Freitag, 30. Juni 2017

Gegen G20-Gipfel


Großdemonstration gegen den G20-Gipfel – 8.7.2017 in Hamburg


VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅ 30. JUNI 2017


Grenzenlose Solidarität statt G20!



Es läuft etwas gehörig falsch auf der Welt:

*Kriege und bewaffnete Konflikte wie in Syrien, in Kurdistan, im Irak oder der Ukraine scheinen kein Ende zu nehmen. 1,8 Billionen Euro werden jährlich für Rüstung und Krieg ausgegeben. Gleichzeitig steigen die Rüstungsexporte.
*Über 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die Grenzen Europas und Deutschlands sind wieder abgeschottet. Auf der Suche nach Sicherheit ertrinken tausende Menschen im Mittelmeer, das zur tödlichsten Grenze der Welt geworden ist.
*Rassismus und offener Hass nehmen in vielen Ländern der Welt zu – auch in Deutschland. Die Wahrheit ist kein Kriterium mehr, alles wird behauptet und herbei gelogen, wenn es nur Ängste und Vorurteile schürt. Die herrschende Politik gibt diesen Stimmungen nach und befeuert sie noch. Inzwischen werden Geflüchtete sogar in Kriegsgebiete wie nach Afghanistan abgeschoben.
*Der menschengemachte Klimawandel ist eine unbestreitbare und bedrohliche Realität. Seine Auswirkungen sind schon heute spürbar und treffen vor allem diejenigen Menschen und Länder, die ihn am wenigsten verursacht haben. Dennoch passte die Bundesregierung ihren Klimaschutzplan den Interessen der Braunkohle-Industrie an. Im Weißen Haus sitzt mit Donald Trump sogar ein Präsident, der den Klimawandel für eine Lüge hält.
*Die soziale Spaltung hat dramatische Ausmaße erreicht. Gerade einmal 8 Männer haben mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Diese Spaltung gibt es nicht nur im globalen Maßstab, sie durchzieht nahezu alle Gesellschaften, auch die deutsche. Millionen Menschen müssen sich mit Niedriglöhnen durchschlagen, haben keinerlei Aussicht auf eine existenzsichernde Rente, müssen um die wenigen bezahlbaren Wohnungen konkurrieren. Anstatt diese Probleme anzugehen, werden sie mit Freihandelsabkommen wie EPA, CETA, TISA oder TTIP noch verschärft.



Am 7. und 8. Juli wollen sich die politisch Verantwortlichen für dieses menschliche und soziale Desaster in Hamburg treffen. Auf ihrem jährlichen Gipfel reden die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten über „Bekämpfung von Fluchtursachen“, aber keines der großen Herkunftsländer sitzt am Tisch. Sie reden über „Partnerschaft mit Afrika“, aber es fehlt fast der gesamte Kontinent. Sie reden über den Klimawandel, vertreten aber die Interessen der Erdöl-, Kohle- und Autoindustrie. Sie reden über Frieden, sind aber selbst die größten kriegführenden und rüstungsproduzierenden Staaten.

Inmitten dieser illustren Gäste wollen sich Merkel und die Bundesregierung als Hort der Vernunft und des Ausgleichs präsentieren. Gleichzeitig machen sie die Grenzen der Festung Europa dicht, diktieren Griechenland und anderen Staaten eine neoliberale Verarmungspolitik und wirken weltweit an nicht legitimierten Regimewechseln mit. Deutschlands Rolle in den weltweiten Verteilungskämpfen um Märkte und Ressourcen soll ausgebaut werden. Dem dienen auch die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die deutsche Regierung paktiert sogar mit Diktatoren wie Erdogan und unterstützt dessen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, um eigene Interessen in der Region zu verfolgen und damit die Türkei flüchtenden Menschen den Weg nach Europa versperrt.

Der G20-Gipfel wird Hamburg über Tage hinweg lahmlegen und die Stadt als Kulisse für ein inszeniertes Schauspiel der Macht missbrauchen, während die dort lebenden Menschen an den Rand gedrängt werden sollen. Aber dieser Plan wird nicht aufgehen. Mögen sich die Staatsgäste und ihre Delegationen in den Messehallen verbarrikadieren. Die Straßen werden den Menschen gehören, die den Gipfel nicht eingeladen haben. Unsere Kritik richtet sich nicht nur gegen einzelne Personen und Repräsentanten, sondern gegen die Verhältnisse und Strukturen, die diese hervorbringen. Wir werden unsere Ablehnung der kalten und grausamen Welt des globalen Kapitalismus deutlich machen, wie sie von den G20 repräsentiert und organisiert wird. Wir werden unsere Solidarität mit all jenen zum Ausdruck bringen, die weltweit durch Proteste, Streiks oder Aufstände der Politik der G20 entgegentreten. Unser Verlangen nach einer Welt des Friedens, der globalen Gerechtigkeit und der grenzenlosen Solidarität wird unüberhörbar sein.

Wir laden alle Menschen ein, die unsere Empörung und unsere Hoffnung teilen, mit uns gemeinsam am 8. Juli 2017 in Hamburg zu einer lauten, bunten und vielfältigen Demonstration auf die Straße zu gehen.

Wer diesen Aufruf als Gruppe / Organisation oder Einzelperson unterzeichnen möchte, sende eine E-Mail an info@g20-demo.de bzw. nutze das Formular auf dieser Seite.

Verbunden ist die Unterzeichnung mit einer Spende in Höhe von 20,-€ (kleine Organisationen), 100,-€ (mittelgroße Organisationen) und 500,-€ bei einer großen Organisation. Einzelpersonen zahlen bitte 10,-€.

