Freitag, 29. Juni 2018

Gefährliche Aggressionsmacht



Der Hauptfeind sind die USA


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 29. JUNI 2018

von Andreas Wehr – http://www.rubikon.news

Europa muss seine Vasallenrolle gegenüber dem weltgrößten Kriegstreiber ablegen.



Wenn du verschleiern willst, dass jemand ein Feind ist, nenne ihn einfach hartnäckig „Freund“ und wiederhole diese Falschbehauptung regelmäßig in den Medien. Das Volk wird es dann irgendwann glauben. Die USA gefährden seit Jahrzehnten den Frieden in Europa und der Welt und ziehen auch Deutschland unter dem Stichwort „Verantwortung“ immer stärker in ihre militärischen Abenteuer hinein. Um als Musterschüler des großen amerikanischen Bruders zu gelten, verraten wir sogar unsere ureigensten Interessen — zum Beispiel Frieden mit Russland auf dem gemeinsamen europäischen Kontinent.

Friedensbewegung und politische Linke streiten über die Bewertung der gegenwärtigen Weltlage. Es geht um die Frage, ob wir es weiterhin mit einem imperialistischen Weltsystem zu tun haben, in dem die USA die entscheidende imperiale Macht sind, oder ob diese Vormachtstellung von einem Weltsystem mehrerer imperialistischer Staaten abgelöst wurde. In einem solchen multipolaren System käme vor allem Deutschland die Rolle einer aufstrebenden, langfristig sogar auf gleicher Stufe mit den USA stehenden Macht zu. Verbunden wird diese Annahme häufig mit Warnungen vor einem „Vierten Reich“ beziehungsweise einem neuen deutschen Faschismus.

Politische Bedeutung erlangte diese Kontroverse in der Auseinandersetzung um die sogenannten Montagsmahnwachen. Ihnen wurde unterstellt, die Bedeutung der USA zu überschätzen und damit zugleich die Gefährlichkeit des deutschen Imperialismus zu verharmlosen.

In der von den Montagsmahnwachen kritisierten Abhängigkeit Deutschlands von der Vormacht USA wird eine bedenkliche Nähe zur äußersten Rechten gesehen, für die die Bundesrepublik nur ein Vasallenstaat der USA sei.

Aus dieser unterstellten Nähe zwischen Rechts und Links speist sich auch der Vorwurf der „Querfront“, der gegenüber den Montagsmahnwachen von verschiedenster Seite erhoben wird (1). Praktische Bedeutung gewinnt dieser Streit regelmäßig bei den Vorbereitungen der jährlichen Proteste vor dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Büchel, auf dem US-Atombomben lagern, und vor der US-Air Base Ramstein. Den Verantwortlichen für die Proteste wird von einem Teil der Friedensbewegung regelmäßig der Vorwurf gemacht, sich zu stark auf die von den US-Truppen ausgehenden Gefahren zu konzentrieren und dabei die Rolle Deutschlands zu verharmlosen.

Der andauernde Kalte Krieg



Bei einer Bewertung dieser Kontroversen ist von der heutigen Weltsituation auszugehen. Zu fragen ist, was die Ursachen für die politischen Spannungen sind, die immer wieder zu regionalen Kriegen führen und die das Potential zu einem neuen großen Krieg, zu einem 3. Weltkrieg, in sich tragen. Zu fragen ist danach, wer vor allem für diese Spannungen verantwortlich zeichnet.

Es ist eine Tatsache, dass wir uns weiterhin in einer Phase des Kalten Krieges befinden. 1946/47 hatte er mit der Verkündung des Ziels des „Rollbacks“, der Rückgängigmachung der Erfolge der progressiven und sozialistischen Bewegungen in Osteuropa und in Ostasien, begonnen (2). Für einen kurzen historischen Moment, in den Jahren nach der Zeitenwende 1989/91, schien es zwar so, dass dieser Kalte Krieg mit dem Untergang der Sowjetunion und des von ihr dominierten Staatensystems des europäischen Sozialismus zu Ende gegangen sei.

Man sprach vom Beginn eines neuen „Goldenden Zeitalters“ und erwartete den zügigen Abbau der Hochrüstung nicht allein im Osten sondern auch im Westen. Man hoffte auf eine „Friedensdividende“, die fortan für die Lösung der drängendsten sozialen und ökologischen Probleme der Menschheit zur Verfügung stehen würde. Es war die Zeit, als US-amerikanische Berater im Kreml ein- und ausgingen und Russland unter Präsident Boris Jelzin als Teil des Westens angesehen wurde.

Doch bereits Ende der neunziger Jahre änderte sich die Situation. Russland begann sich gegen allzu dreiste Versuche westlicher Konzerne zu wehren, die Bodenschätze des Riesenlandes für sich zu reklamieren. Und es wandte sich gegen die offene Missachtung seiner außenpolitischen Interessen. Sichtbar wurde dies erstmals im Protest gegen den Angriff der NATO 1999 auf die mit Moskau politisch und kulturell verbundene Bundesrepublik Jugoslawien.

Vor allem die Herauslösung des Kosovo aus dem jugoslawischen Staatsverband und damit die von der NATO militärisch betriebene Abspaltung von Serbien wurden von Moskau verurteilt. Nach dem Wechsel im russischen Präsidentenamt von Jelzin zu Putin im Jahr 2000 war die Entfremdung nicht mehr zu übersehen. Die von Putin seitdem verfolgte Strategie der Sicherung beziehungsweise des Wiederaufbaus der Staatlichkeit des Landes – und hier vor allem die Anstrengungen zur Wiederherstellung der Kontrolle über die Rohstoffvorkommen – lag und liegt nicht im Interesse der westlichen imperialistischen Staaten, vor allem nicht dem der USA.

Heute wird offen über eine Rückkehr des Kalten Krieges zwischen Russland und dem Westen gesprochen. Doch tatsächlich ist er niemals beendet worden.

Die Abrüstungsdividende ist ausgeblieben. Die Ausgaben für Rüstung liegen inzwischen weltweit sogar auf einem höheren Niveau als vor der Wende 1989/91, und die Gefahr eines globalen Krieges wird weiterhin als hoch eingeschätzt.

Der Kampf der USA gegen Russland und China



Wir haben es daher mit einer Wiederaufnahme des Kampfes um die Beherrschung der Welt durch den Westen, und hier vor allem durch die USA, zu tun. Was Russland angeht, so war dieser Kampf nur für die kurze Periode von zehn Jahren unterbrochen, einer Zeit in der man vom andauernden totalen Triumpf des Westens ausging und man das „Ende der Geschichte“, wie es Francis Fukuyama formulierte, als gekommen ansah.

Neben dem Gegner Russland als Erbe und Nachlassverwalter der Sowjetunion trat China als neue globale Herausforderung hinzu. Gegenüber diesem Land beendeten die USA bereits 1989 ebenfalls eine Phase der vorübergehenden Kooperation, die Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts begonnen hatte. Damals gelang es den USA, den ideologischen Streit der zwei sozialistischen Staaten geschickt für sich zu nutzen, um sie gegeneinander auszuspielen und auf diese Weise mit Hilfe von China die Sowjetunion unter Druck zu setzen.

Im Gegenzug dazu wurden dem Reich der Mitte der Zugang zu den internationalen Märkten weit geöffnet, und China wurde zum bevorzugten Ziel ausländischer Direktinvestitionen. Das Ergebnis dieser Öffnung war ein beispielloser Entwicklungsschub, der das Land in die Spitzengruppe beförderte, und es wird erwartet, dass in nicht allzu ferner Zukunft China die weltgrößte Volkswirtschaft noch vor den USA sein wird.

Dieser Aufstieg bedeutet für die USA eine besondere Herausforderung, vollzieht er sich doch unter Führung einer Kommunistischen Partei und damit unter sozialistischem Vorzeichen. Die Hoffnungen Washingtons, dass es auch dort – wie in der Sowjetunion und in den anderen sozialistischen europäischen Staaten – zu einem Kollaps der Herrschaft der KP kommen werde, hatten sich mit der Niederschlagung der gewaltsamen Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Frühjahr 1989 nicht erfüllt.

In Reaktion auf diese erfolgreiche Selbstbehauptung behandeln die USA und andere Staaten des Westens das Land seitdem wieder als ein feindlich gesonnenes. Man belegte es mit Sanktionen vor allem beim Zugang zu sicherheitspolitisch als relevant eingeschätzten Gütern und Dienstleistungen, und man begann erneut – wie bereits in der Zeit vor Übernahme des China zustehenden Sitzes im UN-Sicherheitsrat durch die Volksrepublik im Jahr 1971 – die territoriale Integrität des Landes in Frage zu stellen.

So kehrte der Westen zu der in den fünfziger Jahren offen betriebenen Unterstützung separatistischer Bestrebungen in Tibet zurück. Mit der forcierten Aufrüstung der Insel Taiwan und der Aufwertung der dortigen Regierung durch die USA wird die einstmals auch von Washington anerkannte Ein-China-Politik in Frage gestellt. US-Präsident Donald Trump hat sogar gestattet, dass US-Diplomaten auf allen Hierarchiestufen der Insel Besuche abstatten dürfen.

Es geht um die Rückgängigmachung der antikolonialistischen und antiimperialistischen Erfolge. Das Vorgehen des Westens unter Führung der USA gegen Russland und China und der Versuch ihrer Domestizierung zielen auf die Einengung ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Spielräume.

Es stellt daher eine Bedrohung aller sich von imperialistischer Vorherrschaft emanzipierenden Staaten und Völker dar.

Davon betroffen sind insbesondere die aus Sicht der USA unbotmäßigen Länder Iran, Syrien, Venezuela, Kuba und Nordkorea. Diese Staaten sind aber auf die Demokratisierung der Weltinnenpolitik durch die UN-Sicherheitsratsmitglieder Russland und China angewiesen. Sie profitieren von deren politischer, ökonomischer und militärischer Unterstützung bei der Sicherung ihrer eigenständigen Entwicklungswege.

Dem Westen geht es heute nicht mehr um die territoriale Beherrschung der Länder der Dritten Welt. Mit der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Kampf um die Befreiung auf das Gebiet der Ökonomie verlagert:

„Die Dritte Welt, die Gesamtheit der Länder, die eine mehr oder weniger lange Periode der kolonialen oder halbkolonialen Herrschaft hinter sich haben, ist vom politisch-militärischen Stadium des nationalen Befreiungskampfes zum politisch-ökonomischen übergegangen“ (3).

Die Politik des Westens unter Führung der USA zielt darauf ab, diese politisch-ökonomische Befreiung der Dritten Welt zu blockieren beziehungsweise rückgängig zu machen. Dem dienen alle Bestrebungen, die „Spielregeln“ der internationalen Ökonomie allein vom Westen bestimmen zu lassen. Dafür bedient man sich vor allem der in Washington ansässigen Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds.

Mit der europäischen Integration sollen die Kräfte der europäischen Nationalstaaten gebündelt werden, um als Juniorpartner der USA die Weltmachtrolle des alten Kontinents zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen (4). Dabei sucht die Europäische Union den Schulterschluss mit den USA, etwa in der Vereinbarung über das Transatlantische Handelsabkommen TTIP, das nach der früheren US-Außenministerin Hillary Clinton als „Wirtschafts-NATO“ konzipiert ist. Zwar wurden die Verhandlungen darüber unter Donald Trump abgebrochen, aber ihre Wiederaufnahme ist jederzeit möglich.

Der ökonomischen Kriegsführung des Westens dienen die Wirtschaftssanktionen, die in einem Ausmaß gegenüber unterschiedlichsten Staaten verhängt wurden, das in der Geschichte seinesgleichen sucht. Zu den schon seit Jahren in Kraft befindlichen Sanktionen der USA gegenüber Kuba, China (bei militärischen Gütern und Dienstleistungen sowie gegenüber Unternehmen, denen Verbindungen mit Nordkorea vorgeworfen werden), Belarus, Nordkorea und Syrien traten neue gegenüber Russland, Venezuela, Nikaragua und Bolivien. Im Fall des davon besonders betroffenen Irans kehren die USA unter Trump nach nur kurzer Unterbrechung zu dieser Praxis zurück.

