Entnommen:
http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2021/RF-287-12-21.pdf
AKTUELLES
AUS dem „RotFuchs“ Dezember 2021
In
bester Erinnerung...
(Titel von H.P.)
Auszüge
aus der Rede von Egon Krenz
anläßlich
des 75. Jahrestages der Gründung der DDR-Grenztruppen am 6. November
in Berlin (…)
Deutschland ist auch nach 30 Jahren
zutiefst gespalten, nicht nur in Ost und West, vor allem sozial; die
Gesellschaft ist von neuen Mauern durchzogen, Zukunftsängste nehmen
zu. DDR-Werte wie Gemeinwohl, Gemeinsinn, Gerechtigkeit,
Geborgenheit, soziale Sicherheit und Solidarität, die wir aus
unserem ersten Leben sehr gut kennen, sind dieser Gesellschaft fremd.
Standen sich bis 1990 die beiden feindlichen Weltsysteme Sozialismus
und Kapitalismus gegenüber, so verläuft inzwischen die Trennlinie
wieder mitten durch Deutschland und teilt die Menschen nach ihrem
Eigentum ein, nämlich Lohnarbeit und Kapital, wie wohl Marx und
Engels das nennen würden.
Was alles haben wir seit der Rückkehr
des Kapitalismus in unser Land erleben müssen! Es ist gut, dies
nicht zu vergessen und sich zu erinnern, wie die Bundesrepublik
Deutschland ihre selbst proklamierten Regeln für einen Rechtsstaat
brach, um die DDR zu einem beispiellosen Kriminalfall der deutschen
Geschichte im 20. Jahrhundert herabzuwürdigen.
Jeder von uns hat
da seine eigene Bilanz. Das ist auch gut so. So werden Geschichte und
Geschichten an die Enkel und Urenkel weitergegeben und der Nachwelt
wird hinterlassen, daß die DDR trotz vieler Fehlentwicklungen anders
war als ihre Gegner sie heute schildern: Sie war politisch ehrlicher,
sozial gerechter, moralisch sauberer, dem Gemeinwohl verpflichtet auf
dem Wege in eine Gesellschaft, in der der Mensch nicht des Menschen
Wolf war, in der er mehr galt als das Scheckbuch, weil die
Großkapitalisten, ihre Banken und die Großgrundbesitzer entmachtet
waren.
Daß die Linke diese antikapitalistische Basis der DDR
nicht als Teil ihrer Geschichte verteidigt und darauf für die
Zukunft aufbaut, ist für mich ein historischer Fehler. Ohne die DDR
ist Deutschland weder gerechter noch friedlicher geworden. Das
Besondere an der DDR ist, das ihr kein Geschwätz nehmen kann: Sie
ist d e r deutsche Staat, der nie einen Krieg geführt hat. Sie hat
für Kriegsgefallene keine Ehrenhaine schaffen und ihre Soldaten
nicht kopflos aus Kriegsgebieten heimholen müssen.
Kein
NVA-Soldat, kein Grenzer hat je zu Kampfeinsätzen fremden Boden
betreten müssen. Und das, liebe Genossen, ist das Wichtigste Eures
Lebens, das Entscheidende in der Geschichte der Grenztruppen: Ihr
habt beigetragen, daß die DDR Synonym ist für 40 Friedensjahre in
Europa. Darauf kann jeder von uns stolz sein. (…)
Wenn
heutzutage Politiker und Medien, selbst die noch amtierende
Bundeskanzlerin, gönnerhaft zugestehen, die Lebensleistungen der
Ostdeutschen anerkennen zu wollen, dann klingt das angesichts des
bisherigen Umgangs mit DDR-Biografien, nach Treuhand als
Selbstbedienungsladen für Westkapital, nach De-Industrialisierung,
nach Rückgabe vor Entschädigung, nach Schleifung Volkseigener
Betriebe und Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, nach
krimineller Veruntreuung von Fördergeldern Ost im Westen, nach
Arbeitslosigkeit und Rentenstrafrecht – dann klingt das mehr als
heuchlerisch.
Der Bundespräsident hat kürzlich die Ostdeutschen
zu mehr „Selbstbewußtsein“ aufgerufen. Eigentlich lobenswert,
doch vergessen, die Wahrheit hinzuzufügen, daß die Regierenden der
Bundesrepublik, ihre Medien und Institutionen seit über 30 Jahren
damit beschäftigt sind, das Selbstbewußtsein von DDR-Bürgern zu
brechen, ihre Erfahrungen und ihr Wissen als „Ballast“ zu
denunzieren.
