Dienstag, 28. August 2018

Konfrontation in Syrien



Konfrontation in Syrien: Russische Marine zieht Kräfte zusammen – Westen droht mit Militärschlägen


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 28. AUGUST 2018


von https://deutsch.rt.com

Die russische Fregatte Admiral Essen griff in der Vergangenheit bereits mit Marschflugkörpern in das Kriegsgeschehen in Syrien ein. Nun wurde sie wieder vor die syrische Küste verlegt.
Alarmiert von westlichen Drohungen und Berichten über einen fingierten Chemiewaffeneinsatz zieht die russische Marine ihre Kräfte vor Syrien zusammen. Die Tonlage verschärft sich zusehends. Indes vereinbarten Damaskus und Teheran ein neues Militärabkommen.
Es war vor allem ein Signal an Washington: Bei seiner Visite in Damaskus vereinbarte der iranische Verteidigungsminister Amir Hatami mit seinen syrischen Partnern ein neues Militärabkommen zwischen beiden Ländern. Zudem wurde laut der privaten iranischen Nachrichtenagentur Tasnim ein Abkommen für den Wiederaufbau des kriegsgerüttelten Landes unterzeichnet. „Syrien überwindet das Krisenstadium und tritt in die Phase des Wiederaufbaus ein“, erklärte Hatami anschließend. Die Abkommen garantierten demnach die Fortsetzung der iranischen „Präsenz und Beteiligung“ in Syrien.


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Das Treffen zwischen dem iranischen Verteidigungsminister und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sowie ranghohen syrischen Militärs kommt einer Kampfansage in Richtung Washington gleich. Dort hat man sich von dem ursprünglichen Ziel, den Sturz Assads durch die Unterstützung islamistischer Aufständischer zu erreichen, angesichts der Realitäten auf dem Schlachtfeld inzwischen verabschiedet. Die neue Marschrichtung ließe sich so zusammenfassen: Ist Assad der Sieg im Krieg nur noch schwer zu nehmen, so darf er auf keinen Fall den Frieden gewinnen.

Aus diesem Grund hintertreiben die USA und Verbündete wie Deutschland den Wiederaufbau in Syrien, unter anderem – laut Moskau – mit einer geheimen UN-Direktive. Bevor Gelder für diesen Zweck fließen, müsse es erst einen „politischen Übergang“ geben, sprich: Assad soll sein Amt aufgeben. „Assads Unvermögen, an großzügige Gelder für den Wiederaufbau ohne Bedingungen zu gelangen, wird sein Preis für den Sieg sein“, hieß es bereits im vergangenen Jahr aus den Reihen des Council on Foreign Relations.

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Die wirtschaftliche Erpressbarkeit Syriens, insbesondere vor dem Hintergrund eines akuten Fachkräftemangels, der die Frage nach einer Rückkehr von Flüchtlingen so dringend macht, ist die große Trumpfkarte in den Händen des Westens beim Poker um die Nachkriegszukunft des arabischen Landes.

IS als Vorwand für US-Militärpräsenz hat ausgedient

Washington rückt zudem immer stärker davon ab, seine völkerrechtswidrige militärische Präsenz in Syrien mit dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zu rechtfertigen. Zwar lassen die US-Kräfte laut einem jüngsten UN-Bericht der Terrormiliz genug Raum zum Überleben, wodurch der Vorwand für die eigene Präsenz bestehen bleibt. Doch längst ist Washington dazu übergegangen, die Anwesenheit des US-Militärs über die Zeit nach einem Ende des IS hinaus zu begründen. Bereits im November 2017 beleuchtete die Washington Post diese Neuausrichtung:

Ein abrupter Rückzug der USA könnte Assads Macht auf syrischem Territorium vervollständigen und ihm helfen, sein politisches Überleben zu sichern – ein Ergebnis, das einen Sieg für den Iran, Assads engen Verbündeten, bedeuten würde. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, so US-Beamte, planen sie, die US-Truppenpräsenz in Nordsyrien aufrechtzuerhalten.

Syrien wird Stück für Stück durch seine Regierungstruppen von
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Die Zeitung zitierte dazu den Analysten Nicholas Heras vom Center for a New American Security:

Die Bedingungen sind so, dass sich die Anti-IS-Kampagne in eine Anti-Iran-Kampagne verwandelt. Indem das Pentagon keinen Zeitrahmen für das Ende der US-Mission bekanntgibt, schafft es einen Rahmen, dass den USA ermöglicht, für die nächsten Jahre in Syrien zu bleiben.

Im Januar unterstrich der damalige US-Außenminister Rex Tillerson, dass US-Soldaten auch nach einem vollständigen Sieg über den IS auf unabsehbare Zeit in Syrien verbleiben werden, um den Iran zu schwächen und Präsident Assad doch noch von der Macht drängen zu können. Inzwischen begründet Washington offen die eigene Militärpräsenz mit der der iranischen Kräfte. So heißt es in einer vor zehn Tagen veröffentlichten Erklärung des US-Außenministeriums:

Der Präsident hat deutlich gemacht, dass wir bereit sind, bis zur endgültigen Niederlage des IS in Syrien zu bleiben, und wir konzentrieren uns weiterhin darauf, den Rückzug der iranischen Streitkräfte und ihrer Vertreter sicherzustellen.

Unter Berufung auf eine Quelle aus der US-Regierung schrieb  Bloomberg vor wenigen Tagen: „Ein amerikanischer Abzug könnte nur dann stattfinden, wenn alle iranischen Kämpfer mitsamt Waffen und verbündeter Milizen aus Syrien verschwunden sind – und es ist nicht klar, ob Russland dieses Ergebnis liefern könnte, selbst wenn es das wollte.“

Westen will Einnahme von Dschihadisten-Provinz verhindern

Ungeachtet westlicher Warnungen vor einer sich vermeintlich anbahnenden „humanitären Katastrophe“ zieht das syrische Militär gegenwärtig seine Kräfte zusammen, um mit russischer Unterstützung die Provinz Idlib zurückzuerobern, die letzte große Bastion der Dschihadisten. Die Aufständischen hatten die Provinz mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt im Frühjahr 2015 unter der Führung al-Kaidas und mithilfe moderner US-Waffen erobert.

Mehr zum Thema – Syrien: Al-Kaida übt vollständige Kontrolle über Idlib aus – Dank westlicher Beihilfe

Deren Einnahme durch die syrische Armee wäre ein herber Verlust für die Anti-Assad-Koalition. Damit ginge auch ein wichtiges Druckmittel hinsichtlich künftiger Verhandlungen, etwa zur Frage des Wiederaufbaus, verloren. Entsprechend fiel die Reaktion des Nationalen Sicherheitsberaters der US-Regierung aus:

Propagandabotschaft an einem Checkpoint der Nusra-Front.
Mehr lesen:Syrische Provinz Idlib: Unterwegs mit versteckter Kamera im Al-Kaida-Land



Wir sehen jetzt die Pläne des syrischen Regimes, seine offensiven militärischen Aktivitäten in der Provinz Idlib wiederaufzunehmen. Wir müssen offensichtlich besorgt sein über die Möglichkeit, dass Assad wieder chemische Waffen benutzen könnte.

Man werde in diesem Fall „sehr energisch“ und „stärker“ als zuvor reagieren, verlautete John Bolton. Die USA, Großbritannien und Frankreich, die im April nach dem mutmaßlich inszenierten Chemiewaffeneinsatz in Duma Militärschläge auf syrische Einrichtungen durchführten, bezeugten jüngst in einer gemeinsamen Erklärung ihre „Entschlossenheit“, sollte „das Assad-Regime wieder chemische Waffen“ einsetzen.

Schon vor zwei Monaten hatte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, klargestellt, dass „für alle zukünftigen Angriffe [mit Chemiewaffen] auf das syrische Volk Assad verantwortlich gemacht wird, ebenso wie Russland und Iran, die ihm helfen, sein Volk zu töten.“

Unverhohlener hätte die Aufforderung an die Aufständischen, einen Chemiewaffeneinsatz zu fingieren, um der westlichen Allianz einen Vorwand zum Losschlagen zu geben, kaum ausfallen können.

Russische Marine zieht Kräfte zusammen – Militärs warnen vor Eskalation

Alarmiert von den westlichen Drohungen und den sich aktuell vermehrenden Hinweisen auf einen von den Islamisten in Idlib vorbereiteten Chemiewaffeneinsatz unter falscher Flagge, zog Russland in den letzten Tagen eilig seine Marinekräfte in der Region zusammen.

Mehr zum Thema – Russlands Verteidigungsministerium warnt vor C-Waffen-Provokation in Syrien

Laut der Webseite Bosphorus Observer  passierten mehrere aus dem Schwarzen Meer kommende Kriegsschiffe die Meeresenge in Richtung Mittelmeer. Darunter die mit Kalibr-Lenkraketen ausgestatteten Fregatten Admiral Grigorowitsch und Admiral Essen, der Lenkwaffenkreuzer Marschall Ustinow, der U-Bootjäger Seweromorsk, die Korvetten Grad Swijaschsk und Weliki Ustjug sowie weitere Kriegsschiffe und U-Boote. Es soll sich inzwischen um 17 Kriegsschiffe und damit um die größte Konzentration von russischen Marinekräften im östlichen Mittelmeer seit Beginn des Syrien-Krieges handeln.

Unter Bezugnahme auf die „absolut unbegründeten Aussagen“ in ihrer gemeinsamen Erklärung bezichtigte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums am Sonntag die Dreier-Koalition, sich mit einem fingierten Chemiewaffeneinsatz einen Vorwand für Militärschläge verschaffen zu wollen. Zu diesem Zweck, so Igor Konaschenkow, sei „der US-Zerstörer Sullivans mit 56 Marschflugkörpern an Bord vor einigen Tagen im Persischen Golf eingetroffen, während ein strategischer B-1B Bomber, bewaffnet mit AGM-158 JASSM Luft-Boden-Marschflugkörpern, auf die Al Udeid-Luftwaffenbasis umgruppiert wurde.“

Die Aktionen der westlichen Länder zielten entgegen ihren öffentlichen Äußerungen auf eine „weitere dramatische Eskalation der Lage im Nahen Osten und auf eine Störung des Friedensprozesses auf dem Territorium Syriens ab“, so der General.

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„Wir warnen Washington vor einer weiteren militärischen Eskapade“, hatte tags zuvor der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow gegenüber Bloomberg erklärt. „Wenn die Dinge nicht so laufen, wie die USA und ihre Verbündeten es wollen, dann werden neue Provokationen vorbereitet.“

Der Aussage Washingtons, die eigenen Truppen in Fall eines Rückzugs der iranischen Kräfte ebenso abzuziehen, schenkt Rjabkow kein Vertrauen. Die Faktenlage bezeuge „das Gegenteil – Washingtons Wunsch, für einen längeren Zeitraum in Syrien zu bleiben“.

Bald russische Atomwaffen in Syrien?

Wie brenzlig die Lage ist, davon zeugt die Tonlage, mit der man in Moskau auf die jüngsten, mit der Skripal-Vergiftung begründeten US-Sanktionen – die neuesten traten diesen Montag in Kraft – zu sprechen kommt.

„Ich glaube, dass Russland jetzt seine eigenen ‚roten Linien‘ ziehen muss. Es ist an der Zeit, um über Varianten asymmetrischer Antworten gegenüber den USA nachzudenken, wie sie gegenwärtig von Experten vorgeschlagen werden und die nicht nur dazu dienen sollen, die Sanktionen abzufedern, sondern auch einen gewissen Vergeltungsschaden anzurichten“, sagte der Parlamentsabgeordnete Wladimir Gutenew, Erster stellvertretender Vorsitzender des Duma-Komitees für Wirtschaftsfragen, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS. Er brachte gar die Stationierung von Atomwaffen in Syrien ins Spiel:

Wir sehen, dass die Amerikaner jetzt über die Möglichkeit von Sanktionen gegenüber denjenigen Ländern sprechen, die russische Waffen kaufen. Wir sollten dem Rat einiger Experten folgen, die sagen, dass Russland möglicherweise die Umsetzung von Verträgen über die Nichtverbreitung von Raketentechnologien aussetzen sollte, und auch dem Beispiel der USA folgen und damit beginnen sollte, seine taktischen Atomwaffen im Ausland zu stationieren. Es ist möglich, dass Syrien, wo wir über eine gut geschützte Luftwaffenbasis verfügen, eines dieser Länder wird.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte am Montag die Bereitschaft seines Landes zu Militärschlägen im Falle eines Chemiewaffeneinsatzes in Syrien. Zudem äußerte er seine an Russland und die Türkei gerichtete Erwartung, die syrische Armee von einer Operation in der Provinz Idlib abzuhalten, die er als einen „schrecklichen Fehler“ bezeichnete.

Indes gab Militärsprecher Konaschenkow am Montag bekannt, dass mit dem Zerstörer USS Ross ein weiteres US-Kriegsschiff in die Region zur Vorbereitung eines Militärschlags gegen Syrien verlegt worden sei.

Mehr zum Thema – Worauf sich der Westen vorbereiten muss – „Krieg mit Russland“


https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/75115-konfrontation-in-syrien-russische-marine/ 






Samstag, 25. August 2018

"AUFSTEHEN" & DAMPF MACHEN! - Daniela DAHN




Erobern wir die Politik zurück!


Die Bewegung „Aufstehen“ will sammeln ohne zu spalten.


von Daniela Dahn


Sie könnte den pflichtvergessenen Parteien Dampf machen und so neue Mehrheiten schaffen.