Auch die Staaten der Europäischen Union nutzen das Mittel der Sanktionen, um andere Staaten botmäßig zu machen oder zu bestrafen. So beteiligt sich die EU an den unter verschiedensten Vorwänden verhängten Sanktionen gegenüber Russland. Einige Länder der Union, wie Großbritannien und Polen, verlangen noch darüber hinausgehende Maßnahmen gegen Moskau.

Die Sanktionen stehen in ihren verheerenden Wirkungen militärischen Einsätzen kaum nach. So wurde der Iran um Jahre in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Russlands Wirtschaft erlitt aufgrund der jüngst immer fester angezogenen Sanktionsschraube einen starken Einbruch. Zu einer tödlichen Waffe wurden die Sanktionen vor allem gegen den Irak unter Saddam Hussein. Sie waren für den Tod allein von Hunderttausenden Kindern verantwortlich.

Die ungebrochene militärische Hegemonie der USA



Auch wenn die Länder des Westens sich immer häufiger und immer aggressiver des Mittels der Sanktionen bedienen, um ihre Interessen durchzusetzen, so bleibt die militärische Überlegenheit weiterhin die entscheidende Grundlage der Hegemonie des Westens. Es ist der „Big Stick“, der am Ende zählt. Und den halten die USA in der Hand. Darauf begründen sie seit 1945 ihre einzigartige Stellung in der Welt. Und so sind denn sie es, die über Krieg und Frieden entscheiden.

Damit es so bleibt, investieren die Vereinigten Staaten Jahr um Jahr ungeheure Mittel in ihr Militär. 2017 waren es nach Angaben des Stockholmer International Peace Research Institute (SIPRI) https://www.sipri.org/media/press-release/2018/global-military-spending-remains-high-17-trillion nicht weniger als 610 Milliarden Dollar und damit mehr als die sieben nächst größten Nationen auf diesem Gebiet zusammen. Erst mit großem Abstand folgen China mit 228 Milliarden Dollar und Saudi-Arabien mit fast 70 Milliarden Dollar. Das in der westlichen Welt als aggressive und kriegslüsterne Macht dargestellte Russland kommt hingegen nur auf 66 Milliarden Dollar, und damit auf Platz vier.

Und als einzige große Militärmacht vermeldete Russland sogar ein Absinken des Wehretats um nicht weniger als 20 Prozent gegenüber 2016, was nicht zuletzt der Wirtschaftskrise des Landes als Ergebnis der verschärften Sanktionspraxis geschuldet ist.

Das von einigen bereits als künftige Weltmacht angesehene Deutschland kommt mit 44 Milliarden Dollar auf Platz neun in der Rangfolge. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157935/umfrage/laender-mit-den-hoechsten-militaerausgaben/ Davor liegen noch Indien, Frankreich, Großbritannien und Japan.

Zur Sicherung ihrer militärischen Macht und zur Gewährleistung der jederzeit möglichen Kriegsführung haben die USA die gesamte Welt mit einem dichten Netz von Militärstützpunkten überzogen. Washington nennt offiziell 761 Stützpunkte, unabhängige Beobachter gehen dagegen von etwa 1.000 aus, da auch Camps und Flugfelder hinzugerechnet werden müssen, die über keine ständige Besatzung verfügen, die aber schnell in Dienst genommen werden können. Kein anderes imperialistisches Land des Westens kann da auch nur annähernd mithalten.

Noch größer ist der Abstand gegenüber den amerikanischen Rivalen. China verfügt nur über einen einzigen Militärstützpunkt außerhalb des Landes. Im ostafrikanischen Dschibuti unterhält es eine kleine Marinebasis, die vornehmlich der Versorgung der chinesischen Blauhelmtruppen und der logistischen Hilfe chinesischer Unternehmen in Afrika dient. Russland unterhält in Syrien die Basen Tartus und Latakia. Weitere russische Stützpunkte bestehen in einigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Eindeutig ist die Überlegenheit der USA auch zur See. Ihre Flotten beherrschen alle Weltmeere und erweisen sich damit als würdige Nachfolger der einstigen Seemacht Großbritannien. Elf Flugzeugträger sind in Betrieb, einer befindet sich im Bau, ein weiterer in der Planung. Zum Vergleich: Russland und China verfügen nur jeweils über einen.

Diese gewaltige Militärmacht gestattet es den USA, im Bündnis mit anderen westlichen Staaten die als feindlich angesehenen Länder Russland und China einzukreisen, möglichst dicht an ihre Grenzen vorzurücken und sie damit unter Druck zu setzen. So wurde die NATO bis an die russischen Westgrenze vorgeschoben, und es wurden Truppen und Raketen des Bündnisses nach Polen und in das Baltikum gebracht.

China ist mit einem „Eisernen Gürtel“ der USA umgeben, der von Süd-Korea über Japan, Taiwan bis nach Australien reicht. Auf der japanischen Insel Okinawa befindet sich, unmittelbar der chinesischen Metropole Schanghai vorgelagert, einer der größten Auslandsstützpunkte der USA.

Wer führt die Kriege



Die USA nutzen diese gewaltige Militärmacht nicht nur zur Abschreckung und zur Drohung. Sie sind auch jederzeit bereit, sie einzusetzen. Bereits während des Kalten Krieges haben sie immer wieder zum Mittel des Krieges gegriffen, wenn es ihnen angebracht erschien. Es sei nur an die Kriege in Korea und Vietnam erinnert.

Mit dem Untergang der Sowjetunion entfiel alle Rücksichtnahme auf die Interessen einer zweiten Großmacht und die Zeit nach der Wende 1989/91 ist eine ununterbrochene Abfolge kleinerer wie größerer militärischer Interventionen weltweit.

Genannt seien hier nur die Angriffe auf Panama, den Irak (gleich zweimal), die Bundesrepublik Jugoslawien, Afghanistan, Libyen und Syrien. In einer Reihe weiterer Länder waren und sind Spezialkräfte, militärische Berater und angeworbene Söldner im Einsatz.

Obwohl die Vereinigten Staaten auf all diesen Schlachtfeldern die politisch und militärisch führende und entscheidende Rolle wahrnehmen, gehört es zu ihrem Prinzip, nicht allein sondern immer in einem möglichst breiten Bündnis zusammen mit anderen Staaten zu agieren. Eine Mandatierung ihres Vorgehens durch die UN ist aufgrund des Widerstands Chinas und Russlands im Sicherheitsrat heute kaum mehr erreichbar.

Häufiger gewählt wird daher der Rahmen der NATO, nach Möglichkeit erweitert um Staaten von außerhalb wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Aber auch verbündete Länder des Mittleren Ostens, wie Saudi-Arabien und Jordanien, oder aus Mittel- und Südamerika werden hinzugenommen. So sollen die Kriege der USA als solche eines möglichst einheitlich auftretenden Westens erscheinen. Kein Land ist zu klein, um nicht zumindest mit seiner Flagge und einer Handvoll Soldaten dabei zu sein.

Die Rolle der übrigen imperialistischen Länder des Westens



Wenn die USA die entscheidende imperiale Macht sind, deren militärische Überlegenheit Grundlage für ihre Weltherrschaft ist, in welchem Verhältnis stehen nun die übrigen imperialistischen Mächte, wie etwa Deutschland, zu ihnen?

Für den italienischen Historiker und Philosophen Domenico Losurdo steht fest:

„Die europäischen und asiatischen Verbündeten mögen Protagonisten schändlicher Kolonialkriege sein, doch nur unter der Bedingung, den Großen Bruder nicht herauszufordern; mögen sie sich auch mit ihrer angemaßten Überlegenheit über die ,Barbaren‘ brüsten, bleiben sie dennoch, wenn schon nicht ,Vasallen‘, so doch subalterne Partner der Vereinigten Staaten“ (5).

Die heutige Situation unterscheidet sich daher grundlegend von der Lage zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Damals war die Situation bestimmt durch das Ringen mehrerer imperialistischer Staaten: des Deutschen Reiches, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands, Italiens und Österreich-Ungarns. 1917 kamen die USA hinzu. Ihr Kriegseintritt sollte entscheidend für den Ausgang des Krieges werden. Sie stiegen zur Weltmacht empor. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie die alles entscheidende westliche Macht. Mit dem Untergang der Sowjetunion sind die USA die einzige Supermacht.

Über die Widersprüche zwischen imperialistischen Ländern



Die Hegemonie einer einzigen Supermacht führt aber nicht zur Aufhebung jeglicher zwischenimperialistischer Widersprüche. Gegenwärtig werden wir Zeugen, wie unter der Präsidentschaft von Donald Trump die Machtverhältnisse innerhalb des Westens neu bestimmt werden. Unter der Parole „America first“ werden enge Verbündete wie Deutschland, Japan und Süd-Korea vor den Kopf gestoßen. Ihre traditionellen, auf Export und hohe Außenhandelsüberschüsse ausgerichteten Wirtschaftsmodelle werden durch die Androhung von Strafzöllen infrage gestellt.

Grundlegend gewandelt hat sich auch die traditionelle Unterstützung der europäischen Integration durch die USA. Unter Trump wird sie nicht mehr länger gefördert, sondern als Konkurrenz wahrgenommen. So wurden die USA aus einem Gegner des britischen Austritts aus der EU unter Barack Obama zu einem Befürworter des Brexits unter Donald Trump.

Zu konstatieren ist eine Wende in den internationalen Beziehungen. Auf eine lange Phase der Kooperation und des Interessensausgleichs innerhalb des westlichen Lagers, in der die USA den Aufstieg von Wirtschaftsmächten wie Japan, Südkorea und Deutschland nicht nur geschehen ließ sondern sogar förderte, folgt jetzt eine Zeit, in der der Führungsanspruch der Vereinigten Staaten auch ökonomisch wieder geltend gemacht wird. Hierzu gehört auch die Auferlegung höherer Rüstungslasten für die europäischen NATO-Staaten. Damit will Washington die Aufwendungen für sein Engagement auf dem europäischen Kontinent reduzieren, um so mehr Mittel für die Eindämmung Chinas im pazifischen Raum zur Verfügung zu haben.

Die europäischen NATO-Staaten sind aber nicht nur mit Forderungen nach höheren Ausgaben für ihre Rüstungen konfrontiert. Das von ihnen bisher bereitwillig mitgetragene System von Sanktionen gegen zu disziplinierende Drittstaaten erweist sich für sie immer häufiger als Bumerang.

Mit Hilfe des Prinzips der Exterritorialität gelingt es den US-amerikanischen Justizbehörden, den Wirkungskreis der von der eigenen Regierung verhängten Sanktionen auch auf Unternehmen und Banken in anderen Staaten auszuweiten. Auf diese Weise werden etwa die Wirtschaftsbeziehungen europäischer Unternehmen mit Russland, Kuba und dem Iran massiv geschädigt.

Um die sich verändernde Situation verstehen zu können, ist es hilfreich sich an die Lage der westeuropäischen Länder nach Ende des zweiten Weltkrieges zu erinnern. Damals griffen die als Befreier vom deutschen Faschismus gekommenen USA recht bald in Frankreich, Italien und anderen Ländern ungeniert in die Innenpolitik dieser Länder ein, um eine Linkswende durch die Regierungsbeteiligung kommunistischer Parteien zu unterbinden (6).

Anknüpfend an eine Rede des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) Palmiro Togliatti aus dem Jahr 1951 zieht Domenico Losurdo für die heutige Situation folgende Schlussfolgerung: „Den Imperialismus kennzeichnet nicht nur die Feindschaft gegen das sozialistische Lager und die antikoloniale Revolution; weil zu seiner Charakteristik das Streben nach Hegemonie gehört, kann der Imperialismus auch die koloniale oder halbkoloniale Unterwerfung von (hier zitiert Losurdo Togliatti, A.W.) ῾unabhängigen und, wie Frankreich und Italien, auch kapitalistisch entwickelten Ländern῾ mit sich bringen, sogar eines Landes wie Frankreich, das 1951 noch über ein großes Kolonialreich verfügte.

