Leserbrief an „junge welt“ am 23.09.2013: Gefährliche Entpolitisierung
Danke Stefan Huth
für Deinen Beitrag. Die Wahl hat der Schäfchenhüterin Merkel recht
gegeben: Die Entpolitisierung hat wieder einmal triumphiert. Sie
schafft Ruhekissen für nahezu jedermann. Alles bleibt beim Alten.
Mit ihrer lavierenden Art als Chamäleon-Dame wickelt sie vor allem
jene ein, die sich dem Denken in Zusammenhängen bequem entziehen,
weil sie es so tagtäglich erleben – von den Politikern, von den
bürgerlichen Medien.
Entpolitisierung
ist eine der wichtigsten Methoden, um das Volk in Hörigkeit zu
halten. Der Brisanz dieser Feststellung begegnet man allemal: Da wird
die Alternative zum Kapitalismus, die DDR, auf Diktatur und Stasi
reduziert, da wird die Befreiung vom Faschismus auf „Kriegsende“
umgedeutet, da wird die Tatsache der zweiten Front durch die
westlichen Allierten als der entscheidende Anteil des Sieges über
Hitlerdeutschland hochstilisiert, da werden die Opfer des
Faschismus auf die Judenverfolgung reduziert...
Gehen
wir noch weiter zurück: In seinem wundervollen Büchlein „Herztöne“
schreibt der einstige bekannte DDR-Publizist Hajo Herbell auf den
Seiten 147-149 folgendes: Selbst die Histiographie zeige sich
„rechtslastig, national-konservativ“. Im „Lexikon der
Weltgeschichte von 1999 lese sich das zum Beispiel so: „Unter dem
Kommando (!) von Bauernführern wie Thomas Müntzer (…) kam es (…)
zu zahlreichen Erhebungen. (…) Nach anfänglichen Erfolgen (…)
schlug der Protest um in nackte Gewalt, es kam zu Plünderungen und
Mordtaten“, (…) bis die armen Fürsten quasi gezwungenermaßen
ihre überlegene Streitmacht aufboten. Im „Bildatlas Deutsche
Geschichte“ von 1999 werde Thomas Müntzer als „irrlichtender
Geist“ bezeichnet und Luther werde ebenso verkleinert und sein
reformistisches Aufbegehren geschah aus „privater Gewissensnot“.
Selbst die mutige Tat von Stauffenberg werde des Politischen beraubt
und allein aufs Moralische reduziert, so Herbell. (S. 150) Da sind
sie – die Reduzierungen auf Nebensächlichkeiten, die heute
Hochkonjunktur haben.
Um jede Ursache gesellschaftlicher Fehlleistungen wird ein Umgehungsschild aufgestellt!!! Ja nicht in die Tiefe gehen. Politisches Nachdenken ist gefährlich uncool.
Um jede Ursache gesellschaftlicher Fehlleistungen wird ein Umgehungsschild aufgestellt!!! Ja nicht in die Tiefe gehen. Politisches Nachdenken ist gefährlich uncool.
Harry
Popow, Schöneiche b. Berlin
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