„Die Jahrhundertlüge, die nur
Insider kennen“ - von Heiko Schrang
Buchtipp von
Harry Popow
Ein Fußballmatch läuft
ähnlich ab wie ein Spiel im realen Leben. Viele stürmen das
gegnerische Tor, zwei stehen abwartend in den Toren und die Masse der
Zuschauer sitzt jubelnd in den Rängen. Der Autor Heiko Schrang
verkörpert alle drei Positionen in einer Person. Sein Buch muss man
nicht nur gelesen haben, sondern auch verdauen: „Die
Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen.“
Der Autor, geboren 1969,
ist bekennender Buddhist. Im Untertitel heißt es „erkennen –
erwachen – verändern.“ Es liest sich spannend, allein schon
wegen der recht unbekannten skandalösen politischen Fakten als auch
wegen der Kapitel. Aber: Es ist interessant und enttäuschend,
aufklärend und lähmend zugleich. Sowohl als auch, wie der Autor oft
betont in seinem Text. Wissend, dass ich gegen den Strom vieler
Kommentatoren, die dieses Buch über den grünen Klee loben,
schwimme, sage ich, es ist auch ein gefährliches Buch.
Zur Sache: Was nur Insider
kennen, will natürlich auch der Leser wissen. Und tatsächlich, der
Autor schießt nahezu auf jeder Seite dieses zweigeteilten Textes
Tore in das kapitalistische Machtsystem, weshalb auch klar ist, dass
dieses Buch, wie Heiko Schrang schreibt, nicht in den großen
Buchhandlungen zu finden sein wird. Andererseits: Ich habe noch
niemals ein politisches Sachbuch gelesen und rezensiert, dass
dermaßen widersprüchlich in seinen inhaltlichen Aussagen ist. Es
teilt sich in zwei Teile. Der erste Teil widmet sich den objektiven
Machtverhältnissen und ist deshalb der Kapitalelite
selbstverständlich zu heiß und ein Dorn im Auge. Der zweite Teil
dieses Textes kommt einem privaten Selbsttor gleich, denn da verfällt
der Autor – es ist sein gutes Recht – in eine die
Kapitalherrschaft duldende Buddha-Position. Und dieser Standpunkt,
auf den noch eingegangen wird, befindet sich in Kongruenz mit der
bürgerlichen Ideologie der Nur-Selbstbestimmung des Menschen, seines
gottgewollten Daseins und letztlich der Aussage, dass das Bewusstsein
das Sein bestimmen würde und nicht umgekehrt. Idealismus pur!
Beifall zunächst für die
mühevoll recherchierten und teilweise in der Öffentlichkeit
geheimgehaltenen Fakten des ersten Teils dieser Dokumentation. Aus
der Absage von Verlagen, das Buch zu drucken, zieht er mit Recht den
Schluss, „dass starke Abhängigkeiten zwischen Politik, Wirtschaft
und Medien bestehen,...“ (S.9) Den ersten Volltreffer – wie kann
es anders sein, wenn man vom dialektischen Prinzip Ursache und
Wirkung ausgeht – landet er im Bereich der Bankenherrschaft. „Eines
der wohl bestgehüteten Geheimnisse, (…) ist die Tatsache , dass
die amerikanische FED (Federal Reserve Bank) keine staatliche
Einrichtung, sondern eine Privatbank ist, die im Jahre 1913 gegründet
wurde.“ (S. 13) Unter der Führung der beiden Großfinanzgruppen
Rothschild und Rockefeller, so der Autor, wurde eine private
Zentralbank mit dem Recht geschaffen, eigenes Geld zu drucken und
auszugeben, was gegen die amerikanische Verfassung verstieß. Dieser
Schwindel bewirkte, dass sich die Gütermenge der Welt in den letzten
30 Jahren nur vervierfachte, während „sich die Geldmenge um das
Vierzigfache vermehrt“. (S.14) Die FED habe vor allem durch
Obligationen der US-Regierung das Pfandrecht – staatlich und privat
– auf den Grundbesitz der gesamten Vereinigten Staaten von Amerika.
