Samstag, 31. Juli 2021

IM STILLEN PARK - Textauszug

 

Ein Buch ist im Entstehen. Der Titel:

DER MENSCH
IM TEUFELSKREIS


Autor: Harry Popow

 Bis zur Veröffentlichung braucht es seine Zeit. Schon jetzt können Sie, liebe Leser dieses Blogs, hin und wieder Textauszüge lesen und kommentieren. Beste Grüße vom Autor.


TEXTAUSZUG

IM STILLEN PARK



Eine verdächtige Gestalt

Ein schriller Telefonanruf. Eilig hebt Polizist-1 den Hörer ab, im Mund noch eine glimmende Zigarette. Ein Schnüffler, der in der Nähe des alten Friedhofs bei Sanssouci Posten bezogen hat, um eventuelle Zwischenfälle beim Begraben der Pandemie-Opfer und die Absperrung des geschmähten steinernen Denkmals aus vergangenen Zeiten an die Obrigkeit zu melden, teilt mit aufgeregter Stimme mit, dass ein Unbekannter in ältlicher Kleidung gesichtet wurde. Offenbar, so die Meldung der Friedhofsverwaltung, sei er soeben einer Gruft entstiegen. Was sei also nun zu tun?

Polizist: „Sofort festhalten, Personalien feststellen, Wohnort, Geburt, Motiv, verstanden?“

Schnüffler: „Er eilt wie ein Betrunkener durch den Park, auffallend bekleidet mit einer alten Oberbekleidung, wie aus dem letzten oder vorletzten Jahrhundert. Zweifellos, er will zu diesem komischen Denkmal, das ja seit geraumer Zeit umzäunt ist und dem sich niemand nähern solle.“

Der Polizist brüllt aufgeregt in den Telefonhörer zurück: „Was soll denn das? Niemand hat das Recht, sich diesem Denkmal zu nähern. Etwa ein Linker? Sofort festnehmen. Wir melden das sofort dem Geheimdienst, schließlich müssen wir unsere Demokratie schützen, oder wollen wir alle unsere Posten verlieren?“

Der Schnüffler fasst sich ans Herz und tippt sich an die Stirn: Müssen wir denn gleich einsperren? Bei Hitler konnte man noch Bücher verbrennen und Leute sofort einsperren, wenn sie aufmuckten. Wir aber leben in einer Demokratie. Das schützt unsere Macht.

Wörtlich schnauzt er zurück: „Die Leute sollen wenigstens spüren, dass sie ihre Meinung sagen dürfen, verstanden? Desto notwendiger ist die heimliche Überwachung, ob auf den Straßen oder im Internet. Überall muss unser Ohr sein, ohne, dass jemand etwas merkt, kapiert?“

Stunden später: Aufruhr im Kriegsministerium. Ein neuer Feind sei entdeckt. Dieser Faust, erst recht dieser Urfaust, wurden als Oppositionelle bereits im 16. Jahrhundert als den Ketzern nahestehend entlarvt. Der Urfaust hetzte, so gab ein Literaturexperte vor den Uniformierten bekannt, gegen die orthodoxe Kirche. Er wurde des Teufels bezichtigt.

Gefährlicher aber war der von Goethe am Ende des 17. Jahrhunderts aus der Taufe gehobene Dr. Faustus. Der wollte gegen die feudale Ordnung opponieren und beschritt, mit Hilfe von Mephisto, den Weg eines angeblich modernen Menschen. Obwohl er selbst letztendlich Kapitalist wurde, ließ Goethe ihn retten vor dem Untergang, um so den Weg in die bürgerliche Gesellschaft zu ebnen. Im Grunde, dabei legte der Redner im Kriegsministerium den Finger bedeutungsvoll an den Mund, warnte Goethe, da machen wir uns nichts vor, vor den Gefahren einer von Geld bestimmten habgierigen Gesellschaft. Was folgt daraus? Dieser plötzlich aus seiner Gruft entstiegene Dr. Faustus will wohl die braven Bürger zu Ketzern gegen unsere bürgerliche Macht aufputschen. Deshalb müssen wir ihn überwachen, Tag und Nacht. Und mit wem er Kontakt hat. Notfalls werden unsere Sicherheitsleute ihn unter dem Verdacht der Corona-Krankheit ins Krankenhaus exportieren. Der Redner rief: „Es geht um Sein oder Nichtsein der weltweiten Macht um Profit und Macht. Wollt ihr den totalen Krieg gegen sämtliche Verschwörer und Widersacher, ob links, rechts oder Antisemiten?“ Der Jubel im Saal des Kriegsministeriums ließ die Ordnungskräfte vorsichtshalber alle Fenster schließen.

Mit Recht...

Faust steuert indessen, nicht ahnend, dass er bereits auf dem Schirm der Abwehr gegnerischer Aktivitäten erfasst wurde, auf eine Parkbank zu, auf der offensichtlich ein Liebespaar sitzt, in angeregter Unterhaltung vertieft. Plötzlich tauchen an dieser Bank einige wild gestikulierende Männer auf, in komischer Bekleidung, ähnlich den Uniformen der kaiserlichen Armee. Sie schreien die beiden auf der Parkbank an. Soviel versteht Faust: Sie sollen schnellstens ihre Masken aufsetzen und auf der Bank auseinanderrücken.

Faust erschrickt. Er versteht gar nichts. Wohin ist er geraten? Da er versucht, schnell diesen Ort zu verlassen, brüllen die Uniformierten hinter ihm her, er solle gefälligst ebenfalls seine Maske aufsetzen, oder komme er aus dem Ausland mit diesem alten Gewand, desto schlimmer sei dies.

Der Verbindungsmann der Polizei taucht im Laufschritt auf und übernimmt das Verhör: „Woher kommen sie? Warum steigen sie plötzlich aus der Gruft?“

Faust stellt sich als Dr. Faustus vor, er müsse sich zunächst einmal zurechtfinden. „Was oll das“, brüllt der Verbindungsmann der Polizei? „Wollen sie mich verscheissern. Ich kenne keinen Dr. Faustus.“ Ein zweiter Mann stößt dem Ersteren in die Rippen und flüstert ihm zu, dass dieser Faust ein von Goethe geschaffener literarischer Held sei. Egal, schimpft der erste Polizist, er soll mitkommen zur Polizeiwache, da müsse man seine Identität feststellen.

Haltet inne, seid ihr des Teufels, lasst den Herrn sofort frei, er ist tatsächlich Goethes Literaturgestalt und nennt sich Dr. Faustus“. Die energische Aufforderung kam aus einer Richtung hinter wildem Gebüsch. Bückend schleichen die Beamten vor und entdecken das zu bewachende schmähliche Denkmal, allerdings umringt von allerlei staunendem Volk.

Erschrocken weichen sie zurück. „Der Bogenschütze“, flüstert einer der Männer. „Wir müssen diesen Kontakt melden“, meint ein anderer. Der winkt ab, das bringe nur Ärger, man müsse sich rechtfertigen, zu einem Unverbesserlichen gar bewusst Verbindung aufgenommen zu haben. Das bliebe nicht ohne politische und personelle Folgen. Die rettende Idee: Man wird schweigen. Sodann lassen sie den bisher widerrechtlich fest gehaltenen Faust frei und schleichen sich wie geprügelte Hunde durch den weiten und stillen Park von dannen.

Beide haben eine Gestalt hinter Büschen übersehen, die über Sprechfunk den Bundesnachrichtendienst über unliebsames Volk an dem berüchtigten Denke-Mal informiert. Sogleich alarmierte diese Stelle den Verfassungsschutz und der – für alle Fälle – die Bundeswehr. Wegen zu erwartender Provokationen während der Ansammlung im Park als auch wegen weiterer Demonstrationen gegen die Zwänge zur Niederhaltung von Pandemie-Zweiflern. Dem anrufenden Verbindungsmann wird empfohlen, diesem angeblichen Dr. Faustus, den kaum jemand aus den Reihen der Beamten kennt, bei passender Gelegenheit ein überwachendes Smartphone unauffällig – sozusagen als Willkommensgruß - zu überreichen. Was keiner ahnen konnte: In der darauffolgenden Nacht wurde das Denke-Mal, bekannt als „Bogenschütze“, mit Stacheldraht umgeben und mit einem Verbotsschild versehen: „Achtung – politische Ansteckungsgefahr – Betreten und Kontaktaufnahme strengstens untersagt!“


Ein rätselhaftes Denke-Mal

Die Skulptur „Der Bogenschütze“ ist das Modell für eines der bekanntesten Werke des Rixdorfer Künstlers Ernst Moritz Geyger (1861–1941). Das Original steht im Schlosspark von Sanssouci.

Manchmal träumt er, der alte Bogenschütze: An seiner fast vier Meter hohen Skulptur im schönen Park Sanssouci strömen die Touristen zu Hauf vorbei, begutachten die starke jugendliche Figur, doch dicht daneben sitzt am Wegesrand auf einem Hocker er, der einstige echte Bogenschütze, den Hut in die Stirne gezogen, neben sich im niederen Gras im Auftrag von Verlagen zahlreiche Sachbücher gegen Krieg und Kriegsgeschrei. Zum Verkauf. Die Bücher, die sieht man nicht, aber man vermisst einen Hut vor dem Alten. Und so gehen sie verständnislos weiter, die vorwiegend mit ihren Smartphonen mit sich selbst beschäftigten jungen Leute...

Ungläubig scheint auch die Figur des Denke-Mals dreinzuschauen. Streift dessen Blick in dankbarer Erinnerung den am Wegesrand hockenden Schützen? Als wolle er fragen: Ist der Mut des Neubeginns vergessen? Fragt niemand nach dem Warum und Wofür und Wohin? Sind Inhalte nicht mehr gefragt? Triumphieren Oberflächlichkeit, Belanglosigkeiten. Substanzloses Gerede wie Freiheit, Demokratie, Verantwortung in der Welt übernehmen - alles eingängige aber hohle Worte? Ohne Maskierungen hat das Kapital keine Chance. Es braucht die Täuschung, die Schminke. Doch man könne den Hintern schminken wie man will, es wird kein ordentliches Gesicht daraus, so zitiert Kurt Tucholsky in „Schloß Gripsholm“ seinen Freund Karlchen.

Da entdeckt er, der echte alte Bogenschütze eine Figur, der er bereits als ganz junger Mann begegnet war. Im Traum natürlich. Ob auch dieser Faust sich an diesen jungen literaturbeflissenen Schnösel erinnern mag?

Während Faust nicht ohne Neugier die Polizisten schmunzelnd beobachtete ob ihres ängstlichen Getues, grübelt er, ob er diesen Namen „Denke-MAL“ schon einmal vernommen hatte. Es muss schon viele Jahre her sein. Zu einer Zeit, als Goethe wohl mit seinem Spruch, „freies Volk auf freiem Grund“ breitesten Widerhall bei vielen Menschen gefunden hatte. Als Geist spürte Faust seit jeher, wie er in dem bekannten Faustbuch von Goethe gelesen und verstanden wurde, was ja mitunter in den Jahre des 19. Jahrhunderts überhaupt nicht selbstverständlich war. Und so blitzte es in seinem alten Hirn als angenehme Erinnerung auf. Tatsächlich, dieser Bogenschütze las den Faust sogar in Arbeitspausen, hatte das kleine Reclamheft gar in der Hosentasche verstaut. Insgeheim hatten beide wohl eine innige geistige Freundschaft geschlossen.

Soeben will Faust sich wieder auf den Weg begeben, um einen Unterschlupf zu suchen, unbehelligt von irgendwelchen Maskensuchern, da hört er das bereits hinter ihm liegende Denke-Mal rufen: “Ich habe sie erkannt, lieber Faust. Kann doch wohl nicht wahr sein, dass sie aus ihrer Gruft hervorgekrochen sind, um etwa unsere moderne Gesellschaft kennen zu lernen? Es gibt viel zu erzählen. Aber das wird schwierig sein, denn man will meine Wenigkeit als DENKE-MAL völlig isolieren und möglicherweise einen Zaun um mich herum als steinerne Mauer errichten. Deshalb gebe ich Ihnen, lieber Herr Dr. Faustus, den Rat, sich ganz alleine umzuschauen, zu beobachten, zu erkennen, zu urteilen. Gehen sie auf die Straße. Und wenn Sie Lust und Zeit haben, dann kommen sie zu mir, und wir sprechen über alles. Der Drahtzaun oder die Mauer soll kein Hindernis sein, genau so wenig wie eine einstige Mauer manche davon nicht abhielt, sie trotz Verbote und im Glauben, das Paradies zu finden, zu überwinden. Ich lasse mich nicht einschüchtern und bin bereit, ihnen neben ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen die Wahrheit über unsere Geschichte ab dem 19. Jahrhundert zu sagen. Nur ein Tipp: Suchen sie Freunde, Gleichgesinnte. Nur gemeinsam macht es schließlich Spaß, Neues zu entdecken.“

Dr. Faust, aufgeschreckt durch die bisherigen Erlebnisse mit den Polizisten, die auf der Jagt nach nicht tragenden Maskenträgern seien, erbittet wissbegierig und mit Nachdruck um Auskunft, was denn nun in der Welt los sei. Er nimmt den Rat gerne an, sich im Volk umzusehen, in der täglichen Praxis das Geschehen zu erkennen und zu beurteilen.

„Gut“, erwidert der Bogenschütze, „dann will ich Dir, wir können doch Du zueinander sagen, eine persönliche Beobachtung erzählen, die noch aus alten guten Zeiten stammt. Von einem Ehepaar will ich kurz erzählen, das ich oft beobachtet habe in diesem schönen Park, willst du das hören?“

Faust nickt. Aber ja, das sei interessant, nichts ist wichtiger, als die Menschen kennen zu lernen, die hier leben oder im Park spazieren gegangen sind. Vergangenes ist immer interessant. So odr so. Es kommt doch wohl auf die Sicht darauf an. „Ich höre...“

Der Bogenschütze senkt den steinernen Kopf und erinnert sich: Er denke an den Anfang seiner beruflichen Laufbahn. Tatsächlich, da sah er gerne in den Faust Teil 1, und er vermerkte im Laufe der Zeit, dass er mit der Gesellschaft gut im politischen Einklang stand. Widersprüche - ob persönliche oder gesellschaftliche - , die es immer gibt, mussten gesehen, gründlich beachtet und gemeistert werden, was aber leider nicht immer gelingt.

