Montag, 4. Dezember 2023

Abdriften ins Chaos - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/12/04/europa-driftet-ins-wirtschaftliche-und-politische-chaos/

„Europa driftet ins wirtschaftliche und politische Chaos“

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 4. DEZEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


von Thomas Röper – http://www.anti-spiegel.ru

2024 wird ein interessantes Jahr, denn die EU zerlegt sich mit immer höherer Geschwindigkeit selbst.

Wer von außen auf die EU und Deutschland blinkt, der reibt sich ungläubig die Augen. Noch vor kurzem waren sie wirtschaftliche Vorbilder, jetzt versinken sie im Chaos. Die EU hat ihren Haushalt bis 2027 schon jetzt an die Ukraine überwiesen, die Mitgliedsstaaten sind jedoch nicht bereit, die von der EU-Kommission geforderten 60 Milliarden nachzuschießen. Wie auch? Der größte Zahlmeister der EU ist selbst faktisch pleite, denn die Bundesregierung steht vor die Frage, wie sie auf die Schnelle einen – zumindest auf dem Papier – tragfähigen Haushalt für das nächste Jahr basteln kann.

Und das sind ja längst nicht alle – selbstverschuldeten – Probleme von Berlin und Brüssel. Der russische Deutschland-Korrespondent hat für den wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens auch an diesem Sonntag wieder einen Beitrag vorbereitet, der schonungslos zeigt, wie man von außerhalb der westlichen Medienblase auf die Zustände in Deutschland und der EU blickt. Und ich habe diesen Beitrag, wie jede Woche, übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Europa driftet ins wirtschaftliche und politische Chaos
Der Besuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Katar endete in dieser Woche in Verwirrung und Demütigung. Er musste eine halbe Stunde an der Flugzeugtür auf den protokollarischen Empfang warten. Das Flugzeug kam an, der rote Teppich wurde ausgerollt, die Ehrengarde stand bereit. Aber niemand hat ihn begrüßt.

Der „Stern“ beschreibt diese Peinlichkeit folgendermaßen: „Frank-Walter Steinmeier wirkte etwas verloren, nicht einmal seine Frau blieb bei ihm im Flugzeug. Alle anderen Passagiere waren nach der Landung in Doha bereits ausgestiegen. Nur der deutsche Bundespräsident musste an der Tür des Flugzeugs auf die Offiziellen warten, die ihn unten an der Gangway begrüßen sollten.“

Später hieß es, das Flugzeug des deutschen Bundespräsidenten sei zu früh gelandet, deshalb habe ihn niemand empfangen. Nun, auch das ist eigentlich ein Hohn, schließlich kann man jeden Flug, und erst recht den des Bundespräsidenten, in der kostenlosen App Flightradar verfolgen. Aber die östliche Politik hat ihre eigenen Nuancen und ist immer voll von Symbolen und versteckten Signalen. In diesem Fall war das Signal der Missachtung sogar offensichtlich. So drückte die katarische Regierung ihren Unmut über die rüden Äußerungen der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock aus, die Katar Anfang Oktober der Unterstützung des Terrorismus beschuldigt hat. Und nun mussten die Deutschen wegen Gas nach Katar fliegen. Das Vorspiel war seltsam.

Deutschland hat tatsächlich Probleme mit Gas. Nicht nur, dass die Amerikaner die Gaspipelines aus Russland gesprengt haben und die Deutschen so eingeschüchtert sind, dass sie nicht einmal ihre Stimme erheben können, auch die Beziehungen zu Russland sind schlechter denn je.

Putin kommentierte das in diesen Tagen so: „Erstens schränken sie ihre eigenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit uns ein. Europa schneidet sich selbst von der Quelle billiger Energie ab, oder das machen ihre Verbündeten aus den USA und schneiden sie aus politischen Gründen von unseren billigen Primärenergiequellen ab, oder sie sprengen einfach Gaspipelines oder schließen sie. Polen hat einfach die Jamal-Europa-Pipeline, die nach Deutschland führt, stillgelegt. Die Ukraine hat einfach eines der Systeme, eines ist noch in Betrieb, geschlossen. Die Ukraine bekommt Geld aus Europa, aus Deutschland, unter anderem für Waffen, Renten, Sozialleistungen und Gehälter, aber vom russische Gas, das die Deutschen brauchen, werden sie abgeschnitten. Und die Deutschen schlucken das alles, weil sie keine Souveränität haben und einige Regierungsmitglieder offensichtlich nicht über eine ausreichende berufliche Ausbildung verfügen, um qualitativ hochwertige professionelle Entscheidungen zu treffen.“

Aus Deutschland berichtet unser Korrespondent.

Am Dienstag ließ die militärpolitische Formation Ukraine-NATO-Rat in Brüssel endlich von sich hören. Das ist der Ersatz, den Selensky in Vilnius anstelle einer Einladung in die NATO erhalten hat. Damals, im Sommer, vor dem Hintergrund der Wiederbelebung der ukrainischen Streitkräfte, hätte Stoltenberg wohl nicht gedacht, dass er einmal so etwas sagen müsste: „Jetzt müssen wir verstehen, dass es kein Patentrezept gibt, dass es kein einziges Waffensystem gibt, das alleine die Situation auf dem Schlachtfeld verändern wird. Es geht um das gleichzeitige Wirken vieler verschiedener Fähigkeiten, die die Russen zurückwerfen werden. Wir müssen bereit für einen langen und harten Kampf sein.“

Mit der Bereitschaft gibt es bisher eindeutig ein Problem, und zwar nicht nur, weil sie von der NATO selbst abhängt. Sie hängt auch von Kiew ab. Kuleba, Selenskys Außenminister, rühmte den Erfolg des Aufbaus des Militärs, der sich von den sowjetischen Ansätzen unterscheidet: „Wir erhöhen unsere Interoperabilität mit der NATO. Wir werden praktisch zu einer De-facto-NATO-Armee, was unsere technischen Fähigkeiten, unsere Herangehensweise an die Führung und die Grundsätze der Armeeführung betrifft“.

Wenn NATO-Standards bedeuten, eine schlecht ausgebildete Masse von über vierzigjährigen Zivilisten zu führen, dann kann man ihm nicht widersprechen. Aber in diesem Fall würden diese Standards einen Mangel an Soldaten in den Einheiten bedeuten, was wohl nicht gemeint ist. Und der Mangel an Soldaten ist nach der Gegenoffensive der ukrainischen Armee eine Tatsache.

Ein Zitat aus der Financial Times: „Die Mobilmachung Anfang letzten Jahres brachte eine unverhältnismäßig große Zahl älterer Männer mit militärischer Erfahrung, aber jetzt werden jüngere Männer mit größerer Belastbarkeit und Fähigkeiten benötigt. Die Ukraine braucht Infanteristen in bester körperlicher Verfassung.“

Die Financial Times sagt Selensky, was er ohnehin schon weiß. Es wird ein Gesetzentwurf vorbereitet, der die Rekrutierung an die Front bereits ab 25 statt 27 Jahren erlaubt. Dann werden sie noch weiter gehen und zu den 20-Jährigen kommen. Das wird wahrscheinlich passieren, bevor der Westen der Ukraine die versprochene Million Granaten pro Jahr geschickt hat.

Ex-Bundeswehrgeneral Roland Kater sagte: „Vor drei Wochen war ich in der größten Munitionsfabrik Deutschlands. Dort wird in vier Schichten gearbeitet, 24 Stunden am Tag, auch an den Wochenenden. Sie stellen Munition her. Aber das Erschreckende für mich war, dass sie immer noch in Handarbeit arbeiten, es gibt keine künstliche Intelligenz, fast keine Mechanik, keine Robotik. Wir sind wirklich zurück im Ersten Weltkrieg, bei der Handarbeit.“

Der „Spiegel“ zeigt auf seinem Cover mit der Überschrift „Zwischen Mut und Verzweiflung“ einen frierenden ukrainischen Soldaten. Bloomberg titelt: „Die Ukraine hat fast keine Soldaten mehr“. Die Bild-Zeitung titelt: „Riesige Probleme in der ukrainischen Armee“. EU-Chefdiplomat Borrell sagt zur Industrie: „Gebt uns Granaten!“ Er sagte in Brüssel: „Einige unserer Kunden aus der Rüstungsindustrie sind tolle Leute, sie brauchen diese Munition nicht morgen. Sie werden sie horten, um der Ukraine vielleicht mehr zu liefern.“

Das könnte jedoch gefährlich sein. Die Londoner Times veröffentlichte in dieser Woche einen Artikel des deutschen Militärhistorikers Sönke Neitzel, der argumentiert, dass Russland in der Lage ist, Europa so wegzuspülen, wie Napoleons Armee das Heilige Römische Reich weggespült hat, denn die NATO kann Russland in der konventionellen Kriegsführung nichts entgegensetzen: Es gibt überall Probleme, von der Qualität der Waffen bis zur Logistik. Und keine noch so bravouröse Rhetorik hilft dabei, die Munitionsdepots zu füllen.

Ein Zitat aus dem Economist: „Zum ersten Mal, seit Wladimir Putin am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, sieht es so aus, als könnte er gewinnen. Der russische Präsident hat sein Land auf Krieg umgestellt und seine Macht gefestigt. Er hat im Ausland militärische Güter gekauft und hilft, den Süden der Welt gegen Amerika aufzubringen. Vor allem aber untergräbt er den Glauben des Westens, dass die Ukraine aus dem Krieg als blühende europäische Demokratie hervorgehen kann und sollte.“

Bislang sieht alles danach aus, als würde der Krieg die Ukraine zum genauen Gegenteil einer blühenden Demokratie führen.

Und was mit Europa wird, ist für 2024, das Jahr der Wahlen zum EU-Parlament und damit zur neuen EU-Kommission, auch bei weitem keine rhetorische Frage. Deren derzeitige Chefin, von der Leyen, will den Platz behalten und zieht die Ukraine deshalb, ganz im Sinne der Globalisten, in die EU, wenn sie sagt: „Sie hat alle notwendigen Voraussetzungen für fast alle sieben Schritte erfüllt, die wir von ihr verlangt haben, als sie Beitrittskandidat wurde.“

Das bedeutet, von der Leyen zufolge kann man schon jetzt Beitrittsgespräche mit Kiew aufzunehmen. Und dabei geht es nicht um die nationalen Interessen von irgendjemandem – ob Amerikaner, Europäer oder Ukrainer -, sondern um die transnationale Elite, die bereits den größten Teil des ukrainischen Vermögens kontrolliert: Nur die endgültige rechtliche Eingliederung von dem, was von dem Land übrig geblieben ist, ins politische Orbit des Westens garantiert die Gewinne und die Sicherheit der Investitionen.

Das wirtschaftliche Chaos in Europa, das sich aus so einer Eingliederung ergeben wird, ist ein Vorteil für diejenigen, die Billionen verdienen und am Auf und Ab der Börsenkurse verdienen können, aber ein Nachteil für alle anderen. Deshalb wird der EU-Gipfel am 14. Dezember für von der Leyen kein leichter Spaziergang.

Schließlich gibt es Viktor Orban, der sagt, worübers andere schweigen: „Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Verhandlungen über die Mitgliedschaft der Ukraine aufzunehmen, aber das deckt sich nicht mit den Interessen vieler Mitgliedsstaaten. Und ganz sicher nicht mit den Interessen Ungarns. Und wir trauen uns, darüber zu sprechen, egal wie viel Druck auf uns ausgeübt wird.“

Druck kommt nicht nur aus Brüssel, sondern auch aus Washington. Die Biden-Regierung, die Schwierigkeiten hat, dem Kongress Hilfe abzuringen, hat ein ureigenes Interesse daran, dass die EU die 50 Milliarden Euro Finanzhilfe und die 20 Milliarden Euro Militärhilfe, die Kiew versprochen und von Budapest blockiert wurden, schnellstens auszahlt.

„Wir müssen und werden die Ukraine weiterhin unterstützen. Das strategische Scheitern des russischen Angriffskrieges ist heute genauso wichtig wie vor fast zwei Jahren, als der Kreml diesen Krieg begonnen hat. Es steht für uns alle viel auf dem Spiel“, betont US-Außenminister Anthony Blinken.

Es ist ebenso klar, dass der Einsatz in 2024 wächst. Für Bidens Team ist der Ukraine-Konflikt, je nach seiner Entwicklung, etwas, das die Demokraten daran hindern könnte, weitere vier Jahre im Weißen Haus zu bleiben, während Biden Senior sicher die Absicht hat, sich als freier Mann zurückzuziehen, wenn die Gesundheit es zulässt.