Als ich Anfang der 90er Jahre Gorbatschow traf, um
ihn zu informieren, daß die bundesdeutsche Justiz fast 100 000
politische Ermittlungsverfahren gegen DDR-Bürger eingeleitet hatte,
erzählte er mir von einem Gespräch mit Bundeskanzler Kohl. Der habe
ihm gesagt, wirtschaftlich werde man die „deutsche Einheit“
schnell meistern, aber – Zitat – „Michail Sergejewitsch, wir
sind da drüben im Osten einem fremden Volk begegnet. Die sind ganz
anders als wir.“ (…)
Daß es Millionen selbstbewußte Bürger
gab und noch gibt, die gern in der DDR lebten und sehr viele von
ihnen hier auch ihr Vaterland sahen, die sich eingesetzt haben, daß
das Leben lebenswerter wurde, das hatte im antikommunistischen Denken
der altbundesdeutschen Elite keinen Platz. (…)
Das hat sich bis
heute nicht geändert. Wenn es um die DDR geht, verfallen selbst
sonst oft sachlich argumentierende Politiker in das Reich der
Fantasie. Wolfgang Schäuble zum Beispiel meinte in einem
Streitgespräch mit der Schriftstellerin Daniele Dahn allen Ernstes,
mit der Einheit sei auch die Gesichtsfarbe der Menschen (aus der DDR)
eine andere geworden. „Die war früher grau. Die Menschen gucken
jetzt offener, die haben früher immer nur nach unten geschaut.“
Ein Kommentar zu solcher Albernheit ist überflüssig. Wie
„stark“ aber beispielsweise das angeblich konkrete Wissen des
zweiten Mannes im Staat über die DDR wirklich ist, verrät sein
geradezu belustigendes Urteil: „In der DDR durfte man gar nicht
studieren, wenn man nicht Mitglied der SED … war.“1 (…) 1
Vergleiche: Daniela Dahn, „der Schnee von gestern ist die Sintflut
von heute. Die Einheit – eine Abrechnung“, S. 52
Zu den
größten Leistungen der DDR gehört aber, daß sie das
jahrhundertealte Bildungsprivileg der Ausbeuterklassen gebrochen
hatte. Den nicht in der DDR sozialisierten Politikern empfehle ich
zur Weiterbildung den Roman von Hermann Kant „Die Aula“, der viel
über den schwierigen Weg von Arbeitern und Bauern zu Akademikern
aussagt.
1990 wurden die meisten von ihnen wieder in ihren alten
Stand zurückgesetzt – von Akademikern zu Zwangsrentnern mit
Rentenkürzung. Und das in der schöpferischsten Phase ihres Lebens.
Was für eine Demütigung und zugleich Vergeudung geistigen
Reichtums.
Solche Bosheiten von Politikern wie oben angeführt
sind keine einmaligen Entgleisungen. Sie sind die Fortsetzung dessen,
was 1990 als Wille der Obrigkeit formuliert worden war: Die DDR habe,
so das Fehlurteil eines Westberliner regierungstreuen Professors,
„fast ein halbes Jahrhundert die Menschen verzwergt, ihre
Erziehung, ihre Ausbildung verhunzt“.2
Altbundespräsident
Gauck sprang dem Regierungsprofessor aus dem Westen bei: „Wir
konnten nicht zulassen“, verkündete er, „daß die
sozialistischen Globkes in ihren Ämtern und Positionen in Staat und
Gesellschaft blieben.“
Dies war eine unglaubliche Gleichsetzung
von Hunderttausenden entlassenen Lehrern, Wissenschaftlern, Juristen,
Diplomaten, Militärs und Angestellten der DDR mit belasteten Nazis
wie dem unter Konrad Adenauer als Staatssekretär in das
Bundeskanzleramt geholten Mitautor des Kommentars zu den Nürnberger
Rassegesetzen, die den Mord der Nazis an Juden, Sinti und Roma
legitimiert hatten.
Um noch einmal in Erinnerung zu rufen, mit
welchen Mordgesellen die DDR-Verantwortlichen durch Herrn Gauck
verglichen wurden: Globke war Oberregierungsrat im
Reichsinnenministerium der Nazis. Er schrieb: „Die Juden müssen
sich damit abfinden, daß ihr Einfluß auf die Gestaltung des
deutschen Lebens ein für alle Mal vorbei ist.“
Globke wurde in
der DDR zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Das war nicht
Propaganda, wie das oft behauptet wird, sondern eine prinzipielle
politische Auseinandersetzung mit der faschistischen Diktatur und
ihren Aktivisten.
In diesem Zusammenhang sagen Zahlen viel
darüber aus, mit welchem Personal man rücksichtsloser umgesprungen
ist, mit Nazis oder mit Antifaschisten: 1933 wechselten die Nazis elf
Prozent der Eliten der Weimarer 2 Professor A. Baring „Deutschland,
was nun?“ RotFuchs / Dezember 2021 Seite 13 Republik aus. In
Westdeutschland wurden 1945 dreizehn Prozent der Nazikader entfernt.
Nach dem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik schickte die neue
bundesdeutsche Herrschaft 85 Prozent der DDREliten ins berufliche und
damit oft auch ins soziale Aus.
Vergangenheit als SS-Angehöriger
störte bei der Übernahme in bundesdeutsche Ämter nicht, IM gewesen
zu sein dagegen wurde zum Kainsmal auf Lebenszeit.
Meines Wissens
hat niemand aus der Bundesregierung je solchen Diskriminierungen
widersprochen. Wie auch dem Slogan nicht „Leben wie bei Kohl und
arbeiten wie bei Honecker“, was uns DDR-Bürgern quasi zu
Schmarotzern erklärte oder dem Urteil, Ursache für rechtes
Gedankengut im Osten sei das „Zwangstopfen“ in den Kinderkrippen
der DDR. Der westdeutsche General Schönbohm war sich als
brandenburgischer Innenminister sicher, daß der fürchterliche
Babymord in Finkenheerd unbedingt eine „Folge der Proletarisierung
in der DDR“ gewesen ist. Nicht vergessen auch die wiederbelebte
Kampagne gegen die Roten Socken, in deren Folge nicht wenige
DDR-Bürger durch Selbstmord aus dem Leben geschieden sind. Bis in
die Gegenwart hinein wird keine Statistik darüber veröffentlicht,
wer aus Verunglimpfung, Verurteilung oder finanzieller Not im
Zusammenhang mit der „deutschen Einheit“ aus dem Leben ging. (…)
Wie man sich auch dreht und wendet, die Diskriminierung von
DDR-Bürgern war staatlich gewollt, von der „Aufarbeitungsindustrie“
erfunden, von der Regierung angeordnet und – wo notwendig – von
den Gerichten ausgeführt.