Der Widerspruch zwischen kapitalistisch entwickelten Ländern ist nicht notwendigerweise und ausschließlich ein zwischenimperialistischer Widerspruch, er kann auch ein Widerspruch zwischen einem besonders mächtigen und aggressiven Imperialismus und einer potentiellen Kolonie oder Halbkolonie sein. Es wäre eine unzulässige Verharmlosung des Imperialismus anzunehmen, dieser scheue a priori zurück vor der Umwandlung eines ῾entwickelten kapitalistischen῾ Landes in eine Kolonie oder Halbkolonie“ (7).

Deutschland als eine abhängige europäische Hegemonialmacht



Der Verweis auf das Schicksal Frankreichs nach Kriegsende, das Anfang der fünfziger Jahre von den USA als eine Halbkolonie behandelt wurde, obwohl es seinerzeit doch noch über ein großes Kolonialreich verfügte, gibt einen Hinweis auf die Rolle des heutigen Deutschlands. Es regiert zwar nicht über ein Kolonialreich, doch ist es innerhalb der Europäischen Union ohne Zweifel eine Hegemonialmacht, indem es Berlin gelingt, den übrigen 27 Mitgliedsstaaten das deutsche Modell der wirtschaftlichen Austerität aufzuzwingen. Und gegenüber den in der Eurokrise zu Schuldnern gegenüber den anderen Euroländern gewordenen Staaten Irland, Portugal, Zypern und vor allem Griechenland nimmt Deutschland tatsächlich die Rolle einer Hegemonialmacht ein, indem es mit Hilfe der Kommission, des Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Zentralbank offen in die Innenpolitiken dieser Länder interveniert.

Und doch ist der außen- und vor allem der verteidigungspolitische Spielraum Berlins auf Weltebene sehr begrenzt, befindet es sich doch hier in direkter Abhängigkeit vom Agieren des Großen Bruders USA.

Die EU bietet keine Alternative



Angesichts der Unsicherheit über den weiteren Weg der USA unter Präsident Trump setzen deutsche Politik und Medien große Hoffnungen in die Entwicklung einer aktiven Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Bundeskanzlerin Merkel reagierte auf die neue Lage nach der Wahl von Trump mit den unbeholfenen Sätzen:

*„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen. Natürlich in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“ (8). *

Worte, die es immerhin bis in das CDU/CSU-Programm für die Bundestagswahlen schafften.

Im November 2017 einigten sich 23 der 28 EU-Mitgliedstaaten auf eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen (9). Nicht dabei sind – neben Großbritannien und Dänemark, die aufgrund einer Bestimmung des Vertrags von Maastricht nicht an der militärischen Kooperation teilnehmen – Irland, Portugal und Malta. Das wichtigste Ziel der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung sowie bei der Rüstungsbeschaffung. Dafür wird ein Europäischer Verteidigungsfonds gegründet, der 2019 und 2020 mit insgesamt 500 Millionen Euro ausgestattet werden soll.

Es ist jedoch zu bezweifeln, dass damit der Durchbruch bei der Begründung einer Sicherheits- und Verteidigungsunion auch in der Realität erreicht wurde, wie euphorisch von der Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen verkündet wurde. Eine europäische Armee kommt damit noch lange nicht in Sicht:

„Nichts gibt ein Staat unwilliger aus der Hand als seine Verteidigung, denn hier kann es im Ernstfall ums nackte Überleben gehen. Dass in der EU auf diesem Feld seit Jahren nur Trippelschritte möglich sind, hat viel damit zu tun, dass kein Land die Entscheidung über Krieg und Frieden nach Brüssel delegieren will, nicht einmal das so integrationsfreundliche Deutschland“ (10).

Die traditionelle Uneinigkeit der Mitgliedstaaten der EU in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zeigte sich erneut bei der unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Reaktion auf die von den USA geführten Raketenangriffe auf Syrien im April 2018. Zwei EU-Länder, Frankreich und Großbritannien, beteiligten sich am Angriff, mehrere Länder, darunter auch Deutschland, äußerten ihr Einverständnis, andere, darunter die nicht der NATO angehörenden, nahmen ihn lediglich zur Kenntnis.

Die Entwicklung einer handlungsfähigen Außen- und Sicherheitspolitik der EU wäre aber alles andere als wünschenswert, denn damit würden den Mitgliedstaaten wichtige Souveränitätsrechte genommen werden. Sie könnten dann nicht mehr eigenständig über Krieg oder Frieden entscheiden.

Eine militärische Weltmacht Europa würde zudem die westliche Überlegenheit in der Welt gefährlich verstärken. Die USA würden mit der EU dann auch einen militärisch handlungsfähigen Partner erhalten, mit dessen Unterstützung sie die Einkreisungspolitik gegenüber Russland und China noch effektiver betreiben könnten.

Wer ist der Hauptfeind?



In der deutschen Linken und auch in der Friedensbewegung fehlt weitgehend das Bewusstsein über die Ursachen der sich gegenwärtig gefährlich zuspitzende Weltlage. Es wird wohl die Kriegsgefahr gesehen, aber die dafür Verantwortlichen werden nicht hinreichend klar benannt. Oft werden Trump, Merkel, Putin, Xi Jinping unterschiedslos dafür verantwortlich gemacht. So geschehen etwa aus Anlass der Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg (11).

Zur Charakterisierung der heutigen Lage wird oft die Aussage von Karl Liebknecht aus dem Jahre 1915 zitiert: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Was seinerzeit eine richtige Formulierung war, da sie den deutschen Imperialismus als Hauptverantwortlichen für den ersten Weltkrieg benannte, führt aber heute zu Desorientierung und zielt auf die Zerstörung jeglichen Antiimperialismus. Nicht zufällig ist denn auch die Parole vom „Hauptfeind“ Deutschland fester Bestandteil jeder antideutschen Ideologie (12).

Der antiimperialistische Kampf aber muss sich in erster Linie gegen die USA richten, denn sie sind der Hauptfeind!


Andreas Wehr ist Jurist. Von 1999 bis 2014 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der „Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ im Europäischen Parlament. Es ist Autor von Büchern vor allem über die Europäische Union. Zuletzt erschienen von ihm „Der kurze griechische Frühling. Das Scheitern von Syriza und seine Konsequenzen“ und „Die Europäische Union“. Er ist, zusammen mit Marianna Schauzu, Mitbegründer des Marx-Engels-Zentrums Berlin. Weitere Informationen unter www.andreas-wehr.eu.





Mittwoch, 27. Juni 2018

Krim: Humanitäre Intervention - Von Wolfgang Bittner



War der Anschluss der Krim an Russland völkerrechtswidrig?


Kampfbegriff  "Annexion der Krim"


Von Wolfgang Bittner

Die im März 2014 erfolgte Abspaltung der Krim von der Kiewer Ukraine ist der vorgeschobene Anlass für die Aggressions- und Sanktionspolitik der westlichen Allianz unter Führung der USA mit ihrer NATO gegen die Russische Föderation. „Annexion“, wie diese gewaltlose Separation von Politikern und Medien genannt wird, ist zu einem Kampfbegriff geworden, der gebetsmühlenartig wiederholt wird, obwohl das falsch ist und auch durch die permanente Wiederholung nicht richtig wird. Er dient zur Propaganda gegen Russland, zur Agitation gegen dessen Präsidenten Wladimir Putin sowie zur Rechtfertigung der mit ungeheurem Aufwand betriebene Aufrüstung und Stationierung von Streitkräften an den russischen Grenzen, insbesondere in Polen und in den baltischen Staaten. (1)

Die rechtliche Einschätzung des Juristen Reinhard Merkel

Im April 2014 hat der Strafrechtler und Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, der dem deutschen Ethikrat angehört, zur „Annexion“ der Krim einen detaillierten Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. (2) Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass die Abspaltung der Krim sowie das vorausgegangene Referendum völkerrechtskonform waren und nicht völkerrechtwidrig, wie allgemein behauptet wird. Allerdings verstießen sie nach Merkels Auffassung gegen die ukrainische Verfassung. Das aber sei keine Frage des Völkerrechts, und da die ukrainische Verfassung Russland nicht binde, konnte es dem Antrag auf Beitritt der Krim stattgeben – so Merkel. Dennoch sei die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation schon zwei Tage nach ihrer Abspaltung und aufgrund der militärischen Präsenz Russlands außerhalb seiner Pachtgebiete völkerrechtswidrig gewesen. Daraus folge jedoch nicht, dass die Separation der Krim „null und nichtig“ und der nachfolgende Beitritt zu Russland eine „maskierte Annexion“ sei. Vielmehr habe es sich um eine Sezession (eine friedliche Abspaltung) gehandelt.

Reinhard Merkel schreibt: „‘Annexion‘ heißt im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung von Land gegen den Willen des Staates, dem es zugehört, durch einen anderen Staat. Annexionen verletzen das zwischenstaatliche Gewaltverbot, die Grundnorm der rechtlichen Weltordnung. Regelmäßig geschehen sie im Modus eines ‚bewaffneten Angriffs‘, der schwersten Form zwischenstaatlicher Rechtsverletzungen. Dann lösen sie nach Artikel 51 der UN-Charta Befugnisse zur militärischen Notwehr des Angegriffenen und zur Nothilfe seitens dritter Staaten aus – Erlaubnisse zum Krieg auch ohne Billigung durch den Weltsicherheitsrat. Schon diese Überlegung sollte den freihändigen Umgang mit dem Prädikat ‚Annexion‘ ein wenig disziplinieren. Freilich bietet dessen abstrakte Definition auch allerlei irreführenden Deutungen Raum. Aus einer von ihnen scheint sich das völkerrechtliche Stigma ableiten zu lassen, das der Westen derzeit dem russischen Vorgehen aufdrückt und an dem er die eigene Empörung beglaubigt. Aber das ist Propaganda. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession.“ (3)

Das ist für Nichtjuristen sicherlich verwirrend, zumal Reinhard Merkel dann noch zu weitergehenden Schlüssen kommt. Er vertritt die Auffassung, die völkerrechtswidrige russische Militärpräsenz habe zwar das zwischenstaatliche Interventionsverbot verletzt, „auch wenn gerade sie einen blutigen Einsatz von Waffengewalt verhindert haben mag“. Das mache aber „die davon ermöglichte Sezession keineswegs nichtig“, berechtige andere Staaten jedoch zu „Gegenmaßnahmen, zum Beispiel Sanktionen“. Merkel dazu: „Deren Verhältnismäßigkeit hat sich allerdings an ihrem tatsächlichen Anlass zu bemessen und nicht an einem fingierten Schreckgespenst: an einer militärischen Nötigung auf fremdem Staatsgebiet also, nicht aber einer gewaltsamen Annexion … Adressaten der Gewaltandrohung waren nicht die Bürger oder das Parlament der Krim, sondern die Soldaten der ukrainischen Armee. Was so verhindert wurde, war ein militärisches Eingreifen des Zentralstaats zur Unterbindung der Sezession. Das ist der Grund, warum die russischen Streitkräfte die ukrainischen Kasernen blockiert und nicht etwa die Abstimmungslokale überwacht haben.“ (4)

Die Gegenmeinung und eine Reaktion darauf

Eine „relativierende Einschätzung“, „brandgefährlich … alles andere als friedensfördernd“ und dazu eine „Aufweichung wichtiger völkerrechtlicher Grundsätze“ – so am 18. Mai 2018 der Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins Monitor, Georg Restle, in einem Twitterdialog an den Journalisten Paul Schreyer, der ihn kritisiert hatte. (5) Damit befindet sich Restle im Einvernehmen mit der in Politik und Medien vorherrschenden Meinung. Er hat nach seinen Worten „miterleben müssen, wie die russische Oppositionsbewegung am 6. Mai 2012 in Moskau brutal niedergeknüppelt wurde oder was in Tschetschenien Putins Statthalter Kadyrow unter Demokratie und Menschenrechten versteht“. Das hat seine kritische Einstellung zu Russland offenbar maßgeblich beeinflusst.