Für Europa sind die Risiken in Form von politischer Ungewissheit und wirtschaftlicher Chaotisierung weitaus größer.

Im vierten Quartal dieses Jahres ist nach Deutschland auch die französische Wirtschaft in eine leichte Rezession geraten. Inflation und hohe Strom- und Düngemittelpreise als Folge der anti-russischen Sanktionen machen der Landwirtschaft zu schaffen. Die Landwirte haben es satt, Dünger nur unter den Fenstern der Präfekturen auszukippen, und stapeln nun Heu in der Lobby des französischen Finanzministeriums.

Slowakische Spediteure blockierten am 1. Dezember die ukrainische Grenze bei Uzhgorod und forderten die Aufhebung der Präferenzen, die die EU-Kommission ukrainischen Transportunternehmen gewährt, was die Preise auf dem Markt drückt.

Aus demselben Grund staut sich der Verkehr an der polnisch-ukrainischen Grenze auf einer Länge von dreißig Kilometern. Militärtransporte gehen nicht in die Ukraine und was die Ukraine noch exportiert – zum Beispiel Elektrokabel für deutsche Autohersteller – kommt nicht aus der Ukraine raus. Die Blockade wird wahrscheinlich noch lange andauern, denn unter den Bedingungen der politischen Krise hat die Regierung in Warschau keine Zeit, sich mit solchen Kleinigkeiten zu befassen. Dort versucht man, ohne Bürgerkrieg zu klären, wer dort jetzt die Regierung stellen soll.

Den polnischen Nationalisten von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ ist es mit Hilfe des ihnen nahestehenden Präsidenten Duda gelungen, Herrn Morawiecki wieder auf den Posten des Ministerpräsidenten zu hieven. Eine parlamentarische Mehrheitsregierung konnte er jedoch nicht bilden. Donald Tusk, der Vorsitzende der oppositionellen Bürgerplattform, hat dagegen bereits ein startbereites Kabinett gebildet

„Tusk wird nicht mein Premierminister“, sagte Präsident Duda.

„Ich bestätige das, das werde ich nicht“, antwortete Tusk und deutet damit an, dass die Opposition die Macht hat, Duda vorzeitig aus dem Amt zu werfen. Es bahnt sich ein gesamtpolnisches Chaos an. Innerhalb von 14 Tagen muss Morawiecki im Parlament die Vertrauensfrage stellen, um seine Regierungsgewalt zu bestätigen. Der Adel wird also, wie es seiner parlamentarischen Tradition entspricht, im Sejm kämpfen.

Die Deutschen haben keine solche Tradition, aber es passiert etwas Ähnliches. Bundeskanzler Scholz sagte bei der Einweihung seines Weihnachtsbaumes: „Wir haben schon oft so einen wunderschönen Weihnachtsbaum gehabt, aber jetzt schneit es und man sieht Schnee, das war zu dieser Zeit nicht immer so, und deshalb ist heute natürlich ein ganz besonderer und schöner Moment.“

Schön ist es zweifelsohne. Aber das Wichtigste ist: Es ist unklar, ob Scholz auch den nächsten Weihnachtsbaum als Bundeskanzler erleben wird. Eigentlich sollte er es, aber wenn man zum Beispiel dem bayerischen Ministerpräsidenten zuhört, ist das nicht sicher: „Wir sind in einer echten Staatskrise, wir sind seit langem in einer Wirtschaftskrise. Trotz der internationalen Bedingungen wachsen die Volkswirtschaften hier und dort, aber Deutschland stagniert. Wir haben zwei Probleme. Erstens: Wir haben eine Regierung, die im Grunde handlungsunfähig ist. Zweitens haben wir keine substanzielle Strategie für die Wirtschaft, für die Energie, oder dafür, wie wir die deutsche Industrie und den Mittelstand stärken wollen.“

Scholz kam am Dienstag in den Bundestag und versuchte, das Loch im Haushalt mit Pathos zu stopfen, das entstanden war, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Regierung nicht über die Mittel verfügt, um ihre 260 Milliarden Euro schweren Klima- und Sozialprogramme in 2024 umzusetzen. Das Lachen der Opposition war deutlich lauter als der Beifall, als Olaf Scholz erklärte: „Gemeinsam mit dem Bundestag arbeiten wir jetzt intensiv daran, alle notwendigen Beschlüsse für den Haushalt 2024 so schnell wie möglich zu fassen, denn die Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen brauchen in turbulenten Zeiten Klarheit. Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass der Staat seinen Verpflichtungen ihnen gegenüber nachkommt. Wir werden angesichts der Herausforderungen, mit denen wir jetzt so intensiv zu kämpfen haben, niemanden allein lassen. ‚You will never walk alone!‘ habe ich im letzten Jahr versprochen, und das bleibt wahr.“

Die Massenflucht der großen Produktionsunternehmen und die Konkurswelle bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist etwas, was der Kanzler nicht versprochen hat, was aber eingetreten ist. In dieser Woche kündigte der Autoreifenhersteller Michelin die Schließung von zwei Werken in Karlsruhe und Trier an. Die Produktion ist unrentabel. Auch die Zentrale des VW-Konzerns in Wolfsburg ist von der Schließung bedroht.

„Die Situation ist kritisch“, räumte Volkswagen-Chef Thomas Schäfer ein. „Es gibt keine Signale der Besserung: 2024 wird ein schwieriges Jahr für die gesamte Automobilindustrie und für die Marke VW. Mit unseren derzeitigen Strukturen, Prozessen und hohen Kosten sind wir als Marke VW nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir sind zu teuer im Management, nicht produktiv genug in den Fabriken, und unsere Kosten sind viel höher als die unserer Konkurrenten.“

Auf einer Klausurtagung Anfang dieser Woche diskutierte das Management des größten deutschen Autobauers einen Rettungsplan, denn 10 Milliarden Euro müssen eingespart werden. Die Quelle der Einsparungen ist ein massiver Personalabbau.

Vielleicht können einige der Entlassenen einen Job in der von Handarbeit dominierten Produktion von Granaten für die Ukraine finden, aber das ist nur eine Beruhigungspille, denn heute werden Granaten gebraucht, morgen nicht mehr. Wenn die deutsche Autoindustrie ohne billige Rohstoffe stirbt, dann vielleicht für immer. Daran werden natürlich Scholz und seine verrückten Freunde von der Grüne Partei schuld sein.

„In dieser Situation, Herr Scholz, haben die Bürger keine Regierungserklärung von Ihnen erwartet, sondern Ihre Rücktrittserklärung“, sagte Alice Weidel, Ko-Vorsitzende der Partei Alternative für Deutschland.

„Sie sind ein Klempner der Macht. Sie haben keine Ahnung, wie sich dieses Land in den nächsten Jahren entwickeln soll. Sie scheitern. Die Schuhe des Bundeskanzlers, die Sie anprobiert haben, sind Ihnen mindestens zwei Nummern zu groß“, sagte Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU.

Der Kanzler ist ein Klempner. Merz, der wahrscheinlich nächste deutsche Bundeskanzler, kennt Lenins These, dass ein Arbeiter oder ein Koch nicht gleich die Regierung übernehmen kann, sondern eine Ausbildung braucht, wahrscheinlich nicht. Aber es ist ein Zeichen der Zeit in der deutschen Politik – und nicht nur in der deutschen – dass, egal wie man die Figuren verändert, sich im Kern nichts ändert. Ob Scholz oder Merz, das ist egal. Es ist die Zeit der Klempner.

Deutschlands Ausweg aus den aktuellen Problemen ist, zu sparen und sich zu verschulden. Das ist ein schlechter Ausweg, denn er führt die Deutschen auf einen neuen Weg des Schmerzes und der Frustration und auf einen ganz und gar nicht beneidenswerten Platz in der internationalen Arbeitsteilung. Vorletztes Jahr gab es die Energiekrise, dieses Jahr gibt es Deindustrialisierung, Rezession und am Jahresende das fiskalische Desaster. Was kommt als Nächstes? Laut einer Umfrage von Insa haben 69 Prozent der Deutschen mehr Angst um die Zukunft des Landes als vor ihrem eigenen Tod.

Ende der Übersetzung


Sonntag, 3. Dezember 2023

PRIVATE GLÜCKSTAGE - H,P.

 

22.630 Glückstage!


Just in diesen Tagen feierten wir am 30.November 2023 ganz in Familie meinen 87. Geburtstag und am 23. Dezember wird es der 62. Hochzeitstag sein. Mit meiner Cleo! Welch ein Geschenk.

Und welche Freude an Aufmerksamkeiten.

So von Tochter Irina mit einem herzlichen Glückwunsch. (Übrigens eine Abbildung meines Gemäldes, dass sie in ihrem Auto angebracht hat, auf dem Armaturenbrett.



So von Maria mit einem Text, der es in sich hat:





Das Lachen und die Freude, gemeinsam auf die „Zukunft“ anstoßen zu können!!!





Beste Wünsche an die Leser! Harry







Samstag, 2. Dezember 2023

US-Kriegsmisserfolge - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/12/02/ukraine-ein-weiterer-historischer-us-kriegsmisserfolg-wie-in-vietnam-irak-afghanistan-und-anderen-laendern/

Ukraine: Ein weiterer historischer US-Kriegsmisserfolg wie in Vietnam, Irak, Afghanistan und anderen Ländern

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 2. DEZEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


von https://strategic-culture.su

Übersetzung LZ

Das kriegsverschuldete US-Imperium taumelt seinem historischen und endgültigen Untergang entgegen. Jedes Imperium hat seinen Platz an der Sonne.

Das von den USA geführte NATO-Bündnis hielt diese Woche in Brüssel seine erste Tagung des NATO-Ukraine-Rates ab. Wie üblich wurden die klischeehaften Versprechen, das Kiewer Regime bis zum Ende zu unterstützen, von allen und jedem vorgetragen.

In Wahrheit werden diese NATO-Veranstaltungen für die Ukraine und ganz allgemein zu Gähnfesten.

Die ganze schmutzige Scharade verschiebt nur die Realität, dass der Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland ein Debakel für die Westmächte ist. Das ist nichts, worüber man sich freuen sollte. Es ist eine Tragödie und eine Abscheulichkeit.

Bis zu 400.000 ukrainische Soldaten und Zehntausende russische Militärangehörige sind getötet worden. Die Gesamtzahl der Todesopfer geht zweifellos in die Millionen. Darüber hinaus wurden Millionen von Zivilisten als Flüchtlinge in Russland und ganz Europa vertrieben. Hunderte von Milliarden Dollar und Euro wurden den westlichen Steuerzahlern entzogen, um dieses blutige Fiasko zu finanzieren. Darüber hinaus haben sich die internationalen Spannungen zwischen den Atommächten in einem Maße verschärft, wie es seit der Kuba-Krise 1962, dem Höhepunkt des Kalten Krieges, nicht mehr der Fall war.

Washington muss zur Vernunft kommen und eine friedliche Lösung zu Moskaus Bedingungen aushandeln. So einfach ist das und so unverblümt ist das. Dies hätte vor dem Ausbruch des Konflikts im Februar 2022 erreicht werden können, als Moskau ein verhandelbares Sicherheitsabkommen anbot. Der Westen hat diese Bedingungen damals rundheraus abgelehnt. Jetzt wird er sie akzeptieren müssen. Die Bedingungen sind in erster Linie, dass es keine weitere NATO-Erweiterung an den Grenzen Russlands und insbesondere keine Einbeziehung der Ukraine in den von den USA geführten kriegerischen Militärblock geben wird.

An dem NATO-Gipfel in dieser Woche nahm der amerikanische Außenminister Antony Blinken zusammen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und den Außenministern der anderen 30 NATO-Mitgliedstaaten teil. Kuleba erklärte mit wahnhafter Unverbundenheit: “Wir werden de facto zu einer NATO-Armee.” Er mag in gewisser Weise Recht haben, dass die Ukraine als Ersatztruppe für die NATO eingesetzt wurde, aber es ist eine verbrauchte und dezimierte Armee.