Ich frage mich manchmal schon, warum
das alles?
Es geht ja nicht um die Aufbereitung historischer
Fehler. Daran würde ich mich ja gern beteiligen. Schon, damit es
kommende Generationen besser machen als wir. Nein, es geht nicht
einmal nur um Revanche dafür, die Macht des Kapitals für einige
Jahrzehnte eingeschränkt zu haben. Es geht um Prävention, daß die
Erinnerung an die tatsächliche DDR als Impuls für kommende Kämpfe
wirken könnte.
Ein Streit um die Geschichte ist immer auch ein
Streit um die Gegenwart. Die Umdeutung der Geschichte ist inzwischen
auch mit einer Neuverteilung geschichtlicher Schuld verbunden. In den
Ersten Weltkrieg sei man halt nur so reingerutscht, ganz ohne
imperiale Interessen. Für den Zweiten Weltkrieg gibt es gleich zwei
Verantwortliche: Stalin und Hitler, womit deutsche Schuld relativiert
wird. Die Schuld für die Spaltung Deutschlands wird allein der DDR
angedichtet. Was für ein Geschichtsrevisionismus!
Zu den
absurdesten Vorwürfen gehört, DDRBürger hätten 40 Jahre auf der
„falschen Seite der Geschichte gestanden“. Der Mann, aus dessen
Mund das stammt, ist noch immer vom Siegesrausch seines Gleichen
benebelt. Wer, bitte schön, bestimmt, wo die richtige Seite der
Geschichte war? Etwa der mit dem zweifelhaften Titel
„Ostbeauftragter“, ein Parteifreund des früheren rechtslastigen
Präsidenten des Verfassungsschutzes? Nein, schauen wir auf die über
200jährige Geschichte nach der Französischen Revolution und der
Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und ihre Auswirkungen, dann
stellen wir einen Kampf von Revolution und Konterrevolution fest.
Genau das erleben wir auch jetzt. Wie dieser Kampf ausgeht, wird die
Zukunft erweisen.
Unzählige Ereignisse in der Welt und in
Deutschland haben die DDR-Bürger immer zur Parteinahme
herausgefordert: die nie heilenden Wunden von Hiroshima und Nagasaki,
die Todesschüsse auf Patrice Lumumba, Martin Luther King, Salvador
Allende, Mandela in rassistischem Gewahrsam auf Robben Island,
US-Invasionen von Vietnam über Kuba bis Grenada, Befreiungskriege in
Angola, Mozambique und weiteren Staaten in Asien und Afrika.
Und
die Bundesrepublik Deutschland? Immer – offen oder verdeckt – an
der Seite der Invasoren, der Apartheid in Südafrika und der
Diktatoren in Griechenland, Portugal, Spanien und Chile. Bis heute
werden deutsche Waffen an Diktaturen geliefert.
Wie verwirrt muß
jemand sein, der vor diesem geschichtlichen und aktuellen Hintergrund
DDR-Bürger auf „diktatursozialisiert“ reduziert, die auch „nach
30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen“ seien. Abgesehen
davon, daß es ja für die DDR spricht, wenn sich so viele ihrer
erinnern. Der Herr vergißt vor das Hauptwort „Demokratie“ die
Adjektive „westdeutsche“ oder „bürgerliche“ zu setzen. Auf
die Idee, daß diese Demokratie weit weg ist von dem, was
Volksherrschaft wirklich bedeutet, kommen diese Leute nicht. Wenn man
unsere Sozialisation schon mit einem Wort ausdrückt, dann sind wir
vor allem „humanismussozialisiert“.
Wir verstanden uns als
Arbeiter-und-Bauern-Staat, wenn man so will, als eine Diktatur der
Mehrheit über die Minderheit. Diktatur hin und her, entscheidend ist
doch die Rolle, die die Menschen in einem Staat spielen. Kein Realist
wird bestreiten können, daß wir bei allem Unvollkommenen da besser
waren als die Bundesrepublik heute ist. Es kann nicht gelingen, den
Leistungen der Ostdeutschen mehr Respekt zu zollen, wenn gleichzeitig
der Staat, auf dessen Boden diese erst ermöglicht wurden, als
Unrechtsstaat herabgewürdigt wird. Wie lächerlich ist doch die
Behauptung, DDR-Bürger hätten ihre Leistungen „trotz SED-Regimes“
vollbracht.
Den Regierenden ist offensichtlich bis in unsere Tage
hinein entgangen: DDR-Bürger hatten nicht nur die Trümmer des
Zweiten Weltkrieges beseitigt, Städte und Dörfer wieder bewohnbar
gemacht, wertvolle kulturhistorische Bauten wiedererrichtet, sondern
auch zahlreiche neue Betriebe, Straßen, Stadtteile und Städte mit
modernen Wohnungen, Schulen, Kinderkrippen und Kindergärten,
Ambulatorien, Krankenhäusern, Sport- und Kulturstätten geschaffen.