Zahllose Gerichtsverfahren, diese Machtanhäufung rückgängig zu
machen, seien bisher ohne Wirkung geblieben. So habe John F. Kennedy
1963 dies versucht, um der Regierung zu ermöglichen, „wieder ihr
eigenes, schuldenfreies Geld“ herauszugeben, ohne auf die
Kreditaufnahme angewiesen zu sein. Auch aus diesem Grund bezahlte er
dafür noch im gleichen Jahr mit dem Leben. Es sei kein Wunder, dass
durch die Senkung der Kaufkraft des Dollars seit 1913 um ca. 98
Prozent immer mehr Staaten versuchen, sich dem Betrug zu entziehen
und ihre Handelsbeziehungen auf Euro-Basis umstellen wollen, was für
die USA enorme Verluste bedeuten würde. (S. 14/15)
Heiko Schrang setzt seine
Torschüsse punktgenau auf den 256 Seiten an und entlarvt sowohl
unser Geldsystem, das auf dem Prinzip von Zins und Zinseszins beruht,
als auch die Auslegung des Grundgesetzes der BRD, das „dem aus Zins
entstandenen Eigentum mehr Schutz einräumt, als dem Erarbeiteten“.
(S. 21) Er wirft Bonn Verrat an der D-Mark vor und offenbart, dass in
Wahrheit hinter den Entscheidungen zur Abschaffung der D-Mark die
„heimliche Nebenregierung der EU, der ERT (European round table of
industrialists) stehe. Dieser hätte bereits im Frühjahr 1991 einen
Fahrplan für eine Währungsunion veröffentlicht. (S.26) Aufs Korn
nimmt er die Zerstörung der Nationalitäten durch die EU-Bürokraten,
hinter denen ganz andere Interessen- gruppen, wie zum Beispiel die
Bilderberger, stehen, sowie die still und leise erfolgende Entsorgung
der Demokratie. Man spreche sich sogar für ein Ende „der
Souveränität der Parlamente in Europa“ aus. „Das wäre dann mit
dem Ende der alten demokratischen Ordnung verbunden und käme einer
Diktatur in Europa nah,“ schreibt der Autor auf Seite 30.
Entlarvende Torschüsse
fallen gegen Verschwörungen, wie zum Beispiel Goldmann-Sachs. Dieses
unsichtbare Imperium habe ein Vermögen von mehr als 700 Milliarden
Euro und übersteige „das Budget des französischen Staates um das
Zweifache“, so der Autor. Der Börsenhändler Alessio Rastani sagte
in einem Interview der britischen BBC im Herbst 2011: „Nicht die
Regierungen beherrschen die Welt, sondern Goldmann-Sachs regiert die
Welt.“ (S. 41) „Gefährlich“ nahe kommt der Autor auch dem oft
unterdrückten Thema der Geldgeber für Hitler, wobei auch die USA
ihre Hände im Spiel hatten. Scharfe Schüsse lässt er fallen, um
die Hintergründe und vorgetäuschten Anlässe von Kriegen ans
Tageslicht zu zerren, so Pearl Harbor, den Tonkin-Zwischenfall
(Vietnamkrieg), die Irakkriege, die Afghanistan-Lüge, die
Lybienlüge. Er zählt die mysteriösen Todesfälle auf, Opfer auch
in Politik und Wirtschaft.
Deshalb nochmal zum Fall
Kennedy: Er wollte nicht nur die FED durch eine staatliche
Zentralbank ersetzen, sondern auch den Vietnamkrieg beenden sowie der
Entwicklung „von Atomwaffen in Israel Einhalt gebieten“. (S. 91)
Er warnte vor einer Verschwörung der Strippenzieher im Hintergrund,
die „mit dem Einsatz größter Geldmittel entscheidenden Einfluss
auf die Politik“ nehmen, „um Zensur und Überwachung einführen
zu können“. (S. 92) Offen bekannte der Milliardär David
Rockefeller 2002 in seinen Memoiren: Man sei gut vorbereitet, „um
zu einer Weltregierung zu gelangen. Die übernationale Autorität und
Kompetenz einer intellektuellen Elite und der Weltbanker ist sicher
eher zu bevorzugen, als zu erlauben den einzelnen Nationen sich
selbst zu entwickeln (...)“. (S. 93)
Nicht zu vergessen die
nicht aufgeklärten Todesfälle von Rohwedder, Herrhausen, Barschel,
Möllemann u.a. Ein ganzer Abschnitt ist den Illuminaten gewidmet,
deren Orden ebenfalls „die Errichtung einer neuen Weltordnung –
in Verbindung mit einer Weltregierung“ anstreben, ebenso wie die
bereits erwähnten Bilderberger, die als unsichtbare Regierung im Mai
1954 in den Niederlanden gegründet wurden. (S. 137) Peinlich für 29
deutsche Politiker, die als Teilnehmer der Bilderberger-Treffen
namentlich genannt sind, unter ihnen Angela Merkel, Wolfgang Schäuble
und Guido Westerwelle. (S. 141)
So knallhart der Autor die
Mächtigen dieser Welt gegen das Schienenbein tritt, so zaghaft und
zurückhaltend verhält er sich als Torhüter oder Nur-Zuschauer.