Blinken schien darauf bedacht zu sein, die in verschiedenen Medienberichten auftauchenden Risse zu überdecken, die darauf hindeuten, dass die USA dem Kiewer Regime heimlich sagen, es solle seine Verluste begrenzen und eine Art Friedensabkommen mit Russland schließen. Blinkens großspurige Rhetorik erinnert an die leeren Versprechen, die die USA im Laufe der Jahrzehnte Afghanistan und zahllosen anderen Stellvertreterregimen gemacht haben, bevor Washington schmachvoll den Stecker zog und sich aus dem Staub machte.

Die Einladung der Ukraine zu einem NATO-Ratsgipfel ist reines Theater und Augenwischerei, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das Bündnis biete der ehemaligen Sowjetrepublik etwas Substanzielles an. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine leere Worthülse. Dies ist vergleichbar mit den überzogenen Versprechungen führender Politiker der Europäischen Union wie der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula Von Der Leyen, die immer wieder die Aussicht auf einen künftigen Beitritt der Ukraine zum Block anpreisen. Die Chancen dafür sind für einen kaputten, zügellos korrupten, gescheiterten Staat wie die Ukraine unvorstellbar. Wieder leere, zynische Versprechungen.

Das ganze Gerede der NATO und der EU ist ein PR-Getöse, das die brutale Realität verschleiern soll, dass die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbündeten durch ihre ruchlosen geopolitischen Spielchen mit Russland ein riesiges Elend in der Ukraine angerichtet haben. Das übrige Europa, ja die ganze Welt hat einen schrecklichen Preis für diese imperialen Spiele gezahlt.

Aber Washington und seine NATO-Verbündeten können die abscheuliche, belastende Realität nicht zugeben, wie unser Kolumnist Martin Jay diese Woche darlegt. Das Militärbündnis nähert sich seinem 75. Jahrestag seit seiner Gründung im Jahr 1949. Jahrestag seiner Gründung. Daher besteht ein enormer Druck, den Ukraine-Konflikt wie eine Art Sieg aussehen zu lassen, um das zerbrechliche Image des veralteten Bündnisses und den politischen Ruf der inkompetenten westlichen Führer zu schützen.

Ein weiterer unserer Kolumnisten in dieser Woche, Declan Hayes, ist sehr lesenswert, denn er beklagt den Mangel an strategischem Denken in den USA und ihren NATO-Vasallen. Hayes beschreibt auf amüsante Weise, wie amerikanische militärische Unternehmungen unter dem Deckmantel des NATO-Multilateralismus durchgeführt werden, als ob die Protagonisten in einem Cowboy-Matinee-Film Regie führen würden. Kein Wunder, dass diese Cowboy-Politiker und Militärs im Laufe der Jahrzehnte so viele Kriege verloren haben. Selbst der letzte Krieg, den sie angeblich gewonnen haben – der Zweite Weltkrieg – wurde in Wirklichkeit von der Roten Armee der Sowjetunion gewonnen. Die Amerikaner warfen Atombomben auf die japanische Zivilbevölkerung ab, um ihren Weg zu einem vermeintlichen Sieg im asiatisch-pazifischen Raum zu ebnen.

Die Katastrophe in der Ukraine ist das Ergebnis eines erbärmlichen Gruppendenkens der Regierung Biden und ihrer europäischen Lakaien. Das Denken der amerikanischen und europäischen so genannten Führer ist oberflächlich, narzisstisch und durch Russophobie verzerrt. Keiner der westlichen politischen Klasse verfügt über den Intellekt oder das historische Verständnis, um sich aus dem von ihnen verursachten Morast zu befreien.

Doch dies ist nicht nur ein typischer Fehler der heutigen westlichen Regime. Der sinnlose und rücksichtslose Krieg in der Ukraine wurde seit dem vermeintlichen Ende des Kalten Krieges im Jahr 1990 über Jahrzehnte vorbereitet. Der verräterische Bruch der Versprechen amerikanischer Präsidenten, insbesondere von Bill Clinton und George W. Bush, gegenüber Russland, die NATO nicht zu erweitern, und das heimtückische Drängen der Ukraine, dem Bündnis ab 2008 beizutreten, führten zum aktuellen Ausbruch des Konflikts.

Biden und andere westliche Partner waren über viele Jahre hinweg einfach das letzte schwache Glied in der Kette der Ereignisse.

Wenn die Vereinigten Staaten doch nur Leute vom Kaliber eines Professor John Mearsheimer hätten. Neben anderen echten amerikanischen politischen Denkern warnt er seit mehreren Jahren davor, dass die US-Politik der verräterischen NATO-Erweiterung schließlich zu einem Konflikt mit Russland führen würde.

Mearsheimer bestätigt in einem kürzlich erschienenen Artikel auch, was andere Quellen belegen, nämlich dass die USA und Großbritannien die Chance auf einen Frieden mit Russland in der Anfangsphase des gegenwärtigen Krieges absichtlich zunichte gemacht haben. Die Regierung Biden und der britische Premierminister Boris Johnson sabotierten ein vermeintliches Friedensabkommen, das Russland mit der Ukraine im März 2022, also nur etwa vier Wochen nach Beginn des Konflikts, ausgearbeitet hatte. Das Ergebnis dieser Sabotage durch die USA und Großbritannien waren fast zwei Jahre katastrophaler Feindseligkeiten und bis zu einer halben Million Tote.

Ein weiterer angesehener amerikanischer Denker, dessen Fähigkeiten und Einsichten im Washingtoner Establishment schmerzlich vermisst werden, ist Jeffrey Sachs. Der Wirtschaftswissenschaftler und geopolitische Analyst hat ebenso wie Mearsheimer wiederholt betont, dass die USA die vorhersehbare Katastrophe in der Ukraine verursacht haben. In einem kürzlichen Interview bemerkte Sachs, dass die Geschichte mit gescheiterten Stellvertreterkriegen der USA übersät ist, von Vietnam über Afghanistan und Irak bis hin zur Ukraine.

“Dies ist die Standardprozedur der Vereinigten Staaten”, sagte Sachs. “Die Vereinigten Staaten versprechen immer zu viel und verkaufen zu viel”, sagt er, wodurch Kriege und Vernichtung angezettelt und in die Länge gezogen werden.

Das Scheitern in der Ukraine bezeichnet er als einen weiteren “absolut dummen und unvermeidlichen Krieg”.

Das höllische Problem ist jedoch, dass Millionen unschuldiger Menschen für diese dämonischen imperialen Machenschaften bezahlen.

Mit Blick auf die Verwüstungen in der Ukraine zieht Jeffrey Sachs eine äußerst logische Schlussfolgerung: “Die USA müssen anfangen, wie ein Erwachsener zu verhandeln.”

Man könnte hinzufügen, wie ein intelligenter und moralisch angepasster, gesetzestreuer Erwachsener.

Sachs plädiert dafür, dass Washington die vernünftigen Bedingungen Russlands für eine Friedensregelung in der Ukraine akzeptieren muss. Das bedeutet keine NATO-Erweiterung. Die Schande ist, dass dies, wie oben erwähnt, das war, was Russland vor dem Ausbruch des gegenwärtigen Krieges und in der Tat für viele Jahre davor angeboten hat.

Auch hier besteht das verblüffende Dilemma darin, dass die imperiale Macht der Vereinigten Staaten dem Aufbau normaler, vernünftiger und gesetzestreuer Beziehungen entgegensteht. Der nationale Sicherheitsstaat der USA, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat, basiert auf einem hypermilitarisierten Unternehmenskapitalismus, der keine gegenseitigen internationalen Beziehungen duldet. Er basiert auf einer Nullsummen-Hegemonie. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Schurkenstaat, der sich selbst als über dem Gesetz stehend betrachtet. Kurz gesagt, das ist die Definition von Imperialismus und Faschismus.

Der 60. Jahrestag der Ermordung von Präsident John F. Kennedy durch den nationalen Sicherheitsstaat der USA ist eine eindringliche Erinnerung an die zutiefst verderbliche und dunkle Natur der imperialen Macht der USA und daran, dass sie keinerlei Herausforderung oder Widerspruch duldet. JFK wurde 1963 am helllichten Tag in Dallas durch den imperialen Staat hingerichtet, was faktisch ein Staatsstreich gegen die amerikanische Demokratie war, um Politiker zu installieren, die der herrschenden Elite gehorchen würden. Der herrschenden Elite gefielen Kennedys Entspannungspläne mit der Sowjetunion nicht. Der internationale Frieden ist für den kapitalistischen US-Imperialismus weder profitabel noch mit ihm vereinbar.

Die Litanei von Kriegen und Zerstörungen, die die Vereinigten Staaten in den letzten acht Jahrzehnten verursacht haben, zeugt von dieser barbarischen Realität. Die Konformität der US-amerikanischen und westlichen Nachrichtenmedien beim Verschweigen oder zumindest Verharmlosen dieser abscheulichen Realität ist ein Lehrstück in Sachen Massenpropagandakontrolle. Denken Sie einmal darüber nach, warum es so umstritten erscheint, die Vereinigten Staaten als die größte Terrororganisation der Welt zu bezeichnen, wenn dies empirisch gesehen der Fall ist. Das spricht für die heimtückische Macht des Wahrnehmungsmanagements der westlichen Medien.

Der Tod von Henry Kissinger in dieser Woche hat viele Lobeshymnen auf einen “großen Staatsmann und Diplomaten” hervorgerufen. Kissinger war weder das eine noch das andere. Er war ein weiterer amerikanischer Kriegsverbrecher – wenn auch ein scheinbar gelehrter – in einer überfüllten Gruft ähnlicher amerikanischer Kriegstreiber, die hohe Ämter in US-Regierungen innehatten. Kissinger sabotierte ein Friedensabkommen in Vietnam, das 1969 möglich gewesen wäre, bis er 1973 aus Zweckmäßigkeitskalkül nachgab und damit Millionen von unnötigen Toten verursachte. Derselbe Modus Operandi, unnötige Kriege und Tote zu provozieren, herrscht heute in der US-Politik vor, wie wir in der Ukraine gesehen haben. Die Kriegstreiber kommen und gehen, aber die Politik der kriminellen Zerstörung bleibt die gleiche, weil sie dem Kern der korrupten imperialen Macht dient.

Bedauerlicherweise ist das elende Chaos in der Ukraine kein Einzelfall. Leider gehört es zum imperialen Kurs der USA. Solange die grundlegende Natur der amerikanischen imperialen Macht bestehen bleibt, wird derselbe zerstörerische Kurs fortgesetzt.

Doch glücklicherweise steuert das kriegsverschuldete US-Imperium auf sein historisches und endgültiges Ende zu. Jedes Imperium hat seinen Tag in der Sonne.

Schließlich sei noch angemerkt, dass die imperialen Machenschaften der USA nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ukraine durch die frühe Zusammenarbeit der CIA mit dem besiegten Nationalsozialismus begannen, um den einstigen Verbündeten, die Sowjetunion, zu bekämpfen. Im Jahr 1945 und in den folgenden Jahren wurden Nazi-Kriegsverbrecher in der Ukraine rekrutiert, um Uncle Sam zu dienen. Das war typischer Verrat. Trotz all des Hollywood-Glanzes über den Sieg über Nazideutschland setzten die USA die Kriegsmaschinerie des Dritten Reichs für ihre imperialen Nachkriegspläne ein. Wie passend, dass dasselbe Gebiet acht Jahrzehnte später nun das Ende des amerikanischen Imperiums bedeutet


Freitag, 1. Dezember 2023

Was die arabischen Staaten tun können, um Israel zu bestrafen LZ

 Entnommen:

https://linkezeitung.de/2023/12/01/was-die-arabischen-staaten-tun-koennen-um-israel-zu-bestrafen/

Was die arabischen Staaten tun können, um Israel zu bestrafen

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 1. DEZEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


von Karim Schami – https://new.thecradle.co

Übersetzung LZ

Die einheitliche Haltung der OPEC, sich den USA zu widersetzen und die Ölförderung zu drosseln, hat den arabischen Führern weltweites Gewicht verliehen. Das Gleiche gilt für eine einheitliche Haltung gegen Israels Blutbad im Gazastreifen.

Am 10. November, kaum einen Monat nach dem Beginn der Al-Aqsa-Flutoperation des palästinensischen Widerstands und dem Beginn des brutalen Angriffs Israels auf den Gazastreifen, kündigte das saudische Außenministerium einen außerordentlichen gemeinsamen Gipfel der Arabischen Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Riad an.

Die Entscheidung, die ursprünglich getrennt anberaumten Treffen zusammenzulegen, war Berichten zufolge darauf zurückzuführen, dass sich die arabischen Staaten nicht einig waren, wie sie gemeinsam auf Israels völlig unverhältnismäßige Aggression gegen die 2,3 Millionen Zivilisten im Gazastreifen reagieren sollten.