Nicht zu vergessen, daß jene historischen Gebäude, in denen sich
die heute Regierenden selbst feiern, von der DDR wiederaufgebaut
wurden: das Schauspielhaus Berlin, die Semperoper Dresden, das
Gewandhaus Leipzig und vieles mehr. Es gab 1945 nichts, aber auch gar
nichts, was die SED hätte runterwirtschaften können, wie ihre
Gegner behaupten. Mit Schmerz haben wir dagegen erleben müssen, daß
der moderne „Palast der Republik“, mit dem Fleiß des Volkes
aufgebaut, dem reaktionärsten Traditionsbewußtsein der
Konservativen weichen mußte. Zurecht empfinden viele das als ein
kulturpolitisches Verbrechen.
Wenn die DDR so großartig war,
höre ich oft, warum gibt es sie dann nicht mehr? In der Regel
erwartet man von mir die Antwort sogar in einem Satz. Diesen einen
Satz kenne auch ich nicht.
Die Antworten fielen dann auch in den
zurückliegenden Jahren sehr unterschiedlich aus. Für die einen war
Honecker der Bösewicht, der vom Altersstarrsinn befallen sein
sollte, für andere hatte Krenz, also ich, zu spät gehandelt und
dann alles in den Sand gesetzt; Modrow hätte es besser gekonnt. Für
einen ganzen Parteitag, der das Kind mit dem Bade ausschüttete,
wiederum war der Stalinismus schuld, jener Gummibegriff, der als
Totschlagsargument für alles und nichts benutzt werden kann. Andere
fanden heraus, die DDR hätte 1985 einfach nur Gorbatschow und seiner
Perestroika folgen müssen, dann wäre alles gut gegangen, obwohl
inzwischen erwiesen ist, daß diese Politik letztlich zur
Zerschlagung der Sowjetunion geführt hat. Es gab auch Leute, die
einen anderen Sozialismus als den in der DDR wollten, ohne zu wissen,
wie der denn hätte aussehen sollen, ohne Marx und ohne Lenin. Mehr
Demokratie hätte die DDR retten können, meinen wiederum andere.
Viele finden persönliche Gründe heraus: herzloses Handeln von
DDR-Verantwortlichen, fehlende Reisefreiheit, mangelndes Vertrauen,
Amtsmißbrauch und Korruption. Inzwischen ist Gorbatschow der
„Verräter“, der für alles verantwortlich ist. Darin liegt viel
Wahrheit, vor allem die Entsendung seines Beauftragten Portugalow
hinter dem Rücken der DDR am 21. November 1989 zu Gesprächen nach
Bonn war die entscheidende Operation zur Preisgabe der DDR.
Verrat
hat nur einen „Schönheitsfehler“. Es sagt nichts darüber aus,
warum wir uns haben verraten lassen.
Bei jedem der oben genannten
Gründe gibt es sicher ein Körnchen Wahrheit, das zum Gesamtbild
beiträgt, bei dem einen weniger, bei dem anderen mehr. Für Gregor
Gysi jedoch ist die Sache einfach: Die DDR sei an sich selbst
gescheitert und das zurecht, meint er. Sie sei uneffektiv,
undemokratisch und unökologisch gewesen. Basta! Das ist für mich
eine unzulässige Vereinfachung. Ich verkenne nicht, daß ein
Großteil subjektive Schuld auch bei der Partei- und Staatsführung
lag, der ich angehörte und sie zum Schluß selbst leitete. Je
schwieriger die Situation wurde, um so weniger haben wir die
Realitäten des Lebens wahrgenommen. Die gesellschaftliche Realität
wurde vom Politbüro geschönt und dieses schöne Bild als die
gültige Realität ausgegeben. Das Vertrauensverhältnis zwischen
Partei und Volk wurde so über einen langen Zeitraum zusehends
zersetzt. Vor allem haben wir versäumt, die Veränderungen in der
Welt Seite 14 RotFuchs / Dezember 2021 aus marxistischer Sicht zu
analysieren und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen und diese mit der
Bevölkerung offen und ehrlich zu diskutieren. Die DDR-Bevölkerung
war doch politisch hochgebildet und interessiert. Dieses Potential
haben wir leider in den 80er Jahren ungenutzt gelassen. Als uns im
Sommer 1989 so viele Bürger verließen, waren Politbüro und
Regierung sprachlos und hatten nur die unsinnige Aufforderung parat,
den Flüchtigen „keine Träne nachzuweinen“.
Trotz allem
scheint mir, die Antwort auf einen komplexen historischen Vorgang,
auf den Untergang einer geschichtlichen Epoche, kann auch nur komplex
sein. Die DDR ist als Teil eines Ganzen, als ein Land des
europäischen Sozialismus, von der politischen Landkarte getilgt
worden. Sie ist an objektiven historischen Umständen zerbrochen, vor
allem daran, daß von Moskau bis Berlin die viel beschworene Einheit
von sozialistischer und wissenschaftlich-technische Revolution nicht
wirklich in Angriff genommen wurde. Dafür aber das Wettrüsten, das
Unsummen verschlang. Die UdSSR lief in die von den USA aufgestellte
strategische Falle des Wettrüstens.
