Dienstag, 31. Juli 2018

Kolonialmacht USA - von Craig Roberts



Die USA sind die einzige
verbleibende Kolonialmacht


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 31. JULI 2018

von Paul Craig Roberts – http://www.antikrieg.com

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat niemals unabhängige Regierungen in Lateinamerika zugelassen. Jedes Mal, wenn Menschen eine Regierung wählen, die sie anstelle der wirtschaftlichen Interessen der USA vertritt, stürzt Washington die gewählte Regierung. Marine General Smedley Butler sagte uns dies wie viele andere. Daran besteht kein Zweifel.

Derzeit versucht Washington, die Regierungen von Venezuela und Nicaragua zu stürzen und hat die ecuadorianische Regierung mit Ölkäufen und den üblichen persönlichen Bestechungsgeldern aufgekauft. Auch die Regierung Evo Morales in Bolivien wird von Washington angegriffen. Dem Obama-Regime gelang es, die Reformregierungen in Honduras, Argentinien und Brasilien abzuschaffen.

Reformregierungen in Lateinamerika, mit Ausnahme von Castros Kuba, lassen sich immer wieder stürzen. Sie erlauben den Agenten Washingtons, wie der National Endowment for Democracy, der US-Agentur für internationale Entwicklung und verschiedenen sogenannten NGOs, deren Ziel es ist, Washingtons Kontrolle aufrechtzuerhalten und jede Regierung zu stürzen, die sich der Kontrolle entzieht, oppositionelle Gruppen und Medien, die Hand in Hand mit Washington arbeiten, zu organisieren und zu finanzieren, um wieder eine Washington gefällige Regierung einzusetzen.

Wie Marx, Lenin, Mao und Pol Pot verstanden haben, kann man eine Unterdrückerklasse nicht stürzen, wenn man sie unbehelligt lässt. Ob aus Schwäche oder Dummheit, lateinamerikanische Reformregierungen lassen die wahlbesiegte Unterdrückerklasse und ihre Wirtschafts- und Medienmacht immer unbehelligt. Wenn Washington die Unterdrückerklasse wieder an die Macht bringt, wird den gestürzten Reformern, die normalerweise mit ihrem Leben bezahlen, nie die gleiche Toleranz entgegengebracht.

Alle lateinamerikanischen Reformbemühungen haben den törichten Fehler gemacht, die Unterdrückerklasse mit ihren Zeitungen und ihren verräterischen Verbindungen zu Washington zu belassen, einschließlich der Regierung von Präsident Ortega in Nicaragua, . Man könnte meinen, Ortega wüsste es besser. Washington hat seit der Reagan-Regierung versucht, Ortega und die Sandinistas loszuwerden. Seine Regierung hat den letzten Putschversuch unter Führung Washingtons überlebt, aber Washington steckt mehr Geld in die Bemühungen. Lesen Sie den Bericht von Kevin Zeese hier: > LINK (auf englischsprachige Seite)

Hugo Chavez machte den gleichen Fehler in Venezuela, und sein Nachfolger hat den Fehler wiederholt. Die kubanische Post-Castro-Regierung gerät nun auch in die Falle, ein amerikanischer Vasall zu werden, wie sie es unter Fulgencio Batista war.

Die Monroe-Doktrin wurde schon immer in US-Lehrbüchern als Warnung an die europäischen Kolonialisten verherrlicht, sich von Lateinamerika fernzuhalten. Die Amerikaner beabsichtigten, es für sich zu behalten, und es gelang ihnen, Lateinamerika als Kolonie zu erhalten. Die Organisation Amerikanischer Staaten war schon immer in der Tasche Washingtons und ist es auch heute noch. Lateinamerika akzeptiert seine kolonisierte Existenz und kommt den demokratischen Regierungen nicht zu Hilfe, die Washington zum Sturz anpeilt. Lateinamerika ist impotent, weil seine Führer von Washington bezahlt, erpresst oder bedroht werden.

Washington hat seit jeher behauptet, der große Freund und Beschützer der Demokratie zu sein, aber jedes Mal, wenn eine unabhängige Regierung in Lateinamerika entsteht, stürzt Washington sie.

Im Jahr 2015 unterzeichnete Präsident Barack Obama, Amerikas erster schwarzer Präsident und „großer Freund der Unterdrückten“ angesichts „der ungewöhnlichen und außerordentlichen Bedrohung der nationalen Sicherheits- und Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika durch Venezuela“, eine Regierungsverordnung und verhängte Sanktionen. Obamas Vorwand war die von Washington inszenierte Gewalt, die zur Festnahme einiger Gewalttäter führte. Washington nannte die Kriminellen schnell „politische Gefangene“ und rief zum „Dialog“ auf, statt „Kritiker mit Verhaftungen zum Schweigen zu bringen“. Washington erklärte die Verhaftungen von Gewalttätern zu „Menschenrechtsverletzungen durch die venezolanische Regierung“. (> LINK auf englischsprachige Seite)

Mit anderen Worten, die venezolanische Regierung hat die Menschenrechte Washingtons verletzt, die venezolanische Regierung zu stürzen.

Die Presse berichtete dies mit einem geraden Gesicht.

Eine Regierung, die sich nicht schämt, die durchsichtigsten Lügen zu erzählen, während sie aktiv versucht, eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen, ist eine Regierung, die weltweite Verurteilung verdient. Doch die Welt ist zu gut bezahlt oder hat Angst, ihren Mund aufzumachen.

erschienen am 30. Juli 2018 auf Paul Craig Roberts´ Website

http://www.antikrieg.com/aktuell/2018_07_30_dieusa.htm





Freitag, 27. Juli 2018

Der Feind heißt FRIEDEN - Paul Craig Roberts



Der Staat im Staate – Der Tiefe Staat der USA fürchtet nichts mehr als den Willen zum Frieden


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 27. JULI 2018

von Paul Craig Roberts – http://www.rubikon.news

Russland muss sich darüber im Klaren sein, dass es keinen Frieden mit den USA geben kann, solange es sich den USA nicht unterwirft, meint Craig Paul Roberts. Weder die Demokraten, noch die Republikanern wollen eine richtige Annäherung zu Russland. „Normale Beziehungen“ mit den USA bedeuten, die eigene Souveränität als Staat aufzugeben.

Wenn sie überleben wollen, müssen die Regierungen von Russland, China, Iran und Nordkorea ihre Illusionen darüber aufgeben, Abkommen mit den USA vereinbaren zu können. Zu Bedingungen, die diese Länder akzeptieren könnten, sind solche Abkommen nicht möglich.

Gewalt als Grundlage US-amerikanischer Außenpolitik



US-amerikanische Außenpolitik beruht auf Drohungen und Gewalt. Ihre Richtschnur ist die neokonservative Doktrin einer US-Hegemonie, eine Doktrin, die sich nicht mit der Akzeptanz der Souveränität anderer Länder vereinbaren lässt. Die einzige Möglichkeit für Russland, China, den Iran und Nordkorea, ein Abkommen mit den USA zu schließen, besteht darin, zu Vasallen der USA zu werden – wie Großbritannien, ganz Europa, Kanada, Japan und Australien.

Verhasster Trump



Die Russen – vor allem die naiven Atlantiker-Integrationisten – sollten die extreme, an Irrsinn grenzende, Feindseligkeit zur Kenntnis nehmen, die die gesamte US-amerikanische politische, mediale und intellektuelle Szene dem Treffen in Helsinki entgegengebracht hat. Putin irrt in der Annahme, die Beziehungen zwischen Russland und den USA seien in Geiselhaft eines internen politischen Kampfes zwischen den beiden Parteien genommen.

Die Republikaner sind ebenso verrückt und genauso feindselig gegenüber Präsident Trumps Bemühungen, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu verbessern, wie die Demokraten, worauf Donald Jeffries hinweist.

Die US-amerikanische Rechte ist genauso ablehnend wie die Linke. Nur wenige Experten haben sich für Trumps Versuch ausgesprochen, die gefährlichen Spannungen zwischen den Atommächten abzubauen. Zu ihnen gehören Stephen Cohen und Jack Matlock, der zu Reagans Zeiten Botschafter in Russland war. Nur ein paar Kritiker haben die tatsächlichen Fakten und das, was auf dem Spiel steht, erläutert.

„Schurkenstaat“ Russland



In der außenpolitischen Arena der USA erfahren Trumps Friedenspläne mit Russland keine Unterstützung. Richard Haas, Präsident des Rats für Auswärtige Beziehungen, sprach für sie alle, als er erklärte, dass „wir Putins Russland als den Schurkenstaat behandeln müssen, der er ist.“

Russland ist ein „Schurkenstaat“ ganz einfach deswegen, weil er die Oberherrschaft der USA nicht akzeptiert. Einen anderen Grund gibt es nicht.

Selbst in Trumps eigener Regierung gibt es keine Unterstützung für die Normalisierung der Beziehungen mit Russland – außer, die neokonservative Definition normaler Beziehungen käme zur Anwendung. Für Neokonservative bedeutet „normale Beziehungen“ Vasallentum unter Washington. Dies, und nur dies, ist „normal“. Russland kann normale mit Beziehungen mit den USA nur auf der Grundlage dieser Definition von „normal“ haben. Putin und Lawrov werden diese Tatsache früher oder später anerkennen müssen.

Trump – ein russischer Lakai?



Eine Lüge, die immer und immer wiederholt wird, wird zur Tatsache. Dies ist bei Russiagate geschehen. Trotz der gänzlichen Abwesenheit an Beweisen ist es in den USA nun eine Tatsache, dass Putin selbst Trump ins Oval Office befördert hat.

Dass sich Trump mit Putin in Helsinki getroffen hat, wird als Beweis dafür angesehen, dass Trump Putins Lakai ist, wie die New York Times und andere es nun als offensichtlich darstellen. Dass Trump neben dem „mörderischen Verbrecher Putin“ stand und Putins Beteuerung akzeptierte, Russland habe sich nicht in die US-Präsidentschaftswahlen eingemischt, wird als doppelter Beweis dafür angesehen, dass einerseits Putin Trump in der Hand hat und dass andererseits die Russiagate-Geschichte wahr ist.

Wir wissen nun, warum der Neokonservative John Bolton das Treffen in Helsinki arrangiert hat. Es war eine Falle für Trump. Es bereitete ihn für die politische Exekution durch die Medien und den Kongress, beide vom Militär- und Sicherheitskomplex gesteuert, vor. Es gibt in den USA keinerlei Unabhängigkeit in den Print- und TV-Medien – mit Ausnahme Tucker Carlsons – und keinerlei Unabhängigkeit im Kongress. Dies sind gesteuerte Institutionen und auch Tucker Carlson wird nicht mehr lange toleriert werden.

Die Lüge über die russische Einmischung ist nun so fest etabliert, dass selbst der offene Brief, der in The Nation veröffentlicht und von solchen Koryphäen wie Daniel Ellsberg, Noam Chomsky und Gloria Steinem unterzeichnet wurde, feststellt: „Wir müssen einen gemeinsamen Nenner finden, um nationale Interessen zu schützen – wir müssen Schritte unternehmen, um die Wahlen abzusichern und einen Krieg zwischen den beiden nuklearen Supermächten zu verhindern.“ Selbst die klügsten Köpfe Amerikas müssen Russiagate als Tatsache hinnehmen und betrachten den Schutz der Wahlen als genauso wichtig wie die Verhinderung eines Atomkrieges.

Bloß kein Frieden mit Russland



Für Trumps Pläne zur Normalisierung der Beziehungen mit Russland gibt es weder in der Demokratischen noch in der Republikanischen Partei nennenswerte Unterstützung. Das Zusammenspiel einer zur Wahrheit gewordenen Lüge und der Macht gemeinsamer politischer Kampagnen des Militär- und Sicherheitskomplexes reicht aus, um jegliche Unterstützung für die Normalisierung der Beziehungen mit Russland im Keim zu ersticken.

Jeder US-Senator oder Abgeordnete, der Trump darin unterstützt, Russland von der Feindesliste zu nehmen, wird sich bei der Wiederwahl finanzstarken Widersachern gegenübersehen, die ihn als Verräter bezeichnen, der Trumps Verrat gegenüber den USA unterstützt hat, wohingegen seine eigenen Einnahmen an Wahlkampfspenden versiegen werden.