Berichten zufolge konnten sich die arabischen Staaten nicht auf eine Reihe von umstrittenen Maßnahmen einigen, die einige ihrer Mitglieder vorgeschlagen hatten. Dazu gehörten Beschlüsse, die Nutzung regionaler US-Militärstützpunkte für Waffenlieferungen an Israel zu verbieten, alle arabischen Beziehungen zu Israel auszusetzen und ein Ölembargo gegen die Besatzungsmacht zu verhängen.

Ein ganz gewöhnlicher Gipfel

Trotz der weit verbreiteten Stimmung gegen die israelischen Aggressionen in Westasien und der gesamten islamischen Welt endete der Gipfel, wie von vielen erwartet, ohne konkrete Maßnahmen gegen Israel, was die Schwäche und den mangelnden Willen der 22 arabischen Führer unterstreicht, Israel und seinen westlichen Verbündeten entgegenzutreten.

Das wirft eine zentrale Frage auf: Was können die einzelnen arabischen Staaten anstelle einer kollektiven Entscheidung der Arabischen Liga tun, um Palästina zu unterstützen, und warum haben sie dies nicht bereits getan?



Karte der arabischen Welt

Um die Komplexität der arabischen Geopolitik zu entschlüsseln und die verschiedenen Weltanschauungen und Prioritäten der Region zu vereinfachen, können die arabischen Staaten in drei politische Hauptgruppen eingeteilt werden, die jeweils von nicht-arabischen Akteuren beeinflusst werden: den USA, der Türkei und dem Iran.

Die Außenpolitik von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Bahrain, Oman, Jordanien, Ägypten, Marokko und Dschibuti – die meisten dieser Länder werden von Erbmonarchien regiert – ist eng mit den USA und dem Westen verbunden. Obwohl diese Staaten zahlreiche US-Militärstützpunkte beherbergen, könnten sie paradoxerweise eine wichtige Rolle in der

Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, der Sudan, Ägypten und Jordanien haben alle wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Beziehungen zu Israel. Doch im Gegensatz zu weit entfernten lateinamerikanischen Ländern hat keines von ihnen die Beziehungen abgebrochen, obwohl Bahrain seine wirtschaftlichen Beziehungen ausgesetzt hat.

Stattdessen wurden die israelischen Botschaften in Jordanien, Marokko, Ägypten und Bahrain aufgrund massiver Proteste zur Unterstützung der Palästinenser auf Anordnung von Außenminister Eli Cohen und des Generaldirektors des Ministeriums evakuiert.

Die strategisch wichtigsten Staaten in dieser Gruppe sind Jordanien und Ägypten, die beide an Israel grenzen und die am längsten bestehenden Beziehungen zu Tel Aviv haben.

Ägypten, das seit der Unterzeichnung des Camp-David-Abkommens 1979 eine Schlüsselrolle spielt, hat die Möglichkeit, die Ereignisse in Gaza unmittelbar zu beeinflussen. Doch von Präsident Anwar Sadat bis zum heutigen Abdel Fattah el-Sisi hat Kairo stattdessen Überstunden gemacht, um Israels Südgrenze zu sichern, und sich aktiv an Energiegeschäften beteiligt, um die Wirtschaft beider Länder anzukurbeln.

Wenn es sich dafür entscheidet, kann Ägypten israelische Schiffe im Suezkanal blockieren, den Rafah-Übergang zum Gazastreifen öffnen, um das belagerte Gebiet mit lebenswichtigen Hilfsgütern zu überschwemmen, und die Zusammenarbeit der Geheimdienste einstellen – heute und unblutig.

Jordanien, das die längste Grenze mit dem Besatzungsstaat hat, verfügt nicht über nennenswerte Mittel, um dem israelischen Einfluss entgegenzuwirken. Amman könnte jedoch die Beziehungen zu Israel kappen und Tel Aviv damit drohen, dass es seine Grenzkontrollen lockert, wodurch ausländische Kämpfer und Waffen in das besetzte Westjordanland eindringen könnten – ein Szenario, das Tel Aviv sehr fürchtet.

Die Monarchien des Persischen Golfs

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait und Oman produzieren zusammen über 20 Prozent des weltweiten Erdöls. Ein strategischer Schachzug, wie die Einstellung der Ölexporte nach Israel und in Länder, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen nicht unterstützen, könnte erheblichen Druck auf ein Europa ausüben, das bereits mit Versorgungsengpässen und steigenden Energiepreisen zu kämpfen hat.

Die 27 US-Stützpunkte in diesen arabischen Ländern, darunter die wichtige fünfte US-Flotte mit Sitz in Bahrain, bieten ihnen das nötige Druckmittel gegenüber Washington.


US-Militärpräsenz in Westasien

Indem sie ihre Zusammenarbeit mit dem US-Militär neu kalibrieren, so dass letzteres gezwungen ist, auch ihre nationalen und regionalen Verantwortlichkeiten zu berücksichtigen und zu respektieren, könnten diese Staaten die unbestrittenen Waffenlieferungen des US-Zentralkommandos an Israels Kriegsmaschinerie beeinträchtigen.

Der Reichtum und das Medienimperium Saudi-Arabiens haben ihren Einfluss auf die gesamte arabische Welt und darüber hinaus ausgedehnt und verleihen dem Land einen entscheidenden Einfluss auf arabische Entscheidungen. In den 1980er Jahren hetzte Riad die muslimische Jugend gegen die Sowjets in Afghanistan auf und wiederholte ein ähnliches Szenario in Syrien in den 2010er Jahren.

Das Potenzial der Saudis, Millionen zur Unterstützung einer Sache zu mobilisieren, ist offensichtlich, vor allem wenn man bedenkt, dass Riad den Wahhabismus als eine Form der Außenpolitik und der Soft-Power-Projektion in die muslimische Welt exportiert hat – auch wenn dies in den letzten Jahren unter der modernisierenden, reformorientierten Führung des De-facto-Herrschers Kronprinz Mohammed Bin Salman nachgelassen hat.
Obwohl Israel 60 Prozent seiner Ölimporte aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Aserbaidschan und Kasachstan bezieht, kann Saudi-Arabien als großer Ölproduzent und OPEC-Schwergewicht einen Stopp der Energieexporte nach Israel fordern, was unmittelbare und schwächende Auswirkungen auf Tel Avivs Kriegsanstrengungen hätte.

Politische Entscheidungen der arabischen Führer sind jedoch nach wie vor schwer zu fassen, da die arabischen Verbündeten der USA weder die Militärhilfe für Tel Aviv noch die Sperrung des Luftraums für israelische und US-amerikanische Flugzeuge behindern. Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien haben stattdessen Raketen abgeschossen, die auf Israel gerichtet waren, um es vor Angriffen von außen zu schützen, da ihre Führer lieber die Grenzen Israels verteidigen als ihre Macht zu verlieren.

Die arabischen Verbündeten der Türkei

Die langjährigen Beziehungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Muslimbruderschaft haben in der jüngsten Vergangenheit den Einfluss Ankaras in der arabischen Welt gefestigt. Katar, der wichtigste arabische Verbündete der Türkei, teilt trotz der ausgezeichneten Handelsbeziehungen Ankaras mit Israel gemeinsame außenpolitische Ansichten und Ansichten zur palästinensischen Sache.

Außerdem können sich die Hamas-Führer in dem kleinen Golfstaat frei bewegen. Doha ist eine der wichtigsten Quellen für die finanzielle Unterstützung des belagerten Gazastreifens und spielt auf diplomatischer Ebene eine führende Rolle bei der Aushandlung von Waffenstillständen und dem Austausch von Gefangenen zwischen dem palästinensischen Widerstand und Israel, wie das jüngste von Katar vermittelte Abkommen zeigt.

Taten sagen mehr als Worte, und Katar, der weltweit größte Exporteur von verflüssigtem Erdgas (LNG), könnte die globalen Gasmärkte erheblich beeinflussen und das energieabhängige Europa veranlassen, einige seiner veralteten Politik gegenüber Palästina zu überdenken.

Dennoch bleibt Katar im Großen und Ganzen auf der Seite des westlichen Lagers, dem auch der NATO-Verbündete Türkei angehört. Trotz seines riesigen Medienimperiums, das sich offen für die palästinensische Sache einsetzt, und seiner standhaften Ablehnung einer Normalisierung ohne palästinensische Staatlichkeit ist die Unterstützung Katars nach wie vor begrenzt und bleibt hinter seinem vollen Potenzial zurück.

Die Achse des Widerstands

Heute spielen arabische Staaten und nichtstaatliche Akteure, die mit dem Iran verbündet sind, die bei weitem wichtigste Rolle bei der Unterstützung der palästinensischen Sache, insbesondere dort, wo es am meisten zählt – im bewaffneten Kampf für die nationale Befreiung. Trotz aller Herausforderungen leisten sie weiterhin Widerstand und tragen zur breiteren Achse des Widerstands in der Region bei.

Seit dem 8. Oktober hat der Widerstand im Libanon unter Führung der Hisbollah erfolgreich eine langsame Militärpolitik betrieben, um die volle Aufmerksamkeit des israelischen Militärs vom Gazastreifen auf die Nordgrenze zu lenken, wo es fast täglich zu Zusammenstößen kommt.

Indem sie Israels Kommunikations- und Überwachungsnetze strategisch ins Visier genommen und ausgeschaltet hat, hat die Hisbollah im Wesentlichen ein Drittel der Besatzungstruppen gezwungen, die Nordgrenze zu besetzen und ganze Siedlungen und Militärstützpunkte im Umkreis von fünf Kilometern zu entvölkern.

Heute gilt Syrien, der wichtigste arabische Staat in der Achse des Widerstands, als das schwächste Glied in diesem Bündnis. Seit den 1970er Jahren unter einem repressiven westlichen Sanktionsregime stehend, hat sich die wirtschaftliche Lage Syriens seit dem Ausbruch des vom Ausland bewaffneten Regimewechsel-Konflikts 2011, der weite Teile des Landes zerstörte, erheblich verschlechtert.

Israel nutzt diese Verwundbarkeit, um regelmäßig Luft- und Raketenangriffe gegen Syrien zu fliegen, und tut dies auch weiterhin, obwohl es militärisch an der Süd- und Nordgrenze des Landes festsitzt.

Die Syrer sind jedoch keineswegs aus dem Spiel. Gelegentlich werden Raketen auf die von Israel besetzten Golanhöhen abgefeuert, während Panzerabwehrlenkraketen wie die russische Kornet, die gegen israelische Panzerfahrzeuge im Gazastreifen und im Südlibanon eingesetzt werden, von Damaskus geliefert werden.

Syrien ist auch weiterhin eine wichtige Route für den Transfer, den Transport und die Lagerung von Waffen und Arbeitskräften in der gesamten Achse.

Die mit der Ansarallah verbündeten jemenitischen Streitkräfte haben sich in den letzten Wochen ebenfalls mit dem Gazastreifen solidarisiert und Raketen und Drohnen abgefeuert, die das etwa 2.000 km entfernte Südisrael erreicht haben. Die Jemeniten haben auch ihre Marineoperationen im Roten Meer verstärkt und stellen eine Bedrohung für israelische Schiffe dar, die in diesem strategischen Schifffahrtsweg operieren.

Ansarallah-Führer Abdul-Malik al-Houthi versprach am 14. November, dass die jemenitischen Streitkräfte “die Schiffe des israelischen Feindes im Roten Meer ins Visier nehmen und zerstören werden; wir werden nicht zögern, sie ins Visier zu nehmen und die ganze Welt davon wissen zu lassen”.

Fünf Tage später wurde das israelische Schiff Galaxy Leader mit seiner Besatzung an Bord im Roten Meer gekapert und in den jemenitischen Hafen Hodeidah gebracht. Am 25. November folgte ein Drohnenangriff auf ein Frachtschiff der israelischen Reederei ZIM.

Im Irak, der seit 2003 im Wesentlichen von den USA zerstückelt und besetzt ist, gibt es mehrere von Teheran unterstützte Widerstandsgruppen, die sich verpflichtet haben, US-Interessen und Militärstützpunkte im Irak und in Syrien anzugreifen.

Die USA gaben bekannt, dass sie seit Oktober 66 Mal im Irak angegriffen worden sind. Außerdem wurden von diesen Gruppen Raketen auf Israel abgefeuert, die jedoch von Jordanien abgefangen wurden.