Paul Schreyer hatte Restle aufgefordert, seine „massiven Anwürfe“ zu belegen, war jedoch keiner Antwort für würdig befunden worden. Daraufhin setzte er Reinhard Merkel in Kenntnis, der seine Position mit einem Beispiel für Nicht-Juristen nochmals konkretisierte und feststellte: „Dass die Tochter Krim zu Russland wollte, setze ich voraus, und warum das begründet ist, habe ich vorhin dargelegt. Russlands militärische Nötigung ist rechtswidrig gewesen; aber eine Entführung, eine Annexion, war es nicht.“ (6)

Mathias Bröckers, Schreyers Koautor des Buches „Wir sind die Guten“, nahm Restles scharfe Kritik und die Erwiderung Merkels zum Anlass, die Korrespondenz zu veröffentlichen. (7) Er findet Merkels Argumentation einleuchtend und ist überzeugt, dass es falsch ist, von einer „Annexion der Krim“ zu sprechen: „Wenn Journalisten und Politiker dies weiterhin tun, verbreiten sie Fake News – und wenn sie Kritik an ihren Fake News als ‚brandgefährlich‘ denunzieren, betreiben sie Propaganda.“

War der Anschluss der Krim an Russland völkerrechtswidrig?

Mit Reinhard Merkel stimme ich darin überein, dass die Abspaltung der Krim von der Ukraine keine Annexion, sondern eine Sezession, eine friedliche Separation gewesen ist. (8) Aber hinsichtlich der Einschätzung, dass die militärische Präsenz Russlands auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete, also der begleitende Schutz des Referendums durch russische Soldaten, sowie die unmittelbare Anerkennung der Republik Krim durch Russland völkerrechtswidrig gewesen seien, bin ich anderer Meinung.

Erstens ist zu berücksichtigen, dass die Separation nach einem von den USA unterstützten blutigen Putsch in der Hauptstadt Kiew stattgefunden hat. Dass die USA bei diesem „Regime Change“ eine aktive Rolle gespielt haben, womit sich bereits Victoria Nuland gebrüstet hatte (9), bestätigte Barack Obama am 1. Februar 2015 in einem Interview bei CNN. Zur so genannten Annexion der Krim durch Russland sagte er: „Putin traf die Entscheidung in Bezug auf die Krim nicht etwa aus einer großen Strategie heraus, sondern einfach, weil er von den Protesten des Maidan und der Flucht von Janukowitsch überrascht wurde, nachdem wir einen Deal zur Machtübergabe ausgehandelt hatten.“ (10) Ob die ukrainische Verfassung danach überhaupt noch Geltung hatte, ist zu bezweifeln.

Zweitens darf nicht vergessen werden, dass die Krim ohnehin 171 Jahre zu Russland gehört hatte und 1954 von Chruschtschow – wie es heißt aufgrund einer Wodkalaune – unter Verstoß gegen die Verfassung der UdSSR an die Ukraine „verschenkt“ wurde, was seinerzeit jedoch nicht mehr bedeutete, als dass sie von einer Sowjetrepublik zu einer anderen kam. Außerdem hatten die USA mit ihrer NATO den russischen Flottenstützpunkt Sewastopol im Visier, auf dem Anfang 2014 legal etwa 20.000 Soldaten stationiert waren.

Drittens ist die Gefährdungslage der Krimbevölkerung nach dem Staatsstreich nicht zu übersehen. Hätte sich die Krim nicht der Russischen Föderation angeschlossen, sondern innerhalb der Ukraine von der Kiewer Putschregierung ihre Bürger- und Menschenrechte eingefordert, sähe es dort heute so aus wie in der Ostukraine: Bürgerkrieg mit zerstörten Städten und Dörfern, Tausenden Toten, Hunderttausenden Flüchtlingen.

Festzustellen ist: Es gab keine gewaltsame oder kriegerische Aneignung der Autonomen Republik Krim durch Russland, sondern nach dem Staatsstreich, der die Verfassung außer Kraft setzte, eine friedlich verlaufene Abspaltung (Sezession) von der Kiewer Ukraine, in dessen Parlament bis heute Faschisten sitzen. Es fand ein Referendum statt, eine Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit und danach der Beitritt zur Russischen Föderation. Das ist unter Berücksichtigung der Ereignisse in Kiew nicht zu beanstanden. Ebenso wenig, dass in Sewastopol stationierte russische Einheiten die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen und ihren Flottenstützpunkt absicherten, nachdem bereits ukrainisches Militär einsatzbereit war und sich nationalistische Verbände aus dem Zentralstaat auf dem Weg in die Krim befanden. Die weit überwiegende russischstämmige Bevölkerung fürchtete zu recht ernsthafte Repressalien und Krieg. Bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent sprachen sich mehr als 96 Prozent der Krimbewohner für den Anschluss an Russland aus. (11) So ein Ergebnis lässt sich nicht fingieren.

Wenn gemäß der UN-Charta – wie Reinhard Merkel schreibt – in einem Konfliktfall Notwehr des Angegriffenen und Nothilfe seitens anderer Staaten rechtens ist, kann das nach der Unabhängigkeitserklärung auch auf die Krim Anwendung finden. Denn von einem Konfliktfall war in der damaligen Situation auszugehen. In Kiew hatte es zahlreiche Opfer gegeben, ukrainische Einheiten und Nationalistenverbände waren bereit, auf der Krim zu intervenieren, und in der Ostukraine begann kurz darauf ein mörderischer Bürgerkrieg. Ein Verbot des Russischen als Zweitsprache wurde beschlossen (später zurückgenommen), die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hatte gedroht, sie wolle „dem Drecksack Putin in die Stirn schießen“ und „die russischen Hunde fertigmachen“. (12) und der Vorsitzende der rechtsextremen Swoboda-Partei, Oleg Tjagnibok, hatte dazu aufgerufen, „Russensäue, Judenschweine und andere Unarten“ zu bekämpfen. (13)

Insofern war die unverzügliche Aufnahme der Republik Krim in die Russische Föderation geboten, um ein Massaker an der russischstämmigen Bevölkerung auf der Krim zu verhindern. Auch die Anwesenheit russischen Militärs vor den ukrainischen Kasernen war während des Referendums erforderlich, um die Durchführung der Wahlen und damit das Selbstbestimmungsrecht der Krimbewohner und ihren Schutz zu gewährleisten – es war sozusagen eine humanitäre Intervention sui generis und somit völkerrechtskonform.

Unter Berücksichtigung der Fakten und aller Umstände sind die Sezession und der Anschluss der Krim an die Russische Föderation weder rechtlich noch sonst wie zu beanstanden. Der Begriff „Annexion“ ist auf diese Vorgänge nicht anwendbar und dient allein propagandistischen Zwecken.


Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“.






Dienstag, 26. Juni 2018

Tödlicher Rassenwahn





Neue Giftblüten des zionistischen Apartheid-Regimes


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. JUNI 2018

von Rainer Rupp – https://kenfm.de

Das Wort „Rasse“ ist in Deutschland tabu. Zu Recht! Unvorstellbar schreckliche Verbrechen sind im Namen der arischen Herren-Rasse gegen Angehörige so genannter „minderwertiger“ Völker verübt worden. Neben Sowjetbürgern waren vor allem Juden und Roma und Sinti die Hauptopfer der wahnsinnigen und vor allem mörderischen Rassenideologie der Nationalsozialisten. Umso unverständlicher ist es, wenn sich der tödliche Virus der Rassenwahns ausgerechnet in Israel bis heute gehalten hat und seit einiger Zeit wieder besonders virulente Urstände feiert. So hatte z.B. laut dem Nachrichtenportal „Times of Israel“ der israelische Parlamentsabgeordnete Miki Zohar, während einer Radio-Debatte am Mittwoch vergangener Woche behauptet, die „jüdische Rasse“ sei die „klügste der Welt“. Die „gesamte jüdische Rasse besitzt das größte menschliche Kapital, das klügste, das umfassendste“, sagte der Volksvertreter der zionistischen Likud Regierungspartei.

Für einen Großteil der jüdischen Israelis scheint die von Zohar vertretene Theorie der überlegenen jüdischen Herrenrasse etwas ganz Selbstverständliches zu sein. Außer vereinzelter Kritik aus der dezimierten israelischen Linken kam aus dem regierungsnahen Meinungsspektrum, d.h. von der großen Mehrheit der jüdischen Israelis, keine dezidierte Verurteilung dieser plump-überheblichen Rassentheorie, denn sie wird von der rechtsradikalen, rassistischen Netanjahu-Regierung Tag für Tag im Umgang mit den Palästinenser in die Praxis umgesetzt.

Lediglich Ahmad Tibi, arabisch-muslimischer Buchautor und Chef der im Apartheid-Staat Israel nicht gleichberechtigten Partei „Arabische Bewegung für den Wandel“ verurteilte Zohar scharf. Als „gewählter Abgeordneter habe er im ‚jüdischen Staat‘ eine Rassentheorie“ rechtfertigt. Daraufhin leugnete Zohar in einem Interview im israelischen Fernsehsender „Hadashot TV“ zuerst, überhaupt von der Vorherrschaft der jüdischen Rasse gesprochen zu haben. Nachdem er aber mit einer Aufzeichnung seiner Aussage konfrontiert worden war, ergriff er die Flucht nach vorne und legte nach: „Das jüdische Volk und die jüdische Rasse sind das höchste menschliche Kapital, das es gibt. Was können Sie (die anderen Rassen) tun? Wir wurden von Gott gesegnet …. Ich muss mich nicht schämen, dass das jüdische Volk das auserwählte Volk ist, das klügste und herausragendste Volk der Welt.“

Da versteht es sich von selbst, dass die rassische Reinheit des jüdischen Volkes und der religiös definierte, „jüdische Staat“ Israel gegen alles Minderwertige, vor allem gegen arabisch-palästinensische Einflüsse, egal ob muslimische oder christliche, geschützt werden muss.

Genau aus diesem Grund hatte das Präsidium der Knesset am 8. Juni eine Gesetzesvorlage der arabischen-israelischen Balad-Partei zur Gleichstellung aller israelischen Bürger zurückgewiesen, bevor es überhaupt zu einer Debatte im Parlament kommen konnte. Die Vorlage wurde von den herrschenden Zionisten als ungeheuer freche Anschlag auf die so genannte „israelische Demokratie“ gewertet, denn er sah vor, den Grundsatz der gleichberechtigten Staatsbürgerschaft im israelischen Verfassungsrecht zu verankern, Damit sollte die echte Gleichberechtigung aller im Land lebenden Juden und Araber und anderer Volkgruppen hergestellt werden. Aber für jeden eingefleischten zionistischen Rassisten wäre mit diesem Gesetz die „Rote Linie“ überschritten worden, denn es hätte die „Durchrassung“ des reinen Judenstaates mit arabischem Blut zur Folge gehabt, eine ungeheuerliche Vorstellung. Dies wurde auch in der Begründung der Ablehnung der Gesetzesvorlage deutlich:

Laut Knesset-Rechtsberater Eyal Yinon hätte der Gesetzentwurf den Charakter des Staates Israel vom Nationalstaat des jüdischen Volkes in einen Staat verändert, in dem sowohl die jüdischen als auch die arabischen Nationen in Bezug auf die Nationalität gleichgestellt sind.“ Knesset-Sprecher Joel Edelstein von der rechtsextremistischen Regierungspartei Likud schloss sich dieser Sichtweise an. Er sagte: „Dies ist eine absurde Gesetzesvorlage, die jede intelligente Person sofort blockieren muss. Ein Gesetzentwurf, der an den Grundlagen des Staates nagen will, darf in der Knesset nicht zugelassen werden.“

Die gescheiterte Balad-Gesetzesinitiative, sah zudem vor, dass das in Israel gesetzlich verankerte „Recht auf Rückkehr“, das Juden weltweit das Recht gibt, nach Israel einzuwandern und automatisch die Staatsbürgerschaft des Landes zu bekommen, aufgehoben wird. „Warum sollten Juden aus der ganzen Welt hierherkommen dürfen und privilegierte Staatsbürger werden, während den einheimischen, arabischen Israelis der Status von Bürgern zweiter Klasse zugewiesen wird?“, argumentierten die Balad-Politiker.

