Mittwoch, 13. Juni 2018

Lotti zu Manfred Ottos Buch


Lottis Gedanken, Mitautorin von „EISZEIT-BLÜTEN", zu Manfred Ottos Buch

Stein auf Stein dem Himmel entgegen“


Fest gemauert in der Erden“ oder „Schicksal eines Menschen mit Blick vom Fabrikschornstein auf sein Leben in drei deutschen Reichen“

Nimmt man Manfred Otto´s Buch in die Hand, glaubt man zuerst, eine ganz normale, zunehmend eine kritische, sehr sachliche Biografie als Lesestoff gewählt zu haben. Die Familiengeschichte, Kindheit und Jugend, im Hauptteil das eigene, vorrangig berufliche Leben, mit allen menschlichen Bindungen und Ereignissen, belegt mit vielen Fotozeugnissen, wird im Fortgang der Geschichte immer interessanter.

Anfangs hat man das Gefühl, auf eine Maurerlehre vorbereitet zu werden. Nur die vielen menschlichen Beziehungen, die auch immer der eigentliche Gegenstand von Literatur sind, schauen bald als interessante und bedenkenswerte Phänomene des Lebens von Manfred Otto aus allen geschilderten Erlebnissen hervor. Die zweite Schicht des Erzählten, die eigentliche Biografie, die Bedeutung, den Hintersinn, das „Warum wird bekanntgemacht“ drängt sich ins Blickfeld und macht aus der Biografie eines Einzelnen auch eine Gesellschaftsgeschichte. Seine Kindheit und Jugend im Kriegs– und Nachkriegsdeutschland, die schweren Lebensverhältnisse, die er mit seiner Familie durchstehen musste, haben ihn für sein ganzes Leben geprägt.

Er berichtet vom Fleiß und Leistungswillen vieler DDR – Bürger, dargestellt an seinem Leben als Maurer und seiner menschlichen Zufriedenheit, wenn die gestellten Aufgaben erfüllt worden sind. Immer wieder läuft die Schilderung des jeweiligen Arbeitsvorganges parallel mit der Darstellung der gemeinsam geschafften Leistung der Brigade. Das geht nicht ab ohne das Aufzeigen der Schwierigkeiten im gemeinsamen Arbeitsprozess mit seinen Kollegen. Eine nicht geringe Rolle spielen dabei die Schwierigkeiten in der DDR, zum Beispiel die Bereitstellung von Material. Hintersinnig und mit Ironie werden die subjektiven, nicht immer legalen Beschaffungswege der verschiedensten Baumaterialien durch die mit der Zeit entwickelten findigen Tricks der einzelnen Arbeiter dargestellt und man kommentiert sie heute mit einem Schmunzeln. Den Begriff des „Organisierens“, seinen eigentlichen Sinn, kennen wir heute alle noch. Wie „Ersatzlösungen“ gefunden wurden, Überstunden Produktionsstockungen überwanden und auch mal Arbeitsschutzanordnungen für die Zeit der Mängelbehebungen außer Kraft gesetzt wurden, ist noch sehr gut erinnerlich. Dabei steckt auch viel Humor dahinter.

Sehr kritisch setzt er sich auch mit den Kampfgruppen auseinander, die für ihn viel zu unproduktiv waren. Die Heilkur, zu der er gemeinsam mit anderen 120 Arbeitern nach Pomorije an die bulgarische Schwarzmeerküste geschickt wurde, ist in ihm noch lebendig. Ebenso denkt er immer wieder gern an die Gemeinsamkeiten mit seinen jeweiligen Arbeitskollegen nach der Arbeitszeit, wobei die Geschichte vom eingetauschten Spanferkel gegen ein paar Schamottesteine, die ein Bauer für Reparaturen an seinem Hauskamin brauchte, den Leser zum Lächeln bringt.

Ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben war die Wende. Er musste mit ansehen, dass die vielen Schornsteine, die er in seinem Leben gebaut hatte, auf die er sehr stolz war, verschwanden und so mancher blühende Industriestandort, wie Regis – Breitingen oder Zeitz, wurden deindustrialisiert und versanken in die Bedeutungslosigkeit. „Doch unsere gesamte Arbeit war für die Katz“…

Viele Bildbeigaben und eine interessante Tabelle der Arbeitsorte erhöhen die Authentizität des Berichtes. Er wird dadurch noch einprägsamer. Sein „unpolitischer Nachsatz“ gibt eine auch kritische Sicht auf seine gegenwärtigen Befindlichkeiten. Interessant auch die Frage, warum das Saarland nach seinem Beitritt keine niedrigeren Löhne und Renten aufgedrückt bekam. Aber er will kein “Jammer - Ossi“ sein. Er blickt auf sein erfülltes Arbeitsleben in seinem für ihn wunderbaren Beruf zurück.

Das Buch endet mit einem Blick auf den im Anfang beschriebenen, schlimmen „Kriech“ - den 2. Weltkrieg - mit dem Wunsch: „Meine Kinder und Enkel sollen nie einen Krieg erleben, denn ohne Frieden hat alles andere keinen Sinn“. Er wünscht sich, dass er, seine Kollegen und die Familie weiterhin im Frieden leben können.

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