Frieden ist gleich Verrat



Das US-amerikanische Volk, das nicht auf der Gehaltsliste des Militärs beziehungsweise der Sicherheitsdienstleister steht oder anderweitig von dieser mächtigen Lobby abhängig ist, unterstützt den Frieden und hat Trump deswegen gewählt – nur um dann zu entdecken, dass ein Präsident, der für Frieden mit Russland steht, als Verräter gebrandmarkt wird.

Dies war schon häufig in der Geschichte der Fall. So hat zum Beispiel A. J. P. Taylor in seinem Geschichtswerk „The First World War“ („Der Erste Weltkrieg“) erklärt, dass alle Bemühungen, den katastrophalen, Europa zerstörenden Krieg zu beenden, abgeblockt wurden, indem man „jeden Fürsprecher für Frieden oder auch nur Mäßigung als Miesmacher, Pazifisten, vermutlichen Verräter“ verleumdete. Laut Taylor wollten die „Zylinderträger“ das Geld, und die „Mützenträger“ bezahlten dafür mit ihrem Leben.

Wir erleben gerade, dass eine Demokratie schwach und dysfunktional wird, wenn sie sich mächtigen Lobbyorganisationen gegenübersieht, die ihren Einfluss auf das Narrativ ausüben. In den USA ist die Kontrolle der Erklärungen so umfassend, dass die große Mehrheit in der Matrix (Anmerkung der Übersetzerin: Anspielung auf die allumfassende Scheinwelt des Films „Matrix“) lebt.

Positives Echo in Russland



Die russischen Medien haben den US-amerikanischen Ausbruch von Hass und Beleidigungen gegenüber Trump für den „Verrat an den USA“ ignoriert und das Treffen in Helsinki positiv dargestellt – als Anfang eines Weges zu besseren Beziehungen. Diese russische Betrachtungsweise ignoriert die Tatsache, dass Trump weder in der US-Regierung noch in den Medien Rückhalt dafür hat, diesen Weg einzuschlagen. Die russischen Medien müssen sich unbedingt mit den US-amerikanischen Reaktionen auf das Treffen mit Putin in Helsinki vertraut machen. In meinen jüngsten Kolumnen habe ich einige dieser Reaktionen gesammelt und über den Link in dieser Kolumne zu Donald Jeffries (siehe oben) kann man sich einen guten Überblick über die ablehnende Haltung der Republikaner gegenüber Trumps Versuch, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu kitten, verschaffen.

So wie im Ersten Weltkrieg die britische, französische, deutsche und russische Regierung das Schlachten nicht beenden konnten, weil sie den Sieg versprochen hatten und sonst diskreditiert worden wären, wird die russische Regierung heute gezwungen sein, sobald sie den russischen Bürgern bessere Beziehungen zu den USA in Aussicht stellt, diese auch zu liefern. Dies wird aber bedeuten, dass die russische Regierung mehr aufgeben muss als sie gewinnt. Die russische Souveränität wird ein Teil des Preises für die Einigung sein.

Halten die Russen in ihrer verzweifelten Hoffnung auf Akzeptanz durch den Westen an der Illusion fest, dass Washingtons Hegemonie verhandelbar ist, wird das nicht nur sie selbst, sondern die ganze Menschheit in Gefahr bringen.

Postskriptum: Die Tirade eines Niemands ohne Verdienst oder Errungenschaft im weiter unten aufgeführten Link zu „Salon“, die, wie ich befürchte, vermutlich zum Bestand der CIA-Organ zählt, ist faktenfrei. Es ist aber ein treffliches Beispiel für den organisierten und inszenierten Angriff auf die Wahrheit und gegen jene Persönlichkeiten, die sich der Wahrheit verpflichtet haben, wie Jill Stein und Julian Assange.

Weil sie es darauf anlegen, Trump zu verunglimpfen, kann man die Schilderungen des anonymen republikanischen Staatssenators im „Salon“ nicht ernst nehmen, der seinen Glauben an Trump nur deswegen verloren haben will, weil dieser sich Putin gegenüber nicht provozierend verhalten hat. Trotzdem sind diese Schilderungen, selbst wenn sie erfunden sind, richtig in dem Sinne, dass sie das gesteuerte Narrativ widerspiegeln, das man dem US-amerikanischen Volk und den Untertanen des Washingtoner Imperiums einflößt.

Die russischen Medien müssen dringend den Artikel im Salon übersetzen und veröffentlichen, damit das russische Volk versteht, dass kein Abkommen mit den USA möglich ist, in dem Russland weiterhin ein souveräner Staat bleibt. Der Hass auf Russland, der gerade in den USA geschürt wird, ist außerordentlich. Er kann nur zum Krieg führen.

In der gesamten westlichen Welt haben Wahrheit und Fakten ihre Autorität verloren. Der Westen lebt in einer Lügenwelt, derselbe Westen, der sich der Welt entgegenstellt. Es ist mitleiderregend mit anzusehen, wie Putin und Lawrow sich immer wieder an Fakten und die Wahrheit berufen, wenn diese doch im Westen nichts bedeuten.

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „America Overrules Trump: No Peace With Russia„. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

Paul Craig Roberts
Paul Craig Roberts, Jahrgang 1939, ist ein US-amerikanischer Ökonom und Publizist. Er war von 1981 bis 1982 Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik im Finanzministerium der Regierung Reagan und ist als Mitbegründer des wirtschaftspolitischen Programms der Regierung Reagan mit dem Namen „Reaganomics“ bekannt. Er war Mitherausgeber und Kolumnist des Wall Street Journal und Kolumnist von Business Week. Bei über 30 Anlässen wurde er im Kongress um seine Expertise zu Themen der Wirtschaftspolitik gebeten.

https://www.rubikon.news/artikel/der-staat-im-staate





Dienstag, 24. Juli 2018

Oberflächliches "Schmerzgetöse" - U. Gellermann



Wie man die Linkspartei überflüssig quatscht


Sozial-Senatorin Breitenbach zum Anschlag auf Obdachlose


Autor: U. Gellermann
Datum: 24. Juli 2018

Eine dünne Sprache sickert aus dem Radio in die Ohren der Hörer, Vokabeln wie "Verrohung" und "Mitmenschlichkeit" schwärmen durch den Äther wie Fliegen in der Sonne. Es spricht die Sozialsenatorin Elke Breitenbach. Ihre routinierte Stimme kommentiert ein Verbrechen: Jüngst gab es in Berlin einen widerlichen Mordschlag auf zwei Obdachlose. Unbekannte Täter hatten versucht die beiden zu verbrennen. Das Zusammenleben, sagt die Frau fürs Soziale, sei roher geworden - weltweit.

Parlamentarische Posten können für linke Parteien sinnvoll sein. Wenn die Protagonisten der Parteien ihre Jobs nutzen, um zumindest ein paar Wahrheiten unter die Leute zu bringen. Fast eine Million Menschen sind in Deutschland obdachlos. Mehr als 30.000 sind es allein in Berlin. Spätesten jetzt, wenn der zuständigen Senatorin ein Mikrophon hingehalten wird, wären Vokabeln wie "Wohnungsnot" und "Kapitalismus" fällig gewesen. Die Worte fallen nicht. Die Dame sagt dem lokalen Rundfunk sogar dies: Es werde immer wieder Konflikte mit Menschen geben, die obdachlos sind oder Suchtprobleme haben. Sie verniedlicht Mord zu einem Konflikt.

Die linke Senatorin deutet ein gesellschaftliches Problem um zu einem allgemein menschlichen. Sogar weltweit gäbe es diese Verrohung, es ertränken ja auch Menschen im Mittelmeer. Die Verrohung kennt bei ihr keine Verursacher, die Rohlinge tragen keine Namen. Wenn niemand Schuld hat, dann kann man auch nichts machen. So lautet die Botschaft. Deshalb macht die Asozialsenatorin auch – das ist nur konsequent – keinen Vorschlag zur Änderung der elenden Lage der Obdachlosen.

Wer auf die Website der Senatsverwaltung für Soziales geht, findet dort zur Obdachlosigkeit die Ankündigung einer BERLINER STRATEGIEKONFERENZ ZUR WOHNUNGSLOSENHILFE. Die soll am 10. OKTOBER 2018 über die Bühne gezogen werden. Aus dieser Ankündigung fallen Worthülsen der bürokratisch Art: Man will "Herausforderungen und Handlungserfordernisse identifizieren, die der Senat bei der weiteren Konzeption seiner Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik beachten sollte, um eine bedarfsgerechte gesamtstädtische Strategie der Wohnungslosenhilfe zu entwickeln."

Da quatscht ein Politik-Automat in die laue Luft. Da macht ein Sozial-Roboter auf Empörung, der seit dem 8.12.2016 im Amt ist und offenbar bisher noch keine Zeit hatte, "um eine bedarfsgerechte gesamtstädtische Strategie" zu entwickeln. Eine mitleidlose, links angestrichene Maschine quasselt über weltweite Verrohung ohne konkret zu werden, ohne Verantwortliche zu nennen und ohne Verantwortung zu übernehmen. So schafft sich die Linkspartei selbst ab. Ob wohl die ersten Dankschreiben aus der Wohnungswirtschaft schon eingetroffen sind?

Die verdankt ja dem Senat so viel. 2004 beispielsweise hat der Berliner Senat (SPD und PDS) die "GSW", die größte landeseigene Wohnungsgesellschaft an amerikanische Investmentgesellschaften verhökert. So wurde ein wichtiges Instrument zur Steuerung des Wohnungsmarktes privatisiert. Dieser Verrat an den Interessen der Berliner Mieter ist auch Ursache der akuten Obdachlosigkeit. Darüber schweigt Frau Breitenbach vornehm.

Immerhin die "Teilnahme an der Strategiekonferenz ist kostenfrei. Für kleinere Snacks und Getränke ist gesorgt." Das wird den Obdachlosen sicher sehr helfen und die Verrohung des Kapitalismus irgendwie mindern.





Putins Warnung...



Putin stellt klar: Keine Aufnahme von Ukraine und Georgien in der NATO, oder sonst….


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 24. JULI 2018


von Eduard Popov – http://www.fort-russ.com

Übersetzung LZ

Wie erwartet, hat das Treffen der Präsidenten der USA und Russlands in Helsinki nicht zu einem Durchbruch in den bilateralen Beziehungen geführt. Trumps jüngste Aufsehen erregende Äußerungen, wie die über die russische Krim, sein „Vertrauen“ zu Putin in der Frage der angeblichen „russischen Einmischung“ in die amerikanischen Wahlen usw., wurden am vergangenen Tag dementiert oder aufgeweicht. Der Druck des „tiefen Staates“ und die starke Opposition der amerikanischen Bürokratie und des politischen Establishments hat sich bemerkbar gemacht.

Doch in Russland, auch in Kreisen, die mit Trump sympathisieren, war die Leichtigkeit, mit der der Präsident des mächtigsten Staates der Welt seine Positionen wechseln kann, ein echter Schock. Um es gelinde auszudrücken, das verleiht dem amerikanischen Staatssystem keine Glaubwürdigkeit oder Autorität. Und gerade die immaterielle Sphäre des Vertrauens und der Autorität macht einen sehr bedeutenden Teil des politischen „Kapitals“ des amerikanischen Staates aus.

Aber die Frage der internen Beziehungen innerhalb des amerikanischen Establishments ist nicht mein Fachgebiet. Sie wird von Experten aus den Vereinigten Staaten viel besser verstanden. Ich möchte nur die offizielle Position Russlands hervorheben.

Zum Beispiel möchte ich die heutige Erklärung von Wladimir Putin zitieren. Bei einem Treffen mit den russischen Botschaftern und ständigen Vertretern sprach Putin über den möglichen NATO-Beitritt Georgiens und der Ukraine. Putin betont: „Wir werden auf solche aggressiven Schritte, die eine direkte Bedrohung für Russland darstellen, angemessen reagieren.“

Der russische Präsident hat auch das Thema des Beitritts der Ukraine und Georgiens zum Nordatlantischen Bündnis in einem Interview mit Fox News während seines Besuchs in Helsinki angesprochen.