Die arabisch-sozialistische Balad-Partei gehört der „Vereinten Liste“ im Knesset an, die im Parlament 13 der insgesamt 120 Sitze innehat. Zu dem Bündnis gehören außerdem die arabisch-islamistische Ra’am Partei, die arabisch-säkulare Ta’al sowie die linke arabisch-jüdische Partei Chadasch an. Alle anderen in der Knesset vertretenen Parteien sind mehrheitlich rein jüdisch geprägt.

Die regierenden Rassisten des Judenstaates sahen in der Balad-Forderung nach mehr Demokratie bereits eine Bedrohung für Israels Existenz. Und hier wird der Wahnsinn zur Methode, denn die deutsche Kanzlerin Merkel hat in Gesinnungsgemeinschaft mit der Partei „Die Linke“ und ihrer grauen Eminenz Gregor Gysi den Schutz von Israels (undemokratischer, rassistischer) Existenz zur „deutschen Staatsraison“ erklärt. Zugleich werden Gysi und Merkel-Anhänger nicht müde, Mantra artig den gefährlichen Apartheidstaat als „einzige Demokratie im Mittleren Osten“ zu verklären.



Rassismus ist ein tödliches Gift. Jüdischer Rassismus ist da keine Ausnahme. Rassismus geht Hand in Hand mit der Erhöhung der eigenen „Rasse“ und der Erniedrigung und Entmenschlichung der anderen Menschen, die nicht dazu gehören. Und wenn die anderen in ohnmächtiger Erniedrigung Steine gegen die höherwertige Rasse der Unterdrücker schleudern, dann geschieht ihnen aus Sicht der Rassisten nur Recht, wenn sie – egal ob Kinder oder Erwachsene – von israelischen Scharfschützen massenweise in die Hölle befördert werden.

Wohl gemerkt, die Massaker an Unschuldigen, darunter viele Kinder werden nicht von jüdischer Moral oder judaischen, religiösen Gesetzen rechtfertigt. Zugleich sind die vielen Millionen säkularer Bürger jüdischer Herkunft rund um die Welt, die sich an einem humanistischen Menschenbild orientieren, in der Regel die lautstärksten und schärfsten Kritiker der menschenverachtenden Praxis der rechtsextremen israelischen Regierungen. Das Problem ist weder der Judaismus noch das Judentum, sondern der religiöse Rassenwahn des Zionismus. Es ist diese staatlich geförderte Verbrecherideologie, die solche Aussagen produziert, wie sie z.B. der unter religiösen Zionisten hoch respektierten Rabbi Yaacov Perrin gemacht hat: „Eine Million Araber sind nicht einmal einen jüdischen Fingernagel wert.“

Es ist dieser rassistische, religiöse Fanatismus, der mit dem Anstrich von seriösen Schriftgelehrten eine breit angelegte, zynische Diskussion über den Wert, beziehungsweise den Unwert von nicht jüdischem Leben führt. Als typisches Beispiel für viele andere sei hier der sephardische Oberrabbiner Mordechai Eliyahu zitiert, der sich unter Berufung auf den Talmud dazu verstieg zu behaupten, dass das Leben eines jüdischen Jungen mehr wert ist als das Leben von 1000 Arabern. Während der israelischen Massaker in Gaza dekretierte er, dass es verboten sei, das Leben von jüdischen Soldaten zu riskieren, nur weil man palästinensische Zivilisten nicht verletzten oder töten wollte. Stattdessen rief er dazu auf, die Palästinenser in Gaza unter Bombenteppichen zu begraben, anstatt „das Leben von Juden (bei einer Bodeninvasion) zu riskieren“.

Darüber berichtete die Jerusalem Post am 30. Mai 2007 in einem Artikel mit dem Titel „Eliyahu befürwortet Bombenteppiche für Gaza: Es gibt kein moralisches Verbot gegen die Tötung von Zivilisten, um Juden zu retten“. In dem Aufruf fordert der Rabbi, kein Pardon zu geben: „Wenn sie (die Palästinenser) nicht aufhören, nachdem wir 100 getötet haben, dann müssen wir Tausend töten. Und wenn sie nicht nach 1.000 aufhören, müssen wir 10.000 töten. Wenn sie immer noch nicht aufhören, müssen wir 100.000 töten, sogar eine Million.“ Auch auf das Leben von unschuldigen Kleinkindern dürfe keine Rücksicht genommen werden, wenn dadurch auch nur ein einziges jüdisches Leben geschützt werden kann.

Eliyahus Ansichten sind weit davon entfernt, die eines radikalen Randelements in Israel zu sein. Sie reflektieren die Hauptströmungen des religiösen Zionismus. Eine umfassendere Darstellung dieser ruchlosen Diskussion um die Abwägung eines jüdischen Lebens gegen Tausende unschuldiger, arabischer Lebens samt israelischer Quellenangaben findet der Leser hier. Fatal ist, dass diese Einstellungen sich in der israelischen Gesellschaft als Ganzes widerspiegeln. Mehr als 70 Prozent der israelischen jüdischen Bevölkerung Israels unterstützen z.B. Bombenteppiche gegen Gaza, aber nur 20 Prozent waren für eine Bodeninvasion, die für die palästinensische Zivilbevölkerung mit weit weniger Verlusten verbunden gewesen wäre, aber auch israelische Soldaten stärker gefährdet hätte.

Daher überrascht es nicht, dass das unterschiedslose Töten von arabischen Zivilisten zur Norm der zionistischen Kriegs- und Besatzungspolitik geworden ist. Und zu dieser Politik gehört auch, dass das Leben von ein paar Hundert oder Tausend palästinensischen Kindern (die sowieso nur zu Terroristen heranwachsen würden) nicht gegen das Leben eines einzigen, mutigen zionistischen Soldaten aufgewogen werden kann. Allerdings ist gemäß Völkerrecht das unterschiedslose Töten von Zivilisten genauso kriminell, wie das gezielte Töten von Zivilisten und Kindern, das derzeit an der Trennmauer in Gaza stattfindet.

Quellen:

– https://www.jpost.com/Israel/Eliyahu-advocates-carpet-bombing-Gaza
– http://loonwatch.com/files/2011/10/jewish-law-one-israeli-soldier-worth-more-than-1000-palestinians/
https://kenfm.de/neue-giftblueten-des-zionistischen-apartheid-regimes/






Sonntag, 24. Juni 2018

Meine Blog-Statistik


Blog-Statistik

Posts insgesamt seit April 2012 bis

24.06.2018: 843


Stand vom 02.09.2013: 14.30 Uhr: 9.050
Stand vom 28.09.2013: 17 Uhr: 10.011 Hits
Stand vom 14.10.2013: 11.030 Hits
Stand vom 07.06.2014: 18.00 Uhr: 15.300 Hits
Stand vom 08.01.2015, 19:00 Uhr: 24.686 Hits
Stand vom 24.04.2015, 10 Uhr: 29.637 Hits
Stand vom 10.08.2015, 17 Uhr: 35.695 Hits
Stand vom 04.02.2016, 19 Uhr: 45.534 Hits
Stand vom 28.09.2016, 17 Uhr: 57.865 Hits

Stand vom 12.12.2017, 19 Uhr: 86.007 Hits
Stand vom 27.02.2018, 15 Uhr: 91.673 Hits
Stand vom 24.06.2018: 12 Uhr: 101.125 Hits
Letzten Monat: 2.007

Hits aus aller Welt:
Stand vom Februar 2018:
Deutschland 43907, Vereinigte Staaten 15566, Russland 12868, Italien 3674, Ukraine 1703, Frankreich 1247, Österreich 633, Polen 753, Spanien 584, Portugal 512, Vietnam 3, Indonesien

Stand vom 24.06.2018:
Dtl: 45.866, USA: 16.563, Russland: 13.480, Italien: 7777, Ukraine: 1850, Frankr.: 1719, Polen: 787, Spanien: 645, Österreich: 636, Portugal: 575 // Belgien, Südkorea, Schweiz, Indonesien











Samstag, 23. Juni 2018

Hinter die Fassade schauen - von Stephan Lessenich



Worum es geht. Für eine Politik gegen das Nicht-Wissen-Wollen

Von Stephan Lessenich

18.06.2018:
Ein Leben auf Kosten anderer...

Machen wir uns nichts vor. Hinter dem Wohlstand der „hochentwickelten“ industriekapitalistischen Gesellschaften verbirgt sich ein peinliches Geheimnis: Wir haben ihn von anderen nicht nur geliehen, sondern ihnen gewaltsam abgepresst – von anderen, denen wir eben solchen Wohlstand wirkungsvoll vorenthalten.

Ob es nun Platinminen in Südafrika sind, Textilfabriken in Südostasien oder die Plantagenwirtschaft in Lateinamerika: Es ist immer dasselbe. Anderswo sterben die Leute, damit hier so gelebt werden kann, wie es seit Menschengedenken getan wird.

Das wohlstandskapitalistische Modell wirtschaftlicher Wertschöpfung und – wie auch immer begrenzter und selektiver – sozialer Umverteilung der Wachstumserträge fußt wesentlich auf der hemmungslosen Ausbeutung von Arbeit und Natur in anderen Weltregionen. In Weltregionen, die damit zugleich die ökologischen und sozialen Kosten der hiesigen Produktions- und Konsumweise zu tragen haben. Die hierzulande herrschenden Lebensverhältnisse sind nur möglich geworden und lassen sich nur aufrechterhalten, weil Bevölkerungsmehrheiten in den „unterentwickelten“ Gesellschaften des globalen Kapitalismus unter uns unvorstellbaren Bedingungen arbeiten und leben.

Sicher, auch bei uns ist der Wohlstand äußerst ungleich verteilt, hat die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen zuletzt sogar weiter zugenommen. Doch müssen die hiesigen Ungleichheitsverhältnisse als in die Struktur und Dynamik globaler Ungleichheiten eingebettet verstanden werden. Global gesehen aber wird das, was uns als sozial allenfalls akzeptabel, angemessen und erträglich erscheint, durch gesellschaftliche Verhältnisse andernorts ermöglicht, die uns selbst als absolut inakzeptabel, unangemessen und unerträglich gelten würden. Und zwar zu Recht – weil sie genau dies nämlich sind.

Im Weltmaßstab betrachtet vollzieht sich unser Gesellschaftsleben zudem auf einem stofflichen und energetischen Verbrauchsniveau, das nicht nur nicht „nachhaltig“ ist, sondern als irrwitzig, ja nachgerade wahnsinnig gelten muss. Ein Niveau, das sich wiederum nur deswegen halten lässt, weil sich der Umweltverbrauch vieler Milliarden Menschen auf dieser Welt weit unterhalb des hiesigen bewegt.

Machen wir uns also nichts vor: Unser Leben geht auf Kosten anderer.

… und alle wissen es

Aber genau das tun wir: Wir machen uns etwas vor. Wir wissen zwar, was läuft. Aber wir wollen es eigentlich gar nicht wissen. Mehr noch: Wir müssen es auch gar nicht wissen wollen. Niemand zwingt uns dazu, es wissen zu müssen.

Und wir nehmen jedes Angebot, nicht wissen zu müssen, nur allzu gerne an.

Und die aus jeder seiner zyklischen Krisen,
die für andere die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen bedeuten
oder sie gar das Leben kosten,
mit noch mehr Macht und noch widerwärtigerem Hochmut hervorgehen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht nicht darum, im Allgemeinen und Ungefähren des „Wir“ die konkreten Verantwortlichkeiten verschwimmen oder gar verschwinden zu lassen. An ihnen kann ja auch nicht der Hauch eines Zweifels bestehen: Es sind selbstverständlich die großen, weltweit operierenden Konzerne und Kapitaleigner mit ihrer ökonomischen Macht und ihrem politischen Einfluss, die das globale Geschäft mit der Ausbeutung von Arbeit und Natur organisieren  und einen geradezu obszönen Profit daraus ziehen. Es sind natürlich die Wohlhabendsten dieser Welt, die Hyper- und Superreichen, die vom herrschenden kapitalistischen Überakkumulationsmodell wunderbar leben können. Und die aus jeder seiner zyklischen Krisen, die für andere die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen bedeuten oder sie gar das Leben kosten, mit noch mehr Macht und noch widerwärtigerem Hochmut hervorgehen. Zu Recht stehen sie daher im Fokus der öffentlichen Kritik, zu Recht zeigen kapitalismuskritische und globalisierungspolitische Aktivistinnen und Aktivisten genau auf sie, wenn es darum geht, Ross und Reiter zu benennen.