Eine ‘Einheit der Fronten’

Die Furcht vor einem Mehrfrontenkrieg, an dem die Hisbollah, Syrien und ihre Verbündeten, einschließlich palästinensischer Widerstandsgruppen in Syrien und im Libanon, beteiligt sind, zwang die USA und ihre Verbündeten, eine gewaltige Marinepräsenz in die Region zu entsenden. Dazu gehörten Marineschiffe, Flugzeugträger, Zerstörer und U-Boote im östlichen Mittelmeer, um Tel Aviv zu unterstützen.

Ausgelöst wurde der verstärkte Militäreinsatz durch die Aktionen einer relativ kleinen Widerstandsgruppe im krisengeschüttelten Libanon. Man kann nur erahnen, welch immensen Einfluss und Druck eine vereinte Front arabischer Staaten gegen Israel und seine wenigen begeisterten Anhänger ausüben könnte.

Das nordafrikanische Algerien, ein Ausreißer, spricht sich für die Palästinenser aus und lehnt eine Normalisierung mit Tel Aviv strikt ab. Algerien ist auch einer der wenigen arabischen Staaten, die positive Beziehungen sowohl zum Iran als auch zu Syrien pflegen. Als wichtiger Gasproduzent könnte allein die Drohung, die Gasexporte zu stoppen, massiven Druck seitens der EU auf Israel ausüben. Obwohl noch keine militärischen Maßnahmen ergriffen wurden, hat das algerische Parlament einstimmig dafür gestimmt, Palästina notfalls mit militärischen Mitteln zu unterstützen.

Die anhaltenden Bombardierungen und die absichtlichen Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen könnten die öffentliche Meinung in der arabischen Welt zugunsten einer Unterstützung des Widerstands beeinflussen, sofern sich diese Gefühle nicht bereits vollständig durchgesetzt haben. Im Gegensatz dazu wird die Untätigkeit der mit den USA verbündeten arabischen Monarchien mit ziemlicher Sicherheit die Kontrolle über diese Regime verstärken und ihre innenpolitische und regionale Legitimität untergraben.

Je länger Israel seinen Völkermord in Gaza betreibt, desto schwieriger wird es, seine Untätigkeit zu erklären. Während ein schneller Waffenstillstand dieses Problem für die arabischen Monarchien und andere pro-westliche arabische Staaten lindern könnte, dürften Israel – und seine Unterstützer, die USA – stattdessen ihren Krieg gegen den Gaza-Streifen intensivieren. Dabei ist noch nicht einmal der Krieg berücksichtigt, den Israel seit Wochen im besetzten Westjordanland führt, einem Gebiet, das von einer US-freundlichen Behörde regiert wird, die von Tag zu Tag an Glaubwürdigkeit und Unterstützung einbüßt.

Die entscheidende Lösung besteht darin, dass die arabischen Staaten ihre internen Spaltungen überwinden und eine einheitliche Front schmieden, um gemeinsam Einfluss zu nehmen und den Gaza-Krieg zu beenden. So wie die wichtigsten arabischen OPEC-Staaten eine übergroße Schlagkraft entwickelten, als sie sich Washington widersetzten, um die Ölproduktion zu drosseln, werden sie wahrscheinlich feststellen, dass eine harte, kollektive Haltung gegen Israel ihre Stärke auf der Weltbühne nur bestätigen wird.

https://new.thecradle.co/articles/what-arab-states-can-do-to-punish-israel


Montag, 27. November 2023

Kapitalismus bedeutet Krieg - Tod und Verwüstung sascha313

 Entnommen: https://sascha313.wordpress.com/2023/11/26/116640/

Kapitalismus bedeutet Krieg – Tod und Verwüstung

Erstellt am 26. November 2023 von sascha313

Kriegsminister

Wenn der Verteidigungsminister eines Landes für mehr „Kriegstüchtigkeit“ im eigenen Volk wirbt und hernach in ein kriegführendes Land reist, das von einem faschistischen Regime beherrscht wird, so muß man sich fragen, welche Ziele verfolgt eigentlich seine Regierung. Sind es friedliche Absichten oder kommt er im Auftrag des USA-Imperialismus und der heimischen Rüstungsindustrie? Hatte nicht zuvor schon eine Waffenlobbyistin sich lautstark für mehr Aufrüstung im Lande eingesetzt? Die Situation in Europa ist brandgefährlich. Vor etwas mehr als 10 Jahren begann der faschistische Putsch in der Ukraine. Nunmehr ist mit dem massenmörderischen Angriff Israels auf das Volk von Palästina in Gaza ein weiterer Brandherd hinzugekommen. Doch was ist mit der Ukraine? Die offizielle Vertreterin des russischen Außenministeriums, Maria Sachárowa, beschreibt es so:

Der verfassungswidrige Putsch in der Ukraine
Am 21. November 2013 begannen auf dem zentralen Platz in Kiew – dem «Majdan der Unabhängigkeit» – die Anti-Regierungs-Auftritte, die zum Ausgangspunkt und gleichzeitig zum Punkt der Nicht-Rückkehr jener Katastrophe wurden, die wir heute in der Ukraine erleben. Erfahrene, von US-amerikanischen und europäischen Instrukteuren ausgebildete Provokateure haben unter attraktiven Losungen für ein „besseres, europäisches“ Leben, für visafreie Reisen in die Länder der EU, für Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte und den Kampf gegen Korruption Massen von Menschen zu Straßenprotesten geführt.

Das Assoziierungsabkommen mit der EU
Im Januar und Februar 2014 wurden die künstlich stimulierten Unruhen unter westlicher Führung zu bewaffneten Aufständen und endeten mit einem verfassungswidrigen Putsch, der von den Bewohnern vieler Regionen des Landes abgelehnt wurde. Ich erinnere Sie daran, daß die Entscheidung der Regierung, die geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU zu verschieben, als Auslöser für die Ereignisse vom November vor zehn Jahren diente. ☝️ Ich will hier noch einmal unterstreichen: Es ging nicht um die Ablehnung der Assoziierung, sondern um den Aufschub der Unterzeichnung. Tatsache ist, daß Kiew Verpflichtungen im Rahmen der GUS-Freihandelszone hatte und die neuen Verpflichtungen, die es im Zusammenhang mit der Assoziierung zur EU einzugehen beabsichtigte, zu diesem Regime im Widerspruch standen.

Was hat der Majdan-Putsch der Ukraine eingebracht?
❗ Im November 2013 gingen der Westen und die radikale, neonazistische ukrainische Opposition va-banque, d.h. sie gingen das Wagnis ein, den multivektoriellen Kurs der Ukraine endgültig zu verändern, um die ukrainische Wirtschaft und Politik in das westliche, neokolonialistische Koordinatensystem zu integrieren. Heute ist es angebracht, eine Frage zu stellen, was genau der «Euromajdan» der Ukraine gebracht hat? 👉 Die Antwort ist offensichtlich. Aus einer souveränen, industrialisierten und vielbevölkerten Republik der ehemaligen UdSSR hat sich die Ukraine zu einem armen, aussterbenden Gebiet entwickelt. Das Land hat seine staatliche Unabhängigkeit verloren und befindet sich im Zugriff westlicher Kolonisatoren, die seine Innen- und Außenpolitik bestimmen.

Quelle: Briefing des Russischen Außenministeriums am 21. November 2023
Faschismus in der Ukraine
Die sowjetische Publizistin Ljubow Pribytkowa schreibt: „Zu Tausenden wüteten die Horden der Bandera-Faschisten auf dem Majdan, besetzten die Regierungsgebäude, zerstörten Lenin-Denkmäler und die Denkmäler für die Helden der Sowjetunion, bewarfen die Milizeinheiten mit Brandflaschen, zündeten Berge von Autoreifen an, verprügelten mit Stöcken alle, die ihnen nicht gefielen. Der Majdan verwandelte sich in ein riesiges Flammenmeer. Dutzende Milizionäre wurden verletzt. In Lwow wurde das Büro der kommunistischen Partei der Ukraine verwüstet, der Sekretär des KP der Ukraine, Rostislaw Wassilko, wurde grausam gefoltert. Die Machtergreifung der Banditen in Kiew war nur möglich aufgrund der Unentschlossenheit des Präsidenten Janukowitsch, dieses schwachen und willenlosen Politikers, der nur dank der ausländischen Banken auf diesen Posten gelangt war.“

Quelle: https://sascha313.wordpress.com/2014/05/07/l-pribytkowa-der-faschismus-in-der-ukraine/
Die russische militärische Spezialoperation
Putin über die russische militärische Spezialoperation:
▪ Rußland hat die militärische Spezialoperation begonnen, weil es keine anderen Mittel mehr gab;
▪ der Krieg in der Ukraine wurde 2014 von Kiew begonnen, acht Jahre lang wurden Frauen, Kinder und alte Menschen getötet;
▪ es wurde klar, daß es keine zivilisierten Wege zur Gewährleistung der Sicherheit mehr gab;
▪ Man hat Rußland im Bemühen um eine friedliche Lösung in der Ukraine „an der Nase herumgeführt“, es war notwendig geworden, darauf zu reagieren.

Wie ist das mit dem Nazismus in Europa?
Nach der Befreiung Europas vom Faschismus durch die Sowjetunion 1945 war in der DDR der Faschismus mit der Wurzel ausgerottet worden. Es entstand ein sozialistischer Staat, in dem die Produktionsmittel dem Volke gehörten und kein Platz mehr war für nazistische und neonazistische Abenteuer. Die Nazi- und Kriegsverbrecher (soweit sie nicht nach Westdeutschland, Südamerika, Kanada oder in die USA geflüchtet waren) wurden hart bestraft. Sogar mit der Todesstrafe. Vor allem die Jugend der DDR wurde im antifaschistischen Sinne zu Völkerfreundschaft und zu internationaler Solidarität mit den unterdrückten Völkern erzogen. Antifaschismus war ein Grundprinzip in allen sozialistischen Ländern. Auch und vor allem in der Sowjetunion. Noch heute erinnern sich die Menschen an den hinterhältigen und wortbrüchigen Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR, und sie gedenken der Opfer des Nazismus, wie das folgende Beispiel zeigt…

Das faschistische Vernichtungslager in Sobibór
SobiborAm 14. Oktober 1943 organisierten Häftlinge des Nazi-Vernichtungslagers Sobibór unter der Führung des sowjetischen Kriegsgefangenen Alexander Petscherski einen Aufstand. Dieses Ereignis zählt zu den berühmtesten Beispielen des heroischen Kampfes gegen den Nazismus und war de facto die einzige erfolgreiche Flucht aus einem Nazi-Konzentrationslager. Sobibór war eines der sogenannten Vernichtungslager im Südwesten Polens, das ausschließlich für die systematische Ermordung von Juden und Kriegsgefangenen errichtet wurde. Es war vom 15. Mai 1942 bis zum 15. Oktober 1943 in Betrieb. In den anderthalb Jahren seines Bestehens ermordeten die Nazis nach verschiedenen Schätzungen zwischen 150.000 und 250.000 Menschen.

Applaus des kanadischen Parlaments für einen Massenmörder
Zu Beginn waren es kollaborierende Kriegsgefangene mit ukrainischen Wurzeln, die als Wächter fungierten. Ab 1943 bestand die Mehrheit von ihnen aus Mitgliedern der freiwilligen SS-Division Galizien. In dieser Gruppe befand sich auch der heutige neue «Held» der westlichen Gemeinschaft, dem das kanadische Parlament Applaus spendete. Die Geschichte von Sobibór wurde Teil der Anklage wegen der verbrecherischen und unmenschlichen Taten der Nazis im Nürnberger Prozeß. Berichte von Zeugen und Teilnehmern des Aufstands bildeten die Grundlage vieler Bücher und Filme. Die Heldentat von Alexander Petscherski und anderer Häftlinge wird für immer in unserem Gedächtnis bleiben und an zukünftige Generationen weitergegeben.