Und später, als er zum Denkmal gekürt wurde, sieht er oft dieses schöne Bild vor sich: Sooft sie Zeit haben, spazieren zwei junge Leute am Denkmal vorüber in diesem herrlichen und weitläufigen Park. Und immer, wenn sie an ihm, den Bogenschützen, vorbeikommen, verharrt Greta, so nennt er seine Geliebte, schweigend und versonnen vor ihrer wunderschönen Lieblingsskulptur. Und wenn ihr Blick auf den muskulösen Waden haften bleibt, dann kann sie nicht anders, dann stellt sie Vergleiche an, und die fallen recht schmeichelhaft aus für den Buchnarr, gesteht sie. Du bist mein Bogenschütze, du musst mich beschützen, glaubt er in ihren schalkhaften Augen und in ihrem stillen Lächeln zu lesen …

Ja, so war das, erinnert sich der Schütze und Faust hört interressiert zu. Also damals - der Bogenschütze sieht den beiden träumend hinterher: Greta, die „Plauener–Spitzen-Frau“ und ihr „Buchnarr“, wandern weiter auf ihren so sehr vertrauten Wegen im Park von Sanssouci und schweigen und reden und reden und schweigen. Und dann und wann sprechen sie auch darüber, erzählte er später – irgendwann wird ihr Glücksweg abbrechen, wird ein Pfad abzweigen, und den muss einer alleine gehen, während der andere hoffnungslos zurückbleiben muss. Was dann? Alleine, einsam, durch die Landschaft schleichen wie ein geprügelter Elch? Was zu tun bleibt, das wissen sie. Sie werden es denen da oben gleichtun, denn dort am blauen Herbsthimmel ziehen weiße Schwäne wieder in langer Kette nach Süden. Greta und der Alte werden in der Erinnerung ihrer Kinder bleiben... Sehr lange Zeit.

Faust nimmt sich vor: Er wird sehen, bedenken und erkennen. Er will nicht mehr rettungslos weder wildem Streben noch irgendwelchen Verlockungen von modernen Mephistos erliegen. Man wird sehen: Er will an sich arbeiten, sich selbst ändern und – wenn möglich – den heutigen Menschen des 21. Jahrhunderts eigene Erfahrungen übermitteln. Aber welche? Das ist ihm völlig unklar. Umso gründlicher muss er mit viel Geduld und Mühe hinschauen was Sache ist. Dabei freut er sich schon darauf, gute Freunde zu finden.

In ihm ist die Neugier für diesen Buchnarr und seine gleichgesinnten Bekannten geweckt und er fragt sich, ob er ihn und seine Greta, diesen Namen erinnert ihn an sein Gretchen in Goethes „Faust“, irgendwo noch sehen kann, die doch inzwischen beide über 80 Jahre alt sein müssten. Der Bogenschütze nickt, er solle nur suchen, aber Buchnarren gäbe es im Lande trotz allem recht viele... Und außerdem wohl auch eine Helena...

Faust bedankt sich, stellt dem Bogenschützen allerdings vorläufig noch eine letzte Frage: „Warum spannst du den Bogen und gegen wen richtet sich der Pfeil?“

Das DENKE-MAL vertröstet ihn auf ein späteres Gespräch, denn das sei eine der wichtigsten Fragen, die in Ruhe besprochen und durchdacht sein müssen. Faust solle auf die Straße gehen, viel beobachten, sich auch amüsieren und viel nachdenken. „Man sieht sich“, verspricht er, das inzwischen eingezäunte, eingemauerte DENKE-MAL.

Faust aber grübelt, weshalb wohl dieser Bogenschütze von der Obrigkeit so gemieden wird? Woher komme diese Angst vor eine Statue? Was und wen symbolisiert sie? Er will es herauskriegen...











Freitag, 30. Juli 2021

NEUER FEUDALISMUS - NRhZ - Hermann Ploppa

 

Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27547


Kurfürst Elon Musk und Herzog Jeff Bezos


Der Neue Feudalismus ist längst Realität


Von Hermann Ploppa

Umfassende Revolutionen und tiefgreifende Reformen haben uns die Errungenschaften von Rechtsstaatlichkeit, persönlicher Freiheit und Sicherheit im öffentlichen Raum gebracht. Korrupte Eliten sind gerade dabei, diese Errungenschaften auf dem Kehrichthaufen der Geschichte zu entsorgen. --- Das war mal vor unvorstellbaren Äonen. Damals gab es eine große Mehrheit armer Menschen, die im Erdreich wühlten und dem Boden unter großem Körperverschleiß einen bescheidenen Ertrag an Lebensmitteln abgerungen haben. Die Zähne fielen den Erdmenschen bereits im besten Erwachsenenalter aus. Und mit Mitte Fünfzig waren die Fronarbeiter verbraucht und fielen tot um. Es gab damals eine ganz kleine Schicht von Superreichen. Diese Superreichen nannte man Adlige. Das waren auch arme Schweine, mit Verlaub gesagt. Sie mieden jede Handarbeit und wuschen sich nie. Es juckte wie Hulle unter der Allonge-Perücke, und der Körpergestank musste durch immer neue Ladungen von Parfüm übertüncht werden. Sie langweilten sich buchstäblich zu Tode. Um ihre Langeweile totzuschlagen, begaben sie sich auf die Fuchsjagd und ritten dabei ungeniert durch die Ackerflächen der armen Leute und machten die dringend benötigte Ernte mal eben aus Daffke kaputt. Wenn es ihnen gefiel, schossen sie auch mal einen Dachdecker vom Dach. Niemand konnte die Adligen Stinkstiefel vor Gericht bringen. Im Gegenteil. Wer Seiner Hoheit nicht passte, verschwand für immer im Kerker. Wenn der Landesfürst die Religion wechselte, mussten auch alle Untertanen die neue Religion des Fürsten übernehmen. Wenn der geile Fürst eine Bauerstochter erblickte, konnte er sie einfach schwängern. Er hatte sogar das Recht, die Braut eines Bauern als Erster in der Hochzeitsnacht sexuell zu missbrauchen. Das war verbrieft als Ius Primae Noctis – das „Recht“ der ersten Nacht! <1>

Nun, wir alle wissen, dass seit jenen düsteren Zeiten das Bürgertum und die Arbeiterbewegung unermüdlich daran gearbeitet haben, dass ein starker Staat gleiches Recht für alle Bürger garantiert. Ein Grundgesetz, auf das sich  – zumindest theoretisch – alle Bundesbürger berufen können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Während wir alle diese Instrumente noch besitzen, hat längst eine andere Realität diese Errungenschaften ausgehöhlt. Politik machen jetzt Parteifunktionäre, die allesamt in elitären Netzwerken ausgebildet werden. Die politischen Grundsätze werden bei Stiftungen und Unternehmensberatungsfirmen ausgearbeitet und festgelegt. Werbeagenturen wie zum Beispiel Scholz & Friends bestimmen sodann, wie die Vorgaben der Bertelsmann-Stiftung, KPMG, Ernst & Young, Boston Consulting oder Roland Berger den Menschen draußen im Lande verkauft werden. Das läuft schon seit vielen Jahren <2>.

Das Corona-Jahr 2020 hat im Hauruck-Verfahren das Regieren nach Gutsherrenart zu neuer Perfektion veredelt.

Sind wir wieder im Feudalismus angekommen? Nun, unsere neuen Feudalherren sind unvorstellbar reich und können ganze Landstriche verbrauchen ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Sie stinken nicht aus Allonge-Perücken. Sie ernähren sich vegan, treiben Sport und wohnen in geräumigen Nullenergiehäusern, während sie dem gemeinen Volk bessere Hundehütten unter der schicken Bezeichnung „Tiny Houses“ verordnen wollen. Sie haben praktisch alle wichtigen Massenmedien unter Kontrolle. Sie kontrollieren Gerichte und Ärztekammern. Und im Gegensatz zu den Perücken-Feudalherren werden sie nicht nur im Brautbett richtig übergriffig. Sie verbieten uns unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes die Freizügigkeit der Bewegung. Sie verbieten uns, unsere Meinung durch Demonstrationen kundzutun. Ja, sie dringen sogar in unseren Körper ein und verändern unsere genetische Ausstattung. Sie verkaufen uns das dann als „Impfung“. Wer ihnen widerspricht, kommt an den Pranger auf dem medialen Marktplatz. Das aufgehetzte Volk darf dann faule Eier und Tomaten auf die Querulanten schleudern und fühlt sich dann wieder ein Stück weit versöhnt mit jenen hohen Herren, denen der Eierwurf eigentlich gilt.

Feudalismus global. Wir hier oben im temperierten Norden dürfen noch ein bisschen Beifang der neokolonialen Ausbeutung des Südens genießen, während im Kongo kleine Kinder untertage Rohmaterial für unsere Handys schürfen müssen. Währenddessen feiern unsere Medien immer ungenierter die neuen Sonnenkönige des globalen Neofeudalismus. Während manche Superreichen es vorziehen, das Licht der medialen Sonne zu meiden, scheinen manche Individuen an der Spitze der Rangliste der Superreichen nie genug davon zu bekommen. Elon Musk zum Beispiel lässt das gemeine Volk an seinem Familienleben teilhaben wie die Royals in England. Elon Musk belegt auf der aktuellen Liste der Zeitschrift Forbes mit 151 Milliarden US-Dollar indes nur den zweiten Platz der reichsten Menschen auf diesem Globus <3>. Ranglistenerster ist der Amazon-König Jeff Bezos mit 177 Milliarden Dollar. Wie viel Leben muss ein Mensch absolvieren, um so ein Vermögen zu verbrauchen? Ranglistendritter Bernard Arnault aus Frankreich hält sich eher vornehm zurück mit seinen 150 Milliarden Dollar, gefolgt vom Publicity-süchtigen Bill Gates mit lediglich 124 Milliarden Dollar. König Bill wird seiner abtrünnigen Königin Melinda demnächst noch etwas von diesem Vermögen abtreten müssen.

Oh Pardon, sind Sie der Graf von Brandenburg?

Graf von Brandenburg? Nein, ich meine sicher nicht den dort als Ministerpräsident agierenden Dietmar Woidke. Der warb im Jahre 2019 ganz heiß und in verlockenden Briefen um Mister Tesla, seine Durchlaucht Elon Musk. Woidke machte darauf aufmerksam, dass er ein extrem attraktives Gelände am Rande von Berlin zu verschenken habe. Da hat früher die Stasi gehaust, und nach der Wende wollte BMW das Gelände dann doch nicht haben. Woidke lockte mit einer traumhaften Verkehrsanbindung. In einem alten russischen Flugzeug zeigte Woidke den Abgesandten des Reiches Tesla aus der Vogelschau, wie herrlich groß und ausbaufähig die Grünheide bei Berlin ist <4>. Da König Elon schon eine so genannte Gigafabrik in Shanghai für seine Elektroautos in Windeseile hochgezogen hatte, aber noch weitere Kapazitäten für Europa brauchte, nahm er das Angebot von Mundschenk Woidke gerne an. Und das Schöne ist: es gibt zwar jede Menge Umweltgesetze, garantierte Rechte für Arbeiter und Steuern, sogar für Superreiche. Aber: Steuern lassen sich steuern und deutsche Gesetze werden zum großen Teil von Gesetzen der Europäischen Union bereits außer Kraft gesetzt. Und die Gesetze der EU sind nun einmal wesentlich günstiger für die Superreichen wie die alten Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, die aus den kaum noch erinnerlichen Zeiten der Sozialpartnerschaft stammen.

Mundschenk Woidke erzählt seinen Untertanen, die Ansiedlung von Musks Tesla-Werk und der daran geknüpften Batteriefabrik brächten Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Naja, und das bisschen Umwelt mit diesen Nadelbaum-Monokulturen kann man doch wohl verschmerzen? Also kann König Musk in Brandenburg bauen. Er hat zwar noch immer keine Gesamtgenehmigung für den ganzen Komplex <5>. Aber er hat ja schon zwölf richterliche Ausnahmegenehmigungen. Musk baut auf „eigenes Risiko“. Das heißt: er baut schon mal seine Fabrik und vernichtet ein Biotop. Falls das Gericht die Gesamtgenehmigung letztinstanzlich nicht erteilen sollte, baut Mister Tesla alles wieder zurück. Na denn. Wer’s glaubt, zahlt einen Taler. Der Richter, der es wagen sollte, den Komplettabriss der Tesla-Gigawerke anzuordnen, bräuchte vermutlich ein Leben lang mindestens zwei hellwache Leibwächter, die ihn vor Lynchmord schützen würden. Die bekommt aber auch ein höherer Beamter nicht zugestanden. Und: Kann man denn so ein Biotop einfach wieder „zurückbauen“? Ist das ein Film, den man einfach rückwärts laufen lässt? Wie verarschungsfähig ist der Mensch im Zeitalter des digitalen Giga-Feudalismus?

Ach ja, und dann bringt die neue Tesla-Giga-Factory doch jede Menge Steuereinnahmen für das gebeutelte Land Brandenburg. Oder? Das ist eher unwahrscheinlich. Kaum einer jener sagenhaften Global Player unter den Konzern-Riesen zahlt in Deutschland Körperschaftsteuer. Und im Übrigen: die Kosten für den Bau von Musks Giga-Factory zahlen wir, die Steuerzahler. Und wir, die Benutzer von geächteten Autos mit Verbrennungs- oder Explosions-Motoren.

Wie geht das?  Der über seinen Mitbewerber Tesla verärgerte VW-Chef Herbert Diess hat jetzt über den amerikanischen Mitbewerber gepetzt: zu den anvisierten vier Milliarden Euro Baukosten für Grünheide steuern wir als Steuerzahler ein Viertel, also eine Milliarde Euro bei <6>. Das Geld stammt aus einem EU-Topf mit Namen IPCEI (Important Project of Common European Interest). Mit dem Geld soll die Produktion von Akkus für elektrisch betriebene Automobile massiv gefördert werden. Die EU will den europäischen Markt vor asiatischer Dominanz schützen – und dafür den US-Autobauer Tesla einspannen. Zudem wird der Steuerzahler jedes Elektroauto mit 9.000 Euro bezuschussen. Weitere 100 Millionen Euro spendiert das Land Brandenburg Mister Musk im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GWR)“. Schon seit ungefähr einem Jahrzehnt müssen zudem Hersteller von Auto-Verbrennungsmotoren an Produzenten von Elektromotoren eine Art Ablasszahlung leisten, die Zero Emission Vehicles Credit Points. Tesla verkauft solche Null-Emissions-Punkte und finanziert damit die eigene Entwicklung. Allein dieses Jahr zahlen die Verbrenner zwei Milliarden Euro an Tesla. Stellt sich doch die Frage: woher kommt denn eigentlich der Strom, mit dem die Tesla-Flitzer gefüttert werden? Etwa aus sauberer Energie?