Putin nannte den Vormarsch der NATO-Truppen bis zur russischen Grenze eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes. Dieses Thema ist traditionell sehr wichtig und relevant für den russischen Staat. Die Russen können den USA und dem Westen einfach nicht, um es milde auszudrücken, ihr unbedachtes Verhalten und ihre völlige Täuschung verzeihen – schließlich wurde ihr verbales Versprechen an den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, im Austausch für die Zustimmung des sowjetischen Führers zur Annexion Ostdeutschlands (DDR) durch Westdeutschland gebrochen und ist die Ursache für einen Großteil des gegenwärtigen Konflikts zwischen Russland und dem Westen.

Das Nordatlantische Bündnis hat nicht nur die ehemaligen Länder des Warschauer Pakts, sondern auch drei ehemalige sowjetische baltische Republiken aufgenommen. Infolgedessen sind die NATO-Militärstützpunkte und Flugzeuge jetzt etwas mehr als hundert Kilometer von der nördlichen Hauptstadt Russlands, St. Petersburg, entfernt. Diese Tatsache ist mehr als ein ernsthafter Grund zur Sorge für Russland.

Die mögliche Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO bedeutet jedoch weit mehr als nur Besorgnis und Angst. Es  würde eine Kriegserklärung an Russland bedeuten. NATO-Militärstützpunkte in Georgien, einem gegenüber Russland unfreundlichen Staat, könnten mit der Spitze eines Schwertes verglichen werden, das in den weichen Unterbauch Russlands – den Nordkaukasus – gestoßen wird.

Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit einem Veteranen der russischen Streitkräfte (Luftverteidigung) mit dem Rang eines Generals zu sprechen. Ohne die technischen Details werde ich seine Schlussfolgerungen als solche zusammenfassen: Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO würde das gesamte russische Raketenabwehr- und Flugabwehrsystem untergraben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sich amerikanische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge an den Grenzen Russlands befinden. Moskau wäre den Gefahren von Luft-, Raketen- und Bodeninvasionen ausgesetzt, und die Entfernung einer Panzeroffensive auf Moskau würde sich auf mehrere hundert Kilometer reduzieren.

So entsteht eine tödliche Bedrohung für Russland. Und es ist klar, dass Russland bereit ist, mit all seinen Möglichkeiten zu reagieren, auch mit militärischen Mitteln. Selbst Analysten, die keinen Zugang zu Staatsgeheimnissen haben, erkennen, dass das Arsenal solcher Reaktionen sehr groß ist. Ich kann nur feststellen, dass der NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens automatisch zu ihrem Verschwinden als Staaten führen würde.

Für die Ukraine könnte dies zumindest die Reduzierung ihrer Staatsgrenzen bis auf das Territorium des Hetmanats von 1654 bedeuten. Deshalb sollten Wladimir Putins Worte der Warnung gegenüber Kiew und Tiflis mit voller Sensibilität aufgenommen werden. Allerdings gibt es dafür wenig Hoffnung, denn die Sensibilität ist einer der größten Defizite, mit denen die Ukraine und Georgien konfrontiert sind.

Viele weitere Fragen könnten sich zum Schicksal der künftigen Beziehungen zwischen Russland und den USA, Russland und der EU sowie Russland und der NATO stellen. Europa würde ein Kontinent des Krieges werden. Denn was für die USA profitabel ist, ist für Russland und die europäischen Länder unrentabel. Erst kürzlich warnte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor den Gefahren, Russland mit dem Vordringen der NATO bis an seine Grenzen zu „ärgern“. Kurz darauf wurde er plötzlich entlassen. Wird seine Warnung und Putins Warnung in den Hauptstädten Europas gehört werden?

https://www.fort-russ.com/2018/07/putin-lays-down-the-law-no-ukraine-and-georgia-in-nato-or-else/








Freitag, 20. Juli 2018

SEHEN LERNEN - von Arnold Schölzel



Die Welt ändern


Marx-Lektüre hilft, die Welt so zu sehen, wie sie ist. jW-Lesen auch


Von Arnold Schölzel

Aller Anfang ist schwer? Fürs Marx-Lesen gilt das nicht mehr. Zum einen gibt es jetzt das Büchlein mit »Unschlagbaren Zitaten von Karl Marx«, zusammengestellt von Johannes Oehme unter dem Titel »Marx to go«, zum anderen die junge Welt, die marxistische Tageszeitung. Die können Sie mit dem Coupon auf dieser Seite für drei Monate fast zum halben Preis bestellen und erhalten »Marx to go« als Prämie.

Wer in das Buch schaut, wird erstaunt sein, wie viel ihm bekannt ist, etwa: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.« Oder: »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.« Marx wirkt. Viele seiner Formulierungen sind in die deutsche Umgangssprache gelangt. Das hat er mit Luther oder Goethe gemeinsam. Auch bei ihm macht's der Inhalt. Marx ist nicht harmlos, er verführt zum Denken, also zum Vergnügen. Das hat keineswegs nur Freunde. So etwas wie das »Manifest der Kommunistischen Partei« mit dem Aufruf »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« führt vielerorts immer noch zu Aufregung, hochgezogenen Augenbrauen oder gar Wut.

Das war zu Lebzeiten von Marx nicht anders. Er war nicht nur einer der bekanntesten Philosophen, Ökonomen und Journalisten seiner Zeit, sondern auch einer der am meisten gehassten und verfolgten, weil er vor allem Revolutionär war. Leute, die ihn noch heute totschlagen würden, wäre er nicht schon vor 135 Jahren gestorben, gibt es ausreichend. Zu seinem 200. Geburtstag am 5. Mai zeigte sich aber, viele seiner Verehrer möchten ihn durch Verharmlosung erledigen – Marx, ein Herr aus dem 19. Jahrhundert, der dort bleiben soll.

Das Problem: Seine Begriffe tauchen nicht nur im Alltag auf, sie beschreiben auch die heutige Wirklichkeit. Marx hat den Blick auf die Welt verändert. Das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Er hat, wie Friedrich Engels 1883 an seinem Grab sagte, zum einen das »Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte« entdeckt, die »einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können«. Und zum anderen »das spezielle Bewegungsgesetz der heutigen kapitalistischen Produktionsweise«.

Das reicht für viele, ihn weiter zu bekämpfen, aber für immer mehr, ihn zu lesen – zumal in Zeiten, da sich die Einsicht ausbreitet: Der Kapitalismus ist eine Gefahr für die Menschheit. Ihr Überleben hängt von seiner Überwindung ab.

Marx und jW helfen, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist: Ändere die Welt, sie braucht es.






Die Inszenierung von Feinden - Arnold Schölzel



Gemeinsamer Feind


13. WAPE-Forum: In Berlin trafen sich marxistische Politökonomen aus aller Welt zu einer Konferenz


Von Arnold Schölzel

Wer imperialistischen Krieg unterstützt, sich aber links oder liberal geben möchte, tritt heute antinational und kosmopolitisch auf. Da kämpfen dann, so die neuste Masche, »Demokraten« gegen sogenannte Autoritäre. In jüngerer Zeit waren es Irak, Libyen und Syrien, deren nationale Wirtschaftsstruktur der Westen nicht mochte und militärisch angriff. Ähnliches wird mit ähnlicher Begründung gegen Venezuela und Russland inszeniert.

Thesen dieser Art, im zitierten Fall von der im kanadischen Winnipeg lehrenden Politikwissenschaftlerin Radhika Desai, waren in Berlin an den vergangenen Tagen öfter zu hören: Von Montag bis Mittwoch tagte im Campus Lichtenberg der Hochschule für Wirtschaft und Recht das 13. Forum der »World Association for Political Economy« (WAPE), der Weltvereinigung für Politische Ökonomie. Die 2006 von marxistischen Wirtschaftswissenschaftlern gegründete und in Hongkong ansässige Gesellschaft hielt ihr jährliches Treffen zum ersten Mal in der Bundesrepublik ab. Unterstützt wurde sie von der Marx-Engels-Stiftung Wuppertal und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Anlässe waren der 200. Geburtstag von Karl Marx sowie der bevorstehende 100. Jahrestag der Ermordung Rosa Luxemburgs am 15. Januar 2019. Das Thema der Konferenz: »Karl Marx und Rosa Luxemburg: Geistiges Erbe und heutiger Wert«. Etwa 150 Wissenschaftler waren angereist, darunter zahlreiche Ökonomen aus China und Indien.

Sie prägten die Konferenz durch ihre Analysen vor allem des heutigen Imperialismus und der Wiederkehr kolonialistischer Kriege. Der Vortrag Radhika Desais, der »Marx' geopolitische Ökonomie« zum Thema hatte, war insofern repräsentativ. WAPE-Präsident Cheng Enfu, Direktor des Zentrums für wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften, hatte bereits in seiner Eröffnungsrede als Diskussionsgegenstand des Forums u. a. »wirtschaftliche Globalisierung und Antiglobalisierung, neuer Imperialismus und Handelsstreit« benannt. Cheng selbst formulierte bemerkenswerte Gedanken zur Rolle Chinas in der heutigen Welt. Dem »ersten (Wirtschafts-)wunder« in der VR China nach deren Gründung 1949 folge durch die Reformpolitik seit 1979 nun ein zweites. Die USA und die anderen G-7-Staaten seien das »Zen­trum der heutigen Weltwirtschaft«, aber China besetze »die wichtige Position eines ›Quasi-Zentrums‹«. Zu feindseligen Kommentaren westlicher Medien, China würde durch seine Zusammenarbeit Lateinamerika und Afrika einen neuen Typ von »Zentrum-Peripherie«-Abhängigkeit auf, meinte Cheng: China sollte klarmachen, dass sein Weg nicht bedeute, »den Spuren des neuen und des alten imperialistischen Nationalismus und Kolonialismus westlicher ›Zentrums‹länder zu folgen«, und auch nicht, die Arbeit anderer Länder auszubeuten.

Gegenstand zahlreicher Referate des WAPE-Forums waren daher der Aufstieg Chinas und seine Folgen für das globale Kräfteverhältnis. So befasste sich z. B. He Zili (Nankai-Universität, China) mit der u. a. vom früheren US-Finanzminister Lawrence »Larry« Summers vertretenen These einer »säkularen Stagnation« des Kapitalismus. He nannte als eine ihrer Ursachen die Deindustrialisierung in zahlreichen westlichen Industriestaaten, etwa in den Branchen Textil, Schiffbau, Stahl, Bauwesen und Autoproduktion von 1970 bis heute. Der Erhalt des Sozialstaates sei damit schwierig geworden, es komme zu einer »Überfinanzierung der Realökonomie«, einem Anstieg der Staatsverschuldung, die Sozialstruktur nehme wegen wachsender Ungleichheit die Form einer Pyramide an. Privateigentum, Trennung von Kapital und Arbeit als Folge der Deindustrialisierung, niedrige Effizienz der Staatsapparate und Hegemonie der neoliberalen Ideologie hätten zur »Normalisierung der Stagnation« geführt. Sie werde begleitet von sozialen Turbulenzen, von Migrationskrisen und dem Aufstieg von Nationalismus, Populismus und Rechtsextremismus. He sieht – beginnend 1990 – einen »Internet- und Künstliche-Intelligenz-Kapitalismus« entstehen. Die Zukunft werde zwischen diesem und einem Sozialismus entschieden, der beides beherrsche. Dessen Ära werde kommen.

Ähnlich, aber auf anderem Weg, untersuchte Uri Zilbersheid (Universität Haifa, Israel) die Erosion des westlichen »Wohlfahrtsstaates« durch die Herrschaft der Finanzindustrie. Marx sei dessen geistiger Miturheber durch die im »Manifest« genannten zehn ersten »Maßregeln« nach einer proletarischen Revolution (Enteignung des Grundeigentums, starke Progressivsteuer, Zentralisation des Kredits in einer Nationalbank etc.). Die letztere Forderung ziele auf die Beseitigung des Finanzkapitals, die auch andere Theoretiker wie der Brite John Maynard Keynes oder der US-Ökonom Michael Hudson verlangten: Nach ihnen ist der Sozialstaat ein Kompromiss zwischen produktivem Kapital und Arbeit, das Finanzkapital der »gemeinsame Feind«.

