „klimarettenden“
Westens nicht beugen.
Das sollte der Friedensbewegung zu
bedenken geben, wenn sie meint, ihren ureigenen Kampf für Frieden
mit dem Kampf zur Rettung des Klimas verbinden zu müssen.
Die
traditionelle Friedensbewegung am Scheideweg.
Bündnispolitik war
für die Friedensbewegung immer wichtig, um mehr Menschen zu
mobilisieren. Das Problem ist natürlich auch immer, mit wem kann man
ein Bündnis machen und wie weit geht der Konsens. Auch in dieser
Frage steht die Friedensbewegung seit der russischen Militäraktion
vor einer neuen Situation.
Laut Scott Ritter, dem ehemaligen
Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie, sitzt die CIA, im
ukrainischen Informationsministerium und hat unter ihrer Kontrolle
was in Europa erzählt wird. CIA Direktor William Burns erklärte
voll Stolz im US-Senat, dass Putin den Informationskrieg verliert,
den die USA gegen Russland führt. Seitens der Ukraine wird der
Informationskrieg zudem mit dem Einsatz professioneller westlicher
Public Relation-Firmen organisiert.
Interessant wird, ob und
wieweit die hiesigen Medien die Informationen bringen, die in den USA
publik wurden: In der US-Administration gibt es einen Konflikt wegen
der Falschinformationen der Medien in Bezug auf die russische
Kriegsführung. Basierend auf diesen Lügen, drängen das
State-Department und der Kongress darauf, die NATO zu
involvieren.
Das Pentagon hingegen will eine militärische
Konfrontation mit Russland vermeiden und hat deshalb der Presse
Analysen durchgestochen, die aufzeigen, dass die Version der
russischen Seite über ihre Kampfführung tatsächlich der Realität
entsprechen. Das entzieht all den Berichten den Boden, Putin
bombardiere absichtlich Zivilbevölkerung, bereite einen Angriff mit
chemischen oder biologischen Waffen vor und seine Armee stecke
fest.
Die Bevölkerung auch hierzulande ist dem Trommelfeuer
der Propaganda im Stil faschistischer Kriegsberichterstattung
ausgesetzt. Sie ist so massiv und extrem, dass viele, ansonsten
kritische Zeitgenossen ihr blind folgen und nicht einmal mehr bereit
sind andere Informationen wenigstens zur Kenntnis zu nehmen. Ein
breites Mitläufertum unter sogenannten Aufgeklärten wurde
geschaffen. Nur können diese später nicht sagen „wir haben es
nicht wissen können“ aufgrund des bisher noch möglichen Zugangs
zu anderen Informationen.
Am 27. Februar wurden binnen weniger
Tage Hunderttausende mobilisiert und als neue Friedensbewegung
gefeiert. Das geht nicht ganz so spontan wie man annehmen könnte.
Dahinter steht „Campact“ eine sehr professionelle, finanziell gut
ausgestattete Massenmobilisierungsmaschine, die seit mehreren Jahren
allerlei Unterschriftskampagnen online lanciert und damit inzwischen
2,3 Millionen Adressen gesammelt hat, die sie nun für eine
Mobilisierung gegen Putin anschreibt.
Neben ihrer
erfolgreichen Mobilisierung für den 27. Februar und 13. März
fordert Campact dazu auf, in der Öffentlichkeit ein Zeichen für
„Solidarität mit der Ukraine“ zu setzen und bietet kostenfreie
Sets mit blau-gelben Stickern und Plakaten „Stop Putin, Stop War“
an. Kostenfrei millionenfach.
Für die Kampagne „Stoppt den
Krieg“ hat Campact ein Bündnis geschlossen mit Gewerkschaften,
Umweltverbänden, Kirchen, allerlei sogenannten NGOs. Selbst einige
traditionelle Organisationen der Friedensbewegung schlossen sich
an.
Dazu schreibt die junge Welt: „Kaum zu übersehen ist
die Doppelmoral vieler Akteure des Bündnisses. So gehören zu den
treibenden Kräften hinter der momentanen Mobilisierung der DGB und
die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) – beides
Organisationen, die im Frühjahr 1999 den völkerrechtswidrigen
Angriff der NATO auf Ex-Jugoslawien voll mitgetragen haben.„
Mit
diesen Demonstrationen erklären sich nun namhafte Künstler,
Wissenschaftler und Politiker solidarisch und haben einen Aufruf
lanciert: „Der Appell„, der im Sekundentakt im Internet die Zahl
der Unterschriften hochschießen lässt. Er wendet sich gegen das
Hochrüstungsprogramm, der Bundesregierung, aber mit keinem Wort
gegen die Waffenlieferung an Kiew – und stimmt gleich zu Beginn
gegen Putin ein: „Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen.