Zum vertieften Verständnis, was auf Brandenburgs Natur zukommt, hier ein paar elementare Fakten. Der Wasserverbrauch zur Herstellung eines Elektroautos und für die Herstellung der Batterien ist gigantisch. Grundsätzlich werden für die Herstellung eines einzigen Personenkraftwagens, wenn man alle Zwischenschritte und Produktionswege aller Einzelteile zusammen rechnet, im Schnitt 400.000 Liter Wasser verbraucht <7>. Und die Zeitschrift Auto, Motor und Sport weiß zu berichten:

„Der stellvertretende Leiter des Helmholtz-Institut für elektrochemische Energiespeicherung in Ulm, Maximilian Fichtner, erklärt, dass für das Lithium eines 64-kWh-Akkus 3.840 Liter Wasser verbraucht werden.“ <8>

Also: Wenn Tesla in Grünheide jedes Jahr 500.000 Autos vom Band rollen lässt, dann werden 200 Milliarden Liter Quellwasser in ungenießbare Brühe verwandelt – das Wasser für die Erzeugung der dazugehörigen Batterien ist hier noch gar nicht eingerechnet. Ach ja. Wir strengen uns doch alle total an, um den CO2-Ausstoß zu vermindern – koste es was es wolle. Zitieren wir hier noch einmal die Zeitschrift Auto, Motor und Sport:

„Der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) schreibt in seinem Debattenmagazin „energie+Mittelstand“ (Ausgabe 03/2019) unter anderem unter Berufung auf die Gesellschaft für ökologische Forschung, dass bei der Produktion eines E-Autos neun Tonnen CO2 entstehen. Fünf Tonnen allein wegen des Akkus. Ein Verbrenner wird hier mit vier Tonnen CO2 angegeben (…)“ <9>

Und das alles wird von der brandenburgischen Regierung mit ihren Koalitionsparteien SPD, CDU und Grünen an die Menschen draußen im Lande kommuniziert. Was zählen da schon die 412 Einwendungen der Brandenburger Bürger gegen Musks Giga-Factory? Aus der Sicht der Interessen Brandenburgs kann man nur sagen: ein extrem unvorteilhaftes Geschäft. Hans im Glück war da noch ein geradezu cleverer Tauschpartner, verglichen mit dem Kabinett Woidke. Mal im Ernst: die Politik-Darsteller erweisen sich auch bei diesem Beispiel wieder als beflissene Lakaien der neuen Herren dieser Welt. Der Graf von Brandenburg, Elon Musk, nimmt unsere Tribute in freundlicher Herablassung entgegen. Wir geben alles. Und sagen noch danke. Das sind ganz schön neofeudale Züge.

Ach ja, damit ich es nicht vergesse Ihnen zu erzählen: Betriebliche Mitbestimmung wird es in der neuen Giga-Factory auch nicht geben. Denn die Anlage in Grünheide wird nach europäischem Recht als „SE“ geführt, und deshalb ist betriebliche Mitbestimmung nicht vorgesehen …

Doch nehmen wir noch einen weiteren Neo-Feudalherrn ins Visier. Seine Durchlaucht Jeff Bezos geruhen ins Privatleben überzuwechseln <10>

Haben Sie schon mal davon gehört, dass der Straßenbahnschaffner Peter Jedermann nach einem arbeitsreichen Leben in Rente geht – und alle Presseorgane berichten über diesen hochverdienten Wechsel eines hochanständigen Mannes in den Ruhestand? Natürlich nicht. Alle Schweine sind gleich, jedoch einige Schweine sind gleicher. Und wenn sich Jeffrey Preston Jorgenson alias Jeff Bezos nach 27 Jahren an der Spitze des von ihm gegründeten Online-Versandhauses Amazon aus dem operativen Geschäft als CEO verabschiedet und als geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrats von nun an eine ruhige Kugel schiebt, dann stehen alle Presseorgane des freien Wertewestens stramm und belobigen pflichtschuldigst den „größten Unternehmer unserer Zeit“. So titelt das Handelsblatt in seiner aktuellen Wochenendausgabe und stellt auf gefühlten zehn Seiten immer neue Rekorde im Huldigen auf <11>. Im Feudalismus gab es die Literaturgattung der Panegyrik. Bezahlte Hofschranzen bekamen Goldtaler dafür, ihren Herren und Gönner so positiv wie möglich darzustellen. Und Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes singt zur Harfe: „Mit seinem Managementstil hat Bezos eine ganze Generation von Führungskräften geprägt. Seine Formel: kompromisslose Kundenorientierung, Reinvestieren aller Gewinne, Nonchalance gegenüber den Begehrlichkeiten des Kapitalmarkts – und, ja, auch Härte.“

Und während sich die Aldi-Könige auf ihrem billigen Käse ausruhen, tritt Bezos im Hollywood-Schinken Star Trek als Horror-Alien auf <12> und wird noch in diesem Sommer mit seinen Blue Origin-Raketen superreiche Touristen ins Weltall schießen – vermutlich mit Rückreise-Option <13>. Bisweilen wirkt Bezos schon selber wie eine Computer-Animation. Irgendwie transhumanistisch. Und während die Mainstreampresse über König Bezos I. grundsätzlich nur Gutes zu künden weiß, wollen wir einen gewissen Ausgleich schaffen und ein paar Fakten zum Vortrag bringen, die der gnädige Herr der Onlineversandpakete sicher nicht so gerne hört.

Die Finanzbeamten dieser Erde bekommen nämlich regelmäßig einen gehörigen Adrenalinschub, wenn sie den Namen „Bezos“ vernehmen. So wagte die Europäische Union Mister Bezos im Jahre 2014 untertänigst daran zu erinnern, dass er der Solidargemeinschaft der Steuerzahler für die Jahre 2006 bis 2014 250 Millionen Euro nachzuzahlen habe. Dafür quittierte die EU allerdings nur den berühmten Stinkefinger. <14> Nun wissen wir alle, dass die Corona-Hysterie die Menschen dazu zwang, ihren Bedarf an nicht-essbaren Gütern hauptsächlich über Online-Versandhäuser zu decken.

Tatsächlich konnte Amazon im Jahre 2020 seinen Umsatz in Deutschland um 33 Prozent steigern auf nunmehr 24,7 Milliarden Euro <15>. Europaweit setzte Amazon im Corona-Jahr 2020 44 Milliarden Euro um.

Das ergäbe ja eine erkleckliche Steuereinnahme für den europäischen Fiskus. Ja, wenn nicht Amazon seinen Firmensitz in Luxemburg hätte. Und der Graf von Luxemburg lässt es zu, dass Bezos sich als nackter Mann präsentiert, der sage und schreibe 1,2 Milliarden Verlust geltend macht! <16> Also beschenkt das Finanzamt Mister Bezos für 2020 mit einer Steuergutschrift in Höhe von 56 Millionen Euro, die bei zukünftigen Gewinnmeldungen abgezogen werden können. <17> Da befindet sich Bezos in guter Gesellschaft. Denn die Fair Tax Foundation schätzt, dass die großen Internet-basierten Konzerne Amazon, Facebook, Google, Netflix, Apple und Microsoft auf diese Tour in den letzten zehn Jahren etwa schlappe einhundert Milliarden Euro Steuern unterschlagen haben. <18>

Auch die Gewerkschaften lieben Mister Bezos nicht. Der Internationale Gewerkschaftsbund widmete im Jahre 2014 Bezos einen ganzen Kongress und wählte ihn zum „Schlechtesten Boss der Welt“. IGB-Chefin Sharan Burrow findet, dass Amazon seine Mitarbeiter wie Roboter behandelt. <19> Tariflohn? Unbekannt. Bezos lässt seine Leute durch das firmeneigene Global Security Center beaufsichtigen und disziplinieren. Die berüchtigte Firmendetektei Pinkerton platziert Undercover-Agenten in der Belegschaft. Die Mitarbeiter trauen sich nicht auf Klo, weil auch die Länge des Klobesuchs genau registriert wird. Trotzdem haben die tapferen Kolleginnen und Kollegen im Amazon-Betrieb in Bad Hersfeld durch unermüdlichen Arbeitskampf immerhin einen Betriebsrat durchsetzen können. Besondere Verdienste erlangte der Amazon-Mitarbeiter Christian Krähling, der mit einer intelligenten und geduldigen Strategie die Lage der Amazon-Mitarbeiter erheblich verbessern konnte. Leider verstarb Krähling am 10. Dezember 2020 plötzlich und ohne Vorerkrankungen an seinem dreiundvierzigsten Geburtstag. Die Ursachen des plötzlichen Todes von Krähling lassen sich jetzt nicht mehr aufklären. <20>

Man muss halt heutzutage wieder ganz genau wissen, wie weit man den neuen Feudalherren noch im Weg stehen darf. Das Machtgefälle zwischen den Superreichen und dem regierten Volk ist durch Corona noch ein bisschen krasser geworden. Wir hier im noch durch Wohlfühlaroma verwöhnten Norden sehen nicht das ganze Ausmaß der humanitären Katastrophe des neuen digitalen Feudalismus. Wir sollten uns dennoch an unsere Würde als Menschen und unsere Freiheit als Bürger erinnern. Die durch die Bundestagswahl politisierte Meinungskultur sollten wir klug nutzen, um Auswege aus dem Neofeudalismus ins Gespräch zu bringen. Es gibt immer Alternativen zur bestehenden Misere. Wir müssen die Alternativen nur wollen.


Fußnoten:

1 In diesem Zusammenhang ein hervorragender Augenöffner ist Bernt Engelmann: Wir Untertanen – Ein deutsches Anti-Geschichtsbuch. Frankfurt/Main 1976
2 Hermann Ploppa: Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke die Demokratie heimlich unterwandern. Frankfurt/Main 2014
3 https://www.forbes.at/artikel/die-reichsten-menschen-der-welt-2021.html
4 https://www.zdf.de/politik/frontal-21/dokumentation-turbo-tempo-tesla-elon-musk-in-brandenburg-108.html
5 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-musk-gruenheide-1.5284350
6 Demokratischer Widerstand, Nummer 48, S.10
7 https://www.zeit.de/online/2009/25/infografik-wasser
8 https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/alternative-antriebe/wasserverbrauch-akku-elektroauto/
9 ebenda.
10 Dieser Abschnitt über Jeff Bezos ist als eigenständiger Artikel im Demokratischen Widerstand Nummer 54 auf Seite 10 erschienen.
11 Handelsblatt, 2.7.2021
https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/auf-versand-gebaut-amazon-ist-kein-kuschelladen-wie-der-grossstratege-und-kontrollfreak-jeff-bezos-den-tech-riesen-formte/27381942.html?ticket=ST-5196744-n0C4v9TaxxXMKwvQGCz7-ap5
12 https://www.geekwire.com/2016/jeff-bezos-alien-star-trek-beyond-amazon/
13 https://www.youtube.com/watch?v=ki7BNlfoCjc
14 https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/luxemburg-amazon-gewinnt-fall-um-steuerverguenstigungen-vor-eu-gericht-a-561aed7b-f245-4316-87f7-7137f68e8f98
15 https://netzpolitik.org/2021/steuervermeidung-in-der-eu-amazon-zahlt-trotz-rekordumsatz-keine-steuern/
16 https://www.wiwo.de/my/unternehmen/handel/amazons-eu-tochter-milliardenverlust-im-coronajahr-wie-kann-das-sein/27017630.html?ticket=ST-5201508-fdJELugby5fSjmRPvkx1-ap5
17 https://www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/amazon-versand-riese-zahlt-trotz-corona-boom-keine-steuern-bekommt-gutschrift-76281998.bild.html
18 https://www.theguardian.com/technology/2021/may/04/amazon-sales-income-europe-corporation-tax-luxembourg
19 https://www.ituc-csi.org/jeff-bezos-von-amazon-gewinnt-die?lang=en
20 https://direkteaktion.org/rip-christian-kraehling/


Erstveröffentlichung bei KenFM am 10. Juli 2021


Mittwoch, 28. Juli 2021

KOMMUNISTEN ERRINGEN WAHLSIEG - jW- Nico Popp

 

Entnommen: https://www.jungewelt.de/artikel/407185.dkp-gegen-bundeswahlausschuss-kommunisten-erringen-wahlsieg.html


DKP GEGEN BUNDESWAHLAUSSCHUSS


Kommunisten erringen Wahlsieg


Verfassungsgericht kippt Entscheidung des Bundeswahlausschusses. DKP kann im September an Bundestagswahl teilnehmen


Von Nico Popp

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) kann an der Bundestagswahl im September teilnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die anderslautende Entscheidung des Bundeswahlausschusses, der die Partei nicht als solche anerkannt und in der Folge nicht zur Wahl zugelassen hatte, vollumfänglich aufgehoben. Das geht aus der Abschrift des Beschlusses des Zweiten Senats vom 22. Juli hervor, die der anwaltlichen Vertretung der DKP am Dienstag zugestellt wurde und jW vorliegt.

Der Bundeswahlausschuss hatte am 8. Juli mit einer Mehrheit von zehn zu eins entschieden, dass die 1968 gegründete kommunistische Partei »als Partei nicht anerkannt« wird, da sie sechs Jahre lang keinen Rechenschaftsbericht bei der Bundestagsverwaltung eingereicht habe, der den Mindestanforderungen genüge. Laut Parteiengesetz verliert eine Partei unter anderem dann die Parteieigenschaft, wenn sie sechs Jahre lang keinen Rechenschaftsbericht einreicht. Die von der DKP bis einschließlich für das Jahr 2017 verspätet eingereichten Rechenschaftsberichte wurden vom Bundeswahlausschuss unter seinem Vorsitzenden Georg Thiel faktisch als im Sinne der Rechtsnorm nicht abgegeben betrachtet: Die Mehrheit, zu der auch die Vertreterin der Partei Die Linke gehörte, legte die fragliche Norm so aus, als erfasse sie auch verspätet abgegebene Berichte.

Nur der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen im Bundeswahlausschuss, der Rechtsanwalt Hartmut Geil, wies darauf hin, dass das so nicht im Gesetz stehe. Nach der Entscheidung des Bundeswahlausschusses wurde zudem bekannt, dass der Bundeswahlleiter auf die im September 2020 an ihn gerichtete Nachfrage der DKP, ob die Partei die Voraussetzungen der Kandidatur mit Blick auf die Rechenschaftslegung erfülle, nicht konkret und eindeutig geantwortet hatte – ein Indiz dafür, dass Thiel die DKP bis zum letzten Augenblick über die beabsichtigte Entziehung des Parteienstatus im unklaren lassen wollte.

Die von Beobachtern als »kaltes Parteiverbot« bezeichnete Entscheidung des Bundeswahlausschusses wurde von der DKP am 12. Juli in Karlsruhe mit einer sogenannten Nichtanerkennungsbeschwerde angefochten. In dieser verwies sie auf die ihrer Ansicht nach unzulässige Gleichsetzung von verspäteter Abgabe und Nichtabgabe und betonte zudem, dass sie vom Bundeswahlleiter im Vorfeld nicht ausreichend auf eventuelle Hindernisse einer Wahlzulassung hingewiesen worden war. Auch die Bundestagsverwaltung habe auf eine entsprechende Frage nicht geantwortet.