An Klarheit war kein Mangel. WAPE-Generalseketär Allen Ding (Finanz- und Wirtschaftsuniversität Shanghai, Gast der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2018) konnte zum Abschluss mit Recht eine positive Bilanz des Forums ziehen. 2019 trifft sich WAPE im kanadischen Winnipeg an der gastgebenden Universität von Ra­dhika Desai.





Donnerstag, 19. Juli 2018

Judiths Reisenotizen

Reisenotizen von Judith,
Mitautorin von


EISZEIT-BLÜTEN

Bin wieder zurück von einer wunderschönen Reise nach Österreich. Möchte mich ganz herzlich für Deine Geburtstagswünsche bedanken. Meinen Tag haben wir u.a. auf dem Rüfikopf, ca. 1900 m hoch, verlebt (Seilbahn) und auf der Sonnenterrasse bei herrlichem Sonnenschein das atemberaubende Panorama und ein Mittagsmenue genossen. Abends eine gute Kulturveranstaltung auf der Geier Walli - Freilicht- Bühne über die Besetzung der westlichen Seite des Lech durch Napoleon besucht.

Wir sind von dem Ort Lech, in der Nähe entspringt der Fluß, bis nach Füssen sind es 123 km, ca. 60 km gewandert, teilweise die Berge hinaufgestiegen, bei dem ich auch an meine Grenzen gekommen bin. Fahrt und mit dem kostenlosen Bus, eine tolle Einrichtung. Der Aufstieg mit dem Schild „Nur für Geübte" habe ich einfach negiert und schon bald erfahren, auf was ich mich da
eingelassen habe. Ein ganz schmaler Weg mit losen Steinen, vielen Baumwurzeln, rutschig und immer an der Kante des Abgrundes in das große tiefe Tal schauend. Zum Schluß noch ein großer glatter Stein mit eingehauenen Krammen (?), über die man steigen musste und mit Drahtseilen an den Felswänden, an denen man sich festhalten konnte. Der Lohn war dann eine schöne Berghütte. Das letzte Mal bin ich 1987 in den Bergen gewesen, das ist schon verrückt! Das Schöne aber war, dass ich abends kaputt war, die Knie weh taten, am nächsten Tag aber wieder alles weg war.

Österreich ist ein schönes Land, kein überzogenes Angebot, kaum ein Souvenirladen, keine Ware auf den Straßen. Herrliche grüne Wiesen und immer wieder das Panorama der Alpen. Nur gibt es auf den Almen kaum noch Kühe, auch hier hat das „Bauernsterben" längst begonnen wie bei uns. Durch Dumpingpreise ist keine Existenz mehr bieten. Der Lech ist ein einzigartiger Fluß mit graugrünem Wasser, ständig verändert sich das Flussbett und nimmt einen anderen Lauf.

Judith: Dipl. Wirtschaftlerin, Fachökonom für EDV, Studium in Berlin und Dresden. Fachdirektorin für Handel, Bereichsdirektorin für EDV, stellv. Direktorin im CENTRUM Warenhaus Berlin, Alexanderplatz, Delegierte des VII. Parteitages. Tätigkeit im Außenhandel, verantwortlich für den Import von Exquisit - Erzeugnissen, Exportkaufmann für Textilerzeugnisse nach Westeuropa, BRD und Afrika, und viel im kapitalistischen Ausland unterwegs. Tätigkeit im Staatlichen Kunsthandel und zuständig für Galerien und Auktionen, Mitarbeit Neuaufbau Friedrichstraße, bis zur Wende Warenhausleiterin Warenhaus Marzahn. Nach der Wende selbstständig im Hausvertrieb und Immobilienbereich tätig, „denn ich wollte", schreibt sie, „von niemandem entlassen werden und mich vor niemandem bücken müssen. Habe dann noch sechs Jahre über meinen Rentenbeginn hinaus gearbeitet. Ehrenamtlich betätige ich mich seit meinem 10. Lebensjahr (Klassensprecher) bis heute mit vielen Aufgaben. Auf meine drei Kinder bin ich sehr stolz, haben alle studiert und üben verantwortungsvolle Tätigkeiten aus, auch meine fünf Enkeltöchter sind auf einem guten Weg, eine studiert Politik, eine andere Ökologie. Was werden sie für eine Zukunft haben? Ich mache mir Sorgen darum, um die Zerstörung der herrlichen Natur, um den politischen Wahnsinn und den katastrophalen Auswirkungen des üblen Raubtierkapitalismus. Habe trotzdem viel Freude an den schönen Dingen des Lebens."




Dienstag, 17. Juli 2018

Trump und Putin - U. Gellermann



Trump und Putin in Helsinki


Von der Strickjacke zur Trickjacke
Autor: U. Gellermann
Datum: 17. Juli 2018

Die Zeit der Strickjacken-Diplomatie ist vorbei. Jene Zeit, als Helmut Kohl und Michail Gorbatschow in gemütlichen Woll-Jacken bei offenkundig gemütlichem Plausch auf den Fotos deutscher Medien zu sehen waren. Da fand man es ganz normal, lobenswert sogar, dass zwei Staatschefs locker und freundlich miteinander redeten. Und als der deutsche Kanzler den russischen Präsidenten Jelzin zum gemeinsamen Schwitzen in der Sauna traf, erfand der SPIEGEL das schöne Wort von der "Badehosenfreundschaft". Das war die Zeit, als die Sowjetunion baden ging: Der naive Gorbatschow hatte an die mündliche Versicherung seiner Verhandlungspartner geglaubt, nach der die NATO brav in ihren bisherigen Grenzen bleiben würde. Und mit dem Alkoholiker Jelzin begann der Schlussverkauf der russischen Volkswirtschaft zu Tiefstpreisen.

Offenkundig nehmen die Medien den Russen übel, dass sie heute nichts mehr verschenken: Beim Treffen der Staatschefs Putin und Trump mochten sie statt einer Strick-Jacke nur noch eine Trick-Jacke sehen. Denn "Donald Trump ist in eine Falle geraten" wusste der oberschlaue DEUTSCHLANDFUNK und die transatlantische SÜDDEUTSCHE konnte sogar aus München erkennen: "Für Putin ist Trump ein nützlicher Idiot". Was hätte Putin mit einem Staatsgast machen sollen? Ihn grillen? Die TAGESSCHAU schwingt sich sogar zu einer drastischen Medien-Kritik auf: "Die staatlich gelenkten russischen Medien sind nach dem Treffen in Helsinki voller Begeisterung". Wenn sich die Hamburger Nachrichtensendung doch selbst mal bei ihrer ungelenken Weitergabe von Regierungsmeinung beobachten würde. Im Auftrag der Gebührenzahler ist die ARD-Sendung jedenfalls nicht unterwegs. Gelenkt wird sie eher vom Pressesprecher Merkels.

Die Trick-Jacke hatte in Helsinki eindeutig Trump an. Dessen überschwängliche Begeisterung über das Gespräch war wohl der Versuch, seine waffenklirrende Vorbereitung des Präsidenten-Dialogs mit lautem Klatschen zu übertönen. Drängelt doch der amerikanische Waffenhändler die NATO-Staaten seit langem zur Erhöhung ihrer Rüstungs-Etats. Auch die Steigerung der US-Militärausgaben von bisher 634 auf 716 Milliarden Dollar war für Trump in Helsinki kein Thema. Für die üblichen deutschen Medien ebenfalls nicht. In kühler Tradition sowjetischer Außenpolitik erinnerte Wladimir Putin daran, dass Russland eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet habe, um die Verhandlungen über das Rüstungskontroll-Abkommen NewSTART, das 2021 ausläuft, wieder aufzunehmen. Und so produzierte der russische Präsident auch die einzige Nachricht rund um das Treffen in Helsinki, die es wert ist diskutiert zu werden.

Die medialen Versuche die Begegnung der Präsidenten auf angebliche russische Hacker-Angriffe im US-Wahlkampf zu reduzieren, haben eine fatale und eine witzige Seite. Journalisten, die Geheimdienst-Informationen zur Grundlage ihrer Arbeit machen, sind nur peinlich. Sie sollten eigentlich wissen, dass die Dienste der Verschleierung dienen und nicht der Wahrheitsfindung. Witzig allerdings ist es, wenn man von Donald Trump verlangt diese unbewiesenen Hacker-Operationen in Helsinki zu thematisieren. Was hätte Trump machen sollen, wenn Putin sich als Urheber der nebulösen Hacker-Attacken geoutet hätte? Auf der Stelle zurücktreten?

Der Sonderermittler Robert Mueller, auf dessen ‚Erkenntnissen‘ die Hacker-Meldungen beruhen, war im Vietnamkrieg Elite-Soldat und wurde mehrfach ausgezeichnet. Brav diente er dann als Chef der Bundespolizei FBI, sowohl unter George W. Bush als auch unter Barack Obama. Er hatte den Auftrag die Anschläge vom 11. September 2001 aufzuklären. Zu keiner Zeit wollte er allerdings die saudische Spur und die engen Beziehungen zwischen der Bush-Family und dem saudischen Königshaus thematisieren. Soweit zur Wahrheitsfindung.


Kommentar von Harry Popow:

Wolf im Schafspelz

Kommt der Wolf, freundlich die Zähne fletschend, zu Rotkäppchen und schwört, im Namen des Friedens nur Gutes im Sinn zu haben, die Krallen aber im Namen des „Volkes“ geschärft zu halten. Das Rotkäppchen, solche großen Worte schon öfter im Ohr und die Ruhe in Person, lächelt zurück und sagt: „Wir werden sehen...“





Samstag, 14. Juli 2018

USA-Schuld an Eiszeit - Interview



Russlands Verteidigungsminister im Interview: "Eiszeit mit Washington ist Schuld der US-Eliten"



Quelle: Sputnik


Wenige Tage vor dem historischen Putin-Trump-Gipfel hat der Verteidigungsminister der Russischen Föderation, Sergej Schoigu, der italienischen Tageszeitung "Il Giornale" ein Interview gegeben. RT Deutsch veröffentlicht exklusiv die ins Deutsche übersetzte Version des Gesprächs.


Herr Minister, die Spannungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten nehmen zu und sind besorgniserregend: Stehen wir vor einem neuen Kalten Krieg?

Oft hören wir von den US-Amerikanern, dass die Ursache dieser Situation das angebliche "aggressive" Verhalten Russlands in der internationalen Arena sei. Wir hingegen sind überzeugt, dass die Spannungen in den Beziehungen zwischen unseren Staaten von den US-Eliten, die glauben, dass die Welt in "US-amerikanisch" und "falsch" aufgeteilt ist, künstlich verstärkt wurden.

Es sind die Vereinigten Staaten, die im Laufe der letzten Jahre einseitig die Schlüsselabkommen brachen, die das Rückgrat der globalen Sicherheit bildeten. Entgegen den Versprechungen an die sowjetische Führung während der Wiedervereinigung Deutschlands begann Washington mit der Erweiterung der NATO entlang unserer Grenzen.

Mehr als 25 Jahre lang betrieben sie Augenwischerei, indem sie sagten, dass keine solchen Zusicherungen gegeben worden wären, bis die US-amerikanische National Security Agency (NSA) vor kurzem die Archivdokumente dieser Zeit öffentlich zugängig machte, in denen nicht nur das Gesagte wortwörtlich drinsteht, sondern auch die jeweiligen Namen einzusehen sind. Die Erweiterung der NATO nach Osten und die Aufnahme osteuropäischer Länder wie Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumänien in das Bündnis haben den im Jahr 1990 von der NATO und dem Warschauer Pakt unterzeichneten Vertrag zur Reduzierung und Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa, der die Beschränkung der Rüstung in den Kontaktbereichen zwischen den beiden Blöcken vorsah, für Russland bedeutungslos gemacht.

Unter dem Vorwand einer angeblichen Bedrohung durch einen Raketenangriff durch den Iran und Nordkorea zog sich Washington 2002 einseitig aus dem Anti-Ballistic Missiles Treaty (ABM) zurück und begann damit, seine Radar- und Raketenabwehrsysteme an unseren Grenzen zu platzieren.