Putin trägt die volle Verantwortung für die Toten und die Menschen
auf der Flucht. Putins Begründungen für den Krieg sind Lügen und
Propaganda.“
Der Freund und Journalist Christian Harde
schrieb dazu folgende sehr treffende Anmerkung: Der „Appell“
dient einzig und allein dazu, die Reste, die noch von der
Friedensbewegung und der politischen Linken übrig sind, a) weiter zu
spalten, b) zu diskreditieren (wenn sie nicht mitmachen), c) auf
NATO-Linie zu bringen und so politisch zu neutralisieren. Sich gegen
Aufrüstung auszusprechen, wird nur dann noch, aber auch nur
ansatz-/zeitweise geduldet, wenn gleichzeitig tiefe „Abscheu und
Empörung“ über Putin geäußert werden.
Die Spaltung der
traditionellen Friedensbewegung wird vertieft. Es gibt noch Gruppen,
die sich dieser organisierten Ostfront nicht anschließen, aber
meinen einen Mittelweg finden zu können. Sie verlangen den Abzug der
russischen Truppen und einen Stopp der
NATO-Erweiterung.
Konfrontiert mit den gleichen Problemen in
der Friedensbewegung in den USA, schreibt der US-Friedensrat: „Diese
Position ignoriert die kausalen Zusammenhänge, die der
Ukraine-Situation innewohnen. Es stellt Ursache und Wirkung auf die
gleiche Ebene, während es die Tatsache ignoriert, dass die
NATO-Erweiterung der wesentliche Grund für die militärische Antwort
Russlands ist. Aus diesen Gründen sieht die Position der
äquivalenten Schuld, oberflächlich betrachtet, ausgewogen aus, ist
es aber in Wirklichkeit nicht.“
Die Mehrheit der Erklärungen
und Aufrufe aus der traditionellen Friedensbewegung beginnt mit der
Verurteilung der „völkerrechtswidrigen russischen
Aggression.“
Der Landesverband der Freidenker Berlin macht
darauf aufmerksam, dass Beides in der UNO-Charta festgeschrieben ist:
„die Verurteilung von Angriffskriegen UND das Recht auf nationale
Selbstverteidigung. Die Fakten, dass nicht nur die
Donbass-Republiken, sondern auch die Russische Föderation die
Wahrung dieses Rechts auf Selbstverteidigung nicht aufschieben
konnten, sind erdrückend.“
Viele in der Friedensbewegung
sind schockiert, enttäuscht, ihr Vertrauen in Russland ist
erschüttert. Aber was erwarten sie denn von Russland? Seit den
90iger Jahren lügen und betrügen die USA/NATO ein geduldiges
Russland.
Nach all den Jahren des Näherrückens der NATO, der
militärischen Aufmärsche und Aufrüstung, des einseitigen Bruchs
von Vereinbarungen, der Blockade und schließlich Aufkündigung von
Minsk II, meinen sie, Russland hätte ruhig noch weiter abwarten
können, bis die Ukraine NATO-Mitglied ist und Atomraketen hat?
Welche Alternative wäre Russland denn überhaupt noch
geblieben?
Wenn die Friedensbewegung in ihren Aufrufen und
Erklärungen fordert: „Verhandeln jetzt„, hat sie nicht
hingehört, als die russische Regierung mehrmals angekündigt hatte,
dass sie die Verweigerung ernsthafter Verhandlungen auf Dauer nicht
hinnehmen werde. Hatten sie angenommen, Putin und Lawrow erzählen
einen Witz, als sie die NATO wiederholt davor warnten, die „rote
Linie“ nicht zu überschreiten?
Um es noch einmal deutlich
zu machen: Am 17. Dezember hatte die Russische Föderation den USA
und der NATO Vertragsentwürfe für gegenseitige Sicherheitsgarantien
übergeben.
Sergej Lawrow kommentierte die Antwort der
USA/NATO mit den Worten, sie „ist so ideologisch, sie atmet so viel
von der Exklusivität des Nordatlantischen Bündnisses, seiner
besonderen Mission und seinem besonderen Zweck, dass ich mich ein
wenig für diejenigen schäme, die diese Texte geschrieben
haben“.