Angesichts der postdemokratischen Auflösungserscheinungen im Lande, in Europa und in der Welt wollen sich viele Menschen mit den mangelnden Möglichkeiten zu Einmischung und Selbstermächtigung nicht mehr abfinden. Gerade im weitesten Sinne Linksorientierte wollen nicht in Ratlosigkeit und Resignation verharren. Das zeigt der große Widerhall, den die Idee einer Sammlungsbewegung schon in den ersten Tagen des Registrieren-Könnens erfährt. Bislang war für Hunderttausende die einzige Möglichkeit, ihre Veränderungswünsche durch Resolutionen und Appelle an die Politiker zu erbitten. Das war mitunter nicht ohne Wirkung, befriedigt aber das Bedürfnis aktiv mitzugestalten nicht.

Dazu sind die noch aus dem vorigen Jahrhundert mitgeschleppten und aufgestauten Probleme zu grundsätzlich. Ob eine vernünftige Politik die Bürger vor dem globalen Finanzkapitalismus schützen kann, ist bisher nicht bewiesen. Denn die Macht der Wirtschaft ist größer als die der Politik. Die zersplitterte nationale und internationale Linke stellt derzeit keine konzept- und handlungsfähige Opposition dagegen dar. Opposition aber ist die Seele der Demokratie.

Der Auftrag der Sammlungsbewegung wäre, das Primat der Politik zurück zu erobern. Kann man dafür sammeln ohne zu spalten? Den drei quasi -linken Parteien im Bundestag war bisher die Kultivierung ihrer Unverträglichkeiten wichtiger als das Ergreifen einer gemeinsamen Veränderungsoption. Dabei sind die programmatischen Schnittstellen nicht gering. Es bleiben dennoch markante Unterschiede, innerhalb und zwischen den Parteien. Insbesondere in der Friedens- oder Interventionspolitik, in der angeblichen Notwendigkeit von Rüstung und deren Export. Hier ist auch die Kluft zwischen dem Willen der Wähler und deren Repräsentanten besonders groß.

In solches Vakuum könnten Bewegungen vordringen und damit Abgeordnete ermutigen, ihr vermeintlich freies Mandat mehr am Wählerauftrag zu orientieren als an den Partei-Hierarchien. Außerparlamentarischer und außerpropagandistischer Druck muss klarstellen: Parteien, Parlament und Regierung sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Und zwar nur diesem – im Gegensatz zur Wirtschaft, die pflichtschuldig nur der Rendite ist. Diese dient nur dann dem Gemeinwohl, wenn sie gerecht verteilt wird. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist ein sicheres Maß dafür, wie ungezügelt die vermögende Elite schaltet und waltet.

Das Kapital hat seine internationale Sammlungsbewegung schon vor etwa Zweihundert Jahren begonnen. Und die Internationale der Rechtspopulisten ist dabei, diesem Vorsprung nachzueifern. Sie vereinnahmt Gramscis Theorie vom Kampf um die kulturelle Hegemonie und beansprucht die Interpretationshoheit. Wenn ein jegliches seine Zeit hat, dann ist sie gekommen für ein linkes öffentliches Think tank. Es geht um Emanzipation, um Gegenhalten, um Aufstehen. Dem sich ein aufrechter Gang anschließt. Über dessen Richtung eine allen Sympathisanten offen stehende Denkwerkstatt ohne hierarchische Strukturen und Tabus beraten sollte.

Dabei muss nicht am Nullpunkt angefangen werden, es gibt kompetente Bürgerbewegungen, Forschungs- und Gesprächskreise, die seit Jahren alternative Entwürfe vorlegen, auch zur Öffnung der Demokratie für mehr Bürgerbeteiligung. So diskutierten wir im Willy-Brandt-Kreis die Anregung des damaligen Direktors des Hamburger Friedensforschungsinstitutes, Dieter S. Lutz, nach der Parteien nicht der einzige Repräsentant des Gemeinwesens sein sollten. Zusätzlich zum Generallistenparlament schlug er ein dem Druck der Interessen entzogenes Expertenparlament vor, einen Zukunftsrat. Über dessen Wahlmodus und Zuständigkeit wäre gemeinsam nachzudenken. Auch darüber, ob es seine Unabhängigkeit durch Verzicht auf Diäten bewahren könnte. Aufwandsentschädigung sollte genügen. Diese Kammer könnte sowohl das Initiativrecht für Gesetze haben als auch ein Veto-Recht, um Politik und Kapital in den Arm zu fallen. Ein solches Gremium wäre der Ort, etwa Klima- und Friedensforschern regelmäßig das Wort zu erteilen.

Ergänzend sollte auch Gregor Gysis Jahre zurückliegender Vorschlag von der, nicht zufällig von LINKEN initiierten, Sammlungsbewegung diskutiert werden: neben dem Bundestag eine Kammer der sozialen Bewegungen zu wählen. Solche Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie bedürfte einer Grundgesetzänderung. Aber wenn der Druck dafür groß genug ist, wird es sich jede Partei überlegen müssen, ob sie sich dem Anspruch auf mehr Bürgerbeteiligung entgegenstellt. Und damit den Eindruck vertieft, die Vertretung des Volkes gegenüber den Eliten habe vermeintlich die AfD übernommen.

Eine solche Kammer wäre mit der Hoffnung verbunden, dass dort die Debatten geführt werden, die man im Parlament vermisst. Hier würde etwa die Friedensbewegung nach dem Sinn von all den Regime Changes fragen, die oft ins Chaos, aber nie in eine Demokratie geführt haben. Stärker hinterfragt würde wohl die US-dominierte NATO, die ohne konkrete Bedrohungs- und Bedarfsanalysen Rüstungsforderungen stellt, die auch als Bestandteil des Wirtschaftskrieges gegen Europa gedeutet werden können. Für diese Bürgerkammer könnten sich all die bewerben, die das Gefühl haben, nicht gehört zu werden: Arbeitslose und Gewerkschaftler, Mieter und Bürgerrechtsanwälte, Klein- und Mittelstandsunternehmer, Künstler, Seenotretter und Migranten.

Denn schließlich dürfte die Sammlungsbewegung, in welcher Kammer auch immer, keinen Zweifel daran lassen, dass die Folgen westlicher Lebensweise und postkolonialer Politik Hauptursache für viele Flüchtende sind, ihre Heimat zu verlassen. Schon deswegen haben wir die moralische Verpflichtung, gegenüber denjenigen, die sich unter Lebensgefahr bis zu uns durchgeschlagen haben, mitfühlend und entgegenkommend zu sein. Die praktischen Schwierigkeiten der Aufnahme verlangen genauso viel Beachtung. Ohne Solidarität keine Heimat. Die Geflüchteten erteilen uns eine Lektion, die zu ignorieren sich niemand, und schon gar nicht versammelte Erneuerer, leisten können.

Um mitzumachen, muss und kann man gar nicht einer Meinung sein. Der gemeinsame Wille zur Veränderung mag vorerst genügen. Da werden sich auch einige ungebetene Gäste einfinden, was zu verkraften ist, wenn die Stichhaltigkeit des Argumentes ausschlaggebend ist. Es soll an vereinter linker Kraft nicht interessierten Kreisen kein weiteres Mal gelingen, ein Zusammengehen zu verhindern, wie unlängst bei der alten und jungen Friedensbewegung. Einem Neuaufguss der unseligen Querfrontdebatte durch das Hochspielen einiger weniger Trittbrettfahrer, sollte von Anfang an eine Absage erteilt werden.

Keine Experimente mehr, schallte es 1989 von konservativer Seite, um das neoliberale Experiment ungestört durchziehen zu können. Verändert wird in Umbruchsphasen allemal, fragt sich nur, wer in wessen Interesse agiert. In einem solchen historischen Moment plötzlich ohne Konzept dazustehen, ist eine traumatische Erfahrung der DDR-Bürgerrechtsbewegung. Sie bedarf keiner Wiederholung.

„Aufstehen“ wäre auch die Suche nach der zu gewinnenden Zeit. Bleibt zu hoffen, dass sie gelingt. Ein Experiment. Kein Spiel. Denn Vorsicht, allzu viele Versuchsanordnungen hält die diesseitige Geschichte womöglich nicht mehr bereit. Wird die Chance verspielt, rette sich wer kann: Der Wald steht schwarz und schweiget.

Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel erschien zuerst am 18./19.8. im Neuen Deutschland.





Mittwoch, 22. August 2018

Die ÜBERFLÜSSIGEN



Aus: Ausgabe vom 22.08.2018, Seite 12    / Thema

Vom unrentablen Menschen



Der Neofaschismus ist in Europas Regierungen angekommen. Die Konsequenzen insbesondere für Geflüchtete und Minderheiten sind mörderisch


Von Hansgeorg Hermann

Die Athener Architektin Maria Barkitzi erzählt unter Freunden gerne die lustige Geschichte von dem »Giftos« (griechisch für »Zigeuner«), der eines Tages in ihr Büro am Hafen von Piräus kam. Der dunkelhäutige Mann habe sich gesetzt, eine ziemlich übel qualmende Zigarette angesteckt und dann sein »Projekt« beschrieben: Er sei in den Besitz eines Stück Landes am Rande der griechischen Hauptstadt gekommen und wolle dort ein Haus bauen. »Ein Haus?« habe sie gefragt. Seit wann denn Leute seines Schlags in festen Mauern wohnen wollten? Er weiche damit einer staatlichen Ordnungsmaßnahme aus, habe der seltsame Kunde lächelnd geantwortet. Die Finanzbehörden hätten von ihm, dem fahrenden Händler, eine feste Adresse verlangt, der sie den jährlichen Steuerbescheid zuordnen könnten und die für einen Geschäftsmann ohnehin obligatorisch sei.

Von Maria Barkitzi verlangte der bis zu diesem Tag auf allen Straßen des Landes heimische Verkäufer von Blumentöpfen, Damenschuhen und Männerunterhosen damals – die Sache habe sich vor rund 30 Jahren zugetragen – die Konstruktion eines Bungalows, in dem es keine Innenwände geben sollte. Auch Türen und Fenster seien nicht unbedingt notwendig, dafür aber ein regensicheres Dach und vielleicht – das könne sicher nicht schaden – eine Toilette mit Dusche, vor allem mit Blick auf die bisweilen dringend geäußerten Bedürfnisse seiner Ehefrau und der vier Töchter. »Wirklich lustig« sei aber gewesen, dass ihr Kunde gar nicht in dem Haus habe wohnen wollen. Die Familie habe vielmehr ihren zwanzig Jahre alten Wohnwagen samt Zugmaschine im Garten aufgestellt und in dem neuen innenwandfreien, aber gut verputzten Ziegelbau die Ware gelagert, deren Verkauf ihren bescheidenen Lebensunterhalt gesichert habe.

Warum der »Häuptling« dieses Roma-Klans ausgerechnet zu ihr gekommen sei, wusste Maria auch. Er kenne die Geschichte ihrer Familie, habe er ihr später erzählt, eine Geschichte, die ihm Vertrauen eingeflößt habe. In der Tat ist die heute 68 Jahre alte freischaffende Bauexpertin Spross kleinasiatischer Flüchtlinge, die im Rahmen der 1922 in Lausanne getroffenen Vereinbarungen zum Völkeraustausch zwischen der Türkei des Mustafa Kemal Atatürk und dem Griechenland des Eleftherios Venizelos ihre Heimatstadt Smyrna (Izmir, jW) verlassen mussten und sich – »mit viel Glück« – in Piräus eine neue Existenz aufbauten. Nicht zuletzt: Der Name Barkitzi weise auf einen Kupferschmied als Urahnen hin, ein Metier, das über viele Generationen auch die Roma in Osteuropa leidlich ernährte.

Was haben nun in der gegenwärtigen politischen Realität die – wie einst Marias Familie – in Griechenland und anderswo gestrandeten Kriegs- und Hungerflüchtlinge aus dem Mittleren Osten und Afrika mit den Roma in Ungarn, Rumänien oder Italien, den Leuten des »Häuptlings« und Bauherrn in Piräus, zu tun? Nichts auf den ersten Blick – oder fast nichts. Erst der neofaschistische italienische Innenminister Matteo Salvini stellte jüngst eine Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen, aber gleichermaßen geächteten und bedrohten Minderheiten her und machte sie damit zur Schicksalsgemeinschaft.

Kontrollieren und schikanieren



Für den Philosophen und Altphilologen Luciano Canfora, emeritierter Griechenland-Spezialist der Universität Bari, ist die Situation der italienischen »Zingari«, wie er sie jüngst in einem Briefwechsel mit jW beschrieb, offenbar beängstigend: »Am Rand der Hauptstadt (Rom, jW) sind sie zahlreich; sie werden verfolgt und gejagt – und verantwortlich ist das Rathaus, das sich in den Händen der Fünf-Sterne-Bewegung befindet.« Innenminister Salvini, der nicht nur die Häfen zumacht, wenn Hilfsorganisationen ihre aus Seenot geretteten afrikanischen Passagiere an Land bringen wollen, sondern die vielen hundert vor Krieg und Elend geflohenen Menschen gleich wieder in ihre miserablen Heimatregionen zurückschicken will, hetzt gleichzeitig gegen die Roma, die für ihn »nichts als Diebe« sind. Ausweisen könne er sie »leider nicht«, weil mehr als die Hälfte von ihnen ja die italienische Staatsbürgerschaft besitze. Kontrollieren und schikanieren will er die auf 120.000 bis 180.000 Menschen geschätzte Bevölkerungsgruppe trotzdem.