Man darf nicht alles auf den
imperialistischen Gegner schieben. Aber daß der von Anfang an und
mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln versucht hat, die DDR
zu beseitigen, darf man nicht kleinreden. Die DDR war ihm von Anfang
an ein Dorn im Auge. Er unterschob uns schon Verbrechen, als wir noch
gar nicht existierten. Als 1948 das Grundgesetz der Bundesrepublik
ausgearbeitet wurde, hat Carlo Schmid (SPD) formuliert: Man wolle
„treuhänderisch“ für das gesamte deutsche Volk ... ein
Rumpfdeutschland, das den Anspruch erhebt, Gesamtdeutschland zu
repräsentieren. Eine Folge wäre, daß man die Bevölkerungsteile
Mittel- und Ostdeutschlands als Irredenta (beanspruchtes Gebiet im
Ausland – d. Red.) anzusehen hätte, deren Heimholung mit allen
Mitteln zu betreiben wäre. Wer sich diesem Anspruch einer
westdeutschen Regierung nicht unterwerfe, hieß es weiter, wäre „als
Hochverräter zu behandeln und zu verfolgen“.3
Kohl und seine
Leute griffen in diesem Sinne zu, als das Hauptland des Sozialismus,
die UdSSR, schon auf dem Sterbebett lag. Die Sowjetunion und mit ihr
wir hatten den Kalten Krieg verloren. (…)
Vor zwei Jahren hat
der Bundespräsident in seinem Amtssitz eine Gesprächsreihe
„Geteilte Geschichte“ eröffnet, was wohl so viel heißen sollte,
die Geschichte beider deutscher Staaten und ihrer Menschen zu
erzählen. Eigentlich eine gute Idee. Aber
3 Verfassungskonvent
vom Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948. Protokolle der
Sitzungen der Unterausschüsse, Unterausschuß I: Grundsatzfragen,
Bundesarchiv
(Koblenz), Z. 12, Nr. 26, S. 4/5. Zit. nach R.
Badstübner: Friedenssicherung und deutsche Frage. Vom Untergang des
Reiches bis zur deutschen Zweistaatlichkeit 1943 bis 1949, Berlin
1990, S. 379
„aufgearbeitet“ wird ja bisher leider nicht die
Geschichte beider Staaten, sondern nur die der DDR. Und das ist noch
geschönt ausgedrückt. Tatsächlich steht die DDR am Pranger,
während die Bundesrepublik alles Gute und Schöne der deutschen
Geschichte repräsentieren soll.
Der Eröffnungsvortrag des
Bundespräsidenten setzt leider diese negative Tradition fort. Es
wimmelt nur so von Verdächtigungen gegen die DDR ohne Bezug auf die
zeitgeschichtlichen Zusammenhänge. Vermißt habe ich beispielsweise
Vorgänge, für die Stichworte stehen wie:
• Wer eigentlich ist
verantwortlich für die Spaltung Deutschlands,
• wer für die
nahtlose Wiederverwendung großer Teile des Personals der
Hitlerdikatatur in der jungen Bundesrepublik,
• wer für die
Remilitarisierung und den Aufbau der Bundeswehr mit Hilfe von
Hitlergenerälen, • wer für den Beitritt der BRD zur NATO,
•
wer für die Teilnahme an aktuellen Kriegen, vordergründig an dem
längsten Krieg der neuesten deutschen Geschichte in Afghanistan?
Die Sünden der Bundesrepublik werden verschwiegen. In den 50/60
Jahren wurden linke und andere demokratische Kräfte vor Gericht
gestellt und saßen dort Richtern und Staatsanwälten gegenüber, von
denen sie bereits in der Nazizeit verfolgt worden waren.
Ausgangspunkt waren die von der Adenauer Regierung verfaßten
Blitzgesetze, auf deren Grundlage bei den Gerichten
Sonderstrafkammern für politische Strafverfolgung eingerichtet
wurden. Von 1950 bis 1968 wurden mehr als 500 000 politische
Ermittlungsverfahren durchgeführt, die zu etwa 25 000 bis 30 000
Verurteilungen führten. Der Besitz von Büchern aus der DDR galt als
kriminelles Vergehen ebenso wie die Inszenierung von Brecht-Stücken.
Höhepunkt der Kriminalisierung politischer Gegner war das Verbot
der Kommunistischen Partei Deutschlands, der FDJ und weiterer
demokratischer Organisationen. Das alles war verbunden mit
Inhaftierungen, mit der Aberkennung bürgerlicher Rechte, mit dem
Verlust von Arbeitsplätzen, schwerwiegenden sozialen
Benachteiligungen, nicht zuletzt führen sie zu erheblichen Einbußen
bei der Rente. Bis zum heutigen Tage ist keine Rehabilitierung der
Opfer der bundesdeutschen Gesinnungsjustiz erfolgt.
Es gibt
keinen Grund, alles Schlechte in der deutschen Nachkriegsgeschichte
der DDR und alles Gute der Bundesrepublik anzuheften. Die beiden
deutschen Staaten standen von Anfang an in einem Verhältnis von
Aktion und Reaktion: Nicht die Gründung der DDR und ihre 40jährige
Existenz sind Schanddaten der deutschen Geschichte, sondern die
Versuche, die Lehren der deutschen Geschichte nicht zu ziehen und zu
vergessen, daß Deutschlands Unglücksdatum der 30. Januar 1933 war.
(…)
Kürzlich wurde eine neue „Beauftragte des Bundestages
für die SED-Opfer“ gefunden, die als Einstand bekanntgab: In der
DDR waren etwa 300 000 Bürger aus politischen Gründen inhaftiert.