Quelle: Russische Botschaft in Deutschland
Und was hat das alles mit der BRD zu tun?
Darüber schrieb schon 1967 ein Autorenkollektiv der DDR (und die Situation ist nach der feindlichen Annexion der DDR heute wiederum nahezu unverändert): „Der westdeutsche Imperialismus stellt die Hauptgefahr für die Erhaltung des Friedens in Europa dar. Er strebt nach Hegemonie über Europa und nach der Revision der Ergebnisse des zweiten Weltkriegs… Im Interesse seiner Expansionspolitik ist er bestrebt, die bürgerlich-parlamentarische Demokratie in der Bundesrepublik zu beseitigen und seine formierte Herrschaft zu errichten. Er hat erneut eine mächtige Militärmaschine aufgebaut und strebt nach atomaren Waffen. Durch die daraus erwachsenden Gefahren gewinnt der Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten erhöhte Bedeutung.

Für den Frieden und den gesellschaftlichen Fortschritt
Unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus nimmt der ökonomische Kampf der Werktätigen objektiv-politischen Charakter an. Forderungen nach ökonomischen, politischen und kulturellen Reformen sind nur zu verwirklichen, wenn sie mit dem grundsätzlichen Kampf gegen die monopolkapitalistische Herrschaft verbunden werden. Der Kampf um die Sicherung des Friedens durch die Abwehr der Notstandsdiktatur und die Verteidigung der verfassungsmäßigen demokratischen Rechte wird immer dringlicher. In dieser Auseinandersetzung muß die Arbeiterklasse ein festes Bündnis mit allen demokratischen und friedliebenden Kräften schaffen, das fähig ist, die staatsmonopolistische Herrschaft zu überwinden und damit den Weg für den gesellschaftlichen Fortschritt frei zu machen.“

Quelle: Kleines politisches Wörterbuch,  Dietz Verlag Berlin, 1967, S.285.


Freitag, 24. November 2023

Eine weitere Niederlage für den Imperialismus? LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/11/24/eine-weitere-niederlage-fuer-den-imperialismus/

Eine weitere Niederlage für den Imperialismus?

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 24. NOVEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Paul Oswald – https://kommunistische-organisation.de

Bild: Zerstörter M60-Kampfpanzer der IDF, 1973, Sinai-Halbinsel (Wikimedia: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Israeli_M60_wreckage.jpg)

Überblick über aktuelle Analysen zu den politischen Auswirkungen der Al-Aqsa Flut

Am 07. Oktober mit dem Beginn der Al-Aqsa Flut gelang dem palästinensischen Widerstand die bisher größte militärische Offensive seiner mehr als 70-jährigen Geschichte. Unabhängig von den weiteren Einschätzungen zeigen die Ereignisse, erstens, dass der Versuch des Westens und der Besatzungsmacht, Palästina Stück für Stück zu zerstören und politisch zu begraben, gescheitert ist – Palästina ist mit voller Wucht auf die internationale Bühne zurückgekehrt – zweitens, dass der Widerstand zu einem großen Teil einheitlich handelt, damit seine Aktionsfähigkeit gestärkt hat und gesellschaftliche Spaltungen überwindet und drittens, die Schwäche des Besatzerstaats in bisher ungekanntem Ausmaß – das aufgebaute Narrativ der Unverwundbarkeit der Siedlerkolonie ist zerstört. Die Aktion übt des weiteren Druck auf verschiedene Akteure der Region auf, was potenziell Bündniskonstellationen verändert, die politische Landkarte wandelt und eine existenzielle Gefahr für die zionistische Entität bürgt.

Es gibt bisher wenig Debatten über die Einschätzung der Ereignisse und Entwicklung auf größerer Ebene, obwohl es sich offensichtlich um Ereignisse historischen Ausmaßes handelt. Politisch handelt es sich um eine Offensive des palästinensischen Widerstands und um die völlige Offenlegung des politischen Bankrotts der zionistischen Besatzungsmacht, die nur mit Zerstörung reagieren und lediglich mit militärischer Unterstützung der USA überleben kann.

Durch die Entwicklungen wird schnell die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen die Al-Aqsa Flut auf die Region haben wird. Aber auch in welcher Situation sich allen voran der US-Imperialismus befindet und ob die Ereignisse in Palästina bspw. zu einem Strategiewechsel führen könnten. Einige Einschätzungen und Analysen werden hier kurz dargestellt. Dies kann lediglich eine Momentaufnahme darstellen und soll als Aufschlag dienen, für eine kontinuierliche Beschäftigung mit den laufenden Diskussionen.

In den mir bisher bekannten Analysen zeigen sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Linien, was die politische Einordnung der Al-Alqsa Flut hinsichtlich des US-Imperialismus anbelangt:

Die Al-Aqsa Flut bietet den USA die Möglichkeit einer Offensive, die sich übergeordnet gegen die BRICS und die Neue Seidenstraße richtet und dabei vor allem den Iran in das Visier nimmt. Nach dieser Einschätzung haben die USA ein Interesse am Genozid in Gaza und einer Ausweitung der Kampfhandlungen auf die gesamte Region. Vereinfacht nenne ich diesen Argumentationsstrang Offensive des US-Imperialismus.
Die USA haben kein Interesse an einer Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region. Der US-Imperialismus wird von Netanjahu in einen Konflikt hineingezogen, der nicht nur die Zionisten, sondern auch die US-Hegemonie existenziell bedroht und einen nächsten Schritt im globalen Abstieg der USA darstellt. Diese Perspektive fasse ich unter steigender Druck auf US-Herrschaft zusammen.
Während sich die erste Linie vor allem bei Journalisten wiederfindet, die in ihren Veröffentlichungen von einer zunehmend multipolaren Weltordnung ausgehen, lassen sich die Vertreter der zweiten Linie keinem eindeutigen Spektrum zuordnen.

Am Ende dieses Artikels werden noch zusätzliche Artikel dargestellt, die nicht direkt zu einer der beiden Linien zuzuordnen sind, aber dennoch interessante Zusammenhänge darstellen z.B. die Situation der Besatzer, aber auch das Verhalten von Ländern wie Russland zu Palästina.

Offensive des US-Imperialismus
Die weitreichendsten und am sichersten klingenden Einschätzungen, die eine Offensive des US-Imperialismus sehen, habe ich bisher bei The Cradle und Geopolitical Economy von drei Autoren gelesen, die nicht selten zusammen publizieren (Pepe Escobar, Ben Norton und Michael Hudson).

Eindämmung der BRICS

Pepe Escobar setzt die Al-Aqsa Flut in einem Artikel für The Cradle[i] in den Kontext der wachsenden Anzahl an Ländern die in die BRICS+ aufgenommen werden wollen. Die Al-Aqsa Flut böte den USA die Möglichkeit den Druck auf die BRICS+ Staaten zu erhöhen. Der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate spielen für die BRICS eine Schlüsselrolle bei der Entdollarisierung, dessen Ziel darin besteht den Petrodollar zu umgehen. Von dieser Annäherung der BRICS und den OPEC+ würden die Öl-Staaten enorm profitieren.

Gleichzeitig bestehen seit den 1960er Jahren Pläne den Ben-Gurion-Kanal vom Golf von Aqaba bis zum östlichen Mittelmeer zu bauen. Dieser würde bis zum nördlichen Gazastreifen laufen. Dieser Kanal würde es dem Besatzerstaat ermöglichen, zu einem zentralen Energieknotenpunkt zu werden und den ägyptischen Suezkanal zu verdrängen. Dies passe nach Escobar zu einer möglichen Rolle Israels im Kampf um neue Wirtschaftskorridore, den die USA führen. Escobar nennt beispielhaft den Indien-MidEast Corridor (Imec) als ein solches Projekt.

In diesen Kontext stellt Escobar auch das Auftreten Netanjahus im September bei einer UN-Versammlung, bei welcher er eine Karte des „Neuen Nahen Osten“ präsentierte, auf der Palästina vollständig ausgelöscht war.

Die USA würden derzeit versuchen, die BRICS an zwei Fronten anzugreifen: in Südamerika und in Westasien. In Südamerika durch die Unterstützung Mileis in Argentinien, der versprochen hat die Beziehungen zu Brasilien abzubrechen. In Westasien durch die Erhöhung des Drucks auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Annäherung der OPEC+ an die BRICS zu blockieren. Escobar schätzt ein, dass die Biden-Regierung dem Druck aus einem Teil der amerikanischen Bevölkerung nicht nachgeben wird, den Genozid in Gaza zu stoppen. Für Escobar stellen Kriege in Europa und in Westasien die einzige Chance für die USA dar, ein „friedliches Eurasisches Jahrhundert“ zu verhindern.

Fokus auf den Iran

In einem Interview, das Ben Norton mit Michael Hudson führte[ii], schätzt dieser ein, dass die USA Israel so lange antreiben werden, bis die Hisbollah eingreifen werde. Dies würde den USA nicht nur ermöglichen den Libanon anzugreifen, sondern auch den Iran. Aus diesem Grund habe der US-Imperialismus Flugzeugträger und ein Atom-Uboot in der Region stationiert.

Die Angriffe auf Gaza dienen den USA als Vorwand um gemeinsam mit der Besatzerarmee einen syrischen Flughafen zu bombardieren, um zu verhindern das Syrien Waffen an den Libanon senden kann.

Ben Norton führt in dem Interview aus, dass die USA den Plan verfolgt haben, sieben Länder in Nordafrika und Westasien in fünf Jahren zu destabilisieren: Irak, Iran, Libanon, Libyen, Somalia und den Sudan. Der Iran sei das einzige Land, was seitdem nicht völlig zerstört worden wäre. Israel hat bei dieser Politik eine Schlüsselrolle gespielt. Michael Hudson meint, dass die Neocons in den USA davon ausgehen, dass sie keine bessere Chance bekommen würden, den Iran anzugreifen, als sie aktuell haben. Wenn es den USA gelingen sollte, dass Öl im Nahen Osten zu kontrollieren (vgl. Escobars Ausführungen), dann erhielten die USA die Möglichkeit über Energiesanktionen Länder davon abzuhalten, eine eigenständigere Entwicklung zu fördern (Multipolarität). Der Iran habe dies verstanden. Auch China und Russland wüssten, dass es um den Iran ginge. Die Dämonisierung des Irans durch die amerikanischen Medien diene als eine Kriegsvorbereitung.

Auch der amerikanische Ökonom Paul Craig Roberts[iii] spricht davon, dass die USA ein Interesse daran hätten, den Krieg regional auszuweiten und den Iran und Syrien mit einzubeziehen. Roberts meint, dass die israelische Regierung gewusst haben müsse, dass US-Streitkräfte sofort vor Ort sein werden, da sie durch den Angriff auf Gaza sehr verwundbar sind.

Der Kolumnist Sergej Ischtschenko spricht davon[iv], dass sich die Flottenbewegung der USA im Indischen Ozean sich nicht gegen die Hamas, sondern gegen den Iran richten. Auch Ischtschenko spricht davon, dass ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen und der Niederlage in der Ukraine, die Möglichkeit gegen den Iran vorzugehen, wie ein Geschenk für die amerikanische Elite zu sehen sei. Der Iran habe sich trotz militanter Rhetorik bislang faktisch zurückgehalten.

Hasan Illaik[v] (The Cradle) betont ebenfalls, dass die Stationierung amerikanischer Flotten dazu diene, Israel in ihrem militärischen Vorgehen zu ermutigen.

Sicherung des Abschreckungspotenzials

Der französische Autor Thierry Meyssan[vi] stellt das Risiko für die USA an militärischem Abschreckungspotenzial zu verlieren ins Zentrum seiner Argumentation. Die USA befürchten nach einer Niederlage in Syrien und in der Ukraine eine baldige Niederlage in Palästina. Meyssan wirft die Frage auf, wieso Staaten dann weiterhin in Dollar handeln sollten, wenn diese keine Angst mehr vor der amerikanischen Armee haben bräuchten.

Defensive und Schwäche der USA
Im Unterschied zu den oben erwähnten Artikeln, sehen andere Autoren in der Al-Aqsa Flut vor allem eine enorme Schwächung des US-Imperialismus sowie der Zionisten.

Schwächung der amerikanischen Position

Häufig wird sich in Artikeln auf das sogenannten Abraham-Abkommen der USA bezogen. Seit 2020 haben eine Reihe von Staaten ein diplomatisches Dokument unterschrieben, durch welches sich die USA eine Annäherung von Staaten in Westasien und Nordafrika an Israel erhoffen, ohne die Palästinafrage dafür lösen zu müssen. Neben den USA zählen zu den Unterzeichnern Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko und der Sudan.[vii]

Abdalljawad Omar schreibt in einem Artikel für Mondoweiss[viii] zu den Abrahmen-Abkommen, dass sie den Versuch der USA darstellten, regionale Bündnisse durch die Normalisierung der Beziehungen zu Israel herzustellen, ohne die Palästinafrage dabei zu lösen und ihre Soft Power zu erhöhen. Dies solle den USA dazu dienen, den militärischen Fokus auf Asien verlagern zu können. Die Situation, dass die Besatzer Verhandlungen ablehnen, sorge dafür, dass militärische Unterstützung notwendig wurde, was für den amerikanischen militärisch-industriellen Sektor eine zusätzliche Belastung neben dem Ukrainekrieg darstelle. Auch wirke sich das israelische Vorgehen auf das amerikanische Bündnissystem aus und schließt US-Soldaten mit ein.