Der linke Philosoph und Publizist Robert Kurz sprach 2006 in einem Vortrag von »unrentablen Menschen«, zu denen – nicht erst gegenwärtig – sicher auch die Roma gezählt werden müssten, sofern Menschen tatsächlich in den Kategorien des Finanzmarktes beschrieben werden könnten. Kurz: »Es gibt soziale Spaltung nicht nur zwischen immer weniger Gewinnern und immer mehr Verlierern, sondern auch unter den Verlierern selbst. Noch-Beschäftigte und Arbeitslose, Frauen und Männer, Junge und Alte, prospektive Erben und Kinder von Vermögenslosen, Gesunde und Kranke, Nichtbehinderte und Behinderte, Inländer und Ausländer stehen gerade auf Armutsniveau einander gegenüber; und es geht darum, ›für wen es noch reicht.‹«

Und es geht auch darum, wer »noch dazugehört«. Wer einen Ausweis bekommt und wer bleiben darf. Nun wissen Roma, Sinti (französisch: Manouches, »Menschen«) und anderes »fahrendes Volk« seit Jahrhunderten, dass Reisepässe und Passierscheine noch nie für deren Inhaber, sondern schon immer für diejenigen ausgestellt wurden, die derlei Dokumente vorgezeigt bekommen wollen. Ausweise waren und sind daher für eine afrikanische Mutter, die Nahrung für ihr hungerndes Kleinkind sucht, oder für einen vor Krieg und Zerstörung fliehenden Syrer ziemlich nutzloses Papier. Gleichwohl haben sich die bedrohten Minderheiten einem System zu fügen, das ihnen eben diesen Schutz mehr und mehr verweigert und sie statt dessen in einen Konkurrenzkampf unter ihresgleichen treibt.

Noch einmal Robert Kurz: »Mitten in den Demokratien findet eine strukturelle Entzivilisierung und Enthumanisierung statt, die man bisher weit draußen in der sowieso schon großenteils abgeschriebenen Peripherie des Weltmarkts wähnte (…). Unter diesen Bedingungen befinden sich die klassischen Krisenreaktionen und Krisenideologien des Sexismus, Rassismus und Antisemitismus weltweit im Vormarsch, quer durch alle sozialen Schichten (…). ›Survival of the fittest‹ ist als gar nicht mehr klammheimliche Parole wieder angesagt. Die zugrundeliegende Logik besagt, dass nicht das zum Naturgesetz erklärte warenproduzierende Patriarchat zur Disposition steht, sondern das Lebensrecht und das Lebensinteresse der unrentablen Menschen.«

Nicht nur das. Auch die Theorie der »Überbevölkerung« des »Hardcoreliberalen« Thomas Malthus, wie Kurz ihn nennt, ist längst wieder zu Ehren gekommen und scheint einen der »Führer« der westlichen Welt, US-Präsident Donald Trump, anzutreiben. Es ist anzunehmen, dass dem aktuellen Chef des Weißen Hauses die mörderische Devise der Nazis vom »lebensunwerten Leben« als ein für die Zukunft ins Auge zu fassender Handlungsrahmen möglich erscheint. In der Figur eines Trump zeigt sich der Kapitalismus, dessen Kriegswirtschaft den Europäern jetzt ihre Opfer auf den Hals schickt, in seiner reinsten Form: als galoppierender Irrsinn.

Toter auf Urlaub



Der vom Finanzkapital gewollte und beförderte Konkurrenzkampf der »Unrentablen« hat in Italien, aber auch in Österreich, Polen, Ungarn, Griechenland und sogar in Frankreich oder Deutschland dem neuen Faschismus Tor und Türen geöffnet. Luciano Canfora, der mit seinem Buch über die Demokratie und seinem Kampf gegen den Verlag C. H. Beck in deutschen Feuilletons einige Bekanntheit erreichte, schrieb in seinem erwähnten Brief, was er für die Zukunft der italienischen Gesellschaft fürchtet: »Der Erfolg einer rassistischen Partei wie der der Lega ist stabil und könnte andauern, zumal mehr als nur ein Teil der Verantwortlichen und Anhänger der Partnerpartei ›Fünf-Sterne‹ von denselben animalischen Wallungen getrieben wird.«

Anzufügen sei, schreibt Canfora, dass »die Allianz der beiden gegenwärtig an der Macht befindlichen Parteien eine direkte Folge des politischen Wahnsinns eines Herrn Matteo Renzi ist, der in brutaler Weise eine sich formierende Allianz zwischen der Sterne-Bewegung und der Demokratischen Partei verhindert hat.« Dann wäre Italien wenigstens ein Innenminister Salvini erspart geblieben, glaubt Canfora und warnt: »Der Faschismus, einmal an der Macht, könnte mit Hilfe seiner korrumpierenden Demagogie eine lange Lebensdauer haben.«

In der gesellschaftlichen Wirklichkeit bedeutet das längst Mord und Totschlag und offene Barbarei. Anfang August wurden vier »schwarze Sklavenarbeiter« (Canfora) auf dem Heimweg von ihrer fürchterlichen Arbeit Opfer eines Verkehrsunfalls. Die Justiz habe den Fall bereits zu den Akten gelegt, klagt Canfora, die Medien schliefen oder hätten längst andere, neue Horrormeldungen im Visier. »Jedermann weiß, dass die an Sklaverei erinnernden Arbeitsbedingungen als Ursprung des Massakers zu nennen sind. Am übernächsten Tag wurden am selben Ort zwölf Arbeiter getötet.« Nach Feierabend waren sie, eingepfercht in einen klapprigen Kleinbus, frontal mit einem Lkw kollidiert.

»Substantiell ist jeder Mensch, der auf Dauer kein marktförmiges Wirtschaftssubjekt darstellen kann«, schreibt Kurz in seinem Essay »Die Aufhebung der Gerechtigkeit«, »nur noch ein Toter auf Urlaub. Die Zustände in den Verlierer- und Zusammenbruchsökonomien bestätigen diese barbarische Logik tagtäglich und in immer brutaleren Formen.« Der »reine Mensch« des totalen Warensystems ist durchgesetzt und – so Kurz – hört »in demselben Moment auf, ein Mensch zu sein«. Hannah Arendt hat in ihrer Analyse über die »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« die Anfänge dieser Situation beschrieben. Im Kapitel über die »Aporien der Menschenrechte« stellt sie fest, »dass für staatenlose Flüchtlinge und Gefangene der Konzentrationslager der Begriff der Menschenrechte sinnlos geworden war, weil diese Formeln in keinerlei Beziehung zu ihrer Situation mehr stehen.«

Kurz: »Was damals noch eingebannt schien in den Zivilisationsbruch der faschistischen Regimes« – den Italiens aktuelle Regierung offenbar nicht mehr scheut und dem die Regierungen in Berlin und Paris tatenlos zusehen – »oder in die Situation des ›regulären Weltkriegs‹, droht sich heute zu verallgemeinern durch den subjektlosen Weltmarktprozess. Die nicht mehr definierbaren Nichtpersonen werden nicht mehr eingesperrt, sondern umgekehrt igeln sich die Inseln warenförmiger Wirtschafts- und Rechtssubjektivität ein.« Die Staaten selbst, wie Polen, Ungarn, Italien und demnächst auch Österreich, Deutschland und Frankreich, werden zu Nicht-Orten (Non-lieux), wie der französische Anthropologe Marc Augé jene Gefilde nennt, in denen nicht mehr das reale Leben, der sinnliche Inhalt der Produktivkräfte und Ressourcen, sondern der irrationale, fetischistische »Markt« den Tagesablauf der Gesellschaft bestimmt.

Die Freiheit der Vögel



Den Roma oder den französischen »Manouches«, erzählte der Filmregisseur Tony Gatlif vor einigen Jahren, seien Begriffe wie »rentabel« oder »unrentabel« fremd. Gatlif, der sich selbst einen »Gitane« nennt und dessen Wurzeln bis ins kabylische Nordafrika reichen, hat mehr als ein Dutzend Filme zum Thema gedreht, darunter auch »Liberté«. In dem wunderbaren Streifen aus dem Jahr 2009 hat sich eine »Zigeunerfamilie« gegen das korrupte, mit den deutschen Faschisten kollaborierende Vichy-Regime zu behaupten. Der Bürgermeister eines kleinen Dorfs kann sie zunächst deshalb vor der Deportation bewahren, weil er ihr einen verlassenen Bauernhof des Großvaters und damit einen festen Wohnsitz mit entsprechenden Bürgerrechten überschreibt. Doch die Manouches, nicht gewohnt, in festen Mauern zu schlafen und als Landbesitzer aufzutreten, verlassen das Dorf in der Nacht und ziehen wieder ihrer Wege durch Wiesen und Wälder. Am Ende ihrer Reise wartet der Tod in den Lagern der deutschen Faschisten auf sie. Was denn »Freiheit« für ihn, den »Gitane«, bedeute, wurde Gatlif damals vom Autor gefragt. Antwort: »Die des Vogels in der Luft, die grenzenlos ist.«

Eine Idee, die einst auch die junge Nachkriegsgeneration Europas beseelte. Eine Idee, mit der sich der dringende Wunsch verband, als selbstbewusste, tolerante, kultivierte Menschen ohne Staatsgrenzen zu leben und zu handeln – und nicht als von den unmenschlichen Regeln des multinationalen Finanzkapitals zerstörte, Identität suchende Wracks.

Im Alltag des »freien« europäischen Bürgers sind Fernsehbilder zu ertragen, die von der Absurdität des »freien Marktes« und der Zerstörung der in Geldpreisen beschriebenen Ressourcen – menschlichen wie materiellen – des Planeten erzählen. »Unrentable« Menschen ertrinken zu Tausenden im Mittelmeer – Frauen, Kinder, Männer. Bestraft werden nicht Kriegsverbrecher und kriminelle Finanzjongleure, die den Flüchtlingsstrom vor sich her treiben, sondern die Retter in der Not, die Ertrinkende aus dem Wasser ziehen oder ihnen helfen, über die verschneiten Alpen in Länder zu kommen, in denen Hunger weitgehend unbekannt ist.

Gefangene der Despotie



Die französische Regierung, die vor einigen Tagen – nach langem Hin und Her – einwilligte, dem Rettungsboot »Aquarius« 60 seiner 255 geretteten afrikanischen Passagiere abzunehmen, als handelte es sich um Kartoffeln, und sich dafür selbst lobte, schickte ein Kontingent strenger Bürokraten nach Malta, um die dort angelandeten Flüchtlinge zu inspizieren, bevor sie ins sogenannte Land der Menschenrechte gelassen werden. Der Direktor einer eigens für solche Zwecke gegründeten Behörde mit dem eindrucksvollen Namen »Office français de protection des réfugiés et apatrides« (OFPRA, Französisches Büro zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen) heißt derzeit Pascal Brice und sagt, man werde die 60 Leute »identifizieren«, bevor sie nach Paris oder anderswohin gebracht werden könnten. Einziges Kriterium der »Identifikation« sei die Beantwortung der Frage, ob die Männer, Frauen oder Kinder »asylfähig« im Sinne des entsprechenden französischen Gesetzes seien.

Für diese Gefangenen des europäischen demokratischen Despotismus bedeutet dies, dass sie ihren Parcours von ihrem Zuhause bis an die Ufer des Mittelmeers, bis zum Besteigen eines morschen Schlauchboots, dem Sinken desselben und dem rettenden Sprung auf das Schiff der Hilfsorganisation »SOS Mittelmeer« im Detail beschreiben müssen. »Asylfähig« sind nach den Vorschriften des OFPRA nur jene, die »eine ihnen drohende Gefahr« nachweisen können, die sie schließlich zum Verlassen ihres Heimatortes getrieben hat. »Hunger«, so sieht es das Regelwerk der Inspektoren vor, ist nicht als »Gefahr« zu bewerten. Immerhin, OFPRA-Chef Brice gab sich vor Journalisten »sicher, dass wir unsere 60 Leute finden werden«.

In Deutschland ist man kreativ. Hier werden Flüchtlinge zu »Touristen« umgedeutet, die – offenbar einer Art Masterplan namens »Asyltourismus« folgend – bei den schwer arbeitenden Menschen jenseits der Alpen um kostenloses Essen und Logis nachsuchen. Roma, die in ihrer ungarischen, rumänischen oder italienischen »Heimat« wie wilde Tiere gejagt werden, müssen sich neuerdings gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, mit geheimnisvollen Schleusern zusammenzuarbeiten, die sie an den Rhein schicken, um dort Sozialhilfe abzustauben. Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link steht mit solchen Geschichten nicht alleine da. Überall in Europa werden sogenannte »Missbrauchsfälle« gemeldet – in Belgien, in Frankreich und in Italien sowieso. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sieht sich wieder einmal »in der Tradition der Herstellung von Sündenböcken« – eine ernste Gefahr für jene Menschen, »die sich noch nie an einem Krieg beteiligt haben«, wie der Regisseur Tony Gatlif nie müde wird zu erklären.

Gleiche Zwangslage



Genau das scheint eines der Kennzeichen der »Unrentablen« zu sein. Dass sie sich ständig weigern, ihre Friedfertigkeit dem kapitalistischen Großprojekt zur Vernichtung des Planeten zu opfern. 19.000 »Armutsflüchtlinge« aus osteuropäischen Ländern lebten derzeit in Duisburg, sagt der SPD-Mann Link. Seine Partei, die in der Bundesregierung sitzt, stützt und verfolgt – zusammen mit Leuten wie dem Innenminister Horst Seehofer – eine Politik, die diese Armut täglich befördert. Romani Rose will nun eine »unabhängige Kommission Antiziganismus« haben, die »konkrete Aufklärung« betreiben soll. Das wird nicht reichen.