Als Präsident der Russischen Geografischen Gesellschaft hege ich seit langem den Wunsch, unseren US-amerikanischen Kollegen einen Globus zu schenken, damit sie auf ihn schauen und erklären können, warum, wenn sich die "Feinde der USA" im Nahen und Fernen Osten befinden, ihre Stützpunkte und militärischen Gruppierungen immer näher an die Grenzen Russlands rücken. Müssen wir sie etwa verteidigen?

Jetzt bereitet sich die US-amerikanische Seite darauf vor, sich aus dem Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme zurückzuziehen. Als Grund werden angebliche Verletzungen des Vertrages durch Russland angegeben.

Die wären?
Es gibt vage und unbegründete Anschuldigungen gegen uns. Aber es gibt keine Beweise, nur Aussagen.

Und das, obwohl wir an allen großen internationalen Foren öffentlich und wiederholt angeprangert haben, dass die Vereinigten Staaten direkt gegen den Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme verstießen, indem sie die für den Start von Tomahawk-Raketen geeigneten Mk-41-Raketenwerfer im Zusammenhang mit dem Einsatz des Raketenschildes in Europa installierten. Fast der gesamte europäische Teil Russlands befindet sich in Reichweite dieser Raketen.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 appellierte Präsident Wladimir Putin an die Führungen der Vereinigten Staaten und der westlichen Länder, die nationalen Interessen Russlands zu respektieren und offene und gleichberechtigte Beziehungen aufzubauen. Aber leider nahm kaum jemand seine Einladung wahr.

Was denken Sie ist der Grund dafür?



Heute, da es seine Kräfte wiedererlangt, wird Russland nicht als Verbündeter, sondern als Bedrohung der US-Dominanz angesehen. Wir werden beschuldigt, aggressive Pläne gegenüber dem Westen zu haben, der weiterhin Truppen an unseren Grenzen ansammelt.

Als Beispiel kann ich den Juni-Beschluss des NATO-Rates über die Errichtung von zwei neuen Befehlszentralen für den Schutz der maritimen Kommunikation und die rasche Verlegung US-amerikanischer Truppen aus den Vereinigten Staaten nach Europa anführen. Oder die Erhöhung der Quote in den baltischen Staaten, Rumänien, Bulgarien und Polen von 2.000 auf 15.000 Mann mit der Möglichkeit, schnell eine Gruppe von 60.000 Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen zu bilden. Und ab 2020 werden 30 Bataillone, 30 Flugzeuge und 30 Kriegsschiffe an den russischen Grenzen jederzeit einsatzbereit sein.

All dies geschieht an unseren westlichen Grenzen. Gleichzeitig verstoßen die US-Amerikaner ständig gegen das Völkerrecht, indem sie in verschiedenen Teilen der Welt unter dem Vorwand der Verteidigung ihrer eigenen Interessen militärisch eingreifen.

Das geschah im April in Syrien mit dem massiven Raketenangriff auf das Territorium eines souveränen und unabhängigen Staates, der von Frankreich und Großbritannien unterstützt wurde. Dies war eine flagrante Verletzung des Völkerrechts durch drei ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf der Grundlage ausgedachter Vorwände. Und das ist kein Einzelfall, sondern ein Trend.

Ein Trend?



Ja, es ist die bereits im Irak und in Libyen angewandte neokoloniale Strategie, die darin besteht, jede Art von Ideologie, selbst die barbarischste, zu unterstützen, um legitime Regierungen zu schwächen. Danach werden Inszenierungen des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen oder humanitärer Katastrophen als Vorwand genutzt, um letztendlich Gewalt anzuwenden und ein "kontrolliertes Chaos" zu schaffen, der die Bedingungen für die Ausschlachtung der in der US-amerikanischen Wirtschaft benötigten Ressourcen durch die multinationalen Unternehmen sicherstellt.

Russland, das einen multipolaren Ansatz in den internationalen Beziehungen unterstützt, wird immer ein Hindernis für die Umsetzung derartiger "Strategien" sein.

Gibt es "rote Linien", die nicht überschritten werden dürfen?



In diesem Sinne ist unsere Militärdoktrin sehr klar und ihr Wesen besteht darin, Konflikte jeder Art zu verhindern. Unser offizieller Ansatz zur Anwendung militärischer Gewalt ist klar und detailliert dargelegt.

Trotz meines Amtes bin ich der festen Überzeugung, dass jedes Problem durch die Vermeidung der militärischen Option gelöst werden kann und muss.

Deshalb lud ich oft den Chef des Pentagons ein, um die problematischsten Fragen der globalen und regionalen Sicherheit, einschließlich des Kampfes gegen den Terrorismus, zu erörtern. Aber die US-Amerikaner sind noch nicht bereit für einen solchen Dialog, obwohl ich mir sicher bin, dass nicht nur das russische und US-amerikanische Volk, sondern alle Völker der Welt ihn wünschen.

Im Moment gibt es also nur einen einzigen Kommunikationskanal zwischen unseren beiden Generalstäben, über den Verhandlungen geführt werden. Dadurch findet ein Austausch zwischen den Stabschefs unserer Verteidigungsministerien statt, der in erster Linie dazu dient, zu verhindern, dass die militärischen Aktivitäten Russlands und der Vereinigten Staaten zu einem Konflikt zwischen unseren beiden Atommächten führen.

Ihrem Land wird jedoch oft vorgeworfen, "hybride Kriege" gegen den Westen zu führen....



In Russland gibt es ein Sprichwort: Der Dieb ist derjenige, der am lautesten "Dieb!" schreit. Als "hybrides Handeln" bezeichnet man den Einsatz von Druckmitteln durch einen Staat gegen einen anderen Staat, ohne offen Gewalt anzuwenden. Diese Art von "Kriegen" ist seit der Antike bekannt und ermöglichte es Großbritannien, das Osmanische Reich zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu besiegen. Wer kennt nicht die Abenteuer des Lawrence von Arabien?

Heute werden "hybride Aktionen" durch Medienkontrolle, Wirtschaftssanktionen, Aktivitäten im Cyberspace, Unterstützung interner Aufstände und den Einsatz von Spezialeinheiten zur Begehung von Terroranschlägen und Sabotage repräsentiert.

Die Liste könnte man wahrscheinlich fortsetzen, doch gibt es hier ein wichtiges Detail: Um diese Taktik in unserem Jahrhundert erfolgreich zu verfolgen, braucht man globale und allgegenwärtige Medien, um Informations- und Telekommunikationstechnologien zu besitzen und zu dominieren, die Kontrolle der Managementhebel des globalen Finanzsystems sowie Erfahrungen im Einsatz von Spezialeinheiten in anderen Ländern.

Wer außer den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich hat dieses Potenzial?



Diese Methoden wurden von den USA und Großbritannien während der Irak-Invasion 1991, unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges, erfolgreich getestet. Dies ist ein sehr wichtiges Detail, denn zur Zeit der Sowjetunion und der bipolaren Welt gab es diese Technologien zwar auch, doch die Bedingungen waren anders. Im Übrigen war der damalige Präsident der Vereinigten Staaten niemand anderes als George Bush senior, der ehemalige Chef der CIA.

Seit den 1990er Jahren wurden diese Techniken von den Vereinigten Staaten breit im ehemaligen Jugoslawien, Libyen, Tschetschenien und seit kurzem auch in Syrien eingesetzt. Alle Anzeichen dieses "hybriden Krieges" waren auch in der Ukraine am Vorabend des Staatsstreichs vom Februar 2014 zu erkennen. Die europäischen Länder beteiligten sich passiv an diesen "hybriden Aktionen".

Heute erinnern sie sich lieber nicht daran, wie die Außenminister von Frankreich, Deutschland und Polen dem rechtmäßigen Präsidenten der Ukraine, Wiktor Janukowytsch, persönlich eine friedliche Lösung der Krise garantierten. Im Gegenzug sollte er nicht den Ausnahmezustand einführen und alle Teile der Sicherheitskräfte aus Kiew entfernen. Doch unmittelbar nach der Erfüllung dieser Verpflichtungen führten die von den Vereinigten Staaten und der EU bewaffneten und ausgebildeten nationalistischen Kämpfer den Staatsstreich durch und wurden von Europa sofort als legitime Machthaber anerkannt.

Nach dem gescheiterten Versuch, das Gleiche auf der Krim zu organisieren, kam es in US-amerikanischen und britischen Medien zu dieser Art von Anschuldigung gegen Russland.

Tatsächlich?



Wir haben unseren ausländischen Partnern einfach nicht die Möglichkeit gegeben, diese Techniken auf der Krim in die Praxis umzusetzen. Dort gab es im Gegenteil ein Referendum, in dem das Volk frei und unter anderem in Anwesenheit von Hunderten von Vertretern der US-amerikanischen Medien beschloss, sich von der Ukraine zu lösen und sich mit Russland wiederzuvereinen. Zum Vergleich: Nach der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien nach der NATO-Intervention führte der Kosovo kein allgemeines Referendum durch, sondern wurde von Washington und Europa nach einer einfachen Parlamentsabstimmung sofort als unabhängig anerkannt, ohne die Meinung der im Kosovo lebenden serbischen Bevölkerung und der diktierten jugoslawischen Verfassung zu berücksichtigen.

Syrien wird im Mittelpunkt des persönlichen Gesprächs zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump stehen. Was halten Sie von der US-amerikanischen Strategie im Syrien-Konflikt?



Wenn man sich anschaut, wie oft Vertreter des US-Kongresses und Experten in den US-amerikanischen Medien von der Regierung der Vereinigten Staaten fordern, die US-Strategie für Syrien darzulegen, wird klar, dass nicht nur in unserem Land kein Verständnis einer solchen existiert.

In den letzten Jahren hat sich die Meinung über die nicht nur aus völkerrechtlicher, sondern auch aus US-amerikanischer Sicht illegale Präsenz des US-Militärkontingents in Syrien ständig weiterentwickelt. Ich möchte Sie daran erinnern, dass zu Beginn von der Zerstörung des IS gesprochen wurde. Dann sprach man von der Verhinderung der "Wiederbelebung" des IS. Jetzt werden Aussagen über die Aufrechterhaltung einer Präsenz in Syrien gemacht, um einen hypothetischen "iranischen Einfluss" zu bekämpfen.

Es ist schwierig, den Eindruck loszuwerden, dass das Hauptziel der Vereinigten Staaten darin besteht, die Stabilisierung des Landes zu verhindern, den Konflikt zu verlängern, die territoriale Integrität Syriens zu untergraben und unkontrollierte Enklaven am Rande des Landes zu schaffen.

Seit Jahren werden Kämpfer in Gebieten unter US-Kontrolle ausgebildet, die aktiv gegen die syrische Regierung gekämpft und mit Waffen und Munition versorgt wurden und es ist nicht falsch anzumerken, dass zu dem Zeitpunkt, als die von den USA geführte internationale Koalition gegen den IS kämpfte, der Anteil des Territoriums in den Händen von Terroristen zunahm. Die Zivilisation und eine weltliche Regierung wurden nur in einigen wenigen Zentren aufrechterhalten: in Damaskus, Latakia und zum Teil in Deir ez-Zor.

Gleichzeitig haben die Vereinigten Staaten trotz "klarer" Ziele und guter Absichten Syrien keinen Pfennig gegeben, um der Zivilbevölkerung zu helfen, die durch lange Kriegsjahre ins Elend gestürzt wurde. Dies gilt auch für die ehemalige IS-Hauptstadt Rakka, die von den Vereinigten Staaten und der Koalition befreit wurde, wo nach den massiven Luftangriffen der von den US-Amerikanern geführten internationalen Koalition auf die Stadt die lokale Bevölkerung immer noch täglich durch Minen und hinterlassene Munition getötet wird. Jede Woche sterben Dutzende von Zivilisten, darunter auch Kinder.

Gleichzeitig gab es in den Gebieten, die durch die syrische Armee befreit wurden, keinen Zwischenfall mit der Zivilbevölkerung. Diese Gebiete wurden entmint und mit Lebensmitteln sowie Baumaterialien versorgt, um eine schnelle Rückkehr zu einem friedlichen Leben zu ermöglichen. Wenn es eine "Linie" hinter den US-amerikanischen Aktionen in Syrien gäbe, wäre sie zu umstritten, um sie als eine "Strategie" zu bezeichnen.

