Lottis
Gedanken, Mitautorin von „EISZEIT-BLÜTEN", zu Manfred Ottos Buch
„Stein
auf Stein dem Himmel entgegen“
„Fest gemauert in
der Erden“ oder „Schicksal eines Menschen mit Blick vom
Fabrikschornstein auf sein Leben in drei deutschen Reichen“
Nimmt man Manfred Otto´s
Buch in die Hand, glaubt man zuerst, eine ganz normale, zunehmend
eine kritische, sehr sachliche Biografie als Lesestoff gewählt zu
haben. Die Familiengeschichte, Kindheit und Jugend, im Hauptteil das
eigene, vorrangig berufliche Leben, mit allen menschlichen Bindungen
und Ereignissen, belegt mit vielen Fotozeugnissen, wird im Fortgang
der Geschichte immer interessanter.
Anfangs hat man das
Gefühl, auf eine Maurerlehre vorbereitet zu werden. Nur die vielen
menschlichen Beziehungen, die auch immer der eigentliche Gegenstand
von Literatur sind, schauen bald als interessante und bedenkenswerte
Phänomene des Lebens von Manfred Otto aus allen geschilderten
Erlebnissen hervor. Die zweite Schicht des Erzählten, die
eigentliche Biografie, die Bedeutung, den Hintersinn, das „Warum
wird bekanntgemacht“ drängt sich ins Blickfeld und macht aus der
Biografie eines Einzelnen auch eine Gesellschaftsgeschichte. Seine
Kindheit und Jugend im Kriegs– und Nachkriegsdeutschland, die
schweren Lebensverhältnisse, die er mit seiner Familie durchstehen
musste, haben ihn für sein ganzes Leben geprägt.
Er berichtet vom Fleiß
und Leistungswillen vieler DDR – Bürger, dargestellt an seinem
Leben als Maurer und seiner menschlichen Zufriedenheit, wenn die
gestellten Aufgaben erfüllt worden sind. Immer wieder läuft die
Schilderung des jeweiligen Arbeitsvorganges parallel mit der
Darstellung der gemeinsam geschafften Leistung der Brigade. Das geht
nicht ab ohne das Aufzeigen der Schwierigkeiten im gemeinsamen
Arbeitsprozess mit seinen Kollegen. Eine nicht geringe Rolle spielen
dabei die Schwierigkeiten in der DDR, zum Beispiel die Bereitstellung
von Material. Hintersinnig und mit Ironie werden die subjektiven,
nicht immer legalen Beschaffungswege der verschiedensten
Baumaterialien durch die mit der Zeit entwickelten findigen Tricks
der einzelnen Arbeiter dargestellt und man kommentiert sie heute mit
einem Schmunzeln. Den Begriff des „Organisierens“, seinen
eigentlichen Sinn, kennen wir heute alle noch. Wie „Ersatzlösungen“
gefunden wurden, Überstunden Produktionsstockungen überwanden und
auch mal Arbeitsschutzanordnungen für die Zeit der Mängelbehebungen
außer Kraft gesetzt wurden, ist noch sehr gut erinnerlich. Dabei
steckt auch viel Humor dahinter.
Sehr kritisch setzt er
sich auch mit den Kampfgruppen auseinander, die für ihn viel zu
unproduktiv waren. Die Heilkur, zu der er gemeinsam mit anderen 120
Arbeitern nach Pomorije an die bulgarische Schwarzmeerküste
geschickt wurde, ist in ihm noch lebendig. Ebenso denkt er immer
wieder gern an die Gemeinsamkeiten mit seinen jeweiligen
Arbeitskollegen nach der Arbeitszeit, wobei die Geschichte vom
eingetauschten Spanferkel gegen ein paar Schamottesteine, die ein
Bauer für Reparaturen an seinem Hauskamin brauchte, den Leser zum
Lächeln bringt.
Ein einschneidendes
Erlebnis in seinem Leben war die Wende. Er musste mit ansehen, dass
die vielen Schornsteine, die er in seinem Leben gebaut hatte, auf
die er sehr stolz war, verschwanden und so mancher blühende
Industriestandort, wie Regis – Breitingen oder Zeitz, wurden
deindustrialisiert und versanken in die Bedeutungslosigkeit. „Doch
unsere gesamte Arbeit war für die Katz“…
Viele Bildbeigaben und
eine interessante Tabelle der Arbeitsorte erhöhen die Authentizität
des Berichtes. Er wird dadurch noch einprägsamer. Sein
„unpolitischer Nachsatz“ gibt eine auch kritische Sicht auf seine
gegenwärtigen Befindlichkeiten. Interessant auch die Frage, warum
das Saarland nach seinem Beitritt keine niedrigeren Löhne und Renten
aufgedrückt bekam. Aber er will kein “Jammer - Ossi“ sein. Er
blickt auf sein erfülltes Arbeitsleben in seinem für ihn
wunderbaren Beruf zurück.
Das Buch endet mit einem Blick auf den im Anfang beschriebenen, schlimmen „Kriech“ - den 2. Weltkrieg - mit dem Wunsch: „Meine Kinder und Enkel sollen nie einen Krieg erleben, denn ohne Frieden hat alles andere keinen Sinn“. Er wünscht sich, dass er, seine Kollegen und die Familie weiterhin im Frieden leben können.
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