Das Bundesverfassungsgericht folgte nun in den Grundlinien der Argumentation der DKP. Der Verlust der Parteieigenschaft trete nicht bereits dann ein, wenn eine Partei in einem Zeitraum von sechs Jahren mehrere nicht fristgerechte Rechenschaftsberichte einreiche, heißt es in dem Beschluss. Das ergebe sich aus dem Zweck der Norm, deren Rechtsfolge »lediglich Ultima ratio« sein solle. Auch ein verspäteter Rechenschaftsbericht trage den »verfassungsrechtlichen Transparenzanforderungen« Rechnung und könne nicht einfach als »Nichteinreichung« gewertet werden. Die Ansicht des Bundeswahlleiters, der Gesetzgeber habe die nicht fristgerechte Einreichung des Rechenschaftsberichts der Nichteinreichung gleichstellen wollen, sei falsch. Insgesamt, so der Tenor des Beschlusses, habe der Bundeswahlausschuss es an einer »Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse« der DKP fehlen lassen, die ohne Zweifel eine Partei sei, die die »Ernsthaftigkeit ihrer Teilnahme am Prozess der politischen Willensbildung nachgewiesen« habe.

Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele sprach am Dienstag gegenüber jW in einer ersten Reaktion von einem »Sieg auf der ganzen Linie«. Die Begründung des Gerichts sei eine »schallende Ohrfeige für den Bundeswahlleiter«. Der Versuch, die Existenz der DKP »mit bürokratischen Mitteln« zu gefährden, sei zurückgewiesen worden. Dieser Erfolg sei auch ein »Ergebnis der großen nationalen wie internationalen Solidarität, die wir erfahren haben«.

Nach einer Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts war die DKP als einzige der vom Bundeswahlausschuss nicht zur Wahl zugelassenen Organisationen mit ihrer Beschwerde erfolgreich. In 19 anderen Fällen wies das Gericht die Einsprüche als unbegründet oder unzulässig zurück


Sonntag, 25. Juli 2021

DER MENSCH IM TEUFELSKREIS - Textauszug - H. Popow

 

Ein Buch ist im Entstehen. Der Titel:


DER MENSCH

IM TEUFELSKREIS


Autor: Harry Popow


Bis zur Veröffentlichung braucht es seine Zeit. Schon jetzt können Sie, liebe Leser dieses Blogs, hin und wieder Textauszüge lesen und kommentieren. Der Autor freut sich über jede noch so kleine kritische Bemerkung. Auch, wer sich selbstverständlich per Mail äußern möchte. Vielen Dank im Voraus.



Textauszug:

FRIEDHOFS-LÄRM

Diese Geschichte begab sich, sagen Zeitzeugen, als sich in jüngster Zeit (2020/2021) über Land und Leute, gar über den ganzen Planeten, eine unheimliche Stille ausbreitete – eine tödliche. Ein Virus ging um, und die Menschen verschanzten sich hinter Mundmasken und hinter den Mauern ihrer Häuser.  Wie so oft in Gefahrensituationen beschlich den einen oder anderen diese oder jene Erinnerung, als es noch menschengemachte tödliche und maschinell betriebene Abschlachtungen gab.

Als der Lärm der Spatenstiche während der Beerdigungen auf den Friedhöfen wegen der Überfülle der  heran zu karrenden Toten enorm zunahm, da kam auch einem  gewissen Dr. Faustus, der sich schier in seiner Gruft umdrehen wollte vor Wut, das Grübeln. Wer wagt es, ihn, den großen von Goethe geschaffenen Literaturhelden in seiner nahezu 200-jährigen Stille zu stören? Was ist zu tun? Wie sich zu wehren? Gegen wen richte sich der Protest?


Noch bevor die Stille auf dem riesigen Friedhof am Nachmittag für´s erste Ausklang, erinnert sich der hellhörige Dr. Faust in seiner Gruft an den Urfaust, seinem Vorgänger. Im Gegensatz zur orthodoxen Kirche, die sich durch diesen in ihrer Machtposition bedroht fühlte, stärkte Goethe diesem den Rücken. Rebellieren sei gut und richtig, aber es müsse dem auch Taten folgen. Und so schuf der Dichter ihn, den Dr. Faust, der stärker als der Urfaust den Herrschenden tüchtig in die Parade fahren würde, als moderner Mensch, der dem Menschenrecht genüge tun sollte. Aber es hilft ihm, dem Grufti, kein nachträgliches Klagen. Schuld habe schließlich der Teufel. Er, der Mephisto habe ihn immer wieder abgelenkt von seinem Streben, ein moderner Mensch zu werden. Gewiss, Faust wurde dadurch angehalten, im Menschen jedweden Zweifel, jeglichen erdenklichen Widerspruchsgeist zu nähren. Warum? Der strebende Mensch solle nicht erschlaffen, solle wach bleiben, Fragen stellen, neugierig bleiben, sich nicht durch Tricks und Betrügereien von seinem Bemühen um Menschlichkeit ablassen.


Faust wird in seiner Gruft sehr nachdenklich. Überflüssiges Denken? Das ins Nichts führt? Was könne denn er, der Alte Grufti heute noch bewirken? Und warum?
Vorsichtig öffnet er den Deckel über seiner Gruft. Tief atmet er durch. Öffnet ganz behutsam die Augen. Sieht sich bewundernd um:  Bäume, Gräber, leichter Wind in den Baumkronen. Eine liebliche Melodie. Vogelgezwitscher. Plötzlich fahren Autos vor. Laden Särge ab. Will kein Ende nehmen. Jemand, der Friedhofswärter wohl, brüllt über ein Sprachrohr: „Keine Kapazität mehr. Bringt die Leichen woanders hin.“
Doch weitere Autos mit Särgen halten vor dem Friedhofstor. Männer in schwarzen Kapuzen und mit Masken vor Mund und Nasen schleppen sie zu einem bereits vorbereiteten größerem Grab. Der Wärter schimpft, er habe keinen Platz mehr, der stille Ort sei bereits überfüllt... Doch Polizei hält ihm den Mund zu, er solle sich bitte der Obrigkeit fügen, denn sie habe alles fest im Griff.


Die Auferstehung eines Grufti bleibt nicht unbemerkt. Ein Polizeiauto mit Sirene. Platz da für einen hohen Beamten. Ohrenbetäubender Lärm. In einer plötzlichen Ruhe ist ein lautes Stöhnen zu hören. Die Obrigkeit sieht mit Erschrecken: Eine Gruft öffnet sich. Ihm entsteigt eine alte Figur mit sehr langem Bart. Schaut sich neugierig um.


Eine Melodie erklingt: „Thränen des Vaterlandes“. Einige Grableute glauben, Goethes Faust in dem Alten entdeckt zu haben. Sie schreien auf: „Was willst Du denn hier. Wir haben andere Zeiten. Geh ins Grab zurück.“ Andere wieder: „Lasst ihn gewähren. Er musste sterben, weil Mephisto ihn dazu getrieben hat.“
Faust, sehr leise: „Ich will Euch alle Erdenkinder vor Unheil schützen. Bin aufgewacht, um Euch zu sagen, hütet Euch vor den Teufeln.“


Zwischenruf eines Arbeiters: „Die gibt es nicht mehr. Dafür aber ein Virus, der uns zu schaffen macht und uns alle einsperren will, ne richtige Knechtschaft.“
Faust: „Beruhigt euch, alles hat seine Ursachen. Man muss nur herauskriegen, woher der Wind mit dem Unheil kommt. Das zu erkennen, dazu reicht nicht euer sinnloses Staunen und Begaffen der Symptome.“


Ein Arbeiter: Kommt alle, dem Alten ist nicht zu helfen. Machen wir besser weiter wie bisher... Und sie graben weiter an zusätzlichen Gräbern, denn es kommen immer mehr Frachten mit Särgen. Werden auf dem Feld bestattet, da der Friedhof überfüllt ist. Der Mann flucht.

Während es über der Gruft im Friedhof – wo sonst nur Totenstille herrscht – nach wie vor ein Scharren und Schippen und Fluchen zu hören ist, wendet sich der Zeitzeuge an Dr. Faustus, der seit 1831 hier in der Gruft in Frieden ruht, und spricht ihn flüsternd an: „Herr Doktor, wenn ich nicht irre, dann scheint die Ruhe dahin. Über uns in den Weiten des großen Friedhofes scheinen sich Dinge abzuspielen, die für recht ungewöhnlich gelten. Bei Ihrer sprichwörtlichen Wissbegier, was das Menschliche und Göttliche betrifft, ihrem Streben, allwissend zu sein und den Dingen auf den Grund zu gehen, dürfte das derzeitige Geschehen an der Erdoberfläche durchaus von Interesse sein.“

Faust, stöhnend: „In meiner Erinnerung bin ich gerettet worden und trage keinerlei Verantwortung mehr für das Irdische.“ Lasst mich weiter ruhen in Frieden und in Gottes Schoß.“

Zeitzeuge: „Sie haben ja so Recht, verehrter Dr. Faust, aber nunmehr wirft man Ihnen im modernen Zeitalter des 21. Jahrhunderts Mord- und Totschlag vor, den sie auf Geheiß des Teufels begangen haben. Also ließen Sie Ihren Drang nach Wissen und Bildung zugunsten eine euphorischen Bindung an Liebesbetäubung und Lustbarkeit in den Himmel fahren, um nur Ihrer persönlichen Begierde zu folgen. Glaubten Sie wirklich, dass dies Verhalten einem edlen Menschen gut zu Gesicht steht? Ist es nicht deutlich genug: Wer sich mit dem Teufel einlässt, sei unrettbar verloren?“
Faust: „So unrecht ist das nicht. Man muss überlegen, auch wenn es, so scheint es, für nachträgliche geistige Einkehr viel zu spät ist. Ich habe wohl egoistisch mein Streben, Göttliches zu erreichen, bedenkenlos andere Menschen zugrunde gerichtet. War ich nur Schuld? Oder waren es die Umstände, die mich zu dem frevelhaften Pakt mit dem Teufel getrieben haben? Ich will herausfinden, ob mich die Schuld alleine trifft.“



Faust stutzt. Ganz in seiner Nähe hat sich offenbar eine Bestatterin in Position gebracht. Was sie da offenbart, lässt Faust im Innersten erschüttern:

1. Rede:


Und doch leben wir in schwierigen Zeiten… Staatliche Zwangsmaßnahmen wegen einer Pandemie unterdrücken jedes Lebensgefühl. Und es ist völlig unverständlich, wieso gerade dieser letzte Abschied von einem geliebten Menschen, diese wertvollen letzten Stunden und Minuten im Leben eines Sterbenden, unter dem Vorwand einer Corona-Pandemie so herzlos, so mitleidlos und mit einer unmenschlichen Kälte durch die Regierung dieses Staates behindert, ja unmöglich gemacht werden. Und es ist eine Schande, dass die Toten, auf deren Totenschein „infektiös“ oder „Covid“ steht, in einem Plastiksack wie Unrat beseitigt werden und die Nahestehenden sich nicht einmal mehr von ihren Angehörigen verabschieden können.


Eine Gesellschaft, die so mit den Menschen umgeht, wie wir es heute erleben, ist es wert, daß sie zugrunde geht. Diese Gesellschafstformation ist der Kapitalismus. Sie beruht auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und auf der Ausbeutung der Lohnarbeiter. Der Kapitalismus stürzt von einer Krise in die andere. Millionen und Abermillionen Menschen werden an den Rand gedrängt, sind nutzlos, werden ausgespien und sterben verfrüht. Kinder verhungern, alte Menschen siechen dahin, bis der Tod sie abholt.“


2. Rede


„Kliniken, die aus allen Nähten platzen. Schwerstkranke, die sich vor Intensivstationen stauen und elendig auf ihren Tod warten. Ärzte, die notfalls auswürfeln müssten, welchem Patienten sie helfen und welchem nicht. Im Zuge der Corona-Krise haben sich Bilder wie diese tief im kollektiven Bewusstsein eingegraben. Seit über einem Jahr beschwören Politiker, Wissenschaftler und Medien das Szenario eines Gesundheitssystems vorm Kollaps: Steigende Infektionszahlen, steigende Krankenzahlen, steigende Todeszahlen – wird man dem Virus nicht Herr, sind italienische Verhältnisse programmiert. Selbst bei sinkenden Zahlen dräut es aus allen Kanälen: Lassen wir heute den Lockdown schleifen, erleben wir morgen unser Bergamo.“


Faust bereut nicht, seine Gruft verlassen zu haben. Er ist wütend und ratlos zugleich. Der Zeitzeuge hat recht. Er wird der Gruft endgültig den Rücken kehren. Zumal er mit Schrecken und Neid soeben vernommen hat, der Urfaust in der Gruft nebenan hat längst sein unterirdisches Gefängnis verlassen. Wie Faust oft von ihm gehört hat, wird er wohl aufs große Austoben aus sein, ohne Sinn und Verstand. Das hält Faust nun vollends nicht davon ab, selbst das irdische Paradies zu betreten und zu durchforsten. Und ob auch Mephisto erwacht ist? Vorsicht ist geboten.

Noch kann Faust nicht einmal ahnen, dass die Sterbe-Statistik seit Beginn der Pandemie bis Juli 2021 nicht einmal die normale Höhe überschritten habe.  Siehe:

(< www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27565 >.)


Freitag, 23. Juli 2021

Deutschland - im Fokus der USA - Wolfgang Bittner

 Deutschland – im Fokus der USA



Von Wolfgang Bittner

Um die heutige angespannte politische Situation zu verstehen, in der sich Europa und insbesondere Deutschland befindet, ist es wichtig, die geschichtliche Entwicklung der letzten 150 Jahre zu bedenken. 80 Jahre nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion steht die nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründete, 1990 mit der DDR vereinigte Bundesrepublik Deutschland an der Seite der USA gegen Russland. Als hätten Russland und Deutschland nicht schon bis zur völligen Erschöpfung unter den Menschheitskatastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs gelitten.

Ein kurzer Rückblick: Das 1871 neu gegründete Deutsche Reich hatte sich um die vorige Jahrhundertwende zu einer wirtschaftlich prosperierenden Macht in der Mitte Europas entwickelt. Bildung, Wissenschaften und die Künste wurden gefördert und strahlten in die ganze Welt aus. Das führte zu Missgunst bei den Imperialmächten Großbritannien und Frankreich und bei den Wirtschafts- und Finanzeliten der USA. Daher begannen sie seit etwa 1900 Pläne zu entwickeln, die lästige Konkurrenz zu beseitigen, und dazu sollte der Erste Weltkrieg dienen, der lange vor 1914 insgeheim vorbereitet wurde.(1)

Nach dem Sieg der Alliierten wurde das Deutsche Reich durch den aufgezwungenen Versailler Vertrag mit unglaublich hohen Reparationsabgaben und Reparationszahlungen belastet. Dadurch geriet Deutschland in eine prekäre Lage, und in der Folgezeit gelang es den Nationalsozialisten die junge Weimarer Republik immer mehr zu destabilisierten. Hitler, der seit Anfang der 1920er-Jahre nachweislich aus dem Ausland gefördert und finanziert wurde, übernahm die Macht. Damit war der Zweite Weltkrieg vorprogrammiert. Er endete in einer bedingungslosen Kapitulation, wozu die Flächenbombardements deutscher Städte bis in den April 1945 beitrugen. Danach wurde Restdeutschland, also die neu gegründete BRD, wieder gegen den Bolschewismus, also gegen die Sowjetunion, aufgestellt, wie schon im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Das geschah unter Führerschaft der USA, die bis heute die Bundesrepublik Deutschland als eine Art Vasallenstaat betrachten.