Der Kommunist Luciano Canfora verlangt von den versprengten Häuflein der europäischen Linken nicht weniger als eine europaweite Allianz und »ein simples Projekt, das sich radikal den herrschenden Regeln widersetzt«. Canfora: »Der stählerne Käfig, den man Europa nennt – oder, wenn man so will, auch Europäische Union –, muss aufgebrochen werden. Das gegenwärtige Europa ist das der Bankiers und des Elends. Wenn man darauf besteht, dass dieser Käfig unantastbar ist, dann wird keine soziale Politik der Linken möglich sein.«

In seiner großen Analyse menschlicher Widerstandskraft, »Der Mensch in der Revolte«, beschrieb Albert Camus in Anklang an Hegels berühmtes Kapitel aus der »Phänomenologie des Geistes« 1951 das Verhältnis von Sklaven und Herren. Die Bilder der in libyschen Lagern angeketteten afrikanischen Hungerflüchtlinge oder der vor ihren feixenden Jägern fliehenden ungarischen Roma-Familien deuten auf eine Zukunft hin, deren Grauen Camus schon vor fast 70 Jahren schwante: »Herr und Knecht sind in der gleichen Zwangslage: Die zeitweilige Herrschaft des einen ist ebenso relativ wie die Unterwerfung des anderen. Die beiden Kräfte erhärten sich abwechslungsweise im Augenblick der Rebellion, bis sie aufeinanderstoßen, um einander zu vernichten.«





Montag, 20. August 2018

NEUE INTERNATIONALE NÖTIG



Aus: Ausgabe vom 21.08.2018, Seite 3 / Schwerpunkt

Austritt aus dem Kapitalismus



Der Imperialismus hat eine kollektive militärische Kontrolle über die Welt errichtet. Eine neue Internationale ist nötig


Von Samir Amin


Übersetzung aus dem Französischen: Arnold Schölzel

Am 7. August veröffentlichte die Internetseite afrique-asie.fr einen Artikel des ägyptisch-französischen Wirtschaftswissenschaftlers Samir Amin unter dem Titel »Der unumgängliche Wiederaufbau der Internationale der Arbeiter und der Völker«. jW veröffentlichte am 13. August den offenen Brief, der dem Text beigefügt war, nicht ahnend, dass Amin am Tag der Drucklegung, dem 12. August, gestorben war. Heute dokumentieren wir Auszüge aus dem Artikel.

Das seit etwa 30 Jahren herrschende System ist durch eine extreme Zentralisation der Macht in allen ihren Dimensionen gekennzeichnet – lokal und international, wirtschaftlich, politisch und militärisch, sozial und kulturell.

Einige tausend riesige Unternehmen und einige hundert Finanzinstitutionen, die miteinander in Kartellvereinigungen verbunden sind, haben die nationalen und die globalen Produktionssysteme auf den Status von Zulieferbetrieben reduziert. Auf diese Weise vereinnahmen die Finanzoligarchien einen wachsenden Anteil des Produkts von Arbeit und Unternehmen. Sie verwandeln es in eine Rente zu ihrem ausschließlichen Vorteil.

Nach der Zähmung der großen traditionellen Parteien der »Rechten« und der »Linken«, der Gewerkschaften und der Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft üben diese Oligarchien nunmehr zugleich eine absolute politische Macht aus. Die mediale Priesterschaft, die ihnen unterworfen ist, fabriziert die notwendige Desinformation zur Entpolitisierung der öffentlichen Meinung. Die Oligarchien haben die frühere Bedeutung des Mehrparteiensystems auf Null reduziert und es gleichsam durch das Regime einer Einheitspartei des Monopolkapitals ersetzt. Die repräsentative Demokratie ist ihres Sinns beraubt und verliert ihre Legitimität.

Dieses System des gegenwärtigen Spätkapitalismus ist perfekt in sich geschlossen und erfüllt die Kriterien von »Totalitarismus«, wovon man sich in diesem Zusammenhang gleichwohl zu sprechen hütet. Es handelt sich um einen Totalitarismus, der im Moment noch »weich«, aber stets bereit ist, auf extreme Gewalt zurückzugreifen, sofern die Opfer – die Mehrheit der Arbeiter und der Völker – dahin kämen, sich tatsächlich zu erheben. Die Möglichkeit eines Aufstandes ist gegeben. (…) Hinzu kommen enorme ökologische Herausforderungen (insbesondere die Frage des Klimawandels), auf die der Kapitalismus keinerlei Antwort geben kann (und das Pariser Abkommen dazu ist nichts anderes als Sand, der in die Augen naiver Menschen gestreut wurde), sowie wissenschaftlicher Fortschritt und technologische Innovationen (u. a. Informatik), die rigoros den Forderungen nach finanzieller Rentabilität, die für die Monopole jederzeit gesichert sein muss, unterworfen werden. (…)

Es handelt sich um eine neue Form imperialistischer Globalisierung und um nichts anderes. Der Allerweltsbegriff »Globalisierung« verbirgt ohne diese nähere Bestimmung die wesentliche Realität: die Verwirklichung systematischer Strategien, die von den historischen imperialistischen Mächten (die Triade Vereinigte Staaten, West- und Mitteleuropa, Japan) entwickelt wurden. Sie verfolgen das Ziel, die natürlichen Ressourcen des Südens zu plündern und dies durch Ausbeutung von dessen Arbeitskräften zu gewährleisten, deren Verteilung und Zulieferung sie kommandieren. Diese Mächte versuchen, ihr »historisches Privileg« zu bewahren und allen anderen Nationen zu verbieten, ihren Status einer unterworfenen Peripherie zu verlassen.

Die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts war, genau genommen, eine der Revolte von Völkern der Peripherie des Weltsystems. Sie engagierten sich entweder für eine sozialistische Trennung von ihm oder für Formen der nationalen Befreiung, die sie gegen es abschotteten. Das ist vorläufig vorbei. Die laufende Rekolonialisierung, die keinerlei Legitimität hat, beruht auf dieser fragilen Lage.

Aus diesem Grund haben die historischen imperialistischen Mächte der Triade unter Anführung der USA ein globales System kollektiver militärischer Kontrolle des Planeten errichtet. Die Zugehörigkeit zur NATO, die untrennbar mit dem europäischen Konstrukt verbunden ist, ist ebenso wie die Militarisierung Japans Bestandteil des neuen kollektiven Imperialismus, der an die Stelle der nationalen Imperialismen (der USA, Großbritanniens, Japans, Deutschlands, Frankreichs und einiger anderer) getreten ist. Diese befanden sich zumeist in einem permanenten und gewaltsamen Konflikt.

Unter diesen Bedingungen könnte der Aufbau einer internationalen Front der Arbeiter und der Völker der Erde eine wichtige Achse im Kampf gegen die Herausforderung sein, welche die Entfaltung des heutigen imperialistischen Kapitalismus darstellt. (…) Der Austritt aus dem Kapitalismus der systemischen Krise ist nötig, nicht aber der Versuch, einen Ausweg aus dieser Krise des Kapitalismus zu finden. Das ist nicht möglich.

1. Das Ziel ist, eine Organisation (die neue Internationale) zu schaffen und nicht einfach eine »Bewegung«. Das schließt ein, dass man über das Konzept eines Diskussionsforums hinausgeht. (…)

2. Die historische Erfahrung der bisherigen Arbeiterinternationalen muss ernsthaft studiert werden, auch wenn man der Ansicht ist, dass sie der Vergangenheit angehören. Es geht nicht darum, unter ihnen ein »Modell« zu finden, sondern darum, eine geeignetere Form für die heutigen Bedingungen zu entwerfen.

3. Die Einladung zur Gründung sollte an eine große Zahl von Parteien und Organisationen, die sich im Kampf befinden, gerichtet werden. Ein erstes verantwortliches Komitee für das Ingangsetzen des Vorhabens sollte schnell gebildet werden. (…)






Freitag, 17. August 2018

Test für NATO-"Speerspitze"


Entnommen:

Aus: Ausgabe vom 18.08.2018, Seite 1 / Titel

Endlich wieder Ostfront



NATO-Großmanöver in Norwegen: Üben für den Krieg gegen Russland. Bundeswehr kommandiert »Speerspitze«


Von Jörg Kronauer

Es soll eine Kriegsübung der Superlative werden: Vom 25. Oktober bis 7. November will die NATO in Norwegen das Großmanöver »Trident Juncture 2018« abhalten. Mit mehr als 40.000 teilnehmenden Soldaten wird es das größte oder zweitgrößte NATO-Manöver seit 1990 sein. Die Bundeswehr stellt mit rund 8.000 Uniformierten eines der größten Kontingente. Beteiligt sind sämtliche NATO-Mitglieder plus die offiziell immer noch neutralen, informell freilich längst in das westliche Kriegsbündnis eingebundenen Staaten Finnland und Schweden. Und: »Trident Juncture 2018« findet in einem der fünf NATO-Staaten statt, die eine Landgrenze mit Russland haben. Wie das Kriegsbündnis mitteilte, liegt der Übung ein »Artikel-5-Szenario« zugrunde – die Annahme, so hat es US-Admiral James G. Foggo erläutert, dass »die Souveränität des Verbündeten Norwegen verletzt« wird und die NATO darauf militärisch reagiert. Nach Lage der Dinge liefe dies auf einen Krieg gegen Russland hinaus. Foggo ist Kommandeur des Joint Force Command in Neapel und wird das Manöver leiten.

Für die Bundeswehr hat das Manöver besondere Bedeutung, weil es der abschließende große Test für die NATO-»Speerspitze« des Jahres 2019 ist. Die »Speerspitze«, eine besonders schnell einsetzbare Eingreiftruppe (»Very High Readiness Joint Task Force«, VJTF) mit mittlerweile bis zu 8.000 Soldaten, wird im kommenden Jahr von der Bundeswehr geführt. Theoretisch soll sie überall auf der Welt operieren können; praktisch ist sie auf eine mögliche Eskalation des Machtkampfs gegen Russland fokussiert. Das zeigt die Tatsache, dass die NATO in acht Staaten Ost- und Südosteuropas in größtmöglicher Nähe zur russischen Grenze Minihauptquartiere eingerichtet hat, die blitzschnelle Interventionen der VJTF ermöglichen sollen. Entsprechend ihrer Aufgaben in der VJTF wird die Bundeswehr mit 30 Kampfpanzern vom Typ »Leopard 2«, 75 Schützenpanzern der Modelle »Marder« und »Boxer« sowie zehn Panzerhaubitzen 2000 nach Norwegen reisen. »Trident Juncture« treibt die Zahl der deutschen Soldaten, die dieses Jahr an multinationalen Kriegsübungen teilnehmen, auf den Rekordwert von ungefähr 12.000, dreimal so viel wie 2017. Die Kosten für Berlin werden auf 90 Millionen Euro geschätzt. Und am 1. Januar 2019 übernehmen die deutschen Streitkräfte dann die Führung der VJTF, die im Falle eines Krieges mit Russland als erste NATO-Einheit an die Front entsandt würde.

»Trident Juncture 2018« steht auch im Zusammenhang mit diversen anderen gegen Russland gerichteten Großmanövern der NATO und ihrer Mitgliedstaaten. So ist im Juni in der Ostsee mit rund 5.000 Soldaten, darunter Einheiten der deutschen Marine, das Manöver »Baltops 2018« durchgeführt worden. Ebenfalls im Juni hat mit rund 18.000 Militärs, darunter ebenfalls deutsche, die Kriegsübung »Saber Strike 2018« stattgefunden. Beide Übungen zielten darauf ab, die Kriegsfähigkeit der NATO im Ostseeraum zu Lande, zu Wasser und in der Luft auszuweiten. Im Juli gab es mit »Sea Breeze 2018« ein Manöver mit rund 3.000 Soldaten im Schwarzen Meer, Anfang August mit »Noble Partner 2018« eines mit ebenfalls gut 3.000 Teilnehmern – darunter Angehörigen der Bundeswehr – in Georgien. Anfang September werden sich deutsche Soldaten an dem US-geführten Manöver »Rapid Trident 2018« beteiligen, das mit rund 2.300 Militärs in der Nähe der westukrainischen Stadt Lviv abgehalten werden soll.





Donnerstag, 16. August 2018

Sanktionen - faktische Kriegserklärung



Kriegserklärung ! Russland wird heute angegriffen wie 1941


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 16. AUGUST 2018


von Finnisch Cunningham – https://russia-insider.com

„Washington hat bislang mitgeteilt, dass es nicht an Diplomatie, Dialog oder Verhandlungen interessiert ist. Es kennt nur eine Verhaltensoption – Krieg, Krieg und nochmals Krieg.“

Die neue Sanktionsrunde, die diese Woche von den Vereinigten Staaten gegen Russland verhängt wurde, hat nur eine Bedeutung: Die US-Herrscher wollen die russische Wirtschaft zerschlagen. Washington erklärt Russland faktisch den Krieg.

Die umgesetzten wirtschaftlichen Maßnahmen können eine scheinbar abstrakte oder sterile Qualität haben: Verbot von elektronischen Exporten nach Russland, Unruhestiftung an den Finanzmärkten, fallende Aktienkurse. Aber die materielle Konsequenz ist, dass amerikanische Vertreter beabsichtigen, der russischen Gesellschaft und dem russischen Volk physischen Schaden zuzufügen.