Aber Ross und Reiter – Amazon und Exxon, Monsanto und Rio Tinto, Kaeser und Schaeffler, Müller und Zetsche und wie sie sonst noch alle heißen mögen – galoppieren auf wohl bereitetem Gelände. Ihr falsches Spiel kann nur aufgehen, weil so viele dabei mitspielen. Und damit ist nicht die vermeintliche Macht der Konsumenten gemeint. Sondern die Entpolitisierung der Leute.

Der Kapitalismus schafft sich die Subjekte, derer er bedarf – und er bedarf vor allem anderen der Wachstumssubjektivität, des endlosen kollektivindividuellen Wollens nach Mehr.

Der Kapitalismus schafft sich die Subjekte, derer er bedarf –
und er bedarf vor allem anderen der Wachstumssubjektivität
Ein halbes Jahrhundert Wachstum und ein Vierteljahrhundert Neoliberalismus haben ihre Spuren hinterlassen in der wohlstandsgesellschaftlich herrschenden Subjektivität, in den Hirnen und Herzen der Menschen. Der Wille zum Mehr einerseits, die Sorge um sich selbst andererseits sind keine persönlichen Bösartigkeiten Einzelner, auch keine anthropologische Konstante im Sinne des berüchtigten „so ist halt der Mensch“. Keineswegs: Es sind dies die sozialen Prägungen, die gesellschaftliche Subjekte in den wohlstandskapitalistischen Gesellschaften des Westens über eine längere historische Zeit hinweg erfahren und nach und nach verinnerlicht haben.

Der Wille zum Mehr ist nicht einfach individuelle Maßlosigkeit oder triebhafte Gier. Vielmehr ist dieser Wille fundamentaler Bestandteil einer gesellschaftlichen Formung des Handelns, die das Mehr – die kapitalistische Akkumulation – zum ökonomischen Zwang und sozialen Prinzip erhoben hat. Prinzipiell muss im westlichen Wachstumskapitalismus jede und jeder immer mehr wollen – ganz gleich ob er bzw. sie will oder nicht. Der Kapitalismus, so wusste der frühe Soziologe Max Weber, schafft sich die Subjekte, derer er bedarf – und er bedarf vor allem anderen der Wachstumssubjektivität, des endlosen kollektiv-individuellen Wollens nach Mehr.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Sorge um sich selbst. Nicht der Mensch ist egoistisch, missgünstig und auf Konkurrenz gepolt. Das neoliberale Subjekt ist es – bzw. soll es sein. Seit Jahrzehnten ist uns immer und immer wieder eingetrichtert worden, von Wirtschaftsinstituten und Ökonomieprofessoren genauso wie von Parteioberen und Leitmedien, dass individuell vor kollektiv zu gehen habe, privat vor öffentlich, Eigentumsrechte vor Gemeingütern, überhaupt das Eigene vor den Anderen. Auch wenn man es sich nicht wünschen würde: Die entsprechende ideologische Indoktrination ist, in Verbindung mit den politisch institutionalisierten Marktzwängen, leider nicht spurlos an den Leuten vorbeigegangen.

So ist denn auch das ominöse, allgemein-ungefähre „Wir“ gemeint – niemand wird damit persönlich angefeindet, keiner soll moralisch gemaßregelt werden. Aber doch sind damit eben „alle“ angesprochen: Uns neoliberalen Wachstumssubjekten sind in unserem alltäglichen Handeln der Wille zum Mehr und die Sorge um uns selbst eingeschrieben. Und als neoliberale Wachstumssubjekte, die wir nun mal sind bzw. zu denen wir gemacht worden sind, lassen wir uns gerne etwas vormachen. Wir glauben gerne, dass der Strom aus der Steckdose kommt oder jedenfalls das E-Mobil „emissionsfrei“ fährt. Wir hören gerne, was die Konzerne alles unternehmen, um ihre Lieferketten „transparent“ zu gestalten. Wir lassen uns gerne von den Sozialzertifikaten und Nachhaltigkeitspreisen blenden, die noch die übelsten Gesellen des transkontinentalen Ausbeutungsgeschehens reihenweise einheimsen und sich stolz ans Revers heften dürfen. Damit wir alle uns in dem, was wir alltäglich so an Umweltvernichtendem und Lebenszerstörendem treiben bzw. treiben lassen, ein wenig besser fühlen können.

Wir glauben gerne an das Gute im globalen Kapitalismus, an grüne Lügen und bunte Hochglanzbroschüren. Wir wollen gar nicht wissen, was dahinter steckt. Dabei ist es nicht immer nur ein kluger Kopf. Sondern fast immer auch ein zerbrochener Körper und eine geschundene Seele, verwüstete Natur und beschädigtes Leben.

Was jetzt ansteht

Wenn alle darum wissen, aber tunlichst nichts wissen wollen, dann hat es doch vor allem um eines zu gehen bzw. um ein drittes: Nämlich darum, das eine wie das andere zum Politikum zu machen.

Das Unsichtbare sichtbar machen

Es geht darum, fundiert und pointiert, mutig und gekonnt die Akteure der Ausbeutung beim Namen zu nennen. Und es muss zudem darum gehen, die Potemkinsche Fassadenkommunikation, die um uns herum betrieben wird und an der wir irgendwie alle gemeinsam teilhaben, als solche sichtbar werden zu lassen: Die stillschweigende Übereinkunft zu durchbrechen, der zufolge uns ein schöner Schein präsentiert wird – weil zugleich gewusst wird, dass wir die Wahrheit gar nicht wissen wollen. Es gilt, den ganzen Wachstumskonkurrenzschwindel, in dem wir uns bewegen, auffliegen zu lassen, diesen Alternativenfurcht erregenden Etikettenschwindel, von dem wir uns beherrschen lassen.

Das ist leichter gesagt als getan. Und es ist auch leichter, diesen kritischen Appell an andere zu richten als an sich selbst. Zum Beispiel an die Adresse all jener nicht-staatlichen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich den Kampf gegen das Elend der Welt und die Hilfe für die global Schlechtestgestellten auf die Fahnen geschrieben haben: Tun sie wirklich das Richtige? Sind sie in ihren Forderungen und Schlussfolgerungen, in ihren Initiativen und Aktivitäten radikal genug? Politisieren sie das, was sie tun, und problematisieren sie das, was sie lassen, in einer ausreichenden, den gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit angemessenen Weise?

Zugegeben: Derartige Fragen sind hier aus den Innenwelten des großen Schwindels heraus geäußert. Von einer Position aus, die diesen Verhältnissen nicht äußerlich, sondern ihnen selbst verhaftet, in ihnen verfangen ist. Und ja: die von ihnen zehrt, ja von ihnen erst ermöglicht wird. Doch lässt diese Gefangennahme unserer selbst durch die herrschenden Verhältnisse das Richtige keineswegs falsch werden. Ganz im Gegenteil. Und auf eine Weise sollte es den Kampf gegen das Falsche nur umso selbstverständlicher, für uns selbst verständlicher werden lassen. Wenn wir uns nämlich gemeinsam darüber im Klaren würden, was hier eigentlich läuft.

Hinter die Fassaden schauen: Das steht an.

Nur so schreiten „wir“ voran.

Stephan Lessenich hat uns freundlicherweise seinen Artikel, der im Jubiläumsrundschreiben von medico international (Heft 1/18) erschienen ist, zur Verfügung gestellt.
Stephan Lessenich ist Doktor der Soziologie und leitet das Institut für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Letztes Jahr erschien von ihm „Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis“. Lessenich ist Ko-Vorsitzender der Partei mut.
mehr von Stephan Lessenich auf kommunisten.de








Donnerstag, 21. Juni 2018

US-Gehirnwäsche



NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung

Konfrontation der EU gegenüber Putins Russland



Hat die US-Gehirnwäsche die Europäer so paralysiert, dass sie es nicht wagen, ihre Beziehungen zu Russland zu verbessern?


Von Paul Craig Roberts / LUFTPOST

Die Erklärungen führender europäischer Politikerinnen und Politiker nach dem jüngsten G7-Gipfel belegen, dass sie immer noch die feindliche Einstellung Washingtons gegenüber Russland teilen; daran haben weder die Sanktionen, die Präsident Trump gegen Europa verhängt hat, noch die Tatsache, dass er die Interessen Europas und aller anderen Staaten missachtet und nur Israel hofiert, etwas ändern können. Die britische Premierministerin erklärte, die G7-Teilnehmer seien "sich einig darin, nötigenfalls neue restriktive Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen". Die französische US-Marionette Macron warf Russland, dem einzigen Staat, der versucht, das Minsker Abkommen umzusetzen, zu Unrecht vor, es zu verletzen. Außerdem hat er Russland fälschlicherweise beschuldigt, in die Ukraine eingefallen und die Krim annektiert zu haben – ungeachtet der Tatsache, dass sich russische Soldaten aufgrund eines für die Dauer von 50 Jahren geschlossenen Pachtvertrages bereits in einem russischen Flottenstützpunkt auf der Krim aufhielten.

Der französische Präsident weiß sicher auch, dass Russland nur einem Votum der Krimbewohner Rechnung getragen hat, die mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluss der Krim an Russland gestimmt haben. Die Krim hat nämlich vor der Eingliederung in die Ukraine drei Jahrhunderte lang – also länger als die USA existieren – zu Russland gehört. (Und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat Trumps einzigen vernünftigen Vorschlag, Russland wieder in den G7-Kreis aufzunehmen, mit einer fadenscheinigen Begründung zurückgewiesen.)

Putin für den Westen ein Problemfall, weil er auf der Souveränität Russlands besteht

Die europäischen G7-Teilnehmer warfen Putin außerdem vor, sein Verhalten sei "destabilisierend", er "unterminiere demokratische Systeme" und "unterstütze die syrische Regierung" (die Russland um Hilfe gebeten hat). Europa kuscht weiterhin vor Washington, obwohl Trump alles tut, um die europäischen Vasallen zu drangsalieren.

Putin hat die auf dem G7-Gipfel gegen Russland erhobenen Vorwürfe als "kreatives Gelaber" bezeichnet, und Europa eingeladen, in beiderseitigem Interesse mit Russland zusammenzuarbeiten. Es gibt gemeinsame Interessen, und Putin sieht sie; in den Erklärungen auf dem G7-Gipfel wurde aber deutlich, dass die Westeuropäer Russland nur als Feind betrachten.
Aus westlicher Sicht ist Putin ein Problemfall, weil er auf der Souveränität Russlands besteht. Mit dem westlichen Vorwurf, Russland verhalte sich "destabilisierend", ist eigentlich gemeint, dass ein unabhängiges Russland die von Washington bestimmte Weltordnung gefährdet. Putin wird als Störfaktor betrachtet, weil er sich dem Herrschaftsanspruch Washingtons widersetzt. Er kann die feindliche Einstellung des Westens gegenüber Russland auch nicht durch immer neue Zugeständnisse und vernünftiges Reagieren überwinden. Putin gäbe sich einer tödlichen Illusion hin, wenn er auf wohlklingende Versprechungen vertrauen und glauben würde, die USA verzichteten jemals auf ihr Streben nach Vorherrschaft.

Putin nimmt Beleidigungen hin, reagiert besonnen auf Provokationen und die Verfolgung von Russen in der Ukraine, lässt ungestraft israelische Luftangriffe auf Syrien zu, obwohl er Assad mit hohem Einsatz im Kampf gegen von den USA finanzierte "Rebellen" unterstützt – und all das nur, um den Europäern zu demonstrieren, dass Russland kein anderes Land bedroht. Nach ihren Erklärungen auf dem G7-Gipfel, der eigentlich ein G6-Gipfel war, wollen führende westliche Politikerinnen und Politiker einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Bedrohung eigentlich von Washington und nicht von Moskau ausgeht. Washington hat Europa die Marschrichtung gegen Russland vorgegeben, und Europa marschiert brav mit, unabhängig davon, wie sich Russland verhält, und wie Washington Europa behandelt. Aufkeimende Hoffnungen, dass die Opposition der Europäer gegen den Versuch Trumps, das Atomabkommen mit dem Iran scheitern zu lassen, Europa unabhängiger machen würde, haben sich durch die gemeinsam praktizierte Feindschaft gegenüber Russland schnell wieder zerschlagen.