Der Einfluss der USA auf die deutsche Politik

Die heutige Einflussnahme geht jetzt nicht nur von Washington aus, sondern ebenso von den sehr einflussreichen Netzwerken wie zum Beispiel Atlantik-Brücke, European Council on Foreign Relations, Aspen Institut, Atlantic Council, Münchner Sicherheitskonferenz usw. Es sind mehr als 100 dieser höchst einflussreichen Institute, denen zahlreiche deutsche Politiker, Journalisten und Wissenschaftler zu Diensten sind.(2) Einige wurden gleich nach 1945 eingerichtet, und sie nehmen wesentlichen Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinungsbildung.

Zwar wurde 1955 mit dem Deutschlandvertrag ein Großteil der Besatzungsrechte aufgehoben, und 1990 wurde mit dem mit dem Zwei-plus-Vier Vertrag trotz eines fehlenden Friedensvertrags ein vorläufiger Abschluss geschaffen. Dem vereinten Deutschland sollte volle Souveränität gewährt werden. Allerding haben die USA durch ein Zusatzabkommen zum Truppenstationierungsstatut Sonderrechte durchgesetzt. Das betrifft die Rechtsstellung der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte und deren Befugnis, die zum Schutz der Truppen notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Das ist sehr weit auslegbar. Unter anderem gehören dazu Eingriffe in das Kommunikationswesen und Sonderrechte bei der Strafverfolgung. Zu berücksichtigen sind aber auch weitere Abkommen und Einflussmöglichkeiten der USA im Wege verdeckter Nötigung und Erpressung. Wie intensiv die Einflussnahme auf innerstaatliche deutsche Angelegenheiten ist, zeigte sich beim Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2. Danach lässt sich feststellen, dass Deutschland zwar pro forma souverän ist, de facto aber nur über eine eingeschränkte Souveränität unter Vormundschaft der USA verfügt.

Nachdem die Sowjetunion seit 1990 ihre Truppen aus Ostdeutschland abgezogen hatte, ist auch die Forderung nach einem Abzug der US-Streitkräfte immer wieder laut geworden. Dennoch gibt es noch etwa 40 größere Militärstützpunkte in Deutschland, darunter einige von der Größe Liechtensteins. In Büchel in Rheinland-Pfalz sind Atomwaffen stationiert; von Ramstein aus, dem Hauptquartier der US-Luftwaffe in Europa, werden die Einsätze von Kampfdrohnen in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen gesteuert. In Landstuhl bei Kaiserlautern befindet sich das größte US-Militärkrankenhaus außerhalb der USA. Außerdem ist Deutschland ein Zentrum der US-Spionage.

Das alles ist möglich, weil deutsche Politiker sozusagen als Einflusspersonen der USA mitwirken. Sie nehmen offenbar in Kauf, dass sich Deutschland dadurch im Visier der russischen Raketenabwehr befindet. Vielen Menschen in Deutschland ist das nicht bewusst oder sie befürworten es sogar aufgrund der permanenten Indoktrination durch Politik und Medien, wonach die USA immer noch als Befreier und Beschützer gelten. Die US-Regierung fordert von Deutschland eine Erhöhung des Militäretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, obwohl für 2021 bereits 46,9 Milliarden Euro veranschlagt sind. Deutschland soll die „Speerspitze“ gegen Russland bilden.(3)

Die Langzeitstrategie der USA

Nicht erst seit 1945 verfolgen die USA in Bezug auf Deutschland und Russland eine Langzeitstrategie. Der ehemalige Direktor des einflussreichen Thinktanks Stratfor, George Friedman, hat das 2015 in einer Rede in Chicago plastisch erläutert. Er sagte, das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, seien die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gewesen. Und das Hauptziel sei gewesen, eine Kooperation, die die Vormachtstellung der USA infrage stellen könnte, zu verhindern. Denn wenn sich deutsches Kapital und deutsche Technologie mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft verbänden, dann hätten die USA ein großes Problem, wirtschaftlich wie militärisch. Deswegen legten sie um Russland herum einen Sicherheitsgürtel, einen „Cordon Sanitaire“, wie Friedman das nannte.(4) Das ist die Strategie: Keine Kooperation zwischen Deutschland und Russland.

Der russische Präsident Putin hat bereits 2001 in seiner friedenspolitischen Rede vor dem Deutschen Bundestag und danach immer wieder Kooperation angeboten – zuletzt noch am 22. Juni 2021 in einem lesenswerten Gastbeitrag in der Wochenzeitung „Die Zeit“.(5) Dem setzen die USA ihren unipolaren Anspruch, also Weltmacht Nr. 1 zu sein, mit einer Aggressionspolitik und militärischen Einkreisung Russlands entgegen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil, das ist unter der derzeitigen US-Regierung noch forciert worden. Joe Biden ist der dienstälteste russophobe US-Politiker, der sämtliche Konflikte und Krieg der letzten Jahrzehnte mit zu verantworten hat, von Afghanistan bis Syrien.

Seit Langem ist die Chaotisierung und die Teilung von Staaten ein Mittel der US-Politik. Und ganz offensichtlich gibt es Pläne, Russland zu destabilisieren, unter Umständen sogar mit Krieg zu überziehen. Unabhängige westliche Experten für Außen- und Sicherheitspolitik, die das immer aggressivere Agieren der USA und der NATO kritisch beobachten, sprechen von Kriegsvorbereitungen gegen Russland, aber auch gegen China. Mehrmals war in der Vergangenheit der Einsatz von Atomwaffen im Gespräch, ein sogenannter „Enthauptungsschlag“. Die zerstörerischen Planungen der westlichen Strategen kennen keine Grenzen, was natürlich auch in Russland und China registriert wird.

Alles in allem sieht es nicht gut aus in Deutschland und er Welt. Um einen bevorstehenden dritten Weltkrieg zu verhindern, wäre es existenziell wichtig, dass demokratische Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen, Universitäten, aber auch eine große Friedensbewegung verstärkt für Frieden und Abrüstung eintreten, Das ist bei den Parteien derzeit nicht der Fall. Aber wenn Frieden und Abrüstung nicht im Mittelpunkt aller politischen Bemühungen stehen, ist die Zukunft ungewiss. Denn ohne Frieden – das sagte schon Willy Brandt – ist alles nichts.

Quellen und Hinweise
(1) Dazu ausführlich und mit weiteren Hinweisen: Wolfgang Bittner, „Der neue West-Ost-Konflikt“, Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2019, S. 113-139
(2) Ebd. S. 51-58 mit Hinweisen auf Organisationen und Einflusspersonen
(3) Vgl. Informationsstelle Militarisierung (IMI) » Großverbände gegen Russland – Deutschland als Speerspitze (imi-online.de)
(4) Online unter www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw (22.7.21)
(5) Siehe: Wladimir Putin: Offen sein, trotz der Vergangenheit | ZEIT ONLINE
Erstveröffentlichung: https://www.cashkurs.com/gesellschaft-und-politik/beitrag/deutschland-im-fokus-der-usa


Von Wolfgang Bittner erschien kürzlich im Verlag zeitgeist das Buch „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.




Donnerstag, 22. Juli 2021

Die Auferstehung des Dr. Faustus - Textauszug - H.P.

 

Ein Buch ist im Entstehen. Der Titel:


DER MENSCH

IM TEUFELSKREIS


Autor: Harry Popow


Bis zur Veröffentlichung braucht es seine Zeit. Schon jetzt können Sie, liebe Leser dieses Blogs, hin und wieder Textauszüge lesen und kommentieren


PROLOG

Nach nahezu 200 Jahren völliger Stille in der Gruft von Dr. Faustus, den Goethe als den modernen Menschen darzustellen versuchte, erwacht Faust durch ungeheuren Lärm. Neue Särge werden in den Friedhof verbracht und neue Gräber geschaufelt. Der Klang der Spaten erinnert Faust an seine Landeroberungen. Irgendwer hält eine Grabrede. Darin wird zwar eine Pandemie, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, betrauert, aber zugleich betont, dass es Zeit sei, die Krise der Menschheit durch neue und strengere Maßnahmen in den Griff zu bekommen, damit die Wirtschaft neu erblühen könne. Dazu diene eine mächtige Welle von sogenannten Digitalisierungen. Gewarnt wird vor Querdenkern, vor Verschwörern und Widerständlern, die die Macht der Profiteure einschränken und letztendlich beenden wollen.

Faust, der angestrengt lauscht, aber wenig versteht, ist desto hellhöriger, als ein zweiter Grabredner dem ersteren vorwirft, die menschlichen Problem, die sozialen Fragen, völlig in den Hintergrund zu schieben, ja, sie absolut zu ignorieren. Er meint, mit den bisherigen Methoden der Jagt nach Profit seien die Probleme auf der Welt nicht zu lösen. Die Menschheit werde untergehen, und mit ihr der schöne Planet Erde. Es sei denn, die Völker stehen auf, wehren sich, jagen das Pack zum Teufel!

Bei der ersteren Rede drehte sich Faust wütend im Grabe um. Nun aber ist die zweite Rede ihm Anlass, über seine eigene Daseinsform im Goethe-Werk tiefer nachzudenken. Er erinnert sich, dass sich Faust aber vom Teufel beirren ließ, sein großes Bestreben nach allseitigem Wissen durch Angebote der seichten Unterhaltung schließlich sausen zu lassen. Ja, der Dichter stempelte ihn, den Faust, zum Mörder, zum Kaufmann und Betrüger. Schließlich glaubte dieser Goethe, den Faust durch eine göttliche Eingebung retten zu können. Soll so jegliches Verbrechen in der Menschheitsgeschichte gerechtfertigt werden, denn jeder mache mal einen Fehler? Faust ist innerlich empört. Goethe habe ihn nur benutzt. Andererseits: Hat er in der Gestalt des Teufels der Menschheit nicht einen Warnschuss vor den Bug gegeben ? Stand da nicht der tiefe Gedanke dem Dichter Pate, Geld und Gier und das alleinige Streben nach Besitz werde die Menschheit in tiefes Unglück stürzen?

Und bei dieser für Faust so wichtigen Überlegung kommt er zu einem Entschluss: Er wird aufstehen. Sich die Welt angucken. Auf den Straßen, in Familien, im Gespräch mit Menschen wie du und ich. Nach echten Erkenntnissen streben. Und Abhilfe schaffen? Nein, darum wird es nicht gehen können. Aber sich bemühen, im Streben nach Erkenntnissen ein Mensch zu bleiben, ein nachdenklicher, der stets von sich aus bejaht oder verneint, ohne einen Teufel befragen zu müssen. Den soll es als stets Mahnenden allerdings ruhig geben, dafür muss das profitgierige Teufelspack ins Visier genommen werden. 

Faust erhebt sich, streckt die Brust, wirft sich in einen Oberrock und entsteigt seiner Gruft. Er will weder als Rächer noch als Aufklärer, weder als nur Nörgler noch als Revolutionär in Erscheinung treten, sondern nur als aufgeweckter und tatendurstiger Mensch, wie Goethe ihn darzustellen versuchte. Wie dieser wirken und aussehen sollte, das ist dem Faust bei weitem nicht klar. Er weiß noch nicht, dass dieses anzustrebende Menschenbild längst das Ziel einer humanistischen Politik gewesen war, für die der Bogenschütze im Park Sanssouci als Symbol dienen mag...

Faust beschämt die Heutigen, auch durch die Hinwendung zum RUNDEN TISCH, durch die das Bemühen, tiefer die Dialektik von Widersprüchen einzudringen, die Erfahrungen seiner neuen Mitstreiter und zahlreicher klar denkender fortschrittlichen Autoren nutzend. Statt Verdummung gilt Klarsicht: Das von Goethe vorausgeahnte kapitalistische Marktsystem hat endgültig verspielt. Faust handelt – gemeinsam mit seinen neuen Freunden - er klärt auf aus ehrlicher Liebe zum Mensch-Sein. Die Verteufelung eines humanen Strebens – damit schaufelt sich die Macht des Kapitals ihr eigenes Grab. Wer, wenn nicht das Volk, rettet das Land der „Dichter- und Denker“?



Dienstag, 20. Juli 2021

DIE MENSCHHEITSKRISE - Stephan Wohanka - Das Blättchen

Entnommen: https://das-blaettchen.de/2021/06/klimakrise-menschheitskrise-57354.html



Klimakrise? Menschheitskrise!


von Stephan Wohanka



Er hört das Klirren der Spaten und glaubt,
die Arbeit gelte einem Graben.
In Wahrheit gilt sie seinem eigenen Grab.

Fausts irreversibler Irrtum




Die Einsicht in die Notwendigkeit, sich des Klimas und der Natur dringendst annehmen zu müssen, ist – gemessen am Problem – noch immer gering verbreitet: „So wetteifern … im öffentlichen Diskurs die Sehnsüchte nach ökologischem Fortschritt mit den Befürchtungen, der Fortschritt könnte ein Rückschritt sein. Fragen von sehr grundsätzlicher Bedeutung sind aufgeworfen: Wer soll die angekündigte Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft eigentlich bezahlen? Und wird hier nur mit Geld bezahlt oder auch mit Wohlstandsverlusten von Chemiearbeitern, Pendlern, Landwirten, Flugzeugbesatzungen und Automobilherstellern?“ So eine Stimme zur Wirtschaft. Die medial-philosophische Seite lässt sich so ein: „Das 21. Jahrhundert hat mit einem Greenwashing des Weltbewusstseins begonnen. Die ökologische Bewegung ist so erfolgreich, weil sie keine politischen Ideale, sondern die Zeremonien einer Zwangsneurose anbietet, mit denen sich jeder brave Bürger seine Privatreligion zusammenbasteln kann.“ Und die Politik sagt: „In einer Demokratie muss ich auch immer Mehrheiten für etwas bekommen.“ Ich verbürge mich – alles Worte intelligenter Zeitgenossen; aber woher diese Ignoranz? Ja die teils dümmlich-überhebliche Attitüde?

Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität“ wurde zum geflügelten Wort. Und nicht nur Politik; auch die Wirtschaft, die Wissenschaften sowie der öffentliche Diskurs bis hin zur Philosophie als „Liebe zur Weisheit“ sollten grundsätzlich mit dem Begreifen von Realitäten beginnen. Beides, Betrachtung und Begreifen unterliegen jedoch seit geraumer Zeit einer massiven kollektiven Fehlwahrnehmung – ich riskiere den Superlativ: Der größten seit es „Politik“, bah – die Menschheit als solche überhaupt gibt! Nicht das Klima als „mit meteorologischen Methoden ermittelter Durchschnitt der dynamischen Prozesse in der Erdatmosphäre, bezogen auf definierte Örtlichkeiten“ (nach Wikipedia) ist in einer Krise – die Menschen auf diesem Planeten haben sich in eine ihr Dasein bedrohende Krise manövriert!

Das Klima hat sich über Jahrmillionen immer wieder gewandelt; durch die natürliche Interaktion mit der Geo- und Biosphäre, und in einem klitzekleinen Moment der Erdgeschichte auch durch menschliches Agieren. „Klitzeklein“ bezieht sich lediglich auf den Zeitraum dieser menschlichen Einflussnahme, denn deren Ausmaß steht mit Sicherheit für die größte und tiefgreifendste Umformung der Erde überhaupt – gemessen an ebendiesem planetaren Wimpernschlag. Spätestens seit der Industriellen Revolution ist der Mensch zum bestimmenden Faktor für das globale Ökosystem geworden. Er schuf (sich) eine zusätzliche Technosphäre; deren Phänomene die Urbanisierung mit ihren vielfältigen Infrastrukturen, die Ressourcenknappheit, das Artensterben, die Verschmutzung der Luft, die Überdüngung des Wassers, der Böden sowie deren Erosion und auch der Treibhauseffekt sind. Diese Wirkungen betreffen den ganzen Planeten und sind mit allen sich abspielende Geoprozessen verwoben. Deshalb ist dafür der Begriff Anthropozän in die Debatte eingeführt worden – als Name einer neuen geochronologischen Epoche: Nämlich des Zeitalters, in dem der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Die menschliche Eingriffstiefe hat zu einem Zustand geführt, dass gut gemeinte Maßnahmen in Sachen Umweltschutz oft die Lage noch verschlimmbessern…

Der Mensch als Spezies wurde noch zu Zeiten rauer klimatischer Bedingungen „geboren“; seine Hochkultur(en) jedoch vermochte er erst zu schaffen, als sich das Klima vor rund 12.000 Jahren in einem gewissen stabilen und „schmalen“ Temperaturkorridor bewegte. Droht das Klima jetzt diesen Korridor zu verlassen, indem es vor allem durch den anthropogenen Treibhauseffekt zu „heiß“ wird – wohlgemerkt nicht an sich, sondern für den Menschen –, ist ebendieser Mensch letztlich in seiner jetzigen Existenz bedroht. Es ist daher müßig darüber zu debattieren, wie hoch wohl der Anteil des Menschen an der Erderwärmung sei; der Erde und dem Klima ist das egal, für den Menschen ist – wenn schon – die „Summe“ der Erwärmung bedrohlich. Mehr noch – ließe sich ein relevanter Teil der oft auch hierzulande sich häufenden tropischen Hitzewellen natürlichen Faktoren zuschreiben, wären die menschlichen Anstrengungen zur Begrenzung der Erwärmung nur um so dringlicher.

Die Folgen der Erderwärmung für die Geo- und Biosphäre sind gravierend: Gletscher schmelzen ab, der Wasserspiegel der Weltmeere steigt, Dürren und Sturzregen nehmen zu, desgleichen Wirbelstürme und Waldbrände ….; diese Aufzählung ließe sich ad infinitum fortsetzen. Ausgerechnet die Versicherungswirtschaft schlägt Alarm; so schreibt die Munich Re, deren Schwerpunkt traditionell in der Absicherung von Spitzenrisiken aus Naturkatastrophen liegt: „Klimawandel – eine der größten Herausforderungen der Menschheit …“

Nach dem Konzept des Anthropozäns als Zeitalter des Menschen handelt dieser immer im planetaren Maßstab, respektive sind die Folgen seines Handels oder Unterlassens an diesem zu messen. Er mündet in so genannte Kippschalter, die sich bei Überschreitung gewisser Schwellenwerte umlegen. Es wurden circa 15 derartige Schalter identifiziert, von denen wiederum neun schon bedenkliche Werte aufweisen, zum Beispiel das Auftauen der Permafrostböden im nördlichen Sibirien, wodurch es zu vermehrter Methan-Emission kommt – für das Klima wesentlich schädlicher als CO². Drei weitere sind quasi schon „umgelegt – darunter jeweils einer in der Arktis respektive Antarktis durch das Abschmelzen von Eis.

Der Dreh- und Angelpunkt der vielfältigen globalen oder planetaren Krisen sind also nicht die Sphären, Medien und Räume, sondern der Mensch! Deshalb ist es irreführend, ja kontraproduktiv von Klima- oder Umweltkrise zu sprechen, sondern richtigerweise – wie schon gesagt – von einer Menschheitskrise. Es geht dabei nicht um eine schlichte Begriffsumkehr, sondern eher schon um ein anderes framing, das heißt eine neuartige Einbettung von Ereignissen und Themen in andere Deutungsmuster. Vor allem aber denke ich, ist – wenn menschliches Handeln vom „Betrachten der Realität“ ausgeht – ebendiese Realität erst damit richtig erfasst: Sie nähme dann das Subjekt in ihren Fokus, um das es wirklich geht – den Menschen. Bis dato nimmt sich namentlich die Politik der Klima- und Umweltthemen immer noch so an, als hätten diese nichts mit uns zu tun; das Gegenteil ist richtig: „Wir sind in einer lebensbedrohlichen Situation! Warum schreiben wir das nicht genauso auf?“ Nicht das Klima oder die Umwelt sind primär rettungsbedürftig – wir Menschen sind es; und zwar über die Rettung von Klima und Umwelt. Klima- und Umweltschutz sind Mittel zum Zweck; nicht der Zweck selbst! Jahrzehntelang kam die Bundesregierung dabei kaum vom Fleck, jonglierte mit Bedenken und Lobbyeinwänden, verhakte sich in Details.

Will die Politik Mehrheiten gewinnen, dann müssen Klima- und Umweltthemen von der abstrakten Ebene der Atmosphärenchemie, des Treibhauseffektes, vom Streit um Grenzwerte, von Meeresspiegeln und Artensterben heruntergebrochen werden auf die menschlich-individuelle; Klimaschutz muss als „Menschenschutz“ in seiner unmittelbaren Auswirkung auf jeden und alle von uns gefasst werden. Zur Illustration dessen, auch oben beschriebener Fehlwahrnehmung: Im August 2003 stiegen die Temperaturen in Europa auf bis zu 47,5 Grad. Der darob in den Medien gefeierte Jahrhundertsommer war jedoch faktisch eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte Europas: Wälder brannten, Flüsse trockneten aus – und vermutlich etwa 70.000 Menschen fanden in Westeuropa den Tod, darunter 7.000 Deutsche.

Es sollte dazu kommen, dass – wie es schon geschieht – Menschen, die sich darüber im Klaren sind, dass es beim Klima- und Umweltschutz um uns Menschen geht, die Politik vor sich her treiben: Damit diese schnell alles Menschenmöglich-Vernünftige veranlasst, um die weitere Erwärmung der Erde zu stoppen. Dafür braucht es den globalen Schulterschluss. Ob der gelingt, weiß ich nicht. Ob wir bei 1,5 Grad Celsius bei der Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs landen, keine Ahnung. Es ist jedenfalls jede Anstrengung wert, um dann vielleicht „nur“ 1,75 Grad zu erreichen; immer noch besser als zwei Grad!



Auf der Zielgeraden - jW

 https://www.jungewelt.de/artikel/406683.auf-der-zielgeraden.html


Auf der Zielgeraden


Von Nico Popp

Textauszug
(...)
Was macht eigentlich Bodo Ramelow? Von ihm weiß man, dass er in Thüringen Ministerpräsident ist und seit Jahren ein Onlinetagebuch führt. In dem räsonierte er am Sonntag darüber, wie sehr das Jahr 2021 »angereichert ist mit historischen Jahres- und Gedenktagen«. Um dann diese Sätze zu schreiben: »Mein Blick fällt dabei besonders auf den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion einer- sowie den 60. Jahrestag des Mauerbaus andererseits. Beide Daten – der 22. Juni 1941 sowie der 13. August 1961 – markieren auf natürlich sehr verschiedene, aber dennoch einschneidende Weise für viele Millionen Menschen in Deutschland, Europa und der Welt katastrophale Wendepunkte ihres Lebens.«

Man sollte diese Passage mehrmals lesen. Wer so etwas schreibt, ist auf der Zielgeraden totalitarismusideologischer Verblödung angekommen – in einer Zone, die weit jenseits linker Debatten und Theorie und weit jenseits auch von jener Linie liegt, die die Grenze der Ansprechbarkeit für linke Politik markiert. Die Chancen, dass Ramelow seine Gleichsetzungskunststückchen auch in Zukunft in der Erfurter Staatskanzlei aufführt, stehen gar nicht schlecht – auch nach dem am Montag von der AfD angekündigten Misstrauensvotum.
(...)


Montag, 19. Juli 2021

IMMERGLEICHES LIED - Henry-Martin Klemt - DAS BLÄTTCHEN

 

Entnommen: https://das-blaettchen.de/2021/07/immergleiches-lied-57812.html


IMMERGLEICHES LIED


von Henry-Martin Klemt

Setzlinge pflanzen,
Baumstümpfe roden.
Wechselnde Herren.
Wechselnde Moden.

Doch unter den Füßen,
den schmerzenden Füßen
immer der gleiche,
immer der gleiche Boden.

Treiben den Esel,
reiten den Schimmel.
Nach jedem Schießen
Glockengebimmel.

Doch über den Köpfen,
den helmlosen Köpfen,
immer der gleiche,
immer der gleiche Himmel.

Erst für die Fahne.
Dann für den Zaster.
Erst für die Liebe.
Dann für den Kasper.

Doch bald in den Augen,
den halbblinden Augen
immer das gleiche,
immer das gleiche Wasser.

Deppen und Drohnen.
Freiheit wird teuer.
Wohlstand verschanzt im
Festungsgemäuer.

Doch auch in den Herzen,
den zuckenden Herzen
immer das gleiche,
immer das gleiche Feuer.

Juli 2021


Donnerstag, 15. Juli 2021

Putins Warnung: Ukraine Teil der "russischen Welt" - LZ

 

Entnommen: https://linkezeitung.de/2021/07/16/putins-warnung-an-den-westen-moskau-sieht-die-ukraine-als-teil-der-russischen-welt-das-sollte-von-aussenstehenden-ernst-genommen-werden/


Putins Warnung an den Westen: Moskau sieht die Ukraine als Teil der „russischen Welt“ & das sollte von Außenstehenden ernst genommen werden


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 16. JULI 2021 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


von Paul Robinson – http://www.rt.com

Übersetzung LZ

Paul Robinson ist  Professor an der Universität von Ottawa. Er schreibt über russische und sowjetische Geschichte, Militärgeschichte und Militärethik und ist Autor des Blogs Irrussianality http://t.me/irrussian

Der russische Präsident Wladimir Putin hat diese Woche den Startschuss zu einem neuen Streit mit Kiew gegeben. Die fraglichen Ereignisse sind jedoch nicht neu – sondern sehr, sehr alt, wobei Putin die Grundlage der ukrainischen Nationalität in Frage stellt.

„Ich betrachte die Mauer, die in den letzten Jahren zwischen Russland und der Ukraine entstanden ist, zwischen zwei Teilen eines einzigen historischen und geistigen Raums, als ein großes gemeinsames Unglück, eine Tragödie.“ Mit diesen Worten legte Putin seine Version der russisch-ukrainischen Geschichte in einem langen Artikel dar, der Anfang dieser Woche auf der Kreml-Website veröffentlicht wurde.

Für Putin sind die Bewohner beider Nationen „ein Volk“, dessen „geistige, menschliche und zivilisatorische Verbindungen über Jahrhunderte hinweg entstanden sind.“ Der Präsident fuhr fort, dass „unsere Verwandtschaft von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Sie ist in unseren Herzen… in den Blutbanden, die Millionen unserer Familien vereinen.“

Die Vorstellung, dass die Ukrainer Teil dieser einen Familie sind, ist für die Nationalisten im Land ein gefundenes Fressen. In einer wütenden Reaktion, die in der Kyiv Post veröffentlicht wurde, hieß es: „Putins Behauptung ist mehr Propaganda als Geschichte. Russen und Ukrainer haben sich historisch voneinander unterschieden. Russland hat jahrhundertelang den Mythos gefördert, dass die Russen, Ukrainer und Weißrussen eine Nation sind, mit Moskau in ihrem Herzen.“ Laut dem Artikel „wurde diese Theorie benutzt, um den russischen Imperialismus zu festigen und die ukrainische und weißrussische nationale Identität zu untergraben.“

Offensichtlich denkt Putin anders und bekräftigt frühere Aussagen, die er angesichts dieser Art von Kritik gemacht hat. In seiner langen Darstellung der russischen und ukrainischen Geschichte legt er dar, dass Kiew und Moskau durch Jahrhunderte gemeinsamer politischer und kultureller Prägung verbunden sind. Nebenbei tadelt Putin die aktuellen Behörden des Nachbarlandes für ihre Politik und macht westliche Mächte für die Spaltung zwischen Russland und der Ukraine verantwortlich, sowohl in der Vergangenheit als auch heute.

Dies ist nicht die erste historische Abhandlung Putins. Letztes Jahr veröffentlichte er zum Beispiel einen Artikel über die Ursprünge des Zweiten Weltkriegs. Man muss sich fragen, warum er sich die Mühe macht. Es ist ja nicht so, als ob sich viele Leute wirklich für alle Einzelheiten der Beziehung zwischen Bogdan Chmelnizki und dem alten Moskau interessieren. Warum sollte man sich auf die Geschichte konzentrieren und nicht auf die Probleme von heute?

Eine Erklärung ist, dass Putin im Vorfeld der Parlamentswahlen im September auf die einheimischen Wähler abzielt. Das erklärt jedoch nicht, warum Putin sein neuestes Werk nicht nur in russischer, sondern auch in ukrainischer Sprache veröffentlicht hat. Es ist klar, dass der russische Staatschef ein Publikum außerhalb der russischen Grenzen ebenso im Blick hat wie das innerhalb der Grenzen.