Es handelt sich um einen Wirtschaftskrieg in der Grauzone zur militärischen Kriegsführung, wie es der preußische General Karl von Clausewitz zweifellos zu schätzen wüßte.

Es erscheint umso bedeutsamer, dass in dieser Woche auch die US-Internet-Dienste gegenüber Anti-Kriegs-Websites ein großes Durchgreifen an den Tag legten, was darauf hindeutet, dass die Machthaber jegliche Kritik oder öffentliches Bewusstsein für ihre rücksichtslose Kriegstreiberei abschalten wollen.

Darüber hinaus basiert die jüngste Runde der US-Sanktionen – es gab mehrere vorangegangene Runden seit dem erfundenen ukrainischen Konflikt im Jahr 2014 – auf nichts als wilden, lächerlichen Spekulationen. Das fügt nur Beleidigung der Verletzung hinzu.

Washington sagte, dass die neuen vorgeschlagenen Sanktionen auf seine „Entschlossenheit“ zurückzuführen sind, weil der russische Staat für einen angeblichen Chemiewaffenangriff auf einen ehemaligen Doppelagenten in England Anfang des Jahres verantwortlich war.

Die so genannte Skripal-Affäre um Sergej Skripal und seine Tochter Yulia, die angeblich von russischen Agenten mit einem tödlichen Nervengas vergiftet wurden, ist noch ein unbewiesenes Rätsel. Manche sagen vielleicht sogar „Farce“.

Die britische Regierung hat nie Beweise für ihre sensationellen Anschuldigungen gegen Moskau vorgelegt. Ihre Behauptungen, Russland sei für die Vergiftung der Skripals verantwortlich, beruhen ausschließlich auf zweifelhaften Behauptungen und Anspielungen.

Nun schlägt Washington Sanktionen vor, die auf einer völlig unbestätigten „Entschlossenheit“ der Briten beruhen – Sanktionen, die die russische Wirtschaft zerstören sollen. Die vorgeschlagenen Strafmaßnahmen gehen weit über das übliche Einfrieren von Vermögenswerten von Einzelpersonen hinaus. Was Washington zu tun gedenkt, ist, die zentralen Finanzoperationen der russischen Wirtschaft anzugreifen.

Kein Wunder, dass der russische Premierminister Dmitri Medwedew eine ernste Antwort auf die jüngsten amerikanischen Sanktionen gab. Er sagte, sie seien vergleichbar mit „Wirtschaftskrieg“. Medwedew warnte, dass Moskau entweder „politisch, wirtschaftlich oder auf andere Weise“ zurückschlagen müsse. Medwedews Ton war unverkennbar alarmiert über den drakonischen, willkürlichen und irrationalen Charakter der US-Aktionen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äußerte auch Ungläubigkeit und Besorgnis über Washingtons Verhalten. Nach dem scheinbar konstruktiven Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im vergangenen Monat in Helsinki macht diese jüngste Provokation aus Washington die amerikanische Seite völlig unberechenbar.

Die sofort in Kraft tretenden Sanktionen beschränken sich auf das Verbot der Ausfuhr von US-Elektronik nach Russland. Aber was als nächstes kommt, ist verwirrend. Washington sagt, wenn Russland keine „Garantie“ für die Einstellung des künftigen Einsatzes chemischer Waffen gibt und wenn Moskau den internationalen Inspektoren nicht erlaubt, angebliche chemische Waffen zu überwachen – dann wird die zweite Sanktionswelle innerhalb von 90 Tagen verhängt.

Die anschließende Sanktionsrunde beinhaltet das Verbot für die staatliche russische Fluggesellschaft Aeroflot, Flüge in die USA durchzuführen. Die Unmöglichkeit, dass Russland den absurden Forderungen Washingtons nachkommt, macht die weitere Anwendung von Sanktionen unumgänglich.

Ein eigener Gesetzentwurf wird im Kongress verhandelt, der das russische Bankensystem treffen will, um internationale Transaktionen zu verhindern.

Senatoren, die diesen Gesetzentwurf unterstützen, haben ihn als „das Sanktionsgesetz aus der Hölle“ bezeichnet. Der Titel der vorgeschlagenen Gesetzgebung sagt alles: „Defending American Society From Russian Aggression Act“. Die Senatoren John McCain, Lindsey Graham, Robert Menendez und Ben Cardin, unter anderen Russophoben, die aus Eskalation aus sind, sprechen sich zu ihrer Zielsetzung sehr klar aus. Sie sagen, dass die eingeleiteten Maßnahmen den Kreml „zermalmen“ werden.

Tragischerweise wird das amerikanische Volk von Politikern in den Abgrund geführt, die entweder ignorant, verrückt oder Prostituierte für Kriegsgewinne sind. Vielleicht sogar alles davon. Perverserweise werfen diese Politiker und ihre Medienkunden Russland „Kriegshandlungen“ wegen phantastischer Behauptungen über „Wahlintervention“ vor, während sie es in Wirklichkeit sind, die Kriegshandlungen gegen Russland begehen.

Die Chancen sind gering, dass Präsident Trump seine Exekutivgewalt nutzen wird, um die bevorstehenden Sanktionen zu blockieren. Das politische Klima in den USA unter den Geheimdiensten, Gesetzgebern und den Mainstream-Medien ist mit antirussischer Hysterie gesättigt. Die USA sind eine Oligarchie des Wahnsinns jenseits der demokratischen Rechenschaftspflicht gegenüber ihrem Volk.

Bereits in dieser Woche hat die Ankündigung offensiverer wirtschaftlicher Übergriffe auf Russland die russische Wirtschaft in die Tiefe getrieben. Der Rubel, Anleihen und Aktien sind alle abgestürzt. Dies ist ein Angriff auf die vitalen Interessen Russlands. Eine wirtschaftliches Barbarossa.

Kein Zweifel, Teil der amerikanischen Berechnung ist es, soziale Unzufriedenheit und Zwietracht gegenüber der Regierung Putin zu schüren. Es ist das gleiche illegale Regiebuch, das die Amerikaner mit dem Iran benutzen, dessen Wirtschaft diese Woche auch von drakonischen US-Sanktionen getroffen wurde.

Wenn die russische Wirtschaft bereits wegen der jüngsten angekündigten Sanktionen in Aufruhr geraten ist, kann man sich den Schaden nur vorstellen, der entsteht, wenn weitere amerikanische Angriffe auf die Grundlagen des russischen Bankensystems und seine Freiheit, mit dem Rest der Welt zu handeln, verübt werden.

Für Washington scheint dies eine offene Saison für Sanktionen zu sein. Es sind nicht nur Russland und der Iran im Visier. Auch China, Kanada, die Europäische Union, die Türkei, Venezuela, Nordkorea u.a. werden unter dem Namen „Sanktionen“ oder indirekt mit der Rhetorik der „Zölle“ mit amerikanischen Wirtschaftskriegen konfrontiert.

Von russischer Seite hat man bisher mit großer Nachsicht die Provokationen und Aggressionen Washingtons unter zahlreichen Vorwänden geduldet. Vom Konflikt in der Ukraine über die angebliche Annexion der Krim, die prinzipielle Unterstützung Moskaus für Syrien als „Unterstützung eines Diktators“ bis hin zur angeblichen „Einmischung in US-Wahlen“ und vieles mehr hat Russland große Reserven an Stoizismus und Selbstdisziplin bei der Duldung dessen gezeigt, was man nur als unnötige amerikanische Aggression bezeichnen kann.

Russland hat stets eine würdevolle, unerschütterliche Haltung gegenüber der amerikanischen Verhöhnung und Irrationalität eingenommen. Moskau dachte vielleicht, dass Präsident Trump eine gewisse Normalität in die bilateralen Beziehungen bringen könnte. Das hat sich als illusorisch herausgestellt.

Aber was passiert jetzt? Wenn Washington wirklich zu weit gegangen ist. Die USA haben ihr ungehobeltes Verhalten auf ein völlig neues, gefährliches Niveau gehoben, indem sie sich darauf vorbereitet haben, einen umfassenden Wirtschaftskrieg gegen die lebenswichtigen Interessen Russlands zu führen.
Die verrückten amerikanischen Herrscher drängen die Welt durch ihre Aggressivität an den Abgrund.

Washington hat bislang mitgeteilt, dass es nicht an Diplomatie, Dialog oder Verhandlungen interessiert ist. Es kennt nur eine Verhaltensoption – Krieg, Krieg und nochmals Krieg.

Quelle: Strategic Culture

https://russia-insider.com/en/war-declared-russia-under-attack-today-same-1941/ri24433?ct=t(Russia_Insider_Daily_Headlines11_21_2014)&mc_cid=048139f7f2&mc_eid=8206ba48e2





Mittwoch, 15. August 2018

SCHWEIGEN SIE, von der Leyen




Russischer Verteidigungsminister kontert Von der Leyen: "Sie sollten noch 200 Jahre schweigen!"

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat am Sonntag während eines Interviews seiner deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen und deren Forderungen nach einem "harten Russland-Kurs" mit deutlichen Worten geantwortet.



Von der Leyen hatte im Vofeld des jüngsten NATO-Gipfels bekräftigt, dass man Russland im Dialog aus einer "Position der Stärke" begegnen müsse. Dies fordert sie seit der Ukraine-Krise. Schon damals war sie für mehr Engagement vonseiten der NATO und die Modernisierung des mächtigen Militärbündnisses eingetreten. "Aus einer Position der Stärke lässt es sich besser mit Moskau sprechen", sagte sie damals und betonte, dass die "östlichen Partner Schutz vor Russland" erwarteten.

Schoigu antwortete nun den Forderungen der deutschen Verteidigungsministerin: "Nach allem, was Deutschland unserem Land angetan hat, sollten Sie noch 200 Jahre lang nichts zu diesem Thema sagen."

Anschließend riet er Berlin, "über die Geschichte nachzudenken" und fügte hinzu: "Fragen Sie Ihre Großväter, was es bedeutet, aus einer Position der Stärke mit Russland zu sprechen. Sie werden es Ihnen wahrscheinlich sagen können."







Montag, 13. August 2018

DIE MACHT: US-Neocons




Nordamerika



US-Analyst: Medien befinden sich "tiefer im Stalinismus der 1950er als jedes osteuropäische Land"


13.08.2018 • 06:45 Uhr

Der Leiter des Ron Paul Instituts für Frieden und Wohlstand, Daniel McAdams, sieht im Gespräch mit RT Deutsch trotz der lauten Trump-Kritik aus diesen Kreisen nach wie vor ein enormes Machtpotenzial der US-Neocons und einen anhaltenden Einfluss im Weißen Haus.



RT Deutsch hat mit Daniel McAdams gesprochen. Er ist Direktor des Ron Paul Instituts für Frieden und Wohlstand. Die Anschuldigung einer russischen Einmischung in die US-Wahlen dient, so meint Adams, den Interessen der Neokonservativen, von denen er meint, sie würden "immer einflussreicher im Umfeld von US-Präsident Trump" werden. Diese Elite befinde sich im Krieg mit der Redefreiheit und betrachte Krieg als Lösung im Bereich der Außenpolitik.

Der Gründer der Einrichtung, Ron Paul, war zwischen 1976 und 2013 (mit Unterbrechungen) als Republikaner Abgeordneter im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten und bewarb sich 1988 (in der General Election für die Libertarian Party), 2008 und 2012 (jeweils in den Vorwahlen für die Republikaner) um das Präsidentenamt.

Das nationale Sicherheitsteam von US-Präsident Donald Trump hat behauptet, dass Russland hinter "allgegenwärtigen" Versuchen stehe, sich in die bevorstehenden US-Wahlen einzumischen. Wie bewerten Sie diese anhaltende Diskussion und wer profitiert von diesem Narrativ im US-Establishment?

Die Behauptungen der russischen Einmischung werden heutzutage so regelmäßig aufgestellt, dass nicht einmal mehr der Versuch unternommen wird, Beweise dafür hervorzubringen. Die Mainstream-Medien in den USA befinden sich mit ihrer Berichterstattung weit mehr als jedes osteuropäische Land in den stalinistischen 1950er Jahren. Sie alle berichten die gleiche Geschichte, die ihnen von US-Neokonservativen vorgelegt wird, und stellen nie in Frage, was ihre Regierung ihnen erzählt.

In diesem Zusammenhang wurden letzte Woche Behauptungen über 32 Facebook-Konten aufgestellt, ohne dabei überhaupt erst eine Untersuchung zu erwägen. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht. Facebook behauptete lediglich, es gäbe ein ähnliches Muster wie die - ebenfalls unbewiesenen - früheren russischen Versuche, die US-Politik über Facebook zu manipulieren, und das reichte der Schoßhündchen-US-Mainstream-Presse, um Artikel für Artikel über "mehr russische Einmischung" zu verfassen.

Mein Punkt ist: Selbst wenn alles, was sie über Russland behaupten, wahr wäre, es wäre nicht einmal ein Bruchteil von einem Prozent dessen, was die Regierung der Vereinigten Staaten jeden Tag im Ausland tut. Es geht nicht um Facebook-Werbung: Die US-Regierung hat ganze Länder in die Luft gejagt und unzählige Zivilisten im Rahmen dieser "Einmischung" getötet. Die US-Presse verliert darüber kein Wort. Wenn Du die Wahrheit sagst, wirst Du schnell als "unpatriotisch" beschimpft. Eine neue Art von Tyrannei erhebt ihren hässlichen Kopf in Amerika und befindet sich im Krieg mit Redefreiheit und offener Debatte.