Ein weiteres Hindernis für die Stabilisierung des Landes ist die Rivalität zwischen dem Iran und Israel...



Der Iran ist wie die Türkei einer der wichtigsten Akteure in der Region und spielt eine Schlüsselrolle bei der Stabilisierung Syriens.

Wie Sie wissen, ist er zusammen mit der Türkei und Russland eines der Garantenländer des Astana-Prozesses, der auf eine endgültige Lösung des Konflikts in Syrien abzielt. Was die Spannungen zwischen dem Iran und Israel betrifft, so ist unsere Position, alle Streitigkeiten durch Dialog und nicht durch den Einsatz militärischer Gewalt oder unter Verletzung des Völkerrechts zu lösen.

Die Anwendung von Gewalt auf beiden Seiten in Syrien würde unweigerlich zu einer Eskalation der Spannungen im gesamten Nahen Osten führen. Deshalb streben wir eine diplomatische und friedliche Lösung aller Streitigkeiten an und erwarten von beiden Ländern Zurückhaltung.

Halten Sie in diesem Sinne die Möglichkeit, der Regierung in Damaskus das Verteidigungssystem S-300 zur Verfügung zu stellen, nicht für einen weiteren Risikofaktor?



Zunächst einmal ist das S-300-System ein Verteidigungssystem. Es kann daher keine direkte Bedrohung für jemandes nationale Sicherheit darstellen.

Dieses Raketenabwehrsystem kann nur einen Luftangriff gefährden. Darüber hinaus ist die Entscheidung, diese Art von Waffen an eine ausländische Regierungsarmee zu liefern, Gegenstand eines formellen Antrags, der derzeit noch nicht eingegangen ist.

Es ist daher verfrüht, diese Frage im Detail anzusprechen. Vor einigen Jahren haben wir es abgelehnt, der syrischen Regierung diese Art von Waffen auf Wunsch einiger unserer westlichen Partner, darunter Israels, zur Verfügung zu stellen. Heute, nach der Aggression der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Syrien, die gezeigt hat, dass die Syrer sich mit modernen Flugabwehrsystemen ausrüsten müssen, sind wir bereit, dieses Thema erneut aufzugreifen.

Vom Krieg in Syrien zum "Handelskrieg": Während sich die Beziehungen zu Washington auf einem historischen Tiefpunkt befinden, werden die Beziehungen zur Volksrepublik China immer enger...



Sicherlich haben internationale Spannungen zu einer Stärkung der russisch-chinesischen Beziehungen beigetragen, die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruhen. Russland und China unterhalten langfristige freundschaftliche und strategische Beziehungen, und die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern entwickelt sich in vielen Bereichen, auch im militärischen und technisch-militärischen Bereich, was im Interesse beider Staaten liegt.

So werden beispielsweise gemeinsame bilaterale operative Ausbildungsmaßnahmen für unsere Streitkräfte durchgeführt, darunter die jährliche Marine-Übung "Maritime Zusammenarbeit" und die gemeinsame Raketenabwehrübung "Luft- und Raumfahrtsicherheit".

Es werden multinationale militärische Übungen der Armeen und Flotten der Mitgliedsländer der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – unter dem Titel "Die Friedensmission" – durchgeführt. Darüber hinaus nehmen chinesische Vertreter jedes Jahr an militärischen Spielen teil, die vom russischen Verteidigungsministerium organisiert werden. Heute gehen etwa 12 Prozent der russischen Waffenexporte nach China.

Der Zweck unserer gemeinsamen Aktivitäten in diesem Bereich ist jedoch im Gegensatz zu den Übungen der NATO und der USA in Europa rein defensiv. Unsere militärische Partnerschaft richtet sich nicht gegen ein Land oder eine Blockade, sondern zielt nur auf die Stärkung der regionalen und globalen Sicherheit ab.

Was halten Sie von den neuesten Entwicklungen in Nordkorea?

Zwischen Russland und Nordkorea gibt es eine Reihe von Abkommen im Bereich der technisch-militärischen Zusammenarbeit, deren Entwicklung derzeit im Rahmen der Einhaltung der Resolutionen 1718 und 1874 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen durch die Russische Föderation ausgesetzt ist.

Wir erleben derzeit einen deutlichen Abbau der Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden der Koreanischen Halbinsel und gehen davon aus, dass dieser positive Trend stabil und unumkehrbar wird.

Zurück zur Ukraine: Glauben Sie, dass es möglich sein wird, eine Lösung für den anhaltenden Konflikt im Südosten zu finden?



Nur die bedingungslose Einhaltung des Minsker Abkommens durch die Ukraine wird das Entstehen einer Situation verhindern, die zum Völkermord an der russischen Bevölkerung führen könnte. Leider entzieht sich Kiew jedoch ständig der Umsetzung dieses Abkommens, findet verschiedene falsche Vorwände und macht haltlose Beschuldigungen in Richtung Russland.

Gleichzeitig lehnt Kiew die Möglichkeit eines Dialogs mit Donezk und Lugansk, der für die Lösung der Krise entscheidend ist, vollständig ab. Natürlich reagiert unser Land, indem es Kiew auffordert, die in den Abkommen enthaltenen Maßnahmen umzusetzen. Und wir hoffen, dass die europäischen Länder, vor allem diejenigen, die zum so genannten "Normandie-Format" gehören, ihren Einfluss auf die ukrainischen Behörden geltend machen, um eine friedliche Lösung für den internen Konflikt im Südosten des Landes zu finden.

Ich denke, es ist unmöglich, sich einen direkten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vorzustellen. Wir haben die gleichen Wurzeln, wir haben gemeinsam schwierigste Prüfungen erlebt und wir haben Seite an Seite gekämpft, um unsere Freiheit im Zweiten Weltkrieg zu verteidigen.

Alle meine Verwandten mütterlicherseits lebten in der Ukraine und ich selbst wurde in einer kleinen Kirche in der Bergbaustadt Stachanow in der Region Lugansk getauft. Ich bin überzeugt, dass es in unserem gemeinsamen historischen Gedächtnis keinen Platz für gegenseitige Konfrontation und Feindschaft geben wird.





Freitag, 13. Juli 2018

Vernebelte "Aufklärung" - Arnold Schölzel



Aus: Ausgabe vom 12.07.2018, Seite 8 / Ansichten

Methode und Tradition



NSU-Prozess und bundesdeutsche Justizgeschichte


Von Arnold Schölzel

Der Feind steht links. Der erste NSU-Prozess – Revisionen sind angekündigt – belegt das indirekt. Das Urteil vom Mittwoch kam zustande, weil der Ermittlungseifer in höheren Polizei-, Geheimdienst- und Justizkreisen nahezu erlischt, wenn es um neofaschistischen Terror geht. Es galt die Maxime, die der Anwalt der Nebenklage Mehmet Daimagüler in einem RBB-Interview am Mittwoch so formulierte: »Wenn man dem Staat gefährlich nahekam, hörte die Aufklärung auf.« Deutschlandfunk-Korrespondent Michael Watzke hatte nur noch Hohn übrig: »Dass ein V-Mann-Führer wie Andreas Temme, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel anwesend war, ›sachlich, nachvollziehbar und plausibel seine Wahrnehmungen am Tatort geschildert‹ habe – diese Erkenntnis hat das OLG München ziemlich exklusiv.«

Zudem: Kümmert sich irgendeine »Sicherheits«behörde um die seit 1990 von Neonazis Ermordeten und Totgeschlagenen, wahrscheinlich etwa 200? Ja, man vertuscht und verschleppt intensiv.

Wo die Dinge so liegen, bedeutet das zugleich: Je wilder sich Politiker nach dem Zusammenstöße auslösenden Polizeieinsatz beim G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg äußerten, desto drastischer die Urteile gegen tatsächliche oder vermeintliche Linke, desto zärtlicher der Umgang mit den von V-Leuten gepäppelten Neonazis.

Das hat Methode und Tradition: Das KPD-Verbot war 1956 auch nötig, damit ein Hans Globke, der die faschistischen »Rasse«gesetze entworfen hatte, weiter im Bundeskanzleramt der höchste Beamte der BRD bleiben konnte. Leute wie Globke waren Anlass für die Aussage des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, er betrete feindliches Ausland, wenn er sein Dienstzimmer verlasse. Ausschließlich diesem Justizaußenseiter ist zu verdanken, dass 1963 der Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main beginnen konnte. Die Strafen fielen mild aus. In dem Land, in dem kein Richter des »Volksgerichtshofes« vor Gericht gestellt wurde, galt folgerichtig in den 1970ern als Staatsfeind, wer als »Sympathisant« der RAF auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. Sympathie mit Sozialismus führte mindestens zum Berufsverbot. Jeder Stein wurde in den RAF-Prozessen umgedreht, um das »Umfeld« aufzuklären. Seit 1990 herrscht Verfolgungswut gegen engagierte DDR-Bürger, die mit Hilfe der Strafjustiz und mit Terrorurteilen in Sozial- und Arbeitsrechtsverfahren niedergehalten wurden. Wer die DDR-Staatsführung der Strafjustiz zuführt, will Neonazis, die auf Rechnung des Verfassungsschutzes arbeiten und deren Ideologie nun im Bundestag angekommen ist, nicht ernsthaft verfolgen – Sündenböcke ausgenommen.

Einen Fritz Bauer gibt es heute nicht. »Erhalt der Nation«, ein NSU-Programmpunkt, wird gesellschaftlicher Konsens. Der bürgerliche Reichskanzler Joseph Wirth erklärte nach dem Faschistenmord an Außenminister Walter Rathenau 1922, der Feind stehe rechts. Das gilt in der Bundesrepublik nach dem NSU-Prozess weniger denn je.





Mittwoch, 11. Juli 2018

Russland - Verbündeter der Friedenskräfte



"Kein göttliches Gesetz verhindert Nato-Austritt"



Gegen die "Nato-Ostfront" – raus aus der Nato!


Klaus Hartmann, interviewt von Tilo Gräser (Sputnik)

"Gegen die 'Nato-Ostfront' – raus aus der Nato!" Das hat der Vorsitzende des Freidenker-Verbandes, Klaus Hartmann, am Samstag in Potsdam auf der Friedensaktionskonferenz verschiedener Gruppen gefordert. Im Interview erklärt er das genauer und warum die Friedensbewegung Fehler im Verhältnis zu Russland macht. Z.B. fragt er: "Wie kommt man aus der Nato raus?" Und antwortet: "Scheinbar gar nicht. Ist das ein göttliches Gesetz, dass man da drin sein muss? Nein, die Bundesrepublik kann austreten. Jedes Nato-Land kann austreten. Die Kündigungsfrist beträgt nach dem Nato-Vertrag exakt ein Jahr."

Herr Hartmann, Sie haben bei der Friedensaktionskonferenz in Potsdam mit Blick auf die Konfrontations- und Aufrüstungspolitik der Nato gegen Russland gesagt: Die einzige Lösung kann nur „Raus aus der Nato“ sein. Warum?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. In aller Munde und aktueller Aktionsgegenstand der Friedensbewegung ist die Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“. Es geht dort konkret um die Frage, künftig zwei Prozent des Brutto-Inlands-Produktes für Rüstung auszugeben. Das wird von Trump permanent eingefordert, auch jetzt im Vorfeld des jetzt aktuell bevorstehenden Nato-Gipfels. Es ist an der Stelle daran zu erinnern, dass diese Verpflichtung  der Nato-Staaten angeblich eine freiwillige war. Sie stammt schon von 2014. Sie wurde damals auf Anforderung des Trägers des so genannten Friedensnobelpreises und damaligen US-Präsidenten Obama beschlossen. Nun ist man in den letzten Monaten wach geworden, dass dies ja für Deutschland praktische eine Verdoppelung des Rüstungsetats bedeutet – bei derzeit 38 Milliarden Euro auf über 75 Milliarden.