So betont Putin in seinem Artikel seine Überzeugung, dass „das ‚Anti-Russland‘-Projekt für viele in der Ukraine einfach inakzeptabel ist – und es gibt Millionen solcher Menschen.“ Das Problem, so Putin, sei, dass diese Gruppe „eingeschüchtert und in den Untergrund getrieben wird.“ Der Artikel stellt daher vielleicht einen Versuch dar, über die Köpfe der ukrainischen Regierung hinwegzugehen, um direkt an diese Millionen gewöhnlicher Ukrainer zu appellieren, von denen Putin denkt, dass sie seiner Erzählung wohlwollend gegenüberstehen werden.

Darüber hinaus steht er für die wachsende Bedeutung des historischen Schlachtfelds in der osteuropäischen Politik.

Sei es die sowjetische Hungersnot von 1932-33, die von den Ukrainern als „Holodomor“ bezeichnet wird, die Umstände, die zum Zweiten Weltkrieg führten, oder – wenn man noch weiter in die Vergangenheit zurückgeht – die tiefsten Ursprünge des russischen und des ukrainischen Volkes, die Interpretationen der Geschichte haben eine entschieden politische Färbung. Politiker auf allen Seiten glauben, dass derjenige, der das historische Narrativ kontrolliert, einen entscheidenden Vorteil gegenüber seinen Gegnern erlangt. Putins Artikel zeigt, dass er nicht die Absicht hat, dieses Schlachtfeld anderen zu überlassen.

Ob Putins detaillierte Darstellung der Anthropologie und der Völkerwanderung korrekt ist, überlässt man am besten professionellen Historikern. Zweifelsohne werden ihre Meinungen variieren. Geschichte ist selten eindeutig. Wichtiger ist, was Putins Erzählung von einem gemeinsamen russisch-ukrainischen Erbe für die heutige Politik bedeutet. In dieser Hinsicht ergeben sich aus seinem Artikel ein paar wichtige Punkte.

Der erste bezieht sich auf den Westen. Der russische Führer beschuldigt äußere Mächte für die Teilung Russlands und der Ukraine. Historisch gesehen, waren die Schuldigen Polen und Österreich. Heute ist es der Westen im Allgemeinen. Die Ukraine sei „ein Protektorat geworden, das unter der Kontrolle westlicher Mächte steht“, schreibt Putin. Auch hier gilt: Ob Putin Recht hat oder nicht, ist nebensächlich. Was zählt, ist, dass er den Westen als bösartig handelnd sieht. Das deutet nicht darauf hin, dass er sich von westlichem Druck beeindrucken lassen wird.

Der zweite Punkt bezieht sich auf den anhaltenden Krieg im Donbass, in der Ostukraine. Putin gibt der Regierung, die nach dem Maidan 2014 an die Macht kam, und ihrer Politik der „gewaltsamen Assimilation, der Bildung eines ethnisch reinen ukrainischen Staates“ die Schuld an dem Konflikt. Kiew weigert sich, den Krieg zu beenden, behauptet Putin, weil dies notwendig ist, um ein nationalistisches Projekt zu rechtfertigen, das die Ukraine als „Anti-Russland“ definieren will. Extreme Nationalisten warteten „auf ihre Chance“, den Donbass zu säubern, dessen Bevölkerung berechtigt sei, zu kämpfen, um „ihre Heimat zu verteidigen.“

Der dritte Punkt betrifft die territoriale Integrität der Ukraine. Bis zu einem gewissen Grad könnte man dies als Rechtfertigung für Beschwerden sehen, dass Putins „Ein-Volk“-Rhetorik den russischen Imperialismus ermöglicht. Die sowjetische Nationalitätenpolitik, die Territorien von einer nationalen Republik auf eine andere übertrug, bedeutete, dass „Russland beraubt wurde“, so Putin. „Wir werden niemals zulassen, dass unsere historischen Territorien … gegen unser Land verwendet werden“, fügt er hinzu.

Die Verwendung des Wortes „unsere“ ist aufschlussreich, da es darauf hindeutet, dass Putin bestimmte Teile der Ukraine als rechtmäßig russisch betrachtet. Er vermeidet es, einen direkten territorialen Anspruch zu erheben, und bekräftigt in der Tat seine Unterstützung für das Minsk-II-Abkommen von 2015, dessen Erfüllung die Wiedereingliederung des Donbass in die Ukraine zur Folge hätte. Doch neben seiner rhetorischen Unterstützung für den Separatismus in der Region gibt es hier eine klare Botschaft. Putin sieht die Ostukraine als Teil der russischen Welt und glaubt, dass, wenn Moskau den Donbass aufgibt, dieser einem völkermörderischen Angriff ausgesetzt sein wird.

Wer also glaubt, dass Putin jemals dem Druck des Westens nachgeben und den Donbass der Kiewer Regierung und ihren Streitkräften überlassen wird, der irrt mit ziemlicher Sicherheit.

Darüber hinaus gibt es aber noch eine tiefere Botschaft. Wenn die Ukraine versucht, das Problem des Donbass mit Gewalt zu lösen, wird sich Russland nicht durch Fragen der selbst erklärten territorialen Souveränität Kiews gegängelt fühlen. Denn tief im Inneren glaubt der Kreml nicht, dass die fraglichen Gebiete wirklich ukrainisch sind.

Putin hat diesen Artikel nicht geschrieben, weil er es für eine triviale Angelegenheit hält. Es ist ganz klar eine Herzensangelegenheit für ihn.

Daraus muss man schließen, dass er in Fragen, die die Ukraine betreffen, wahrscheinlich nicht zurückstecken wird. Der Artikel enthält auch eine versteckte Warnung. Es ist keine, die den Führern in Kiew oder im Westen gefallen wird. Es ist jedoch eine, die sie gut daran tun würden, zu beherzigen.

https://www.rt.com/russia/529177-putin-warning-west-ukraine/


100 Jahre Roter Stern über China - Rainer Rupp

Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=10838


100 Jahre Roter Stern über China


Ein Kommentar von Rainer Rupp.

Vor einer Woche am Donnerstag begannen in der Volksrepublik China (VRC) die Feierlichkeiten zum Hundertsten Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) am 1. Juli 1921. Dabei war erstaunlich, wie vehement sich in den westlichen Medien der anti-kommunistische Beißreflex wieder durchgesetzt hat. Auch in unseren deutschen, selbsternannten Qualitätsmedien hatten die Kommentatoren fast ausnahmslos nur Hohn und Spott, Verleumdungen und Verunglimpfungen für die chinesische Staats- und Parteiführung übrig; und davon nicht zu wenig.

Hier einige Beispiele:

Die FAZ z.B., also die Zeitung hinter der angeblich stets ein kluger Kopf steckt, verdummte ihre Leser mit dem Titel „Kommunismus der Wolfskrieger“, in dem sie ein düster-bedrohliches Bild über den Aufstieg Chinas mahlte. „Xi Jinping beschwört die nationale Wiedergeburt Chinas“ titelte der Tagesspiegel, um dem chinesischen Staatschef anschließend fälschlicherweise zu unterstellen, er habe in seiner Rede „die Großmachtansprüche Chinas bekräftigt“. Und glaubte man dem Spiegel, dann tat der chinesische Präsident Xi auch anlässlich der Feierlichkeiten zum Hundertsten Jahrestag das, was er am liebsten tut, nämlich alle möglichen Länder zu bedrohen. – Nur zur Erinnerung: Es sind nicht chinesische Kriegsschiffe, die im Golf von Mexiko vor der US-amerikanischen Küste kreuzen, oder vor den Küsten Englands, Frankreichs oder Deutschlands chinesische Aggressionsgelüste demonstrieren. Umgekehrt wird ein Schuh daraus.

In dem unsäglichen Spiegel-Artikel vom 1.7. mit der Überschrift: „Präsident Xi Jinping droht – nicht nur Taiwan“ heißt es im Untertitel: „70.000 geladene Gäste, Helikopter und Kampfjets über dem Tiananmen-Platz: China feiert 100 Jahre Kommunistische Partei. Staatschef Xi Jinping wurde deutlich – und sprach von der »Großen Mauer aus Stahl“. Im Text des Artikels bringt Der Spiegel ein Foto, das junge chinesische Frauen zeigt, die freudig lachend Fahnen ihres Vaterlandes schwenken. Ein schönes, friedliches Bild. Das kann der geifernde Spiegel so nicht durchgehen lassen. Deshalb setzt er mit einem gehässigen Begleittext zum Foto dem Leser schnell die richtige Brille auf, durch die er das Bild anschauen soll. Der Text zum Bild lautet: „China feiert 100 Jahre KP: Kitsch, Propaganda, Drohungen“.

In einem Artikel am 4. 7. des Korrespondenten von „Die Welt“, Maximilian Kalkhof, ist „Chinas KP, wandelbar wie ein Chamäleon“. Und Chamäleons darf man natürlich nicht trauen und deshalb hatte Herr Kalkhof schon seit Längerem vor den „Provokationen aus Peking“ gewarnt und deshalb gefordert, „Europa muss bei China hart blieben“. Bereits im Sommer letzten Jahres war der Schreiberling des „Qualitätsmediums“ Die Welt, das fest auf der Atlantik-Brücke Position bezogen hat, noch weiter gegangen, mit der Aufforderung: „Auch Deutschland muss die Sprache der Macht lernen, und die Vorgänge in Hongkong nicht nur einfach hinnehmen.“

Diese Ermahnung hat sich offensichtlich Frau Kriegsministerin Annegret Kamp-Karrenbauer (AKK) zu Herzen genommen. Dem Vorbild der Niederschlagung der Gelben Gefahr beim Boxeraufstand folgend, hat sie jetzt auch ein deutsches Kriegsschiff ins Südchinesische Meer geschickt. Dort soll die deutsche Kriegsmarine gemeinsam mit den Amerikanern Flagge zeigen und sich vor Ort an deren Provokationen gegen die Chinesen beteiligen. Denn für die Atlantiker in Berlin gilt immer noch das Diktum: An der Seite der Amerikaner kämpfen heißt siegen lernen, wie der große Sieg, den wir gerade gemeinsam in Afghanistan errungen haben.

Laut Verlautbarung bezüglich des deutschen Abzugs vom Hindukusch, wo bisher ja angeblich Deutschlands Sicherheit verteidigt wurde, hat AKK mit genialem Durchblick erklärt, die Bundeswehr habe ihren Kampfauftrag an der Seite des US-Bündnispartners erfüllt. Trotz dieses großen Erfolgs ist die Bundeswehr aber dann doch ganz ohne klingendes Spiel und das übliche Tscheng-Dareng-Brimborium so schnell wie möglich sang und klanglos mit dem Schwanz zwischen den Beinen aus Afghanistan nach Hause abgehauen, — gerade noch rechtzeitig bevor auch der letzte Ami klammheimlich mitten in der Nacht nach 20 Jahre das Feld seiner mörderischen Heldentaten verlassen hat: nach 20 Jahren Bombardierung von Dörfern und Hunderttausendfacher Tötung und Verstümmelung von Zivilisten, Alt und Jung;
nach 20 Jahren Mord und Folter in geheimen CIA-Gefängnissen.
nach 20 Jahren intensiver Produktion von Millionen afghanischen Flüchtlingen
nach 20 Jahren ohne etwas dauerhaft Positives im Land geschaffen zu haben.

Und bei all dem hat die Bundeswehr stolz ihren Auftrag in Afghanistan an der Seite der Amerikaner erfüllt. Übersetzt heißt das, dass die humanitäre Bundeswehr für die zig Tausende schweren und schwersten amerikanischen Verbrechen Beihilfe geleistet und Schmiere gestanden hat. Aber unter Führung ihres Obersten Klein wird der Bundeswehr zurecht auch der Massenmord an über Hundert Zivilisten, hauptsächlich Frauen und Kindern, zur Last gelegt. Anstatt den Oberst Klein zur Verantwortung zu ziehen ist er vom Berliner Kriegsministerium zum General befördert und in den Ruhestand versetzt worden.

Aber zurück zum eigentlichen Thema dieser Tagesdosis, nämlich die Feiern zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistische Partei Chinas (KPCh). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die westlichen Medien im Auftrag der bei uns herrschenden, neo-liberalen Eliten alles darangesetzt haben, um das Jahrhundert-Ereignis im Reich der Mitte mit abgegriffenen Kampfbegriffen aus der antikommunistischen Propagandakiste der westlichen Demokraturen zu besudeln.

Aber ein Blick über den Tellerrand des transatlantischen, medialen Einheitsbreis über China, hätte den interessierten Leser belehrt, dass dieser von Hass auf Sozialismus verengte Blick in den meisten anderen Völkern der Welt nicht geteilt wird. Im Gegenteil. Als Beispiel sei ein bemerkenswertes Loblied auf die Errungenschaften der KPCh hiernach zusammengefasst, das ausgerechnet von einem hochrangigen indischen Diplomaten, dem Botschafter a.D. MK Bhadrakumar verfasst und am 2. Juli 2021 in der in Asien viel gelesenen „Asia Times“ an prominenter Stelle veröffentlicht wurde.

Aufeinander folgende Regierungen Indiens haben in den letzten Jahrzehnten aus unterschiedlichen Gründen nicht gerade die freundschaftlichsten Beziehungen zu China pflegt. Umso erfreulicher ist es, dass der ehemalige, indische Top-Diplomat im Botschafter-Rang und international bekannte geo-politische Kommentator Bhadrakumar die Entwicklungen in China aus der Sicht der Entwicklungsländer beschreibt.

Für Botschafter Bhadrakumar sind die Feierlichkeiten in Peking kein Jahrhundert- sondern ein Jahrtausend-Ereignis. Das hat laut dem Autor damit zu tun, dass die in Washington ansässige Weltbank schätzt, „dass die Kommunistische Partei Chinas in den vier Jahrzehnten seit 1978 insgesamt 800 Millionen Menschen aus der absoluten Armut geholt hat, eine Leistung und einmalig in der Menschheitsgeschichte“.

Als der aktuell noch amtierende chinesische Staatschef Xi Jinping im Jahr 2012 neuer Generalsekretär des Zentralkomitees der KPCh geworden war, hatten sich immer noch etwa 100 Millionen Menschen hauptsächlich in den Randregionen Chinas unter der Armutsgrenze befunden. Xi versprach, dass auch sie bis zum Jahr 2020 aus dieser Armutsfalle befreit würden. „Er löste dieses Versprechen im vergangenen Dezember ein, als China völlig frei von Armut wurde“, schreibt Botschafter Bhadrakumar in Asia Times, um dann zu erklären, wie die chinesische KP dieses Problem gelöst hat:

„Um das Programm zur Armutsbekämpfung durchzuführen, suchte die KPCh von 2013 bis 2020 in den Regionen Erste Parteisekretäre aus und entsandte sie zusammen mit regional gebildeten Arbeitsgruppen in ländliche und abgelegene Gebiete, um jede arme Familie und jedes arme Dorf genau zu identifizieren und gezielte Projekte landesweit umzusetzen, um ihr Leben und ihren Lebensunterhalt umfassend und nachhaltig zu verbessern“.