O, wie grausig. Wo nur sollen so viele Gefängnisse gewesen sein,
zumal diese vor allem für normale Gesetzesbrecher bestimmt waren. Am
20. Juni 1987 zum Beispiel befanden sich exakt 27 523 Erwachsene in
Haft. 4% von ihnen hatten einen politischen Hintergrund. Amnestiert
und aus der Haft entlassen wurden in dieser Zeit 24 621 Personen. Es
blieben also rund 3000 Personen in den Gefängnissen übrig. Dies
waren Naziund Kriegsverbrecher, Mörder, Gewalt- und
Sittlichkeitsverbrecher.
1987 gab es in der DDR 46
Strafvollzugsanstalten und 36 Untersuchungshaftanstalten. Um nicht
mißverstanden zu werden: Jeder zu Unrecht Verurteilte war einer zu
viel. Und ich bedaure dies um so mehr, weil es keine Staatsdoktrin
war, Unrecht zuzulassen. Aber auch hier sollte das Gleichheitsgebot
des Grundgesetzes gelten. Es gibt nämlich hunderttausende Opfer der
politischen Justiz der alten Bundesrepublik, für die es keine
Opferbeauftragten gibt.
Ich benutze das Kürzel „Stasi“
nicht. Nicht nur, weil es historisch korrekt „MfS“ (Ministerium
für Staatssicherheit) heißen müßte, sondern weil inzwischen
„STASI“ und „GESTAPO“ zu Wortpaaren gemacht wurden wie
beispielsweise Faschismus und Sozialismus. Damit wurde es ein
ideologischer Kampfbegriff, der keiner wirklichen Aufarbeitung der
Geschichte dienen kann.
Ich wundere mich gelegentlich, wie leicht
dennoch das Wortgebilde „STASI“ selbst gestandenen
DDR-Funktionären über die Lippen geht, obwohl es zum Schimpf- und
Hauptwort der Delegitimierung der DDR gemacht wurde. Das MfS war wie
alle anderen Ministerien auch Verfassungsorgan und insofern weit
entfernt von der Reduzierung auf den ideologischen Begriff
„Geheimpolizei“. Bei allem, was auch kritisch zum MfS zu sagen
ist, bleibt doch wahr, daß die DDR wie andere Staaten auch ein
berechtigtes Sicherheitsbedürfnis hatte.
Die neuen Machthaber
wissen nur allzu gut, warum sie alle Erkenntnisse des MfS zu den
Machenschaften des BND und anderer westlicher Geheimdienste gegen die
DDR bis heute unter Verschluß halten. (…)
Zurückliegende
geschichtliche Ereignisse können zu Daten der aktuellen Politik
werden und erklären, warum beispielweise Rußland angesichts der
Ausbreitung der NATO berechtigt um die Sicherheit seiner Grenzen
besorgt ist. Ein solches Datum ist der 22. Juni 1941, der Tag des
Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, der sich kürzlich
zum 80. Mal jährte, und den Bundestagspräsident Schäuble der
Erinnerung im Deutschen Bundestag nicht für notwendig hielt.
Bei
Bodo Ramelow las ich in seinem Onlinetagebuch: „Beide Daten – der
22. Juni 1941 sowie der 13. August 1961 – markieren auf natürlich
sehr verschiedene, aber dennoch einschneidende Weise für Millionen
Menschen in Deutschland, Europa und der Welt katastrophale
Wendepunkte ihres Lebens.“ Für 27 Millionen Sowjetbürger gab es
keine Wendepunkte ihres Lebens mehr. Sie starben RotFuchs / Dezember
2021 Seite 15 in den Kämpfen des Zweiten Weltkrieges, in den
Schlachten um Stalingrad und Berlin, während der verbrecherischen
Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht, an der auch spätere
führende Politiker der Bonner Republik beteiligt waren.
Für
jeden Deutschen sollte sich eine Verharmlosung dieser Verbrechen
verbieten. Auch ich sehe einen Zusammenhang zwischen dem 22. Juni
1941 und dem 13. August 1961. Er ist grundsätzlicher. Zur Logik der
europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gehört nämlich die
Erkenntnis: Ohne den 30. Januar 1933, den Machtantritt des
Verbrechers Hitler, kein 1. September 1939, kein Überfall auf die
Sowjetunion, keine deutsche Niederlage, keine deutsche Spaltung, ohne
Spaltung keine Bundesrepublik und keine DDR, keine Mauer, keine
Militärbündnisse. (…)
Ich habe während meines Studiums in
Moskau in direkter Wohngemeinschaft mit sowjetischen Menschen viermal
den Erinnerungstag an den 22. Juni 1941 erlebt. Ich konnte dabei
nachempfunden, daß mit dem Aufruf zum Heiligen Krieg des
Sowjetvolkes 1941 gegen die faschistischen Eindringlinge immer auch
ein patriotisches Versprechen der sowjetischen Bürger verbunden war,
das auch im heutigen Rußland gilt. Es lautet: Nie wieder soll es
irgendwelchen Aggressoren gelingen, so nahe der eigenen Landesgrenze
zu stehen, wie damals die Deutschen.
Diese Überlegung spielte
1945 eine Rolle, als mit dem Kriegsende die erste strategische
Verteidigungslinie der sowjetischen Armee von der einstigen
Staatsgrenze weg an die Oder und Neiße gelegt wurde.
Sie war
präsent, als nach der Ablehnung der sowjetischen Note zur deutschen
Einheit im März 1952 durch die drei Westmächte und die
Bundesrepublik diese Grenze von der Oder und Neiße an die Elbe und
Werra vorverlegt wurde.