Bei den bemerkenswerten Verhandlungen zur Großen Koalition ist die SPD ist mit der „revolutionären Forderung“ in Erscheinung getreten: „1,5 Prozent sind genug!“ Wer nachrechnen kann, erfährt: Das sind immer noch über 55 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Forderung ist offensichtlich erfüllt worden, weil sowohl von der Leyen wie auch Merkel in den letzten Tagen wiederholt haben, bis 2024 sei das Ziel 1,5 Prozent. Wie es weitergeht, haben sie nicht gesagt. Wir wollen an der Stelle mal in Erinnerung bringen: Diese Selbstverpflichtung gilt nur für Nato-Mitglieder. Wäre man nicht in der Nato, wäre auch die Verpflichtung weg. Wir könnten ungerührt abrüsten.

Nur wie kommt man aus der Nato raus? Scheinbar gar nicht. Ist das ein göttliches Gesetz, dass man da drin sein muss? Nein, die Bundesrepublik kann austreten. Jedes Nato-Land kann austreten. Die Kündigungsfrist beträgt nach dem Nato-Vertrag exakt ein Jahr. Und aus Gründen der Sparsamkeit – ich will gar nicht auf die neue schwarze Null im Finanzministerium hinweisen – ist das wirklich ein Gebot des Überlebens.

Nun ist das noch nicht absehbar und in wenigen Tagen gibt es einen Nato-Gipfel in Brüssel. Was erwarten Sie von dem?

Vom Nato-Gipfel in Brüssel ist zunächst mal nur zu erwarten, dass es in der bekannten Marschordnung Richtung Konfrontation mit Russland weitergeht. An dieser Stelle wird auch Trump relativ unnachgiebig sein. Die Nato-Doktrin ist seit mindestens 2014 offensiv auf Abschreckung, auf Eingrenzung, auf  Einhegung Russlands eingestellt. Da wird es kaum Abstriche geben. Auch die ganzen westlichen Politiker, die in Trump eher einen unsicheren Kantonisten sehen und befürchten, dass von dem militaristischen Kurs abgewichen wird, die werden das entsprechend befeuern. Von daher wird dieser Gipfel höchstwahrscheinlich keine positiven Ergebnisse bringe. Er könnte eventuell bei den allerschärfsten Scharfmachern gegen Russland zu Enttäuschungen führen, wenn wie beim G7-Gipfel Trump nicht in allen Punkten mitmacht und zustimmt. Aber das sind wirklich Unwägbarkeiten, und die hängen von der Tagesform und so vielen Launenhaftigkeiten ab, dass darauf keine Friedensperspektive zu bauen ist.

Nun wird die Nato-Aufrüstung, auch das neue Reden von Abschreckung von Russland, begründet mit dem angeblichen Bruch der Europäischen Friedensordnung durch Russland, durch die Ereignisse in der Ukraine und der so genannten Annexion der Krim 2014. Wie ist das zu beurteilen?

Wer „Annexion der Krim“ sagt, begeht nach dem deutschen Strafgesetzbuch schon mal eine kriminelle Handlung. Verdächtigung  ist dort mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bewehrt. Und es handelt sich natürlich nicht um eine Annexion. Darüber gibt das Völkerrecht ausdrücklich Auskunft, was eine Annexion ist. Über die Sezession, wie sie bei der Krim stattfand, gibt das Völkerrecht keine Auskunft. Das ist innerstaatliches beziehungsweise zwischenstaatliches Recht. Trotzdem nimmt man diese kriminelle Falschbehauptung seitens der Nato-Militaristen zum Anlass, gegen Russland voll aufzudrehen. Wenn es das nicht wäre, hätte man etwas anderes erfunden.

Es geht darum, dass in der Ukraine tatsächlich eine Aggression stattfand – nur nicht durch Russland, sondern durch die Westmächte und die Nato. Die Sanktionen gegen Russland werden damit begründet, dass Russland die Minsk-II-Vereinbarungen nicht einhält. Aber Russland ist durch diese überhaupt nicht gebunden, sondern die Kontrahenten. Russland zählt nicht zu den Kontrahenten.

Freie Entscheidung der Krim-Bevölkerung

Die faschistisch inspirierten Putschisten haben die verfassungsmäßige Ordnung der Ukraine zerstört, das Land gespalten und mit ihren schikanösen Gesetzen gegen die russische Minderheit erst die Bewegung ausgelöst. Das führte dazu, dass man auf der Krim sagte: „Wir wollen wieder zu Russland gehören.“ Dies ist eine Entscheidung der Bevölkerung dort. Seitens Russlands war zu keinem Zeitpunkt ein Soldat mehr auf der Krim als durch den ohnehin bestehenden Stationierungsvertrag (mit der Schwarzmeerflotte – Anmerk. d. Red.) mit der ukrainischen Regierung vereinbart war. Die berühmten „grünen Männchen“ haben sich nicht unbedingt ausschließlich auf dem Pachtgelände bewegt. Aber es ist erstens kein Schuss gefallen, es wurde keine Gewalt angewendet, es ist kein Mensch gestorben. Sie haben nur dafür gesorgt, dass die Volksabstimmung der Krimbevölkerung ungestört und ohne Schusswechsel durch die ukrainischen Soldaten, die entsprechend beauftragt waren, stattfinden konnte.

Von daher denke ich, der Westen hat und braucht und sucht weiterhin Vorwände. Er wollte die Ukraine und Georgien ja schon bereits 2008 als Nato-Mitglied aufnehmen – trotz eindeutiger Versprechen gegenüber Gorbatschow 1990/91, dass es keine Osterweiterung gäbe. Daran erkennt man, wer hier das falsche Spiel spielt.

Noch mal zu der Behauptung  der westlichen Seite, Russland habe die europäische Friedensordnung erstmals seit 1990 zum Teil zerstört. Wie ist das mit Blick darauf zu beurteilen, dass 1999 gegen Jugoslawien Krieg geführt worden ist auf europäischem Boden?

Die Frage stellen, heißt fast schon, sie beantworten. 1999 ist der berühmte „Sündenfall“ der Nato insgesamt, aber Deutschlands im speziellen. Man hat bereits seit 1991 kurz nach der Wiedervereinigung begonnen, das alte Einflussgebiet Deutschlands, nämlich Südosteuropa, Mitteleuropa genannt, „heim ins Reich“ zu holen, nein, nach den eigenen Vorstellungen zu zerlegen. „Zu balkanisieren“ ist inzwischen ja das Schlagwort geworden. Lauter unselbständige Einzelstaaten, die allein nicht lebensfähig sind, sondern einen starken Beschützer brauchen. Das hat erst die berühmten Bürgerkriege genannten Stellvertreterkriege in der Region ausgelöst.

Mit der Aggression 1999 hat Deutschland nicht nur zum dritten Mal in einem Jahrhundert den dritten völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Serben losgetreten. Sondern es hat tatsächlich einen Präzedenzfall für die Friedensordnung in Europa geschaffen, nämlich die Abtrennung eines Staatsgebietes des souveränen Staates Serbien, der damals noch Jugoslawien hieß. Das war ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, ein Gründungsmitglied der OSZE. Und das geschah mit Gewaltanwendung, allerdings nicht in vollem Umfang erfolgreich. Es musste im Friedensabkommen von Kumanovo im Juni 1999 bestätigt werden, dass der Kosovo ein Teil Serbiens ist und bleibt. Es gab dann eine entsprechende UN-Resolution, Nummer 1244. Das sind alles Dinge, um die sich anschließend die Nato und die so genannte EULEX-Mission der EU überhaupt nicht geschert haben. Dort ist also tatsächlich eine Annexion, eine gewaltsame Abtrennung erfolgt, etwas, was im Falle der Krim überhaupt nicht gegeben war. Das  ist zweierlei Maß, das die Herrschaften anlegen. Die einschläfernde Gehirnwäsche lautet: Europa ist ein Hort des Friedens, nur Russland stört ihn. Das ist eine sehr durchsichtige Masche, die zu nichts anderem als den eigenen Feldzugvorbereitungen dient.

Sie haben die Friedensbewegung zum Teil kritisiert und auf Fehler in der aktuellen Situation hingewiesen. Welche sind das konkret?

Zunächst mal können wir da bei 1999 bleiben, als nämlich die Unsitte einzog, dass man, bevor man die Nato für ihren kriegerischen Kurs kritisiert, sich zunächst mal von der politischen Führung des angegriffenen Landes distanziert, nämlich Milosevic. Dann später Saddam Hussein, Gaddafi und so weiter erst mal zu Schlächtern, zu Verrückten, zu neuen Hitlers oder was auch immer zu erklären. Neuere Varianten lauten Linkspopulist oder Nationalist. Es geht in der Psycho-Kriegsvorbereitung darum, durch die Medien orchestriert, das ausersehene Ziel der nächsten völkerrechtswidrigen Aggression erst mal zu delegitimieren und zum Paria zu stempeln, außerhalb der normalen Gemeinschaft zu stellen, auf den dann das Völkerrecht scheinbar nicht mehr anwendbar erscheint.

Dieses mitzumachen und diesen Kriminalisierungs- und Dämonisierungskampagnen entgegenzukommen – das kritisiere ich an der Friedensbewegung. Damals habe ich schon erklärt: Diesen Geßlerhut der Kriegstreiber grüße ich nicht. Es gibt vergleichbar verschiedene Stimmungen, die in der letzten Zeit um sich greifen. Es gibt eine aktuelle Auseinandersetzung um die Frage: Wie halte ich es mit Russland? Es wird gesagt: Ihr macht ja das Geschäft Russlands, wenn Ihr sagt „Frieden mit Russland und Verständigung“. Ich halte dagegen: Nein, überhaupt nicht. Natürlich muss die Friedensbewegung autonom, unabhängig und nicht Anhängsel eines Staates sein. Aber die Forderung „Frieden mit Russland!“ in den Mittelpunkt zu setzen, das ist das existenzielle Interesse, das Überlebensinteresse der deutschen Bevölkerung. Über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung sagen ja nach Umfragen, dass sie keine Angst vor Russland haben, sondern eher vor den USA. Und von daher tun wir hier etwas originär im Interesse dieser Bevölkerungsmehrheit.

Entscheidend sind die Interessen

Wir können die Frage von Krieg und Frieden nicht mit Emotionen, mit Werten, mit Gefühlen, mit Sympathien und ähnliches erklären. Es geht im internationalen Bereich immer nur nach Interessen. Da muss man fragen: Was sind die imperialistischen Interessen? Und dann ist die Frage nach russischen Interessen. Die sind offenkundig und liegen auf der Hand: Russland hat zu wenig Geld. Russland will seine Wirtschaft entwickeln, es muss sozial stärker werden. Russland hat allerdings auch keine Rüstungsindustrie in privater Hand mit privaten Profiteuren, wie es im Westen gang und gäbe ist. Dort gibt es keine Extraprofite aus der Rüstung. Rüstung in Russland schadet nur, nämlich dem Staatshaushalt, dem fällt das Ganze zur Last. Russland rüstet ab, obwohl die Nato permanent aufrüstet und Deutschland demnächst mehr Geld für Rüstung ausgeben will, als es Russland tut. Von daher kommen wir zum Ergebnis: Russland hat ein Interesse am Frieden und deshalb ist es objektiv Verbündeter der Friedenskräfte. Das in die Köpfe zu bekommen, brauchen wir noch ein paar Meter.


Klaus Hartmann ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes und Präsident der Weltunion der Freidenker sowie aktiv in der Friedens- und Solidaritätsbewegung. Er ist Herausgeber der Bücher „Die Zerstörung Jugoslawiens. Slobodan Miloševic antwortet seinen Anklägern“, „Ludwig Feuerbach. Ein besseres Leben nicht glauben, sondern schaffen“, „Die bösen Befreier von Zarismus, Faschismus, Kolonialismus“.

Mit Dank übernommen von Sputnik - dort veröffentlicht am 09.07.2018







Montag, 9. Juli 2018

Gebot der Stunde: Von Rußland lernen



Was Deutsche von Russen lernen können

Vielleicht sollte die Überschrift besser lauten: Was Deutschland von Rußland lernen kann. Ich meine aber beides: die Menschen und die Politik. Ich wundere mich, daß diese Frage in den großen Leitmedien überhaupt nicht gestellt wird. Auch in der deutschen Außenpolitik taucht sie nicht auf. Ich bin aber überzeugt, daß Rußland mehr ist als der Sündenbock für alles und jedes. Im russischen Alltag habe ich nach Erfahrungen und Erkenntnissen gesucht, die bemerkenswert oder gar nachahmenswert sein könnten.