Das bedeutete also keine sozialen Almosen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Im übertragenen Sinn bedeutet das z.B.: Ein armes Dorf bekam also keine Fische als Lebensmittelhilfe, sondern Angeln und Netze und den dazugehörigen Teich mit einer gesicherten Wasserversorgung, samt Instruktionen, wie man Fische züchtet und durch Räuchern oder Pickeln haltbar macht und auf den nächsten Markt bringt.

Zurück zum Text des indischen Ex-Botschafters, wo es heißt:

„Es ist genau dieses einzigartige System eines Parteienstaats, das Chinas epochalen Aufstieg erklärt. Die KPCh ist in China allmächtig und zum Synonym für die Nation, die Gesellschaft und ihre Politik geworden. Kurz gesagt, die nationale Entwicklung ergibt sich aus der beharrlichen Umsetzung langfristiger Ziele, die sich die KPCh gesetzt hat.“

„Das System der Kommunistischen Partei basiert auf hoch gebildeten, kompetenten Funktionären, die mit Basiserfahrung in mehreren Provinzen an die Spitze aufgestiegen sind, die ihre nationale Perspektive geprägt haben, was die oberste Führungsebene kollegial macht und zur Konsensbildung in wichtigen nationalen Fragen beiträgt.“

Wie wenig die westlichen Hofschranzen des Neo-Liberalismus von China und dem gesellschaftlichen Stellenwert der Kommunistischen Partei begriffen haben, wird beispielhaft deutlich, wenn man den hysterischen Beitrag in der oft als „alte Tante“ verspotteten Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 18. Februar 2021 liest, in der Schreiberling Matthias Naß ganz im Stil anti-kommunistischer Hetze den Staatschef Xi Jinping als Despoten darstellt:

„Er hat das Sagen, immer und überall“ heißt es im Titel und im Untertitel wird ergänzt: „Mit Xi erlebt China einen Rückfall in die Zeiten der Ein-Mann-Diktatur“.

Mit diesem geistigen Exkrement hat Zeit-Autor Naß gezeigt, wie willig er seinem Auftrag zum obligatorischen China-Bashing nachkommt. Zugleich hat er seine Unwissenheit oder – wenn er es besser weiß – seine Bereitschaft zum Lügen unter Beweis gestellt. Denn laut Botschafter Bhadrakumar läuft es auch auf der chinesischen Führungsebene kollegial ab und Konsensbildung bestimmt alle wichtigen Fragen von nationaler Bedeutung. Hier nochmals, die entsprechende Passage aus der Asia Times:

„Das System der Kommunistischen Partei basiert auf hoch gebildeten, kompetenten Funktionären, die mit Basiserfahrung in mehreren Provinzen an die Spitze aufgestiegen sind, die ihre nationale Perspektive geprägt haben, was die oberste Führungsebene kollegial macht und zur Konsensbildung in wichtigen nationalen Fragen beiträgt.“

Als Anmerkung möchte ich hier einwerfen, dass es im System der von neo-liberalen Eliten beherrschten westlichen Demokraturen unter den Anwärtern für politische Führungspositionen eine Negativauslese gibt, bei der nicht die Besten, sondern die Biegsamsten, denen das Wohl der arbeitenden Massen egal ist, nach oben kommen.

Laut Botschafter Bhadrakumar ist es das einzigartige System eines Parteienstaats, das Chinas epochalen Aufstieg erklärt. Die KPCh ist in China zum Synonym für die Nation, die Gesellschaft und ihre Politik geworden. Kurz gesagt, die nationale Entwicklung ergibt sich aus der beharrlichen Umsetzung langfristiger Ziele, die sich die KPCh gesetzt hat. Wörtlich schreibt er:

„Die 100-Jahre Marke kennzeichnet einen historischen Durchbruch für China, der die Vorhersagen der meisten ausländischen Beobachter bei weitem übertrifft. Kurz gesagt, die KPCh hat die beiden gemeinsamen Ziele erreicht, die Armut zu eliminieren und sich gegen ständiges Mobbing durch Ausländer zu wehren.“

„In der Tat stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sorgt für Kontinuität von einer Generation zur anderen. Das jährliche Partei-Konklave im Badeort „Beidahe“ zeugt von dieser Kontinuität und Veränderung im geordneten Übergang – etwas was keiner anderen kommunistische Partei der Welt so konstant gelungen ist.“

„Die KPCh hat früh erkannte, dass ihre politische Legitimität letztlich darin liegt, eine starke Wirtschaft aufzubauen und den Lebensstandard der Menschen in einem Klima der Stabilität und Berechenbarkeit ständig zu erhöhen. Heute strotzt die Nation vor Hoffnung auf ein noch besseres Morgen.“

Das konnte der KPCh nur gelingen, indem sie den ideologischen Dogmatismus des Marxismus-Leninismus (der Sowjetunion) abgestreift hat und durch einen “Sozialismus mit chinesischen Merkmalen” ersetzt hat, der durch einen kontinuierlichen Prozess des Experimentierens, der Innovation, der Korrektur und der Überwindung von Fehlern charakterisiert ist“.

Dieser von Botschafter Bhadrakumar beschriebene Prozess war 1978 von Deng Xiaoping eingeleitet und mit den seither weltberühmten Worten treffend zusammengefasst worden. “Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, solange sie Mäuse fängt.” Damit wurde China aus der ideologischen Zwangsjacke befreit, die z.B. während der so genannten „Kulturrevolution“ enorme Schäden angerichtet hatte. In den nachfolgenden Jahrzehnten begab sich die Volksrepublik China auf einen radikal neuen Entwicklungspfad, mit dem es gelang, die wichtigsten, tatsächlichen Bedingungen und Erfordernisse des Landes zu jedem Zeitpunkt zu erfüllen, ohne sich jedoch von den Grundlagen des Marxismus zu entfernen. Zweifellos hat die KPCh auch aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion entsprechende Lehren gezogen.

Laut dem indischen Autor des Asia Times Artikels kann die KPCh nicht einfach kategorisiert oder mit einer anderen politischen Partei in der Geschichte verglichen werden. Neben ihrer breiten Mitgliederzahl (95 Millionen) sei die Partei auch in ihren anderen Attributen einzigartig. Sie sei nicht nur eine politische Kraft der Superlative, sondern definiere auch Chinas institutionelle Struktur und Staatsform. Wörtlich schreibt der Botschafter a.D., der sich auch im politischen System des Westens auskennt:

„Anders als im Westen, wo eine politische Partei für eine Weile das Gleichgewicht der politischen Macht aufrechterhalten kann, hat sich die KPCh den Auftrag erteilt, das chinesische Volk Generation für Generation zu führen. Offensichtlich übertrifft das Wesen der KPCh eindeutig den kognitiven Rahmen, in dem sich traditionell westliches politisches Wissen und Erfahrung über Parteien bewegen“, so der Ex-Botschafter, um dann auf einen Leitartikel in der großen chinesischen Tageszeitung People‘s Daily vom Donnerstag letzter Woche zu verweisen. Daraus zitiert er:

“In den kritischsten Momenten der Neuzeit wandten sich die chinesischen Kommunisten dem Marxismus-Leninismus zu. Indem sie die Theorien an Chinas tatsächliche Bedingungen anpassten, belebten die chinesischen Kommunisten die große Zivilisation, die von der Nation über Tausende von Jahren mit der Macht der Wahrheiten des Marxismus geschaffen wurde.“

“Die chinesische Zivilisation glänzte wieder mit ungeheurer geistiger Kraft. Hundert Jahre später hat der Marxismus China tiefgreifend verändert, während China auch den Marxismus stark bereichert hat. Die KPCh hält die Einheit der Emanzipation des Geistes und der Suche nach der Wahrheit sowie die Einheit der Festigung von Tradition und Innovation aufrecht und hat dem Marxismus ständig neue Horizonte eröffnet.”

Soweit das Zitat aus der „People’s Daily“.

Im Gegensatz zu den Warnungen in den westlichen Hetzschriften verhält sich China gegenüber anderen Ländern nicht normativ. Peking präsentiert die KPCh nicht als Modell für den Rest der Welt. Im Gegenteil, die Experimente und Erfahrungen der KPCh werden auf chinesischem Boden gemacht, und die Partei lässt sich von ihren eigenen Erfahrungen der Modernisierung und von den Ressourcen der chinesischen Zivilisation inspirieren.

Im Unterschied zu der alten und wiedergeborenen Kolonialherren-Mentalität hierzulande, wo es schon wieder heißt: „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“, gibt es sowas weder in der chinesischen Kultur noch in der KPCh. China zwingt keinem anderen Land seine Lebensart oder Werte auf, wie das in so manchen unserer „Qualitätsmedien“ behauptet wird.

Der Weg der Kommunistischen Partei des Landes wird durch Chinas zivilisatorisches Erbe von Tausenden von Jahren definiert, das tief im kollektiven Bewusstsein des Volkes wurzelt. Dabei werden der Wert und die besondere Bedeutung eines einheitlichen politischen Systems im Staat hervorgehoben, was zerstörerischen Wettbewerb und regionale Spaltungen verhindert und die nationale Sicherheit der chinesischen Gesellschaft aufrechterhält. Die große Inklusivität der chinesischen Gesellschaft, die die KPCh repräsentiert, kennt in der Welt keine Parallele.

Vor dem Hintergrund dieser über Jahrtausende gewachsenen Zivilisation gehören die Planspiele, die derzeit in Washington, in der NATO und EU ausgeheckten werden, um China gesellschaftlich und politisch zu spalten, in die Kategorie westlicher Wahnvorstellungen. Die politischen Halsabschneider-Methoden, die sich bei Farbenrevolutionen und anderen westlich orchestrierten Umstürzen bewährt haben, um das avisierte Land gewaltsam zu transformiert und in die US-geführte, neo-liberale Weltordnung zu integrieren, funktionieren in China nicht. Diesbezüglich befinden sich die westlichen China-Politiker mehrheitlich in einem Verweigerungsmodus, in dem sie die Tatsache, dass China anders funktioniert, einfach nicht wahrhaben wollen.

Aber zurück zum Artikel von Botschafter Bhadrakumar, der vor dem Hintergrund der zunehmend konfrontativen Politik der USA und ihrer West-Vasallen fragt, was das alles soll.

„Worum geht es also bei diesem indo-pazifischen Juckreiz des Westens”? Klar gesagt, es ist die Manifestation einer hartnäckigen Rivalität, die zum Teil ihre Wurzeln in dem obsessiven Glauben Washingtons hat, dass die USA eine einzigartig bedeutsame Ausnahmenation ist. Hauptsächlich aber spielt das wachsende Gefühl von (westlichem) Neid und Unbehagen eine Rolle, dass ein anderes Land schnell aufholt und dass das den Untergang für Amerikas globale Hegemonie bedeuten könnte.“

„Trotz des gespielt-unbekümmerten politischen Draufgängertums Washingtons, werden es die USA schwer haben, mit Chinas dynamischer, innovativer und schnell wachsender Wirtschaft mitzuhalten, die gemessen in Kaufkraftparität bereits die Nr. 1 der Welt ist.“

„Professor Stephen Watt von der Harvard Kennedy School twitterte letzten Donnerstag:

“Viele US-Außenpolitikexperten sind besorgt über Chinas Aufstieg. Ich auch. Aber wie viele dieser Experten haben darüber nachgedacht, dass China nicht an vielen Orten Kriege führt, während es stetig an Reichtum, Macht und Einfluss gewinnt?”

Im Grunde genommen haben sich die USA selbst in diese missliche Lage manövriert. Die verschwenderischen US-Kriege und militärischen Interventionen haben Billionen Dollar an nationalen Ressourcen vernichtet, die stattdessen zur Wiederherstellung und Erneuerung der maroden wirtschaftlichen Infrastruktur des Landes und zur Beseitigung angehäufter sozialer Widersprüche, sowie zur Überwindung des tief verwurzelten Rassismus hätten eingesetzt werden können, und nicht zuletzt „auch zur Korrektur wirtschaftlicher Ungleichheiten, ganz abgesehen von einem dysfunktionalen politischen System mit hoffnungslos veralteten Wahlgesetzen, die die Ermächtigung der Menschen verhindern. Man denke nur an die in den USA verbreitete Massenarmut und fehlende medizinische Hilfe, von der fast die Hälfte der US-Bevölkerung betroffen ist.

Aus der Rede von Präsident Xi am Donnerstag letzte Woche in Peking geht klar hervor, dass China entschlossen ist, nicht vor US-Mobbing und militärischen Drohungen zu kapitulieren. Wie er es ausdrückte, trägt die chinesische Nation keine aggressiven oder hegemonialen Eigenschaften in ihren Genen, aber sie wird niemals ausländische Versuche zur Unterdrückung oder Unterwerfung China zulassen. Dementsprechend beendet Ex-Botschafter Bhadrakumar seine Überlegungen in der Asia Times mit den Worten:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der von den Pionieren des Kommunismus in China entwickelte ‚Gründungsgeist‘ der KPCh eine Kraft sein wird, mit der man in der Weltpolitik rechnen muss.“

Zum Schluss eine Empfehlung des Autors dieser Tagesdosis, nämlich das Buch von Edgar Snows „Roter Stern über China“ nochmals zu lesen. Veröffentlicht im Jahr 1939 ist es das mitreißende, klassische Werk über die Geburt der kommunistischen Bewegung in China des US-Zeitzeugen Snow, der Zhou Enlai und Mao Zedong damals persönlich kannte. Daneben könnte man auch nochmals nach John Reeds „Zehn Tage, die die Welt erschütterten,“ greifen, der packende Augenzeugenbericht eines US-Bürgers über die russische Oktober-Revolution.

Quellen:

1 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/100-jahre-kp-chinas-kommunismus-der-wolfskrieger-17413754.html

2 https://www.tagesspiegel.de/politik/100-jahre-kommunistische-partei-xi-jinping-beschwoert-die-nationale-wiedergeburt-chinas/27383626.html

3 https://www.spiegel.de/ausland/china-feiert-100-jahre-kommunistische-partei-xi-jinping-droht-nicht-nur-taiwan-a-614004e4-01ca-4ed5-b693-523140cc8790

4 https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus210600269/Provokationen-aus-Peking-Europa-muss-bei-China-hart-bleiben.html

5 https://asiatimes.com/2021/07/chinas-communist-party-has-much-to-celebrate/

6 https://www.zeit.de/2021/08/xi-jinping-china-kommunistische-partei-diktatur?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

7 http://en.people.cn/n3/2021/0701/c90000-9867484.html

8 https://www.amazon.de/Roter-Stern-über-China-chinesische/dp/3596243637

9 https://www.amazon.de/Zehn-Tage-die-Welt-erschütterten/dp/3886340929

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

Link zur Erstveröffentlichung bei KenFM: https://kenfm.de/100-jahre-roter-stern-ueber-china-von-rainer-rupp/