Mit Mike Pompeo als Außenminister und John Bolton als Sicherheitsberater wird behauptet, dass sich zwei Falken zu Schlüsselpositionen in der Trump-Administration hochgearbeitet hätten. Welche Auswirkungen haben diese Persönlichkeiten Ihrer Meinung nach auf den außenpolitischen Kurs von Trump?

Es ist extrem gefährlich für Donald Trump, dass er sein Kabinett mit den Neokonservativen (auch "Neocons" genannt) gefüllt hat. Egal wohin er sich wendet, er wird von Neocons beraten und diese Beratung führt immer zum Krieg als Lösung. Selbst wenn der Präsident den Krieg vermeiden wollte, halten die Neokonservativen ihn in einer Informationsblase fest, wo er es schwer hat, andere Optionen anzuhören. Bisher haben wir gesehen, dass Trump bereit ist, einige seiner neokonservativen Berater zu ignorieren, aber das kann nicht ewig so weitergehen. Das ist eine Katastrophe, die er selbst verursacht hat, und der einzige Weg, sie zu beheben, ist, die Leute zu feuern.

Trump wurde nach seinem Treffen mit Putin in Helsinki schwer angegriffen. Wie nahm die US-Gesellschaft das Treffen auf?

Trump wurde natürlich von den Mainstream-Medien und den Neokonservativen angegriffen, die entschlossen sind, dass Russland unser Feind sein muss und wir uns auf den Krieg vorbereiten müssen. Warum? Weil ihre Gehälter von Regierungen und militärischen Auftragnehmern bezahlt werden, die vom Krieg profitieren.

Laut mehreren Umfragen nach dem Treffen in Helsinki unterstützen US-Amerikaner unabhängig von der Parteizugehörigkeit Trumps Sitzung mit Putin. Unter den Republikanern stimmte eine große Mehrheit sogar weiteren Treffen zu.

Sind Trumps Gegner daran interessiert, Trump als Russlands Marionette zu verketzern, um seine Position bei der nächsten Wahl zu untergraben, und ist die ganze "Russiagate"-Diskussion nur ein Vorwand, um Trump zu schwächen?

Die ganze "Russiagate"-Geschichte basiert auf Lügen von krummen Geschäftsleuten wie Bill Browder, krummen Politikern wie Senator Ben Cardin, McCain, Graham sowie krummen Journalisten, die die US-Regierung nie in Frage stellen.

Das führt logischerweise dazu, dass das Vertrauen der US-Bevölkerung in den Kongress und in die Medien auf das niedrigste Niveau aller Zeiten abgerutscht ist. Es wird eine Gegenreaktion auf diesen idiotischen neuen McCarthyismus in den USA geben!

Lindsey Graham versprach Russland "Sanktionen aus der Hölle". Warum werden diese Sanktionen in so energischer Weise beschlossen?

Die neuen Sanktionen werden nicht angenommen, sondern nur vorgeschlagen. Der Kongress hat kein anderes Instrument in seinem Instrumentarium als Sanktionen. Es gibt eine Fehleinschätzung, dass Mitglieder des Kongresses Zugang zu riesigen Mengen an Informationen haben und mit überlegenem Wissen über jede Situation handeln. Tatsächlich haben sie gar nicht mehr Informationen als der durchschnittliche Amerikaner. Sie lesen fast ausschließlich die Mainstream-Medien. Viele von ihnen wissen nicht einmal, wie man im Internet nach unabhängigen Nachrichtenquellen sucht. Sie sind absolut uninteressant. Sie akzeptieren, was ihnen gesagt wird. Sie sind gefährlich uninformiert über den Rest der Welt.

Die Ukraine und die Vereinigten Staaten arbeiten an der Wiederaufnahme der Arbeit der Kommission für strategische Partnerschaft, die vor zehn Jahren gegründet und während der Regierungszeit von Präsident Janukowytsch aufgegeben wurde. Ist davon auszugehen, dass die Spannungen in dem vom Krieg zerrissenen Land dadurch wieder verstärkt werden können?

Das Hauptproblem ist wiederum, dass Präsident Trump keine Kontrolle über sein eigenes Außenministerium zu haben scheint. Sein Außenminister ist ein eingefleischter Neokonservativer, der eher wie ein Kriegsmacher als wie ein Diplomat oder Friedensstifter klingt. Es fällt mir zurzeit schwer, zu glauben, dass Präsident Trump wirklich bereit ist, mit Russland über die Ukraine auf Augenhöhe zu reden. Ich glaube jedoch auch nicht, dass er dem abgeneigt ist.

Es ist merkwürdig, dass Trump als ein erfolgreicher Geschäftsmann gefeiert wird, wenn es doch offensichtlich ist, dass er schrecklich darin ist, Leute einzustellen, die seinen Befehlen Folge leisten.






Donnerstag, 9. August 2018

13. August 1961


Es ist der 09.08.2018. Die Abendschau im rbb. Der Reporter fragt anlässlich des bevorstehenden 13. August (1961) einen jungen Mann, woran er dabei denkt.

Dieser: „Eingesperrt.“

Der Reporter: „Sie haben recht.“

Die Reduzierung eines außerordentlichen Faktes in der Geschichte wird auf ein Wort reduziert. Das ist Methode. In bürgerlichen Medien, die das Wort Wahrheit aus ihrem Wortschatz längst gestrichen haben. Die Verdummung geht weiter...

Deshalb habe ich nochmals den folgenden Buchtipp ins Netz gestellt.


*****

"Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" , Armeegeneral a. D. Heinz Keßler,  Generaloberst a. D. Fritz Streletz

Nachhilfe für Ewiggestrige

Buchtipp von Harry Popow

Wie nicht anders zu erwarten: Das Buch mit dem Titel "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" von Armeegeneral a.D. Heinz Keßler und Generaloberst a.D. Fritz Streletz warf gehörig Staub auf. Zerrt es doch ans Licht, was allzu gerne totgeschwiegen wird: Die Schuld des Westens am Kalten Krieg, der ein heißer zu damaliger Zeit zu werden drohte. Und nach der sogenannten Wende fürchten die Kapitaloberen und ihre Marionetten in der Politik nichts so sehr wie ein Dacapo einer echten Alternative zum jetzigen Herrschaftssystem. Das sind sie - die echten Ewiggestrigen, die von einer dringend notwendigen Veränderung des Gesellschaftssystems nicht nur nichts halten, sondern jede Idee zum Besseren für das Wohl der Menschheit mit Füßen treten und jede Idee dahin im Keime ersticken wollen.

Das ist in der krisengeschüttelten Gegenwart nicht verwunderlich, ruft doch selbst so ein gestandener Mann wie der Franzose Stéphane Hessel dazu auf, sich gegen das weltweit agierende Finanzkapital zu erheben, sich zu empören. Ist es doch eine Frage des Überlebens geworden, den nationalen und internationalen Profitjägern, Verdummern, Lügnern, Geschichtsfälschern mit knallharten Tatsachen ins Handwerk zu pfuschen. Deshalb auch dieser Stich ins Wespennest: Die beiden NVA-Militärs schreiben Klartext. Faktenreicher geht´s wirklich nicht - endlich ist es da, das sehr gründlich recherchierte, für die Geschichte so wichtige Buch.


Wie viele andere hatte auch ich kürzlich die Freude, es anlässlich der ersten Mitgliederversammlung des Traditionsverbandes der NVA e.V. nicht nur schlechthin zu kaufen, sondern es von den Autoren signieren zu lassen: Die 220 Seiten habe ich in nur wenigen Stunden regelrecht "verschlungen". Natürlich liest man Bekanntes, Ablauf und Gründe für den Bau der "Mauer". Richtig interessant und bisher weitgehend unbekannt sind die in die Tiefe gehenden Passagen, die - weiter ausholend - die Fakten im Zusammenhang betrachten, so zum Beispiel, als bereits im Frühjahr 1945 in der Schweiz mit der Geheimoperation "Sunrise" der eigentliche Anstoß für den Kalten Krieg gegeben wurde. Ganz zu schweigen vom Verlauf der internen und offenen Kriegsvorbereitungen nach 1945 gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder. Ich erspare mir hier die zahlreichen und unwiderlegbaren Details der Kausalkette des knallharten Kampfes gegen den Osten anzuführen. Nicht unerwähnt soll sein: Auch dadurch wird der "Nur-Rührseligkeits-Welle" mit Tränen der Opfer die Einseitigkeit genommen. Die Reduzierung großer politischer Zusammenhänge aufs Detail, auf´s pars pro toto (Teil fürs Ganze), wie es im Stilistischen heißt - das ist Methode!! (Geht es den Hassern des Fortschritts etwa um die Menschen, um deren Schicksale? Sie werden nur benutzt, denn da spielen ganz andere Dinge eine Rolle und die Heuchelei feiert ihre Triumphe!!)

Es ist nicht nur unverschämt und zeugt von einer Nicht-Gewollten-Wahrheitsfindung, wenn die jetzigen Machthaber samt ihrer Medien zum Beispiel vom Verhöhnen der "Opfer" des Mauerbaus faseln. (Jedes Opfer ist immer eins zuviel, aber ohne zusammenhängendes Denken und Analysieren gelangt man nicht zur Wahrheit.) Vergessen sind also die insgesamt etwa 80 Millionen Toten des II. Weltkrieges? Und die 17 Millionen des I.Weltkrieges? Und wenn man die 70 Millionen Opfer dazurechnet, die es bei einer bewaffneten Auseinandersetzung allein in den USA gegeben hätte? (Siehe im Klappentext Kennedys Aussage!!) Ich wage gar nicht die tödliche Leere und Stille im europäischen Raum nach einem großen Knall zu beziffern! Und wer verhöhnt vor allem diese Opfer? Nicht diejenigen, die dem Kriege und deren kapitalherrschaftliche Ursachen endgültig den Garaus machen wollten, sondern jene, die um die Ursachen von weltweiten Konflikten große Bogen machen und alle Schuld auf "Terroristen", auf "Linksradikale", auf jene lenken wollen, die nicht müde werden - dankenswerterweise - der Welt eine andere, friedvollere Perspektive zu geben. Nicht, weil sie es möchten, sondern weil es längst nach zwölf Uhr ist, den Ewiggestrigen mit Worten und Argumenten, mit Demonstrationen und mit der gesamten breiten Palette der Kunst und Kultur in den Arm zu fallen. Dafür stand auch die DDR ein. Dafür und darum stand die "Mauer", von der Kennedy einst sagte, sie sei nicht schön, aber tausendmal besser als Krieg. Möge die neuerliche Mauer zwischen Ost und West, zwischen oben und unten, zwischen Arm und Reich, zwischen etwas Unbedarften und Sehenden Stück für Stück durchlöchert werden - so wie das die hochbetagten und verdienstvollen beiden NVA-Generäle ihr Leben lang und mit diesem wunderbaren Buch getan haben. Wer heutige gesellschaftliche Widersprüche missachtet, sie nicht sehen will, macht sich wieder einmal mitschuldig - wie 1933 und danach... Deshalb die nachdrückliche Nachhilfe für Ewiggestrige.


"Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" , Armeegeneral a. D. Heinz Keßler,  Generaloberst a. D. Fritz Streletz, 2011 Verlag Das Neue Berlin, edition ost, Berlin, ISBN 978 3-360-01825-0, 224 Seiten



Sanktionen - SCHEIßE - von U. Gellermann



Wenn die Scheiße hochsteigt


Gift-Sanktionen gegen Russland


Autor: U. Gellermann
Datum: 09. August 2018

Ein schlechter Tag. Sie kommen ins Bad, rund um das Klo breitet sich eine übel riechende Flüssigkeit aus: Verstopfung. Statt abzufließen, ist die Scheiße hochgestiegen. Ein schwerer Fehler des Klempners. Für diesen Fall gibt es in Deutschland Gesetze. Zum Beispiel den § 635 BGBG zur Nacherfüllung. Vergleichbare Gesetze zur Mediengewährleistung kennt das deutsche Recht nicht. Vielleicht kommt deshalb die völlig ungeprüfte Nachricht über neue Sanktionen der USA gegen Russland wegen des Falls Skripal in alle Medien. Von der TAGESSCHAU über die FAZ bis hin zur GLOCKE, das Blatt für die Kreise Gütersloh, Warendorf und Soest.

Natürlich ist die Nachricht als solche oberflächlich gesehen wahr. Es gibt die US-Sanktionen. Aber wer bei Verstand ist, der weiß, dass die Begründung der USA so lange an den Haaren herbei gezogen wurde, dass die demokratische Perücke ab ist. Mit ihr die Maske des sauberen Journalismus. Denn pompös wird überall als eine Art Rechtsgrundlage erzählt, es gäbe eine "Feststellung, dass die russische Regierung chemische oder biologische Waffen in Verstoß gegen internationales Recht eingesetzt hat oder tödliche chemische oder biologische Waffen gegen ihre eigenen Staatsbürger benutzt hat“. Und wenn morgen das US-Außenministerium feststellen würde, der Papst habe seinen Hund vergiftet, würden die deutschen Medien diese Information klaglos und fraglos einfach weitergeben?