Und sie war gegenwärtig, als 1955 und
1961 aus der ersten strategischen sowjetischen Verteidigungslinie
zusätzlich die Außengrenze des Warschauer Vertrages zur NATO
militärisch gesichert wurde wie keine andere Grenze auf der Welt.
(…)
Gorbatschow ließ sich von den USA über den Tisch ziehen,
gestand der NATO ihre weitere Existenz trotz Auflösung des
Warschauer Vertrages zu und machte hinter dem Rücken der DDR-Führung
den Weg zur „deutschen Einheit“ frei, ohne dafür vertraglich
bindend politische Gegenleistungen zu fordern.
Das Ergebnis: Das
Territorium der Warschauer Militärkoalition, das einst die
Sowjetarmee vom Faschismus befreit hatte, wurde innerhalb kurzer Zeit
nicht etwa blockfrei, sondern dem Militärbündnis des politischen
und militärischen Gegners zugeschlagen.
Ein einmaliger Vorgang
in der Weltgeschichte, der von den Regierenden allzu gern
unterschlagen wird.
Gorbatschow gab sich leichtgläubig mit einer
mündlichen Versicherung zufrieden, daß sich die NATO nicht weiter
nach Osten ausdehnen würde. Zwar bestreiten einige Politiker
nachträglich, daß es je eine solche Zusicherung gegeben habe. Doch
die Archive sprechen eine andere Sprache. Der damalige
NATO-Generalsekretär Wörner hatte am 17. Mai 1990 öffentlich
bekanntgegeben: „Schon der Fakt, daß wir bereit sind, die
NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der BRD zu stationieren,
gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.“
Das war –
wie gesagt – im Mai 1990. Da gab es die DDR noch. Das heißt: Die
Sicherheitsgarantie der NATO lautete eigentlich sogar: Östlich von
Elbe und Werra, also der damaligen Ostgrenze der BRD, sollten keine
NATOTruppen stationiert werden. Das bedeutet: Auch auf dem
Territorium der DDR nicht! Daß Monate nach dieser Erklärung die
UdSSR zerschlagen wurde, kann nicht als Vorwand dafür gelten, die
gemachten Zusagen der NATO nicht einzuhalten.
Bekanntlich ist die
Sowjetunion nicht durch Volkes Willen aufgelöst worden. Nicht durch
einen Volksaufstand. Eine Volksbefragung hatte dagegen ergeben, daß
die Mehrheit der Sowjetbürger für den Erhalt der Union war. Die
Sowjetunion wurde von Teilen der sowjetischen Elite von oben
zerschlagen. Das hat Gorbatschow und Jelzin die Sympathie des Westens
gesichert. Mit dem ständig alkoholisierten Jelzin hatten die USA und
ihre Verbündeten zudem ein leichtes politisches Spiel. Sie wurden
sagar Saunafreunde, die „vergaßen“, nationale Interessen der
Sowjetbürger wahrzunehmen. In den Vorzimmern der Macht saßen
plötzlich US-amerikanische Berater.
Damıt und mit der
Verschleuderung des russischen Volksvermögens an US-amerikanische
und internationale Konzerne (...) hat Putin Schluß gemacht. Nach den
demütigenden Jelzin-Jahren ist Rußland zurückgekehrt in den Status
einer Großmacht. Putin stellt wieder legitime russische Interessen
in den Vordergrund. Seine Politik hat dem russischen Volk seine Würde
wiedergegeben.
Damıt hat er den Haß jener Kräfte auf sich
gezogen, die Rußland als gleicberechtigten Teilnehmer an der Lösung
internationaler Probleme ausschalten wollen und das Land lediglich –
wie es einst Obama arrogant verkündete – als „Regionalmacht“
betrachten. Ziel ist es, in Rußland ein dem Westen zugewandtes
Regime zu installieren. Nichts lieber hätten diese Leute als einen
Maidan auch auf dem Roten Platz in Moskau. An diesem Punkt muß
angesetzt werden, wenn es um die Ursachen der Konflikte in der Welt
geht. Vieles, was heute durcheinandergeraten ist, ob die Konflikte im
Irak, in Syrien, in Libyen, im Jemen, aber auch in der Ukranine,
hängen mit den Jahren 1989 bis 1991 zusammen, als die Sowjetunion
zerschlagen wurde.
Die UdSSR war bis dahin eine Barriere gegen
die Weltmachtambitionen der USA. Undenkbar, daß es bei ihrer
Existenz einen so breiten Gürtel von Bürgerkriegszonen gegeben
hätte, wie wir sie jetzt im Nahen und Mittleren Osten erleben, wo
der Westen unter der Losung des „Sturzes von Diktatoren“ und der
„Bewahrung von Menschenrechten“ im Prinzip Bürgerkriege erst
möglich gemacht hat.
Inzwischen ist klar, daß es den USA 1989
keineswegs in erster Linie um die „deutsche Einheit“ ging. Sie
war nicht ihr Hauptziel. Sie war ein Mittel, um die Streitkräfte der
UdSSR und später der Rußlands aus dem Zentrum Europas zu drängen.