Putins unerschütterliches wohlwollendes Entgegenkommen

Putins Strategie (des unerschütterlichen wohlwollenden Entgegenkommens) könnte aus zwei Gründen scheitern: Erstens hat Westeuropa vor rund 75 Jahren seine Unabhängigkeit verloren (mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im Dezember 1941 und endgültig mit der Gründung der NATO am 4. April 1949). Die westeuropäischen Staaten scheinen nicht mehr zu wissen, was Souveränität bedeutet. Ohne Vorgaben aus Washington verlieren führende europäische Politiker jede Orientierung und versuchen krampfhaft, den von vorherigen US-Regierungen eingeschlagenen Kurs zu halten.

Zweitens hofft Putin immer noch, Russland in die Europäische Union integrieren zu können. Als Jelzin Präsident war, hat die US-Regierung diese Hoffnung genährt (weil sie glaubte, dann leichteren Zugang zu den russischen Ressourcen zu bekommen). Russische Wirtschaftswissenschaftler und die russische Zentralbank glauben immer noch, dass sich Russland nur mit Hilfe des Westens weiterentwickeln kann. Das macht Russland anfällig für Störmaßnahmen des westlichen Finanzimperiums. Der westliche Einfluss ermöglicht es Washington, den Wert des Rubels zu manipulieren und russische Handelsüberschüsse in Defizite zu verwandeln. Um die Globalisierung voranzutreiben, versucht Washington russische Politiker zu diskreditieren, die ein nationales Wirtschaftswachstum anstreben. Michael Hudson und ich haben schon früher darauf hingewiesen, dass neoliberale russische Wirtschaftswissenschaftler als fünfte Kolonne Washingtons in Russland agieren.

Staaten, die sich der vom Westen vorangetriebenen Globalisierung öffnen, verlieren schon bald die Kontrolle über die eigene Wirtschaftspolitik. Der Tauschwert ihrer Währungen, die Kurse ihrer Anleihen und die Preise ihrer Rohstoffe können durch Leerverkäufe bei Termingeschäften nach unten getrieben werden. In diesem Zusammenhang sei an George Soros erinnert, der das britische Pfund zum Absturz brachte. Durch koordiniertes Handeln der Fed (der US-Zentralbank), der Europäischen Zentralbank, der Bank of England und der Japanischen Zentralbank könnte Washington jede Währung ruinieren. Sogar große Staaten wie Russland und China können sich nicht gegen einen derartigen Generalangriff wehren. Es ist erstaunlich, dass Russland und China, die auch unabhängig vom westlichen Finanzsystem ihre Geschäfte abwickeln könnten, sich immer noch von ihren Feinden kontrollieren lassen.

Das Mayer Amschel Rothschild zugeschriebene Zitat trifft nämlich zu: "Wer das Geld eines Staates kontrolliert, braucht sich nicht darum zu kümmern, wer dessen Gesetze macht." Ein Professor aus Oxford hat mir die Kopie eines in der Franklin D. Roosevelt Presidential Library aufbewahrten Briefes geschickt, den Präsident Roosevelt am 21. November 1933 an Colonel House geschrieben hat. Darin steht:

"Wir kennen die Wahrheit, denn wir beide wissen, dass seit den Tagen des Präsidenten Andrew Jackson die Regierung immer von Geldinstituten abhängig war – und da möchte ich auch die Regierung von Woodrow Wilson nicht ganz ausnehmen. Unser Land erlebt gerade eine Wiederholung des Kampfes Jackson gegen die Bank of the United States – nur auf einer viel breiteren Basis."

Putin möchte als vernünftiger Mensch Konflikte vermeiden

Weil Wladimir Putin ein vernünftiger und humaner Mensch ist, möchte er Konflikte vermeiden. Er hat die nötige Geduld, um Beleidigungen und Drohungen aus militärisch schwachen Staaten wie Großbritannien (und der Bundesrepublik Deutschland) auszuhalten.

Geduld kann den Frieden bewahren, aber einen Krieg nicht verhindern (wenn sie von Gegnern überstrapaziert wird). Putins Geduld könnte den Europäern signalisieren, dass sie sich mit Anschuldigungen und feindlichen Aktivitäten gegen Russland nicht zurückhalten müssen, und die Neokonservativen (in den USA) könnten sich zu weiteren Provokationen und noch aggressiveren Handlungen ermutigt fühlen. Zu viel russische Geduld könnte dazu führen, dass Russland in eine Ecke gedrängt (und handlungsunfähig) wird.

Die Gefahr für Russland besteht darin, dass Putin, weil er möchte, dass sein Staat zu Europa gehört, zu große Zugeständnisse an den Westen macht, die noch mehr Provokationen auslösen, und dass der Sog der Globalisierung die Souveränität der russischen Wirtschaft untergräbt.

Wenn Putin immer noch hofft, sich im Krieg gegen den Terrorismus mit dem Westen verbünden zu können, übersieht er, dass der Westen die Terroristen finanziert und einsetzt, um unabhängige Staaten zu destabilisieren, die eine unipolare (von Washington beherrschte Welt) nicht hinnehmen wollen.

Russland wäre nicht so leicht in einen Krieg zu verwickeln, wenn es sich vom Westen lösen und mit dem Osten (also vor allem mit China) verbünden würde. Dann müssten die Westeuropäer Putin eher früher als später um bessere Beziehungen anbetteln.


Erstveröffentlichung der deutschen Übersetzung am 16.06.2018 bei LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein (dort mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP08418_160618.pdf






Dienstag, 19. Juni 2018

Ein Russisches Sommermärchen - von Gert-Ewen Ungar



19. Juni 2018 um 8:25 Uhr | Verantwortlich: Redaktion

Ein Russisches Sommermärchen



Veröffentlicht in: Das kritische Tagebuch


Gert-Ewen Ungar


Es steht außer Frage, die Stimmung hier ist einzigartig. Wer sich an den Fußballsommer im Jahr 2006 in Deutschland erinnern kann, der hat in etwa eine Ahnung, was aktuell gerade in Russland passiert. Am Samstag bin ich aus Deutschland angereist. Man könnte es auch eine Flucht nennen. Eine Flucht vor einer erschreckend niederträchtigen Berichterstattung in den deutschen Medien gegenüber Russland. Noch in Deutschland habe ich mir am Tag der Eröffnung die Übertragung und das Rahmenprogramm in der ARD angeschaut. Ich war zutiefst erschrocken, zutiefst schockiert. Ein exklusiver Reisebericht aus Russland von Gert-Ewen Ungar[*].

Gert-Ewen Ungar ist während der Fußball-Weltmeisterschaft vor Ort in Russland und berichtet vor Ort für die NachDenkSeiten. Dies ist der erste Artikel unserer WM-Reihe.

Da stellte sich ARD-Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies vor die Kamera und zeichnete das Bild einer Diktatur, sprach von Russen, die sich nicht trauen, vor der Kamera ihre Kritik an der Regierung zu äußern. Dabei, das müssten Udo Lielischkies und die Seinen selbst bei guter Abschirmung in ihrem Moskauer ARD-Studio inzwischen aufgefallen sein: die Breite des Sagbaren in Russland ist deutlich weiter als in Deutschland. Russland diskutiert deutlich freier als Deutschland. Es gibt dafür zahlreiche Gründe. Einer davon ist, dass es den deutschen Verlagen und Medienanstalten tatsächlich gelungen ist, in Deutschland die Meinungsvielfalt kaputt zu sparen.

Jedenfalls ist die deutsche Berichterstattung gegenüber Russland inzwischen eine absolute Unverschämtheit. Sie ist eine Unverschämtheit gegenüber Russland und den russischen Bürgern, aber sie ist auch eine Unverschämtheit gegenüber Deutschland und seinen Bürgern, da der einseitige und einfach grottenschlechte Journalismus sie über bedeutende Entwicklungen im größten Land Europas in Unkenntnis lässt, ja sogar absichtlich fehlinformiert.

So floh ich am Samstag vor all der Niedertracht und stellte bereits am Flughafen in Sankt Petersburg fest: Es gibt auch Fußballübertragungen ohne Propaganda. Eine bunte Menge versammelte sich in einem Restaurant vor einem Monitor und fieberte mit den kontrahierenden Mannschaften. Der Kommentator des russischen Fernsehens kommentierte ausschließlich das Spiel und nicht die Politik. Kein Seitenhieb, keine böswillige Unterstellung, keine Überheblichkeit. Es war wohltuend. Entgegen aller Vorwürfe scheint mir, dass es Deutschland ist, das die WM zur Agitation nutzt. Russland tut es nicht. 

Ich fliege weiter nach Moskau. Ich bin gern in dieser größten europäischen Metropole. Es mag in Propaganda geschundenen deutschen Ohren seltsam klingen, aber ich fühle mich dort freier. Das enge Deutsche, der Hang zum Totalitarismus, den wir offenbar haben und der sich aktuell ganz deutlich beispielsweise in der Makroökonomie auslebt, findet sich dort nicht. Es ist die große Gelassenheit gegenüber der Andersartigkeit, die mich beeindruckt. Wo wir als Deutsche missionieren und belehren, gibt Russland Raum zur Entfaltung und Erprobung. Das ist eine große Tugend, die uns völlig fehlt. 

Domodedovo ist einer der drei Moskauer Flughäfen und mein Zielflughafen. Er steht heute ganz im Zeichen der FIFA. Alles ist bunt, alles ist lebendig, alles noch ein bisschen quirliger als sonst. Für den nächsten Monat werde ich bei meinem Freund Pawel unterkommen.

Für den Abend verabreden wir uns mit Freunden. Wir treffen uns für einen Bummel durch die Innenstadt am Puschkin-Platz. Wir treffen Dima und seinen Partner Anton. Sie leben zusammen. Beide sind ganz angetan von der Atmosphäre, von der an diesem frühen Abend bereits Moskau getragen wird. Das letzte Vorrundenspiel ist noch nicht zu Ende, doch die Innenstadt Moskaus ist bereits sehr gut besucht. Überall sind Fans zugegen.

Dima spricht von Völkerverständigung, wie wichtig es ist, sich kennen zu lernen. Ich habe das Gefühl, nicht nur für ihn wird hier gerade eine große Idee Wirklichkeit. Es mag ein Erbe der Sowjetunion sein: Noch heute glauben Russen in einem ganz anderen Ausmaß als wir an die Notwendigkeit von Austausch und Begegnung zwischen den Nationen und Kulturen. Frieden ist Ergebnis der Begegnung von konkreten Menschen.

Wir besuchen ein Restaurant. Es gibt typisch russisches Essen, Pelmeni, Bortsch. Ganz dem Klischee entsprechend, stoßen wir mit Wodka an. Es gibt unglaublich viele Vorurteile über Russen und Russland, eins der wenigen, an dem etwas Wahres dran ist, ist das Vorurteil mit dem Wodka. Man kommt nicht um ihn herum. Das Restaurant ist nahe an seiner Grenze, es ist ein beständiges Kommen und Gehen. Mexikaner, Argentinier, Deutsche. Meine russischen Freunde genießen mit mir die Atmosphäre. Ich glaube, ich interpretiere, es ist Wertschätzung, was sie fühlen und was sie in diesem Moment erfüllt. In mir steigt Freude auf. Ich freue mich für Russland. Die Wertschätzung ist verdient.

Auch die Straße füllt sich, es wird gesungen und getanzt. So ausgelassen habe ich Moskau noch nie erlebt. Wir gehen auf die Straße, lassen uns vom Treiben mitreißen. Überall Landesflaggen. Eine zieht in besonderer Weise meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist die syrische Flagge. Ich frage die junge Frau, die die Flagge hält, ob sie aus Syrien sei. Sie bejaht. Woher ich sei, will sie wissen. Aus Deutschland. Ihr warmes Lächeln kühlt merklich ab. Wir haben uns durch unserer Positionierung offenkundig nicht nur Freunde gemacht.