Nein. Käme diese Papst-Giftmeldung auf den Redaktionstisch, begänne ein Prüfen und Nachdenken: Ist die Nachricht seriös genug für eine Publikation? Gibt es Beweise für die Tat? Wer hat ein Interesse an dieser Meldung? Warum sollte der Papst so etwas machen? Und nach ziemlich kurzer Prüfung wäre klar: Das bringen wir nicht. Oder aber nur mit einer Nachfrage beim Tierschutzverein und beim vatikanischen Veterinäramt. Zumindest käme der Presse-Sprecher des Papstes mit einer Gegendarstellung ausführlich zu Wort. Im Russland-Fall: Kein Denken an die Regeln des journalistischen Handwerks. Keine Beisshemmung. Keine Relativierung. Die pure Meinung des US-Außenministeriums wird bedenkenlos an unschuldige Leser und Zuschauer weitergegeben.

Nächst der Wahrheits- und Beweisfrage könnten sich intelligente Redakteure auch fragen, woher denn das US-Ministerium das Recht nimmt wegen eines vermeintlichen Anschlags auf russische Staatsbürger (Familie Skripal) in einem fremden Land (Großbritannien) ein anderes Land mit Sanktionen zu überziehen. Ein mutiger Journalist könnte sogar auf die Idee kommen, dieses US-Vorgehen für eine ziemlich imperiale Anmaßung zu halten. Den weniger mutigen Kollegen fielen vielleicht Experten für Völkerecht ein, die man anrufen könnte und deren Expertise dann veröffentlicht werden würde. Doch intelligente und zugleich mutige Redakteure scheinen ausgestorben zu sein.

Statt die Nachricht zu relativieren oder zu hinterfragen, wertete der SPIEGEL diese Pseudo-News noch weiter auf: "Die USA handelten damit im Gleichklang mit Großbritannien und mehr als zwei Dutzend weiteren Staaten, die ebenfalls russische Diplomaten auswiesen." Gleichklang! Ebenfalls! Dann muss doch was dran sein. Und zur Bekräftigung der Meldung werden auch die Agenturen dpa, Reuters und AFP als Quellen genannt. Toll: Alle schreiben von einander ab, und der SPIEGEL dann auch noch, und schon ist aus einer undiplomatischen Beschimpfung es US-Apparates eine ständige Wiederholung auf allen Kanälen geworden, die der Medienkonsument für Wahrheit halten muss. Nur, weil er von der immer gleichen Schlagzeile umzingelt ist.

Um eine Art Vorkriegsstimmung zu orchestrieren, wird dann noch dieser Satz weitergereicht: "Dass die Sanktionen in Übereinstimmung mit dem Gesetz zur Kontrolle und Beseitigung chemischer und biologischer Waffen von 1991 um den 22. August herum in Kraft treten würden." Als seien die Russen kurz vor einem Gift-Angriff auf fremdes Gebiet. Als müsse das Kriegswaffenkontrollgesetz in Kraft treten. Als müsse man den Bundeswehr-Soldaten gleich noch die ABC-Ausrüstung zum Schutz empfehlen.

Es gibt für den Fall, dass die USA Scheiße in die Gegend werfen und die deutschen Redaktionen sie einfach weitergeben, kein Gesetz, das die Medienkonsumenten schützt. Es gibt keinen Gewährleistungsanspruch. Und es gibt auch keinen Notdienst, den man zur Eindämmung der fäkalen Flut anrufen könnte. Es gibt nur eins: Die alternative Information im Netz. Damit der Kopf von Kriegshetze frei bleibt und der eigene Verstand als Werkzeug gesellschaftlicher Analyse genutzt wird.



Mittwoch, 8. August 2018

Abrüsten statt aufrüsten - Arnold Schölzel




Wir wollen eure Kriege nicht!

Gegensätze zwischen Teilen des Großkapitals und Kampf untereinander sind imperialistischer Herrschaft wesenseigen. Zu ihr gehört aber auch Einigkeit aller Kapitalfraktionen in einer Frage: Eigentumsverhältnisse und Macht der Monopole müssen erhalten bleiben. Das gilt auch für die Bundesrepublik. Es gab in ihrer Geschichte immer wieder harte politische Auseinandersetzungen um taktische Fragen. Die „Staatsräson“ berührte das nie. Worin besteht sie?

Erster Punkt war und ist die Aufstellung einer Nachfolgearmee der Wehrmacht gegen die Sowjetunion beziehungsweise gegen Rußland, um die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges rückgängig zu machen. Dafür wurde der Staat gegründet.

Zweitens die letztliche Unterordnung unter die USA auch bei schweren Differenzen und Interessengegensätzen.

Drittens: keine Abstriche am Führungsanspruch des deutschen Imperialismus auf dem europäischen Kontinent, aber keine Alleingänge mehr wie 1914 oder 1939. Diktate oder Krieg gegen andere Staaten nur im Rahmen der NATO.

Die Bundeskanzlerin erhob 2008 zum vierten Punkt der deutschen Staatsräson den Schutz des Existenzrechts Israels, immerhin einer Atommacht. Das war nicht ernst gemeint, ist aber als Waffe gegen den innenpolitischen Gegner, vor allem die Partei Die Linke, nützlich. Kritik an aggressiver Siedlungspolitik oder gar Aufrufe zum Boykott Israels werden seither verstärkt als „Antisemitismus“ etikettiert ebenso wie schon die geringste Kritik an den sich in Tel Aviv an der Macht befindenden extremen Rechten.

Im sogenannten Asylstreit zwischen CDU und CSU ging es im Kern um die drei ersten Punkte. Innerhalb der deutschen herrschenden Klasse bilden sich unterschiedliche Strategien heraus. Sie lassen sich grob so beschreiben: Richtschnur Merkels sind die Interessen der deutschen Exportindustrie. Sie bleibt z. B. in den wirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit den USA hart, folgt aber deren Forderung, die Aufrüstung gegenüber Rußland zu beschleunigen und Sanktionen zu verschärfen. Bei ihren Gegnern sind Sympathien für das „America first“ Trumps unverkennbar (Markus Söder: „Die Zeit des geordneten Multilateralismus ist vorbei.“), allerdings plädieren sie für weniger Konfrontation im Umgang mit dem Osten.

Merkel plädiert für die Stärkung der EU, Seehofer und Co. wollen zurück zu einem „Europa der Vaterländer“ und zu nationalen Alleingängen. Merkel geht es darum, Repression und Abschottung mit liberaler Fassade zu versehen (das Bild vom „häßlichen Deutschen“ schadet der Exportquote). Die Fronde in CDU und CSU sowie den Spitzen des Beamtenapparates, der Justiz und der Bundeswehr, die gegen sie kämpft, will einen präventiven Bürgerkriegsstaat jenseits des Grundgesetzes. Die sogenannte Asylkrise ist ein Aufhänger, um für echte Krisen zu trainieren. Internierungslager können auch für innenpolitische Gegner verwendet werden. Die Merkel-Gegner setzen wie die AfD auf soziale Demagogie und Rassismus, auf eine „neue“ herrschende Ideologie nach und neben dem Neoliberalismus. Der erste Angriff scheiterte am 2. Juli vorläufig. Die Wahrheit der Koalitionspolitik zeigte sich an den folgenden Tagen. Die Regierungsfraktionen verabschiedeten den Kriegsetat 2018: vier Prozent mehr als 2017, 38,52 Milliarden (= 38 520 000 000 !) Euro. Im kommenden Jahr sollen es 42,9 Milliarden (= 42 900 000 000 !) Euro sein. Der Zuwachs soll sich beschleunigen.

Der Antrag der Fraktion Die Linke, das „Verteidigungs“-Budget um 5,1 Milliarden Euro zu kürzen und insbesondere alle zwölf aktuellen Auslandseinsätze zu beenden, wurde abgeschmettert. Mehr Rüstung und mehr Krieg sind Konsens im Regierungslager – wie stets in der BRD-Geschichte gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit. „Abrüsten statt aufrüsten“ bleibt der zentrale Punkt der Klassenkämpfe in Deutschland.
Arnold Schölzel

Sonntag, 5. August 2018

Das Pfeifen zum Sammeln - U. Gellermann




Aufstehen! Und Widersetzen?



Sahra Wagenknecht startet eine Sammlungsbewegung


Autor: U. Gellermann
Datum: 06. August 2018

Wahnsinn! Im SPIEGEL komplette fünf Seiten. In der TAGESSCHAU die dritte Meldung, bei "ntv", ZEIT ONLINE, in der FAZ, der DEUTSCHEN WELLE und sogar im verschlafenen TAGESSPIEGEL: Kaum ein Mainstream-Medium wollte die Nachricht zum Wochenende verpassen: "Sahra Wagenknecht startet ihre Sammlungsbewegung im Netz". Geradezu opulent der SPIEGEL, der nicht nur Mit-Sammler wie Antje Vollmer (GRÜNE), Marco Bülow (SPD) und den Schriftsteller Ingo Schulze aufzählt, sondern ein komplettes Interview mit Frau Wagenknecht bringt und eine Art Manifest als Gastkommentar publiziert. Trotz eingestreuter routinierter SPIEGEL-Häme hat die Gier nach Neuem die übliche Denkblockade gegenüber Alternativen überwunden. Möglich ist aber auch, dass die Jahre der Merkelei, die Unwägbarkeiten mit Trump und der sichtbare Verfall der sozialen Netze das verkrustete Denken der Eliten berührt hat. #aufstehen lautet der Titel der neuen Sammlungsbewegung und ist unter der Webadresse www.aufstehen.de zu finden. Und Aufstehen täte not.

Nichts braucht das Land mehr als Aufstehen: Aufstehen gegen Wohnungsnot. Aufstehen gegen Aufrüstung. Aufstehen gegen Armut. Aufstehen für Gerechtigkeit. Ändern müsste sich das Land, das in seltsam hektischem Siechtum seinem inneren Zerfall entgegensteuert. Recht und Gesetz sind längst auf der Motorhaube von Diesel-Autos geopfert. Die Eliten verharren in Denkmustern von gestern: Profit ist immer gut, wenn ich ihn einstreichen kann. Die da unten sind verunsichert. Hin und her gejagt von Medien, die Diener ihrer Regierung und der Anzeigenkunden sind. Verängstigt auch vom Fremden. Gern hätten viele es so wie früher. Verzagt auch, weil die alte soziale Hoffnung, die man in SPD und Gewerkschaft gesehen hatte, schrumpft und schrumpft und schrumpft. Die wachsende Zahl von Angstwählern wählt AfD: Die hat den Flüchtling als billigen Schuldigen entdeckt. Es ist an der Zeit, Volksbildung zum Programm guter Politik zu machen. Das wäre die Aufgabe der organisierten Linken: Sie ist in den Arbeiterbildungsvereinen der 1830er Jahre entstanden, rund um die Geburt einer deutschen Nation. Doch die von unten kommen nicht von selbst zu den Bildungsangeboten der verschiedenen linken Organisationen. Und die wiederum gehen nur selten noch nach unten. So bleibt nur das Lernen in der Aktion, in der Bewegung.

Wer auf die Website der Sammlungsbewegung geht, findet Video-Statements einzelner Menschen, die ihre Themen zum öffentlichen Anliegen machen: Von der galoppierenden Armut über den Reichtum zum Abkotzen bis zum Wohnraum, der wieder bezahlbar sein muss. Und alle eint die Überschrift: DEN BÜRGERINNEN UND BÜRGERN MUSS ZUGEHÖRT WERDEN! Was der User nicht findet, ist die Bewegung und auch nicht die Bewegten. Denn dem Aufstehen muss das Widersetzen folgen. Damit die Herrschenden sich nicht einfach wieder bequem setzen können, müssen sich die da unten nachdrücklich selbst auf die Tagesordnung setzen. Und fraglos sind im Land manche in Bewegung geraten: Die von der Mieterbewegung, von der Friedensbewegung oder der Umweltbewegung. Es wäre die große Kunst, sie alle zu sammeln. Das im SPIEGEL veröffentliche "Manifest" der beginnenden Sammlungsbewegung verlangt, "einen Raum für eine wirklich offene Debatte zu schaffen darüber, wie das Gegenkonzept zum herrschenden Politikmodell der vergangenen 30 Jahre aussehen könnte." Sicher hat diese oder jener bereits ein Gegenkonzept. Doch fraglos mangelt es es an einem organisierten Raum, in dem die unterschiedlichen Konzepte nicht nur gemeinsam diskutiert werden könnten, sondern aus der Debatte in die gemeinsame Aktion mündeten. Wenn die gerade erst begonnene Sammlungsbewegung das leisten würde, hätte sie eine wichtige Hürde überwunden. Jene Schwelle, hinter der jede Strömung, jede Fraktion der unterschiedlichen Linken für sich werkelt und alles besser weiß als die anderen. Die erste Zielmarke der Bewegungs-Sammler ist ihr offizieller Start am 4. September.

Das "Manifest" der Sammlung beginnt mit dem Satz "Ein Gespenst geht um in Deutschland, die neue linke Sammlungsbewegung." Mit Verlaub, liebe Sammler: Das ist ein gewichtiges Zitat aus dem historischen Kommunistischen Manifest. Was allerdings bisher zu sehen und zu lesen ist, das ist noch kein Gespenst, das die Herrschenden erschreckt. Das ist eher ein lautes Pfeifen im Wald. Aber der offizielle Start der Sammlungsbewegung ist erst der 4. September. Bis dahin bliebe Zeit zum Sammeln der Kräfte.