Der Warschauer Vertrag wurde einseitig aufgehoben. Die NATO
blieb. Die russischen Streitkräfte zogen aus Mitteleuropa ab. Die
USA setzten sich hier fest. Sie haben in Deutschland nach wie vor
Atomwaffen stationiert. Condoleezza Rice, die spätere
Außenministerin der USA, bekannte freimütig: Mit dem vereinten
Deutschland, eingebettet in die NATO, war „Amerikas Einfluß in
Europa gesichert“. Daß inzwischen auch wieder deutsche Soldaten
mit Panzern und schwerem Gerät an Rußlands Grenzen stehen, ist ein
entscheidender Punkt der Fehlentwicklungen seit 1990.
Nicht die
Rückkehr der altrussischen Krim in die Russische Föderation ist die
Ursache dafür, daß Rußland und sein Präsident vom Westen
verteufelt werden. Nein, die Zukunftsvision eines friedliebenden
Europas zerschellte nicht in der Ostukraine, auch nicht auf der Krim,
auch nicht in Belorußland. Sie zerbrach schon in den 90er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts, als NATOStaaten, darunter Deutschland,
Jugoslawien bombardierten. Sie machten damit aus dem Kalten einen
heißen Krieg. Erstmals seit 1945. Und das mitten in Europa.
Rußland
und Putin werden hierzulande politisch instrumentalisiert, um
angebliche deutsche Verantwortung in der Welt militärisch zu
begründen, die Aufrüstung der NATO-Staaten zu rechtfertigen und
mehr Geld für die Aufrüstung zu bekommen. (…) Sie werden nicht
klüger, diese Exporteure sogenannter westlicher Werte. Der versuchte
Export solcher Werte hat zuletzt zu der Katastrophe von Afghanistan
geführt, er ist verantwortlich für die Situationen im Irak, in
Syrien, in Libyen, im Jemen und manch anderen Staaten. Die deutschen
Politiker müssen endlich akzeptieren, daß die Russen ihre Lebensart
haben, ihre Souveränität verteidigen und nicht zulassen können,
daß die NATO ständig an ihren Grenzen provoziert. (…) Ohne
Rußland ist kein globales Problem der Menschheit zu lösen. Deshalb
ist es so kurzsichtig, daß Deutschland gegenüber Rußland
amerikanische Außenpolitik betreibt. (…)
Wir gehörten zu den
Generationen, für die der Sozialismus Gegenwart und Zukunft
bedeutete. Daß es hätte auch anders kommen können, hatte in
unserem damaligen Denken keinen Platz. Wir verstanden uns als Sieger
der Geschichte und standen plötzlich als deren vermeintliche
Verlierer da. Das ist sehr hart und muß erst einmal verkraftet
werden. Von jedem einzelnen! Das kostete und kostet weiter Kraft.
Ist das aber Nostalgie? Ich glaube nicht. Wer nicht fähig ist,
sein sinnvoll gelebtes Leben in bester Erinnerung zu behalten, dem
mangelt es an Emotionen, wer nur in der Vergangenheit lebt, ohne an
Gegenwart und Zukunft zu denken, dem mangelt es an Optimismus. Wir,
davon bin ich überzeugt, werden – solange Leben in uns ist –
keine Ruhe geben, um die Geschichtslügen über die DDR zu entlarven.
Redaktionell gekürzt Seite 16 RotFuchs / Dezember
Ein
dringendes Anliegen des „RotFuchs“:
Quelle: IMI-Standpunkt 2021/049. 30.August
2021
Redaktionell gekürzt
Auf der Seite 27 des Oktoberheftes
schreiben Dr. Arnold Schölzel, Bruni Steiniger, Wolfgang Dockhorn
und Jürgen Claußner u.a.:
Wir sind der Meinung, daß die
Verantwortung des „RotFuchs“ – sowohl der Zeitschrift wie des
Fördervereins – wächst. Der Imperialismus steigert die
Kriegsgefahr und pfeift auf seine Rechtsordnung. Für Letzteres ist
der Versuch, die DKP von den Bundestagswahlen auszuschließen und ihr
den Parteistatus zu entziehen, ein besonders drastisches Beispiel.
Das wurde vorläufig gestoppt, aber angesichts ähnlicher Attacken
auf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der
Antifaschisten (VVN-BdA) und auf die Tageszeitung „junge Welt“
läßt sich feststellen: Linke Stimmen in der BRD sollen
eingeschüchtert und mundtot gemacht werden.
Gleichzeitig
sympathisieren Teile des Staatsapparates mit Faschisten, sitzen
Nazi-Abgeordnete in allen deutschen Landesparlamenten und im
Bundestag. In dieser Situation mehren sich in der Partei Die Linke
Stimmen, die deren friedenspolitische Positionen revidieren wollen.
Der „RotFuchs“ bleibt gerade in diesem Punkt kompromißlos
parteilich – so wie in der Verteidigung der DDR und der Traditionen
der Arbeiterbewegung. Wir halten den Kampf für den Frieden und gegen
imperialistischen Krieg heute für die wichtigste Aufgabe von
Kommunisten, Sozialisten und allen anderen Linken. Aus unserer Sicht
ist es dringend nötig, den Einfluß unserer „Tribüne“ zu
erweitern. (…)
Wer noch nicht Mitglied im
„RotFuchs“-Förderverein ist, der kann dies gerne werden. Ein
Anruf genügt: 030-241 26 73. Wir, die „RotFuchs“-Macher,
brauchen Eure Hilfe, damit die von ihren Freunden und Mitstreitern
geliebte und vom Gegner gehaßte kommunistisch-sozialistische
Zeitschrift weiter erscheinen und
verbreitet werden kann.