Eben noch beschießt er Schuldige, Banken, das Kapital, die
Illuminaten, Bilderberger und Freimaurer – und nun kneift er. Zieht
sich als bekennender Buddha auf sein Ich zurück, auf dessen
Position, die da lautet: „Jeder Mensch erschafft sich seine Welt
mit seinen Gedanken“. (S. 222) Dabei gehört zum wichtigsten Erbe
der Klassiker, dass jegliche Veränderungen und Erscheinungen in der
Gesellschaft nicht aus den Köpfen kommen, sondern aus der
Produktionsweise und dem Austausch der Produkte.
Schrang mahnt, man dürfe
bei der oben beschriebenen Faktenlage nicht „stehen bleiben“.
Allerdings verändere man gar nichts, sagt er, „wenn Sie diese
Personen oder Gruppen für die Weltprobleme verantwortlich machen und
womöglich noch bekämpfen“. (S. 152) Man solle in der heutigen
hektischen Welt mehr nach seinem Inneren Ausschau halten, um dort
Ruhe und Gelassenheit wiederzufinden. (Was im übrigen ohnehin die
meisten machen.) Auf Seite 184 heißt es: „Wenn Sie sich ändern,
dann ändert sich automatisch Ihre Welt und die Welt um Sie herum.“
Man solle sich mehr Zeit nehmen, nach innen zu schauen und sich die
Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen, was ja auch richtig ist.
(S. 217) Sehr befremdlich ist, wenn Heiko Schrang nach den Ursachen
von Kriegen forscht indem er behauptet, dass die meisten Kriege von
Menschen begonnen wurden, „die Minderwertigkeitskomplexe hatten und
sich im Innersten schwach und unglücklich fühlten“. (S. 187)
In der Meditation finde
man „innere Wahrheit und Glück “. (S. 195) Man solle nicht nach
Schuldigen in der Außenwelt suchen, „da wir wissen, dass diese nur
eine Spiegelung unserer inneren Welt“ darstelle. (S. 222) Man
strebe eine Welt ohne Schuldzuweisungen und Verurteilungen an!!! Die
Aktivitäten protestierender Bürger lähmend und nahezu gefährlich
wirkt jedoch, wenn der Autor den Zeigefinger erhebt, nicht gegen den
Krieg zu kämpfen, sondern den Frieden in sich selbst herzustellen.
(S.183) Das ist selbstverständlich seine Sache und seine private
Sicht. Er geht jedoch nicht davon aus, dass die Erfahrungen und
Erkenntnisse der Leser deckungsgleich mit denen des Autors sind.
Was bleibt da dem
schwachen Leser übrig, als sich ebenfalls auf die Ränge des
Stadions zu begeben und mit Frohsinn abzuwarten, wie eine
erfolgreiche Mannschaft ihre Tore schießt. Man bleibt außen vor und
trägt nur Verantwortung für sich selbst. Beim Spiel mag das
angehen, beim Spiel des Lebens geht das – wie die Geschichte und
die Gegenwart leider zeigen – finster aus. Der Schlusssatz geht so:
Man gehe von außen nach innen und dann wieder von innen nach außen,
„um unsere Welt zu verändern“. (S. 229) So wird der
angriffsfreudige Torschütze „Buddha“ zu einem lahmen Schaf...
Heiko Schrang: „Die
Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen“, Macht-steuert-Wissen
Verlag, ISBN: 978-3-9815839-0-8, 256 Seiten, 4. Auflage 2013, Preis:
24,90 Euro, Druck und Bindung: Media-Print Informationstechnologie
GmbH, 33100 Paderborn.
Erstveröffentlichung
in der Neuen Rheinischen Zeitung