Es wurde noch einmal deutlich: Die USA waren nicht
an ernsthaften Verhandlungen interessiert. Daraufhin informierte die
russische Regierung – in einer Pressemitteilung vom 17. Februar –
die Öffentlichkeit über ihre ausführliche Antwort. Darin heißt es
u.a. ausdrücklich: „Sollte die amerikanische Seite nicht bereit
sein, feste, rechtlich verbindliche Garantien zu vereinbaren, um
unsere Sicherheit vor den USA und ihren Verbündeten zu
gewährleisten, wird Russland gezwungen sein, zu reagieren, auch mit
militär-technischen Maßnahmen.“
Abstrakte
pazifistische Parolen haben gegenwärtig Hochkonjunktur: „Die
Waffen nieder – sofortiger Waffenstillstand – den Krieg
stoppen!“ Überlegen jene in der Friedensbewegung, die das im
Verbund mit der NATO fordern, was die Konsequenz wäre?
Ein
vorzeitiger Rückzug der russischen Truppen ohne eine weitgehende
Demilitarisierung, Entnazifizierung und ein entsprechendes
politisches Übereinkommen erreicht zu haben, würde bedeuten, die
USA bleiben mit Biowaffenlaboren und demnächst Atomwaffen in der
Ukraine. Washington hält sich in sicherem Abstand und benutzt
weiterhin das ukrainische Regime, um Russland zu provozieren und die
Spannungen bis zum nächsten Zerreißen aufrechtzuerhalten, der
Westen würde, wie Boris Johnson es formulierte, mit neuer Aufrüstung
„die Stacheln des ukrainischen Stachelschweins stählen, um es für
die russischen Streitkräfte in Zukunft ungenießbar zu machen“.
Und Russland soll die existentielle Bedrohung an seinen Grenzen, die
nur noch größer werden würde, hinnehmen?
Es wird von
Krieg mitten in Europa geredet, aber was ist mit dem Faschismus
mitten in Europa?
Was ist das für eine Ukraine, dessen
Staats- und Sicherheitsapparat von Nazis durchsetzt ist, das einen
Nazi-Kollaborateur und Massenmörder Bandera als Nationalheld feiert,
dessen Neonazi Bataillon Asow menschliche Schutzschilde benutzt und
auf fliehende Zivilsten schießt, in der ein Sanitätschef im
Fernsehen die Kastration verwundeter russischer Kriegsgefangener
anordnet, weil sie „Kakerlaken sind und keine Menschen“ – oder
ein TV-Moderator in einer Livesendung Adolf Eichmann zitiert und dazu
auffordert russische Kinder zu töten um Russland zu vernichten –
um nur einige Beispiele zu nennen.
Heute beschweigt eine
deutsche Friedensbewegung in ihrer Mehrheit weitgehend den Faschismus
an der Grenze Russlands und fordert von der russischen Armee den
Kampf zur Entnazifizierung der Ukraine aufzugeben, die als Vorhut des
USA/NATO-Faschismus gegen Russland fungiert.
Sie versteht
offenbar nicht, wie tiefgreifend die Erfahrung mit dem Faschismus
heute noch in Russland verankert ist.
Während Russland gegen
die faschistische Vorhut in der Ukraine kämpft, um sie diesmal
bereits an der Grenze abzuwehren, wenden sich viele Teile der
Friedensbewegung gegen Russland, statt offensiv und massiv gegen die
USA und ihre Speerspitze in der deutschen Regierung zu
mobilisieren.
In der Friedensbewegung gibt es genug gut
informierte Aktive, die die Strategie kennen, die die USA seit 100
Jahren verfolgen, die darauf abzielt eine Annäherung zwischen
Deutschland und Russland zu verhindern.
Merken sie nicht, wie
Washington sich genüsslich zurücklehnt und die europäischen
Verbündeten – an vorderster Front Deutschland – gegen Russland
agieren lässt, gegen die eindeutigen Interessen der Völker Europas,
gegen unsere Interessen?
Wir müssen eine von den USA
unabhängige Politik im Interesse unseres Landes fordern, die
Beendigung der Aufrüstung und Kriegshysterie und des
Sanktionswahnsinn, der als Bumerang zurückkommt, noch viel mehr
Arbeitsplätze vernichtet und große Teile der Bevölkerung
verarmt.