Meine Erkundungstour führte mich nach Moskau, nach Wolgograd (dem ehemaligen Stalingrad) und nach Astrachan. Ein Nebeneffekt dieser Reise war für mich die Erkenntnis, welchen Stellenwert die Fußballweltmeisterschaft hat. Ich habe in Rußland niemanden getroffen, dem dieses Ereignis gleichgültig ist. Nicht alle Menschen dort werden Fußballfans sein, aber sie sind beseelt davon, daß Spielen verbindet. Rußland ist gastfreundlich, seine Türen sind weit geöffnet, selbst die russischen Fans sprechen nicht davon, wer gegen wen spielt, sondern wer mit wem. In Wolgograd ist die Geschichte des zweiten Weltkriegs lebendig. Und das nicht nur, weil die eindrucksvolle Statue der Mutter Heimat überall sichtbar ist. Kein Flecken Erde ist hier nicht mit Blut getränkt. Kaum eine Familie, die nicht mehrere Tote zu beklagen hatte. Ihre Fotos werden am 9. Mai, dem Tag des Sieges, mitgeführt, nichts ist vergessen und niemand ist vergessen. Daraus erwächst ein unbedingter Wille zu Frieden und Verständigung, ausdrücklich und gerade auch mit Deutschland. So war auch das Spiel der U-18-Nationalmannschaften am 8. Mai, dem Tag der Befreiung Europas vom Faschismus, mehr als ein normales Fußballspiel.

Es war ein deutliches Zeichen für ein Miteinander, das möglich ist – und Freude bereitet. Das kann Deutschland von Rußland lernen. Wolgograd ist in Rußland ein Zentrum der Volksdiplomatie. Im Oktober wird dort wieder der Austausch von Partnerstädten und gesellschaftlichen Organisationen unter dem Motto „Dialog an der Wolga“ stattfinden. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es so, als ob in Europa das Zusammenleben von „Einheimischen“ und „Neubürgern“ ebenso spannungsgeladen ist wie die Koexistenz unterschiedlicher Religionen oder kultureller Prägungen. Deshalb wollte ich herausfinden, wie der Vielvölkerstaat Rußland mit diesem Problem umgeht. Astrachan ist dafür ein Beispiel. Hier leben zusammen Russen (die Mehrheitsbevölkerung), Kasachen, Tataren, Kalmücken, Aserbaidschaner, Armenier, Tschetschenen, Ukrainer, Juden. Ein Viertel der Bevölkerung sind Muslime. Astrachan ist eine gewaltfreie, kulturell offene Stadt. Dieser Ausgleich im Inneren erleichtert den Ausgleich nach außen. Der Rayon Astrachan ist die einzige russische Gebietskörperschaft mit einem eigenen Außenminister. Er ist vor allem für die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres verantwortlich. Das sind so unterschiedlich verfaßte Staaten und Gesellschaften wie Rußland, Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Turkmenistan. Sie verstehen das Kaspische Meer als gemeinsames Binnengewässer, für das sie gemeinsam Verantwortung tragen – für seinen Erhalt, seine Verkehrswege, seine Nutzung. Dabei gibt es ungeklärte Fragen, aber keine kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern den Willen, zu Lösungen im Konsens zu kommen. Ich frage mich, ob nicht auch die Anrainerstaaten des Mittelmeeres gut beraten wären, das Mittelmeer als ihr Gemeinsames, sie Verbindendes zu betrachten. Das gilt auch für die Ostsee. Jedes auf seine eigene Art und Weise. Erinnert sei an die Ostsee-Friedenskonferenzen, mit denen für Entmilitarisierung und Zusammenarbeit geworben wurde.

Aus Astrachan in Rußland nehme ich mit: Auch sehr unterschiedlich verfaßte Staaten und Gesellschaften können friedlich koexistieren, sie können aber noch mehr: friedlich zusammenarbeiten. Rußland gibt schrittweise immer weniger für Rüstung aus. In den letzten zwei Jahren wurde sein Militärhaushalt schon um mehr als 10 Prozent reduziert. Rußland wird sich nicht erneut zum „Totrüsten“ treiben lassen. Das hat Wladimir Putin in seiner ersten Rede nach den Wahlen erneut unterstrichen. Daran ändert auch nichts, daß er zugleich über neue Waffensysteme spricht. Für Rußland heißt zur Zeit weniger Geld für Rüstung nicht einseitige Abrüstung, sondern der Rüstungshaushalt folgt einer strikt auf Verteidigung ausgerichteten, einer defensiven Militärstrategie. Deutschland hingegen hat sich an das Ziel der NATO, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Rüstung auszugeben, gebunden, das heißt in naher Zukunft: 70 Milliarden für Rüstung. Zum Vergleich: Die russischen Militärausgaben betragen jetzt 64 Milliarden Dollar, und sie sollen weiter sinken. Rußland als Großmacht gibt dann weniger für Militär aus als Deutschland, als die USA ohnehin, aber auch als Staaten wie Indien oder Saudi-Arabien.

Aus Moskau haben wir die Erkenntnis mitgebracht: Weniger für Rüstung, mehr für Soziales ist möglich. Warum erscheint eigentlich die deutsche staatliche Außenpolitik nicht lernwillig und lernfähig? Der neue Außenminister Heiko Maas spielt sich vielmehr als Zucht- und Lehrmeister auf. Am deutschen Wesen ist die Welt noch nie genesen. Wir haben also dringenden Änderungsbedarf. Wolfgang Gehrcke (Außenpolitiker der Linkspartei)

Freitag, 6. Juli 2018

Methodisches Lügen



Propagandalügen als Methode

Eine der größten imperialistischen Propagandalügen markierte den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Um den Angriff auf das Nachtbarland Polen zu rechtfertigen, täuschte die SS einen polnischen Überfall auf den deutschen Rundfunksender Gleiwitz am 31. August 1939 vor. Hitler äußerte sich bereits am 22. August vor Wehrmachtsgenerälen entsprechend: „Die Auslösung des Konfliktes wird durch eine geeignete Propaganda erfolgen. Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht.“ (22. 8. 1939, Ansprache Adolf Hitlers lt. Aufzeichnungen von Generaladmiral Boehm)

Nachdem die Franzosen 1954 im Indochinakrieg eine Niederlage erlitten hatte, wurde Vietnam geteilt. Die USA übernahmen die Rolle des Kolonialherrn in Südvietnam. Um gegen Nordvietnam militärisch vorgehen zu können, das die Befreiungsbewegung im Süden unterstützte, organisierten die Amerikaner den „Zwischenfall im Golf von Tonking“. Sie behaupteten, daß nordvietnamnesische Schnellboote am 2. und 4. August 1964 US-Kriegsschiffe angegriffen hätten. Diese Angriffe haben jedoch nie stattgefunden. Vielmehr haben südvietnamesische Schnellboote mit Rückendeckung der US-Marine den Norden angegriffen. Mit einem enormen Propagandaaufwand weitete der USPräsident, L. B. Johnson, den Krieg auf ganz Vietnam aus. Der Einsatz von US-Truppen in Südvietnam und die Bombardierung Nordvietnams waren bereits 1963 geplant worden. Nach unterschiedlichen Schätzungen verlor Vietnam zwischen drei und fünf Millionen Menschen in diesem langen Krieg. Er endete am 1. Mai 1975 mit der Niederlage des südvietnamnesischen Regimes und der USA.

1999 überfiel die NATO Jugoslawien, um den Kosovo abzuspalten. Als Propagandalüge wurde behauptet, daß Jugoslawien eine ethnische Säuberung im Kosovo vornehmen würde. Der damalige SPD-Kriegsminister Scharping präsentierte während der NATO-Angriffe am 8. April 1999 einen „Hufeisenplan“ zur ethnischen Säuberung im Kosovo. Außerdem behauptete er, es habe ein serbisches Massaker in Orahovac Anfang August 1998 gegeben. Es gab jedoch weder einen „Hufeisenplan“ noch ein Massaker an Albanern! Zur Desinformation gehörte, daß über wirkliche Massaker albanischer Verbrecherbanden (UÇK) nicht berichtet wurde. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bestätigte 2014, daß der Krieg gegen Jugoslawien und die Abspaltung des Kosovos ein Völkerrechtsbruch waren.

Für den Kriegsbeginn gegen den Irak reichte die Propagandakriegslüge, daß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen entwickle und besitze. Der damalige Außenminister der USA, Colin Powell, legte im UNO-Sicherheitsrat gefälschte Unterlagen vor. Amerikanische und britische Truppen überfielen am 20. März 2003 den Irak. Das Land steckt immer noch im Chaos … Propagandalügen kennzeichnen auch den Krieg gegen Syrien. Die USA und ihre Verbündeten (NATO, Europäischen Union, Israel u. a.) merken, daß sie das Heft des Handelns verloren haben. Wenn der Plan A – Vernichtung Syriens und Baschar al-Assads – nicht funktioniert, gibt es den Plan B – die Teilung Syriens. Am 11. Januar d. J. traf sich „die kleine Syriengruppe“ bestehend aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien. Sie haben sich vermutlich für die Variante „Golf von Tonking“ entschieden. Dabei wird mit verteilten Rollen vorgegangen. Terrororganisationen werden mit chemischen Produkten versorgt, aus denen Giftgas hergestellt werden kann. Diese setzen Giftgas ein oder täuschen Giftgaseinsätze vor, die dann den syrischen Truppen angelastet werden. Dazu paßt die Information eines syrischen Vertreters in der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Er teilte mit, daß im syrischen Duma chemische Stoffe deutscher und britischer Herkunft, insbesondere aus dem Labor Porton-Down in Salisbury gefunden wurden. Um einen maximalen Propagandaerfolg zu erreichen, werden „rote Linien“ gezogen und geheimdienstlich gesteuerte Propagandagruppen, wie die „Weißhelme“ und die „Syrische Stelle für Menschenrechte“, eingesetzt. „White Helmets“ ist nach eigenen Angaben 2013 in der Türkei von einem britischen Agenten und Söldnerdienstleister gegründet worden. Am 7. April wurde behauptet, daß die syrische Luftwaffe Giftgas eingesetzt hätte. Das war der Vorwand für die USA, Großbritannien und Frankreich, am 14. April einen Angriff auf Syrien mit 103 Raketen durchzuführen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow konstatierte: „Wir haben unwiderlegbare Beweise dafür, daß dies ein weiterer inszenierter Vorfall war“ …

Imperialistische Propaganda folgt immer dem gleichen Schema. Es werden Vorfälle oder Sachverhalte gesucht oder geschaffen, die entweder frei erfunden oder vorsätzlich falsch interpretiert werden. Dabei werden Unwahrheiten (Lügen), Halbwahrheiten und Wahrheiten geschickt miteinander verknüpft. Das geschieht in erster Linie in aktuellen Artikeln/Beiträgen, durch entsprechende Manipulationstechniken und Wortwahl. Ziel ist es, Meinungen, Einstellungen oder Handlungen zu beeinflussen, Gedanken zu verändern oder neu zu bilden. Das setzt freilich eine Gleichschaltung aller Medien, staatlicher und internationaler Institutionen voraus, die aus wenigen Quellen oder nur einer Quelle mit Informationen „versorgt“ werden.

Natürlich ist diese Art der Propaganda nicht neu. Bereits Goebbels formulierte, daß Propaganda den Menschen mit den Ideen der Propaganda durchtränken muß, ohne daß er es überhaupt merkt, daß er durchtränkt wird. Er stellte die Propaganda als Bestandteil der Kriegsvorbereitung dar, um „die öffentliche Meinung“ als „Heer der geistigen Vereinheitlichung“ zu mobilisieren. Propaganda wäre somit „Weichensteller der Zeit“.

Genau nach diesem Muster funktioniert heute imperialistische Propaganda in klassischen und modernen Medien. Sie dient der Systemerhaltung, der Unterwanderung anderer Länder, der Verleumdung unliebsamer Staaten, Institutionen und Personen, der Verhängung von Sanktionen und insbesondere der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung.
Dr. Ulrich Sommerfeld