In einem Artikel für Peoples Dispatch schreibt Abdula Rahman[ix] entgegen den Einschätzungen, die bei The Cradle oder Geopolitical Economy zu finden sind, dass viele Länder in Westasien, darunter auch jene, die die sogenannten Abraham-Abkommen unterzeichneten, zum Krieg in Gaza eine klare Position einnehmen und die Zionisten als den Aggressor verurteilen und ein Ende der Besatzung fordern. Die Besuche von Biden und Blinken in der Region führten nicht zu mehr Zuspruch, was die USA erst dazu veranlasst habe, Militär zu entsenden. Die Mehrheit der Regierungen seien dazu übergegangen, ihre Palästinaposition zu überdenken, zum einen durch den Druck durch die Bevölkerung, zum anderen wegen der sich veränderten geopolitischen Lage in der Region. Rahman führt das Beispiel Saudi-Arabien an, die eine Gaza Konferenz ausrichten werden, zu der auch der Iran eingeladen wird.

Ein sehr interessanter Artikel findet sich im Magma-Magazin von Sara Flouders[x]. Sie schreibt, dass die Al-Aqsa Flut den Mythos der „Unbesiegbarkeit“ des Siedlerstaats endgültig zerstört habe. Ähnlich wie Abdula Rahman schätzt Flouders ein, dass die sofortige Reise von Biden und das Versprechen von mehr Waffenlieferungen Ausdruck der Schwere des Schlags seien, den die US-Hegemonie erlitten habe. Der wachsende Zorn im Nahen Osten gegen die USA, haben die Abraham-Abkommen erledigt. Flouders konstatiert, dass die irakischen Raketenangriffe auf die verbleibenden US-Militärbasen, der Territorienverlust in Syrien und der Beschuss aus dem Jemen auf Israel für die strategische Position der USA gefährlich seien. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass die Tage der Besatzung gezählt seien, da Millionen von Siedlern täglich prüfen würden, wann ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne.

Schwächung von alternativen Wirtschaftskorridoren

Im Unterschied zu Pepe Escobar (s.o.) sieht Vijay Prashad[xi] das Vorhaben der USA einen Wirtschaftskorridor von Indien über den Nahen Osten bis Europa (Imec) aufzubauen, durch die Al-Aqsa Flut bedroht. Dieses Vorhaben sei ins Stocken geraten, weil es für Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate undenkbar geworden sei, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. D.h. im Unterschied zu Escobar, aber auch Michael Hudson, die davon schreiben, dass der Druck auf diese beiden Länder derzeit der entscheidende Punkt sei, schließt Vijay Prashad dies aus. Er zieht den Schluss, dass das Projekt scheitern wird und insgesamt die Wirtschaftssanktionen gegen China fehlschlagen werden.

Oberhand durch Achse des Widerstandes

Interessant in Bezug auf das Endsenden von Flotten durch die USA, sind die Ausführungen des Bloggers SIMPLICIUS THE THINKER[xii]. Er bewertet die Flotten eher als einen Reflex der USA. Mittlerweile komme es fast täglich zu Angriffen auf US-Stützpunkten in der Region. Durch die US-Flotten gehe natürlich eine Gefahr aus, allerdings würden diese eher darauf hindeuten, dass aktuell eher der Iran und die Achse des Widerstandes den Ton angeben würden. Dies steht in Widerspruch zu den oben angeführten Annahmen, wonach sich die Achsenstaaten eher zurückhalten werden. Der Blogger bezieht sich auf die internationalen Erwartungen, die an die Rede von Nasrallah gerichtet wurden: Nach SIMPLICIUS THE THINKER übersähen diejenigen, die lediglich auf ein stärkeres militärisches Eingreifen der Hisbollah hofften, dass die langsame Strategie der Spannung durch zunehmende Versöhnungen in der Region und dem Wachsen von neuen Bündnissen, die vom Iran und der Achse des Widerstands verfolgt wird, dem Westen einen viel größeren Schaden zusetzten.

Fehlendes Interesse an Ausweitung

Trita Parsi beschreibt in einem Artikel für Telepolis[xiii], dass Israel keine Ausweitung des Kriegs anstrebe. Durch eine zweite Front würde sich die Lage für die Besatzer enorm verschlechtern. In dem Artikel wird argumentiert, dass eigentlich kein Akteur von einem Krieg profitieren würde. Die Hisbollah aufgrund der schlechten ökonomischen Lage im Libanon. Gleiches gelte für den Iran. Biden könne sich wegen dem Scheitern in der Ukraine und den wachsenden Spannungen mit China keinen Krieg in Westasien leisten. Auch Ägypten, Syrien, aber auch Saudi-Arabien hätten nichts zu gewinnen durch eine Ausweitung. Die USA stünden unter enormen Druck, dadurch, dass die Hisbollah und potenziell der Iran in den Krieg gezogen werden. Ein direktes Eingreifen der USA in Gaza, oder gegen die Hisbollah oder den Iran würden größere Angriffe auf US-Truppen und Interessen nach sich ziehen. Das aktuelle Vorgehen Bidens, die Hisbollah und den Iran zu warnen, und gleichzeitig Israel aufzufordern, sich nicht zurückzuhalten, werde zu einem Flächenbrand führen. Im Unterschied dazu sei es den USA nach Hasan Illaik[xiv]  gelungen, Israel davon zu überzeugen, seine Ziele zurückzuschrauben und eine geplante umfassende Bodenoffensive verhindern. Seitdem verfolge Israel spezifischere Ziele: die Kontrolle des Nordens und dem äußeren Rand Gazas und die Befreiung von Gefangenen.

Letzte Hoffnung für Netanjahu

James North argumentiert in einem Artikel bei Mondoweiss[xv], im Unterschied zu Trita Parsi, dass es Netanjahu sei, der einen Krieg gegen den Iran provoziere, um dadurch die politische Katastrophe durch den 07. Oktober zu verschleiern. Ein großer Krieg wäre das einzige, das ihn im Amt halten könnte. Aus Norths Sicht und in Abgrenzung zu den obigen Artikeln, hätten die USA kein Interesse an einer Ausweitung des Kriegsgeschehen. In dem Artikel wird angeführt, dass der israelische Diplomat Alon Pinkas davon sprechen würde, dass die USA und Israel wegen der Situation in Gaza in einem Konflikt stünden. North sieht eine Gefahr darin gegeben, dass die israelische Lobby in den USA Netanjahu verteidigt und die Republikaner die Biden-Regierung dafür kritisiere, dass die USA nicht fest genug an der Seite Israel stehe. Dies könne dazu führen, dass Biden der zunehmenden Eskalation Netanjahus in Gaza, aber auch jenen gegen den Iran nachgeben könnte.

Risse in der pro-israelischen Lobby

Der Journalist Saurah Kumar Shahi [xvi] erläutert, dass die internationale Ordnung, welche von den USA geführt wird im Sterben liegt. Dies stellt noch keinen Widerspruch zu den weiter oben angegebenen Positionen dar. In seiner Analyse beleuchtet er einen nicht unwesentlichen Zusammenhang: Er erwähnt, dass die Proteste in Europa und den USA größer würden und dies bedeute, dass es für die Eliten schwieriger werde, die Interessen der pro-israelischen Lobby über die der eigenen Bevölkerung zu stellen. Die Stimmen, die eine Gerechtigkeit für die Palästinenser fordern werden unter den westlichen Eliten lauter. In dem Artikel wird die Einschätzung getroffen, dass die pro-israelische Lobby in der Politik bereits Risse verzeichne. Des zeige sich in europäischen Ländern wie Spanien, Griechenland und Irland, die sich für Palästina aussprechen. Dies sei ein Rückschlag für die pro-israelische Kräfte der jeweiligen Länder.

Weitere Themen
Russlands Rolle

Bezogen auf die Rolle Russlands gibt es unter Analysten sehr divergierende Einschätzungen. Paul Craig Roberts[xvii] spricht beispielsweise davon, dass Putin andere Akteure zurückhalte, damit sich der Krieg nicht ausbreite. Dadurch würde Russland den USA die Oberhand überlassen, wodurch wiederum das Risiko eines Flächenbrandes steige.

Pepe Escobar[xviii] betont hingegen, dass Russland seine neutrale Position verlassen habe. Putin spreche nicht nur eindeutig davon, dass es keine Rechtfertigung dafür gebe, was in Gaza passiere, sondern auch davon, dass es eindeutig sei, dass sich die USA im Abstieg befänden und mit dem Chaos, dass sie verbreiten, versuchen würden, ihre Rivalen einzudämmen. Russland erkenne zwar das Existenzrecht Israels an, allerdings nur so lange eine „faire Lösung auf der Grundlage der UN-Resolution” garantiert bliebe, wie der russische UN-Abgeordnete deutlich machte.

Wirtschaftliche Situation Israel

Kit Klarenberg[xix] schreibt, dass der Angriff auf Gaza Israel bisher knapp acht Milliarden Dollar gekostet habe und jeden weiteren Tag Ausgaben in Höhe von 260 Millionen Dollar verursache. Mehrere Bauprojekte seien zum Erliegen gekommen, weil die Besatzer keine Palästinenser mehr arbeiten lassen wollen würden. Zusätzlich sei der Tourismus, welcher für die israelische Wirtschaft eine wichtige Stütze darstellt, komplett ausgefallen. Innerhalb des Technologiesektors bahne sich eine Krise an, dessen Ausmaß für die Zionisten noch schwer abzusehen ist. Grund hierfür sei die sich verschlechternde Sicherheitslage. Es wird von Klarenberg eingeschätzt, dass die Al-Aqsa Flut zu einer Schwächung des israelischen Cybersicherheitssektors führen könnte.

In einem früheren Artikel spricht Klarenberg[xx] von einem völligen Versagen des israelischen Geheimdienstes, was britische und amerikanische Think Tanks in Erklärungsnöte brächte. Damit wendet sich Klarenberg gegen Erzählungen, nach denen die Al-Aqsa Flut von Israel zugelassen wurde. Die Offenlegung der Ineffektivität und Anfälligkeit der elektronischen Überwachsungs- und Kriegsführungssysteme durch Guerillaangriffe habe dem Ansehen des milliardenschweren Technologiesektors einen Schlag versetzt. Noch kurz vor Beginn der Operation des palästinensischen Widerstands berichteten israelische Medien über einen enormen Anstieg an Ländern, die im Jahr 2022 Cyberkriegsführungs- und Geheimdienstsysteme von Israel gekauft hatten.

Laut SIMPLICIUS THE THINKER[xxi] führe der Einzug von Reservisten zu einem erhöhten Druck auf die Wirtschaft Israels. Die Einkommen in Israel seien um 1/3 gefallen. Zusätzlich nehmen die Militärausgaben und die Schuldenquote zu. Dies führt den Blogger zu der Frage, wie lang Israel sich militärisch noch Zeit lassen könne. Er beschreibt das militärische Vorgehen als sehr langsam, da Feuergefechte vermieden würden.

In einer Bloomberg Studie[xxii] werden drei Szenarien über mögliche internationale ökonomische Auswirkungen des Kriegs beschrieben. In allen drei Szenarien ist die Wirkungsrichtung dieselbe und lediglich die Intensität variiere: Anstieg der Ölpreise, steigende Inflation und ein langsameres Wirtschaftswachstum.

Schlussbemerkung
Der knappe Überblick verdeutlicht, dass es sich mit der Al-Aqsa Flut um ein entscheidendes Ereignis für die imperialistische Vorherrschaft handelt, unabhängig davon, ob in den Ereignissen eine Offensive des Imperialismus gegen die nach politischer Souveränität strebenden Staaten gesehen wird, oder ob von Zentrifugalkräften ausgegangen wird, die die Region sowie die Imperialisten in einen ungewollten größeren Krieg ziehen.