Das wäre auch die Basis einer Bündnispolitik, die
langfristig Mehrheiten in der Bevölkerung mobilisieren könnte.
Die
Friedensbewegung stünde damit auch im Bündnis mit wachsenden Teilen
der Weltbevölkerung, die die US-Hegemonie, den Neokolonialismus, die
Arroganz, und Doppelmoral des „Wertewestens“ nicht mehr hinnehmen
wollen und mit Ländern, die unter den US-geführten Aggressionen und
Subversionen gelitten haben und sich zusehends Russland und China
zuwenden.
Auch wenn in der UNO die Russland-feindlichen
Resolutionen mehrheitlich Zustimmung fanden, die meisten Länder der
Welt schließen sich der Sanktionspolitik gegen Russland nicht an,
sondern sind an der Entwicklung wirtschaftlichen Kooperation mit
Russland interessiert.
Einige meinen, es ginge um einen
interimperialistischen Krieg, weil Russland heute ein
kapitalistischer Staat sei. Deshalb sollte oder könnte man auch
keine Position beziehen.
Nein, es geht um zwei grundsätzlich
antagonistische außenpolitische Interessen und Strategien zwischen
den USA und Russland: Hegemonie versus souveräne Gleichheit.
Auf
der einen Seite die USA, die „exzeptionelle“ Nation mit globalem
Führungsanspruch, die die ganze Welt zu ihrem Interessensgebiet
erklärt und anderen Ländern eigene unabhängige Interessen
abspricht. Zusammen mit den Staaten, die die US-Politik untertänigst
unterstützen, bilden sie die „Wertegemeinschaft“, die sich das
Recht nimmt andere Länder zu belehren, zu bedrohen, mit
Wirtschaftssanktionen zu belegen, deren Regierungen zu stürzen oder
Waffengewalt einzusetzen, wenn sich diese Länder ihrem Druck nicht
beugen.
Im Gegensatz dazu Russland, dessen herausragende
diplomatische Rolle in den letzten Jahren deutlich wurde, die die
Regierung Putin/Lawrow in internationalen Konflikten gespielt hat. Es
ist eine Außenpolitik, die vom Prinzip der souveränen Gleichheit
aller Nationen ausgeht und die respektvolle Zusammenarbeit,
Stabilität, Berechenbarkeit und Ausgleich sucht – eine Politik,
die auf dem Grundsatz der unteilbaren und gleichen Sicherheit für
alle basiert.
Die Verantwortung für die gegenwärtigen
Situation liegt allein bei den USA, der NATO, der EU und der
Bundesregierung, die alles getan haben, die sich zuspitzende Gefahr
eines militärischen Zusammenstoßes noch weiter anzufeuern.
Auch
wenn die militärische Operation Russlands erfolgreich zur
Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine führen sollte,
der grundsätzliche Kampf der USA und ihrer untergebenen Verbündeten
zur Rettung ihrer Hegemonie wird andauern. Er könnte noch
gefährlicher werden. Darauf müssen wir uns einstellen und
vorbereiten.
Von Teilen der Friedensbewegung, die sich in
größter Eile mit NATO-kompatiblen pazifistischen Parolen in die
Querfront gegen Russland einreihen, ist vorläufig wohl nicht viel zu
erwarten.
Ich möchte mit einem Zitat enden:
„Man
muss bedenken, dass pazifistische Phrasen, Redensarten und
Beteuerungen, manchmal sogar Schwüre gegen den Krieg und für den
Frieden in der ganzen Welt außergewöhnlich oft zu hören sind,
während wir der Bereitschaft, wirkliche Schritte, seien es auch nur
die allereinfachsten, besonders in den modernen zivilisierten
Staaten, außergewöhnlich selten begegnen. Aber wir möchten sowohl
in dieser, wie auch in ähnlichen Fragen möglichst wenig allgemeine
Erklärungen, feierliche Versprechen und pompöse Formeln hören und
dafür möglichst viele ganz einfache, ganz klare Beschlüsse und
Maßnahmen sehen, die tatsächlich zum Frieden führen, von der
völligen Beseitigung der Kriegsgefahr gar nicht zu sprechen.
“
Wladimir Iljitsch Lenin, am 27. Oktober 1922 in einem
Interview mit dem britischen Observer
Lenin Werke Band 33, DIETZ
VERLAG BERLIN 1977, Seite 372
Doris Pumphrey ist
Aktivistin in der Friedenskoordination (Friko), Berlin
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