Freitag, 3. August 2018

KRIEGS-STRATEGIE



Die strategische Kommunikation der NATO und die Friedensbewegung


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 3. AUGUST 2018


von Bernhard Trautvetter – https://kenfm.de

Die US-Army benutzt seit 1998 systematisch die strategische Kommunikation als Methode, die Öffentlichkeit mit Fake-News und deren Wiederholung sowie Vereinfachung und Emotionalisierung für das militärische Denken zu gewinnen. Ich habe dazu in meinem KenFM-Beitrag „Der Humanistische Grundkonsens und die Strategische Kommunikation“ vor ca. einem halben Jahr erste Ausführungen geliefert.

Traditon der Fake-News

Die NATO-Armeen stehen mit ihrer – wie sie selbst sagen – psychologischen Kriegsführung in einer unsäglich langen Tradition der Manipulation von Fakten, um die Öffentlichkeit für ihre Gewalt gefügig zu machen. Dem Ausspruch des preußischen Königs während der 1848er-Revolution „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ folgte sein rechtswidriger Druck auf die preußischen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung sie hätten ihr Mandat niederzulegen. Danach schlugen seine Militärs die Märzrevolution gewaltsam nieder. 1918 wurde die nächste Revolution in Deutschland im Blut unter anderem von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ertränkt. Über Jahrzehnte war in bürgerlichen Kreisen die Ansicht vorherrschend, „Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die revolutionären Massen, die USPD und die KPD, alle unter dem Begriff „Spartakisten“ über einen Kamm geschoren, wollten in Deutschland eine Herrschaft wie (…) später Stalin in Russland errichten.“ (Klaus Gietinger, November 1918, Hamburg 2018, S. 24). Auf diese Propaganda aus dem Spektrum der Mörder und ihres ideologischen Umfeldes baute später die Propaganda der Nazis gegen die von ihnen sogenannten „Novemberverbrecher“ auf, die der vermeintlich ungeschlagenen Deutschen Armee von hinten her den Dolch in den Rücken stießen und so die Schuld an der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg für Deutschland hätten. Demgegenüber schrieb General Fritz von Loßberg in seinen Aufzeichnungen vom 6. September 1918 über die oberste Heeresleitung General Ludendorfs: „Er machte die Truppe und ihre Vorgesetzten für die Vorgänge der letzten Zeit verantwortlich, ohne selbst zu bekennen, dass seine eigene verfehlte Führung die Hauptschuld an den Ereignissen trug.“ (1)

Der zweite Weltkrieg begann mit der inszenierten Lüge, die deutsche Wehrmacht schieße am Sender Gleiwitz gegen einen polnischen Angriff zurück. Der Atomschlag gegen Hiroshima wurde mit der Lüge gerechtfertigt, Truman habe den Krieg in Japan verkürzen wollen, um Menschenleben zu retten. Demgegenüber hat er in Hiroshima und Nagasaki den Kalten Krieg eröffnet, insofern als er mit diesen Kriegsverbrechen die Sowjetunion von einer Teilung des Sieges über Japan abhalten wollte, um die Vorteile des Sieges alleine einzufahren. (2)

Der Koreakrieg wurde vom Kapital als Verteidigung gegen den aggressiven Kommunismus verkauft und er war Eckpfeiler des Antikommunismus der Zeit nach dem Ende des II. Weltkrieges, der u.a. auch zum KPD-Verbot führte. (3)

Eine weitere Legitmierungslüge im Vorfeld der NATO-Gründung war die Berlin-Blockade, die der Westen als Versuch der Sowjetunion darstellte, sich das „freie Westberlin“ einzuverleiben. Die Zeitschrift Ossietzky entlarvt das Vorgehen des Westens in diesem Zusammenhang als verlogen und intrigant. (4)

Im Vietnamkrieg belog die US-Armee die Welt mit dem Märchen, man habe den Napalm-Bombenkrieg gegen Nordvietnam eröffnet, nachdem der Feind ein US-Schiff im offenen Meer vor Vietnam angegriffen hatte. Den Angriff hatten die USA selbst inszeniert. (5)

Die Lügen zu Husseins Massenvernichtungswaffen, die als Legitimation für die Eröffnung der Kriegsverbrechen letztendlich gegen die ganze Region zwischen Nord- und Mittelafrika und dem Golf dienten, sind bekannt. (6)

Die NATO hat nach Unterlagen der US-Armee seit den späten 1990er Jahren die strategische Kommunikation als Mittel der psychologischen Kriegsführung entdeckt, mit der sie die Gehirne der Menschheit in ihrem Einflussbereich waschen – will sagen verunreinigen – will; mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Aber mit gewissen Erfolgen in den alternativen Spektren, die noch während der Studenten- und Jugend und Friedensbewegungen der 1960er, 70er und 80er Jahre Seite an Seite auf der Straße gegen den US-Imperialismus, den Notstandsstaat, die Rüstung und Atomkraftwerke, die Berufsverbote, CIA-gestützte Putsche in Asien, Afrika, Latein- und Südamerika und weitere Skandale aufbegehrten.

Töten, besiegen, verjagen, überzeugen

Die Luftwaffenuniversität der US-Armee (Air University) zitiert auf ihrer Website Frederick Kagan mit den Worten: „Der Feind im Krieg ist eine Gruppe von Menschen.“

Einige sind zu töten. Andere müssen besiegt oder ins Versteck gejagt werden. Die überwiegende Mehrheit muss überzeugt werden. (War and Aftermath Policy Review, Aug ’03) Der Feind ist nicht nur der Feind im Feindesland. Als Feind gilt auch die Gegnerschaft im eignen Land: Die Essener Jahreskonferenz des Joint Air and Space Power Competence Centre aus Kalkar fand 2015 zum Thema „Strategic Communication“ statt. In der Einladung hatten die Militärs Kräfte (Entities) in den eigenen Staaten ausgemacht, die der NATO insofern feindlich gegenüber gestanden hatten, als sie die Skepsis der Bevölkerung gegenüber Krieg und deren Friedensverstiegenheit zumal in Deutschland begünstigen, verstärken und ausnutzen. (7)

US-Army: „Opponenten der Militärs“ sind zu de-legitimieren

Dagegen hat die Luftwaffen-Akademie der USA schon 2006 die folgende Strategie entwickelt:

1. akzeptiere die geringe Akzeptanz gegenüber dem Militär kurzfristig

2. beziehe sympathische Moslems (…) in die Versuche, mit Botschaften zu überzeugen, mit ein

3. konzentriere dich darauf, das Ansehen von Opponenten in Misskredit zu bringen

4. beziehe vertrauenserweckende Botschafter nicht-militärischer Kräfte als Überbringer von Neuigkeiten und Positionen mit ein.(8)

Ein Paradebeispiel dafür ist die Kampagne gegen Ken Jebsen unter dem Stichwort Antisemit, Verschwörungstheoretiker, Querfront.

Nicht alle Akteure solcher medialer Prozesse sind Agenten der Militärs, bei einigen wirkt die Psychologie der Strategen unmerklich als Manipulation, andere sind gezielt Opfer von V-Leuten oder direkter Bestechung. Generell trifft Marx‘ Satz zu, demzufolge die Gedanken der Herrschenden die herrschenden Gedanken sind. Diese Zusammenhänge müssen dem Kapital gegenüberstehende alternative Bewegungen kennen, um den Keil, den die Herrschenden gegen sie treiben, nicht selbst noch zu verstärken, sondern um das Verbindende im Vordergrund ihres Engagements zu halten.

Die Kampagne unter Stichworten wie Verschwörungstheorien oder Querfront begann mit einer Mitteilung von Henryk M. Broder, derzufolge Ken Jebsen ein Holocaust-Leugner und somit Antisemit sei. (9)

Dies griff Jutta Ditfurth in 3sat „Kulturzeit“ auf und verbreitet es seither in vielen Vorträgen. (10)

Die Nachwirkungen haben erfolgreich dazu geführt, dass es im alternativen Spektrum unversöhnliche Ausgrenzungen und Unterstellungen gibt, die sich von Fakten unbeirrt halten.

Der Vorwurf der Holocaust-Leugnung, mit dem das alles 2014 anfing, ließ sich früh schon widerlegen:(11), Verschwörungstheorien als nach Rechtsaußen greifende Vorwürfe gegen die Nachdenkseiten, Rubikon, KenFM und andere sind ebenfalls längst widerlegt (12), wobei noch die Namens-Persiflierung in „Nachlaufseiten“ zu den harmloseren Beispielen zählt. Die Linkspartei wird hier mit Spaltpilzen angegriffen. Antideutsche, die einst mit Jürgen Elsässer „Nie wieder Deutschland“ skandierten, und die Antisemitismus sehen, wenn die rechte Regierung Israels kritisiert wird, sind an den Spaltungsbemühungen heftigst beteiligt. (13)

Warner vor Rechtsentwicklung im rechten Lager

Der Propagandist H. M. Broder, mit dessen Initiative diese De-Legitimierung eines Teils der alternativen Kräfte begann, ist inzwischen selbst komplett im rechten Lager angekommen – Seite an Seite mit AfD-Kräften angekommen: Die sogenannte „Erklärung 2018“ gegen die Flüchtlingspolitik in der Nachfolge der Ereignisse im Jahr 2015 wurde u.a. von folgenden Erstunterzeichnern in die Öffentlichkeit getragen: Henryk M. Broder, Uwe Tellkamp, Dr. Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Dr. Jörg Bernig, Matthias Matussek, Vera Lengsfeld, Prof. Egon Flaig, Heimo Schwilk, Ulrich Schacht, Dr. Frank Böckelmann, Herbert Ammon, Thomas-Jürgen Muhs, Sebastian Hennig, Dr. Till Kinzel, Krisztina Koenen, Anabel Schunke, Alexander Wendt, Dr. Ulrich Fröschle, Dr. Karlheinz Weissmann, Thorsten Hinz, Michael Klonovsky, Eberhard Sens, Matthias Moosdorf, Dieter Stein, Frank W. Haubold, Andreas Lombard, Annette Heinisch, Klaus Kelle, Eva Herman, Prof. Max Otte.

Die Wortwahl der „Erklärung 2018“ ist auffällig nahe an Formulierungen von NPD-Beschlüssen. Beispiel: „(…) Wiederherstellung deutscher Staatlichkeit (…) die Wiederherstellung eines wirksamen Schutzes der  deutschen Außengrenzen vor illegaler Zuwanderung (…)“ (14) Siehe auch: http://npd.nrw/medien/parteiprogramm.pdf

Matthias Moosdorf, der ehemalige Weggefährte von Frauke Petry, inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des bayerischen Bundestagsabgeordneten Martin Hebner und Prof. Dr. Max Otte, der auf einer AfD-Website wie folgt präsentiert wird: „Ohrfeige für CDU: bekennt sich zur AfD“: Zitat von Herrn Prof. Dr. Otte von der Website: „Die CDU braucht (…) vernünftige Leute. Davon gibt es da anscheinend weniger als in der AfD.“ (15)

Unter den Erstunterzeichnern ist zudem auch Herr Matussek, der 2014 zu Pegida gepostet hatte: „Die kluge Schriftstellerin Cora Stephan untersucht das dumpfe Eindreschen von Politik und Presse auf die 15 000 Demonstranten in Dresden. Meine Ansicht: wer beim rituellen Treten gegen diese Menschen mitmacht, hat die Gesinnung von HJ-Pöbeln“. (16)

Zu den Unterstützern gehört auch Herr Kubitschek, zu dem Herr Lucke in der Zeit seines Beitritts zur AfD schrieb: „Bei Pegida und bei Legida ist Kubitschek im schwarzen Hemd und offener, brauner Uniformjacke aufgetreten. Ein Narr, wer darin nicht eine bewusste Anspielung auf die faschistischen Bewegungen im Europa der zwanziger und dreißiger Jahre sieht“. (17)

Über Herrn Kubitscheks Unterstützung freute sich Frau Lengsfeld in den Tagesthemen, da er zu etwas Richtigem „Beifall spendet“.

Im Tagesthemen-Interview durfte Frau Lengsfeld eine bei den Rechtsextremen kursierende Sicht der Dinge unkorrigiert verbreiten, wie: „Wir wollen auf ein Problem aufmerksam machen, das von der Politik nicht angepackt wird.“ Es erscheint im Beitrag auch ein Transparent mit der Botschaft „Islamisierung ist ein Krebsgeschwür“.

Fazit

„Nachrichten“ aus dem Umfeld von NATO-/Atlantikbrücken-/Militär-Kreisen auch in den sogenannten ernsthaften Programmen der Mainstream-Medien nehmen wir immer erst einmal mit kritischem Zweifel auf.

In der alternativen Bewegung macht es Sinn, der Bündnispolitik der Friedensbewegung der 1980er-Jahre zu folgen, in der Kommunisten, parteilich Ungebundene, Konservative, Christen, Grüne, GewerkschaftlerInnen (…) zusammenwirkten und ihre Differenzen diskutierten, dabei aber immer von der Schnittmenge gemeinsamer Forderungen ausgingen.

Wenn jetzt Kriege gegen Russland durch „Superschnelle Gemeinsame Eingreiftruppen (VJTF) als Speerspitze der Eingreiftruppe“ gegen Russland aufgestellt werden, wenn die neuen Atompotentiale B 61-12 nach Büchel kommen, wenn die Bundeswehr Kampfdrohnen erhalten soll, wenn der Militäretat weiter aufgebläht statt abgerüstet wird, hat die Friedensbewegung die Verantwortung, gemeinsam aufzustehen. Es geht um das Überleben der Zivilisation.

Quellen: ...