Eine gewisse Einigkeit scheint für einen Großteil der Analysten darin zu bestehen, dass es auf die eine oder andere Weise einen größeren Krieg in der Region geben wird. Interessant ist hier zu sehen, dass auch diejenigen, die von einer Offensive der USA sprechen, ihre Niederlage bereits heraufziehen sehen. Dies rückt Palästina in das Zentrum der weltweiten antiimperialistischen Kämpfe und der palästinensische Befreiungskampf erhält strategische Bedeutung für antiimperialistische Kämpfe international.

[i] https://new.thecradle.co/articles/why-the-us-needs-this-war-in-gaza

[ii] https://geopoliticaleconomy.com/2023/11/12/why-us-support-israel-geopolitics-michael-hudson/

[iii] https://linkezeitung.de/2023/11/10/wird-der-hamas-israel-konflikt-ausser-kontrolle-geraten/

[iv] https://linkezeitung.de/2023/11/11/revanche-fuer-die-niederlage-in-der-ukraine-vor-dem-hintergrund-der-gaza-krise-bereiten-die-usa-einen-schlag-gegen-den-iran-vor/

[v] https://new.thecradle.co/articles/after-nasrallahs-speech-us-and-israel-escalate-gaza-war

[vi] https://www.voltairenet.org/article219976.html

[vii] https://dgap.org/de/forschung/publikationen/die-abraham-abkommen

[viii] https://mondoweiss.net/2023/11/could-the-war-in-palestine-potentially-undermine-the-u-s-israeli-strategic-partnership/

[ix] https://peoplesdispatch.org/2023/11/10/west-asian-governments-take-assertive-stances-against-israeli-occupation-and-its-crimes/

[x] https://magma-magazin.su/2023/11/sara-flounders/widerstand-in-gaza-zeigt-die-grenzen-der-us-macht-auf/

[xi] https://www.telepolis.de/features/Wie-der-Israel-Krieg-den-Handel-zwischen-Indien-und-Europa-abwuergt-9362495.html

[xii] https://linkezeitung.de/2023/11/11/sitrep-11-10-23-israels-wirtschaft-knickt-ein-russland-bricht-in-avdeevka-durch/

[xiii] https://www.telepolis.de/features/Israel-Gaza-USA-muessen-Waffenstillstand-fordern-um-regionalen-Krieg-zu-verhindern-9335015.html

[xiv] https://new.thecradle.co/articles/the-us-is-fueling-not-avoiding-a-regional-war

[xv] https://mondoweiss.net/2023/11/benjamin-netanyahu-is-using-joe-biden-and-it-will-cost-biden-his-presidency/

[xvi] https://orinocotribune.com/the-genie-has-escaped-the-bottle-the-zionists-dont-know-it-though/

[xvii] https://linkezeitung.de/2023/11/10/wird-der-hamas-israel-konflikt-ausser-kontrolle-geraten/

[xviii] https://new.thecradle.co/articles/russias-public-pivot-to-palestine

[xix] https://new.thecradle.co/articles/blowback-the-gaza-wars-massive-toll-on-israels-economy

[xx] https://new.thecradle.co/articles/israels-intel-failure-is-bad-for-business

[xxi] https://linkezeitung.de/2023/11/11/sitrep-11-10-23-israels-wirtschaft-knickt-ein-russland-bricht-in-avdeevka-durch/

[xxii] https://www.bloomberg.com/news/features/2023-10-12/israel-hamas-war-impact-could-tip-global-economy-into-recession

 

https://kommunistische-organisation.de/artikel/eine-weitere-niederlage-fuer-den-imperialismus/


Dienstag, 21. November 2023

Ukraine, Israel ... zwei Kriege, eine Dynamik - Kai Ehlers, Hamburg

 

https://kai-ehlers.de/2023/10/der-ukrainekrieg-im-zuge-des-globalen-wandels/  


Übermittelt von: schnug@kritisches-netzwerk.de

Ukraine, Israel … zwei Kriege, eine Dynamik

Stichworte für einen Versuch hinter die Tagesgräuel zu blicken

Von Kai Ehlers, Hamburg

Krieg in der Ukraine, Krieg in Israel, das sind zwei auseinander liegende Kriegsschauplätze, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Aber so unterschiedlich die Vorgänge in der Ukraine und in Israel zu sein scheinen, so vergleichbar sind doch ihre Dynamiken als nationalistische Extreme einer nachholenden Nationenbildung – nur zu verstehen als Ausdruck des in die Krise geratenen US- Globalismus und seiner Vorgeschichte.

Die Krise des Globalismus, das ist die Krise des Kolonialismus über drei Etappen: erster Weltkrieg – Überführung der Kolonien in abhängige Nationalstaaten; zweiter Weltkrieg – ethnische „Säuberungskriege“ im Zuge der nachkolonialen Neuordnung; Israels entwickelt sich zum ethnischen Stoßkeil des „Westens“ auf palästinensischem Boden; schließlich: Kalter Krieg – Auseinanderfallen der Sowjetunion und ungehemmtes Hervortreten der USA als „Einzige Weltmacht“, wie am klarsten von Zbigniew Brzezinski beschrieben.

Die Decke des Globalismus, unter der die USA nach dem kalten Krieg das Erbe der zusammengebrochenen Sowjetunion auf Dauer zu übernehmen gedachten, reißt heute im Zuge einer vierten, möglicherweise endgültigen Welle der Entkolonialisierung auf. Diese Entwicklung bringt neue Kräfte hervor, gestärkt von gewachsenem Selbstbewusstsein der ehemaligen Kolonien unter der Perspektive einer zukünftigen multipolaren Ordnung selbstständiger Nationalstaaten. Das ist in der Tiefe eine positive historische Dynamik, die nicht nur über die bisherige Kolonialgeschichte, sondern auch über die Decke der daraus hervorgegangenen „unipolaren“ US-Herrschaft hinausweist und ein neues Zeitalter, ein Zeitalter weltweiter, regionaler und lokaler Kooperation selbstständiger Nationalstaaten einleiten könnte.

Hier kann zukunftsorientiertes Denken einsetzen, das an der kooperativen Erhaltung unserer Welt in gegenseitiger Achtung der unterschiedlichen Interessen und kulturellen Werte der Völker und ihrer Gesellschaften orientiert ist. Das könnte der Dynamik der Selbstverwertung des Kapitals in Gestalt nationaler Konkurrenzen soziale Grenzen setzen. Das wäre eine Entwicklung, in der sich die Kulturen der alten und der neu heranwachsenden Welt im friedlichen Austausch ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten und im Interesse einer gemeinsamen Sorge um die Fortentwicklung unserer Welt ergänzen und zusammenwirken können, statt sich in gegenseitiger Konkurrenz Matt zu setzen – oder in den globalen Krieg zu treiben.

Das, um es so zu formulieren, sind die Lichter am fernen Horizont, die jenseits der gegenwärtigen Eskalationen sichtbar werden.

Aber…

Aber dieser Prozess der aktuellen, vielleicht letzten Stufe der Entkolonialisierung, also der tendenziellen Herausbildung nationaler, regionaler und lokaler Selbstständigkeiten in einer pluralen gemeinsam gestalteten Welt vollzieht sich nicht automatisch in kooperativen Formen, bringt auch nicht automatisch eine multinationale neue Ordnung gleichberechtigter gesellschaftlicher Einheiten und ein neues Verständnis des gemeinsamen globalen Wirtschaftens hervor, sondern befeuert zugleich auch noch eruptive, extreme, aggressive Formen des Nationalismus, die sich aus den Resten der unbewältigten Geschichte herleiten.

Extremster Ausdruck davon sind zurzeit die Vorgänge in der Ukraine und in Israel, die heute als nationalistische Geschwüre aus der kränkelnden „One-world“-Realität hervorbrechen. In der Ukraine geschieht das als Folge des Zerfalls des sowjetischen Imperiums, im Nahen Osten in der Folge der Kolonisierung Palästinas durch Israel als Speersitze des „Westens“ im arabischen Raum. Weitere nationalistische oder rassistische Eruptionen sind zu befürchten, wo Gruppen, Länder, Gesellschaften sich zwar von den nachkolonialen Fesseln befreien wollen, aber nicht bereit oder – zurückhaltender formuliert – noch nicht fähig sind zu offener ökonomischer und kulturübergreifender Kooperation im Zuge der sich herausbildenden neuen pluralen Ordnung. Da lauert am Horizont auch der Konflikt um Taiwan.

Diese aus der Vergangenheit gespeisten Konflikte, allen voran zurzeit der ukrainische und der israelische, können die Herausbildung der heute anstehenden möglichen multipolaren Ordnung verfälschen, sie in die Irre, in die Konfrontation, in neue rassistische „Säuberungskriege“, tendenziell in eine allgemeine Katastrophe ziehen – solange es den Statthaltern der gegenwärtigen unipolaren Ordnung unter Führung der USA immer noch gelingt, lokale oder regionale Konflikte, irregeleitete Nationenbildungen nach dem Prinzip „teile und herrsche“ für die Aufrechterhaltung ihrer Dominanz zu nutzen, um, so noch einmal in den Worten Brzezinskis zu sprechen, das Aufkommen globaler Rivalen verhindern.  

Es geht in diesen Kriegen jedenfalls, um das deutlich zu sagen, weder in der Ukraine noch in Israel um die Verteidigung der Demokratie. Jedenfalls, um es noch anders zu sagen, sind die inneren Konflikte nur der Hebel für die Noch-Weltmacht USA ihre globalen Rivalen auszubremsen – über die Ukraine zielt das auf Russland und China und nicht zu vergessen Europa, dass sich im unerklärten Krieg mit Russland erschöpft. Über Israel zielt es auf die Ölstaaten des mittleren und südlichen Ostens, die zusammen mit Russland in China bereit sind sich von der „westlichen“ Dominanz abzukoppeln und daran gehindert werden sollen.  

In Israel, um das deutlich zu sagen, geht es auch nicht um das Zurückkämpfen von Antisemitismus, erst recht nicht um die generelle Durchsetzung von Menschenrechten. Das zu erkennen, dazu reicht ein Blick auf die aktuellen Schlachtfelder in der Ukraine und in Israel, konkret die seit 2014 durchgeführte Dauerbombardierung des Donbass durch Kiew, konkret den gnadenlosen Bombenterror im GAZA-Streifen in Israel, der die vorangegangene Provokation seitens der Hamas weit übersteigt. Nicht vergessen werden darf die Siedlerterror im Westjordanland gegen die ansässigen Palästinenser. Rechtfertigungen wie die, mit diesen Kriegen werde „die Demokratie“ verteidigt – gegen die „russische Aggression“, wie Selenski erklärt, gegen „den Terrorismus“ wie Netanjahu es hinstellt – schrumpfen vor dem Hintergrund dieser der realen Vorgänge in der Ukraine wie auch in Israel auf pure Lippenbewegungen, auf ideologische Schleier, die über die tatsächlichen Vorgänge gezogen werden sollen.

Die tatsächlichen Vorgänge müssen ganz anders beschrieben werden. In der Ukraine wurde der historische Bonus des nachkolonialen Impulses, der zu einer selbstbestimmten Gesellschaft in kooperativer Vielfalt als Vermittler zwischen Russland und Europa hätte führen können, in einen aggressiven rassistischen Nationalismus verkehrt, für den Russen „Untermenschen“ sind. Zugewinn für die USA: ein geteiltes Eurasien, in dem Europa und Russland ihre Potenzen im halb erklärten Krieg aneinander verbrauchen. Israel hat seine Rolle als Opfer der Geschichte mit seiner gnadenlosen Antwort auf den Anschlag der Hamas, die nach Aussagen seiner führenden Militärs als „Tiere“ bekämpft werden müssen, vom Opfer zum Täter verkehrt. Hier könnte sich der Zugewinn der „einzigen Weltmacht“ allerdings durch die Empörung der arabischen, muslimischen und im weiteren Sinne südlichen Welt in einen strategischen Bumerang verwandeln.

So oder so: Der eine wie der andere Vorgang, der ukrainische wie der israelische Nationalismus verlässt, die Bahnen der humanen Gesellschaft – von Kampf um Demokratie, Kampf gegen Antisemitismus und für Menschenrechte ist schon gar nicht zu reden.

Solchen Entwicklungen kann nur mit dem Bewusstsein begegnet werden, dass Frieden und Menschlichkeit unteilbar sind.

Kai Ehlers, Hamburg >> https://kai-ehlers.de/