Warum mit der russischen Flagge, frage ich. Russland hilft uns im Kampf gegen den Terrorismus. Hier eröffnet sich einem Satz eine ganz andere Sicht auf die Vorgänge in Syrien. Eine, von der wir in Deutschland durch die Verweigerung der deutschen Medien, echten Journalismus zu liefern, gut abgeschirmt sind. Doch die Position hat ihre Berechtigung hat. Unser Diskurs ist sehr verengt.

Ich würde das mit meiner syrischen, russischsprachigen Gesprächspartnerin gerne weiter vertiefen, aber es ist offenkundig weder der Ort noch die Zeit, das zu tun. Der Strom zieht uns weiter. Wir besuchen zunächst eine, dann eine weitere Gay-Bar in der Moskauer Innenstadt. Auch hier dreht sich alles um Fußball. Dima wird mit jeder Minute euphorischer.

Was die FIFA mit seiner Stadt machen würde, war ihm bisher nicht klar. Wer kann es auch wissen, ohne es erlebt zu haben? Doch auch andere wissen die FIFA zu nutzen. Zu Beginn der Weltmeisterschaft, ein bisschen verborgen im Schatten der Berichterstattung über Fußball, erhöht die Duma das Renteneintrittsalter für Männer auf 65 Jahre, für Frauen auf 63 sowie die Mehrwertsteuer deutlich. Es ist, als würde die Politik überall auf der Welt auf die Weltmeisterschaft warten, um unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. Auch wenn man das natürlich kritisieren muss, in Deutschland ist es nicht anders. Was wurde im Schatten der WM 2006 nicht alles durchgesetzt? 

Die Erhöhung des Renteneintrittsalters findet im Rahmen der von Putin nach seiner Wiederwahl ausgerufenen Entwicklungsoffensive statt, die unter anderem zum Ziel hat, die Armut in Russland zu halbieren, die Lebenserwartung weiter zu erhöhen, die Bildung und Infrastruktur auszubauen. Man kann darüber diskutieren, ob die Maßnahme zum Ziel führt, braucht dafür aber saubere Informationen. Diese zu liefern ist der deutsche Journalismus derzeit allerdings nicht in der Lage. Wir müssen uns daher ehrlicherweise aus der Diskussion heraushalten. Uns hat der deutsche Qualitätsjournalismus ja schon dahingehend informiert, dass Homosexualität in Russland verboten ist. Wer diesem Text bis hierher folgte, weiß, wie falsch das ist, und fragt sich hoffentlich, wie diese breite Streuung einer Fehlinformation passieren konnte.

In Bezug auf Russland jedenfalls ist den deutschen Medien nicht zu trauen. Das ist gefährlich. Denn wenn nachweislich die Informationen zu einem Thema falsch sind, sind sie es mutmaßlich zu anderen Themen auch und das Vertrauen erodiert massiv, vor allem aber berechtigt. Dies allerdings ist der aktuelle Zustand des deutschen Mainstreams. Er befindet sich in Erosion.

Doch er kann aus eigenem Antrieb die Fehlentwicklung nicht korrigieren. Die Berichterstattung über die Fußball-WM in Russland ist stehender Beweis. 

Inzwischen ist es drei Uhr morgens. Dima ist auf den Geschmack gekommen und möchte mehr, ich dagegen kann nicht mehr. Pawel bestellt ein Taxi, wir fahren nach Hause, Dima zieht mit einer Freundin weiter in die Mono-Bar, eine Gay-Disco. Wir sitzen in einem Taxi und fahren durch Moskau. Ich schaue aus dem Fenster – ich liebe diese Stadt, ihre Vielfalt und ihr Potential. Ich wünsche Russland aus tiefem Herzen ein Fußball-Sommermärchen und die Erfüllung all seiner Träume, denn ich weiß: sie sind friedfertig.

[«*] Gert-Ewen Ungar: Ein Anagramm, das bei unserer Abifeier im Jahr 1988 entstand und das ich seitdem nutze, wenn ich Kreatives produziere. Mit meinem ersten Reisebericht über Russland wurde dieser Name einem breiteren Publikum bekannt.

Ich studierte Philosophie und Germanistik in Frankfurt am Main, lebe in Berlin und arbeite als Pädagoge in der Sozialpsychiatrie. Seit 2014 reise ich häufig nach Russland und berichte über meine Erfahrungen dort. Ich schreibe regelmäßig für RT Deutsch.



Montag, 18. Juni 2018

KRITISCHES zu DDR-Zeiten - Leseproben



Maßstäbe so oder so

Einst Kritisches in der Wochenzeitung „Volksarmee“

Leseproben aus dem Buch „WIR SONNENKINDER“

Von Harry Popow

1978. August. „Maßstäbe so oder so“. Eine Überschrift in der VA-Nr. 36/78. Wieder einmal auf der Spur von widerwärtigem Betrug in der Ausbildung. In einer Panzerkompanie stellt Harry auf recht kriminalistische Art fest, vor einem Gefechtsschießen wurden - entgegen den Richtlinien in der Schießvorschrift - alle Ziele vorher gründlich „aufgeklärt“ und alle Richtschützen damit vertraut gemacht. Außerdem „vergaß“ man, Zielvarianten aufzubauen, ebenfalls ein Beweis für risikofreies Schießen. Nach der Veröffentlichung, bei der der Chefredakteur möglicherweise Bauchschmerzen bekommen hat, sagte dem Reporter einer, den er von der Offiziersschule her kennt und der jetzt General ist, er habe gedacht, man hätte dem Oberstleutnant Popow wegen dieses offenen und kritischen Artikels die „Beine weggesäbelt“. Monate später wurde dieser kritische Bericht in einem Buch über Probleme der Gefechtsausbildung nachgedruckt.

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

Dalai Lama soll gepredigt haben, achtjährigen Kindern möge man das Meditieren lehren. Nach drei Generationen gäbe es keine Gewalt mehr. So so!! Achtsamkeit, so sage ich mir, ist doch wohl eine der großen Verführungsmethoden zum Stillhalten, zum Innehalten, zum Schnauze halten zu dem, was die Politik zum Niederhalten von sozialen Protesten und für höhere Gewinne so treibt. Daniel Strassberg (Psychiater, Psychoanalytiker und Philosoph) meinte kritisch: Man fühlt sich fremdbestimmt und besinnt sich wieder auf sich. Doch letztlich haben auch solche Aussagen über den Zeitgeist etwas Triviales. Ein politischer Protest ist zudem nicht erkennbar, ebenso wenig eine gemeinsame Utopie, dafür wird Achtsamkeit zu selbstbezüglich ausgelegt. Und der Soziologe Hartmut Rosa kritisiert, die Achtsamkeitsbewegung sei unpolitisch und schiebe das Problem, sich in einem beschleunigten System der Arbeit zu behaupten, dem Einzelnen zu.

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

Inzwischen ist es Mai geworden. Harry hat etwas mehr Zeit am neuen Arbeitsplatz zum Nachdenken, Grübeln, Ideen entwerfen für die Darstellung von Armeeproblemen. Doch die wiederum sind eingebettet in die politische Weltlage, in die Zusammenhänge auch philosophischer Art. Er liest u.a. in der Zeitschrift für Philosophie 1/87 zu aktuellen Problemen der philosophischen und soziologischen Forschung in der SU, Seite 6: Die Ursachen für das Zurückbleiben der Philosophie sehen die Autoren u.a. im „Fehlen von gründlichen Forschungen zu den dialektischen Prozessen unter den Bedingungen des Sozialismus und von Untersuchungen der Eigenart des Erscheinens allgemeiner dialektischer Gesetzmäßigkeiten unter qualitativ neuen Bedingungen. Sehr bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Kategorie Negation und das Gesetz der Negation der Negation, angewandt auf die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft, faktisch nicht ausgearbeitet ist. (...) Die Folge des ‚Vergessens der Notwendigkeit, die Entwicklung (...) dialektisch und kritisch zu betrachten, ist eine vereinfachte, begrenzte, einseitige Vorstellung vom Inhalt selbst und dem Wesen der Produktionsverhältnisse im Sozialismus.“ Die Autoren zitieren die Klassiker ( M/E Werke, Bd. 23, S. 28): Karl Marx erklärte, dass die materialistische Dialektik „in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordene Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren lässt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.“ Harry merkt dazu an in seinem Tagebuch: Wenn etwas in Bewegung ist, gehört dazu – vom Subjekt aus gesehen - die Kritik und die Fähigkeit dazu! Einbringen bei nächsten Seminaren …

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

Paroli bieten


Wer keine Fragen stellt, bleibt einseitig. Harry stellt einige Erscheinungen und Gewohnheiten in der Armee wiederholt in Frage. So das unsägliche Notendenken. Man flunkert sich etwas vor. Man will den Erfolg um fast jeden Preis, denn das bringt erst die wichtigen Pluspunkte im Wettbewerb, die Prämien und Auszeichnungen. Mit dem Abteilungsleiter ist man sich schnell einig: Da gehen wir ran. Harry wird in die Spur gesetzt. Das Ziel: Bad Frankenhausen, der Truppenteil „Robert Uhrig“. Dort beobachtet der Reporter wie ein Luchs die Vorbereitungen zum Schießen und die Munitionsausgabe. Und tatsächlich. Nur die besten Schützen werden mit ausreichender Munition (lt. Vorschrift) bedacht, die „Schlummschützen“ bekommen weniger. Der Artikel wird in der VA 16/78 gedruckt. Es macht Freude, den Notenjägern eins auszuwischen. Aber: Es fällt leicht, die Oberfläche mit der Feder zu kritisieren. Die Ursachen für „Schmuh“ liegen tiefer, sehr viel tiefer ... Doch darüber liegt – wie man so sagt - der Mantel des Schweigens. Hier ist weiterhin öffentliches und offensives Bohren vonnöten.

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

Spiegelfechterei? Dienstreise nach Schwerin. Einige Soldaten hatten der Redaktion geschrieben. Sie seien nicht einverstanden mit der Methode „Ausgang streichen“ als Strafmaßnahme. Es reizt Harry, diesen vorschriftswidrigen Willkürakten auf den Grund zu gehen. Wie kann man auf eigene Faust Strafen verhängen, die in keiner Vorschrift stehen? Also auf zu den Absendern des Briefes. Dort fand der Reporter die Beschwerde der Soldaten bestätigt. Der Artikel wurde in der Nr. 16/65 der Militärbezirksseite veröffentlicht unter der Überschrift „Ausgang streichen - eine Privatsache?“ Tage darauf soll der Chef des Militärbezirkes getobt haben: „So eine Spiegelfechterei!!“ Na ja, wenigstens etwas, Harry freut sich ehrlich über diese Reaktion. Etwas Wirkung, und wenn es der Ärger einiger Vorgesetzter ist, muss sein. Mehr aber kann er nicht erwarten, er weiß inzwischen, sehr oft läuft man gegen Wände.

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

Wieder in Berlin. Bin aufgeladen. Stehe noch unter Strom. Will einen Diskussionsbeitrag für die Parteiversammlung über Erlebnisse in Leipzig halten. Vor allem über den Widerspruch zwischen dem vom Politbüro hochgejubelten Mikroship-Film und der gar nicht rosigen Resonanz bei jungen und sehr kritischen Zuschauern. Man macht sich was vor!! Den Vorgesetzten fährt der Schreck in die Glieder, ich sehe in ablehnende, verständnislose Gesichter meiner Genossen: „Um Gottes willen, bleibe bei der Militärpolitik, willst du etwa gegen die Einschätzung von ganz oben wettern?“ Mir ist richtig unwohl. So offensichtliche Fehleinschätzungen, so ein hausgemachter „Erfolg“, so viel Mittelmäßigkeit, so drastisch und niederschmetternd.




Harry Popow: „WIR SONNENKINDER. AUTHENTISCHE LEBENSBILDER“, Texte: © Copyright by Harry Popow, Umschlaggestaltung: © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-746719-09-2, Seiten: 504, Preis: 26,99 Euro