Kontoverbindung:
Hamburger Forum e.V.
IBAN: DE32 4306 0967 2067 3173 01
BIC: GENODEM1GLS



Mittwoch, 28. Juni 2017

Die "Erzeuger" des Islamischen Staates



Wie der Westen den Islamischen Staat erschuf


VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅ 28. JUNI 2017

von Nafeez Ahmed – www.rubikon.news

Hier lesen Sie eine teilweise Übersetzung eines Hintergrundartikels von Nafeez Ahmed zur treibenden Rolle des Westens bei der Entstehung des Islamischen Staates in Irak und Syrien.
Aus Aktualitätsgründen wurde dabei nur der zweite Teil des Artikels übersetzt, der den bezeichnenden Titel „Der lange Krieg“ trägt. Der Autor beschreibt darin zum einen die Finanzquellen des IS, vor allem die Entwicklung des Ölschmuggels, der mit Hilfe nicht nur der Türkei, sondern auch der USA, der EU, Israels und der kurdischen Regionalregierung des Irak vonstattengeht.
Zum anderen zeichnet er die strategischen Planungen nach, die hinter der gleichzeitigen Förderung und „Bekämpfung“ des IS insbesondere durch die USA stehen. Im Licht dieser Strategieplanungen, die noch auf Entwürfe der Bush-Regierung in Zusammenarbeit mit der RAND-Corporation (und letzten Endes auf einen israelischen Strategieentwurf aus den 1990er Jahren) zurückgehen, dürfte es sich sowohl bei der Bewaffnung der kurdischen Peschmerga durch die deutsche Bundesregierung als auch beim 2015 beschlossenen direkten Kriegseintritt Deutschlands wohl weniger um einen „Kampf gegen den Terror“ als vielmehr um einen Beitrag zur geostrategischen Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens handeln – in einem „langen Krieg“ an der Seite der USA, der unter anderem die Schaffung eines kurdischen Ölstaates mit einschließt.
Anmerkungen in Klammern stammen vom Übersetzer.

Der lange Krieg
Folge dem Geld

Medienberichte nach der Eroberung großer Teile des nördlichen und zentralen Irak durch ISIS in diesem Sommer (2014) kennzeichneten diese Gruppe als der Welt super-effizienteste, selbstfinanzierte terroristische Organisation, die imstande gewesen sei, sich ausschließlich durch ausgiebige Plünderung der Banken des Irak und durch Gelder aus Schwarzmarkt-Ölverkäufen zu konsolidieren. Viel von dieser Darstellung kam jedoch aus zweifelhaften Quellen und übersah störende Einzelheiten.

Eine hochrangige anonyme Geheimdienstquelle berichtete z.B. dem Guardian-Korrespondenten Martin Chulov, dass mehr als 160 aus einem ISIS-Versteck stammende Computer-Flashsticks Informationen über die Finanzen des ISIS preisgegeben hätten, welche für die Geheimdienst-Gemeinde völlig neu gewesen seien.

„Vor Mossul (dem angeblichen großen Bankraub, s.u.) belief sich ihr gesamtes Vermögen auf 875 Millionen Dollar (515 Millionen Pfund)“, sagte der (Geheimdienst-) Mitarbeiter über die Gelder, welche großenteils über „massive Geldzuflüsse von den Ölfeldern des östlichen Syrien, die er (=ISIS) Ende 2012 in Beschlag genommen hatte“ erhalten wurden. Danach „konnten sie dem mit dem Geld, das sie von Banken raubten, und dem Wert des Militärmaterials, das sie eroberten, weitere 1,5 Milliarden hinzufügen“. Der Tenor dieser aus Geheimdienstquellen stammenden Darstellung war einfach: „Sie machten das alles selbst. Es gab überhaupt keinen staatlichen Akteur hinter ihnen, den wir lange gekannt hätten. Sie brauchen keinen“.

„Der halbe-Milliarde-Bankraub des ISIS macht ihn zur reichsten Terrorgruppe der Welt“, behauptete der Telegraph und fügte hinzu, dass diese Zahl noch nicht mal zusätzlich gestohlene Goldbarren und weitere von Banken „quer durch die Region“ erbeutete Millionen einschließe.

Diese Geschichte von ISIS‘ fantastischer Bankraub-Tour durch den Irak machte weltweit Schlagzeilen, stellte sich aber als Desinformation heraus.

Wie konnte diese Geschichte zustande kommen? Eine ihrer ersten Quellen war der irakische Parlamentsabgeordnete Ahmed Chalabi – derselbe Mann, der unter dem Fittich seines ‚Irakischen Nationalkongresses‘ (eine mit finanzieller Unterstützung der US-Regierung gegründete Organisation mit dem Ziel des Sturzes von Saddam Hussein) mit der Geheimdienst-Falschinformation über Saddams Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Verbindungen hausieren ging.

Im Juni (2014) traf Chalabi den US-Botschafter für Irak, Robert Beecroft, und Brett McGurk, den stellvertretenden Vize-Außenminister des Auswärtigen Amts für Irak und Iran. Laut Quellen, die im Juni von Buzzfeed zitiert wurden, hat Beecroft „Chalabi über Monate hinweg getroffen und in seiner Villa in Bagdad gespeist“.

Folge dem Öl



Während aber ISIS eindeutig Unterstützung von Geldgebern in den Golfstaaten erhielt, nachdem sich viele seiner Kämpfer von den traditionellen, mit Al Kaida verbundenen Gruppen wie Jabhat al-Nusra getrennt hatten, hat er auch seine Kontrolle über syrische und irakische Ölfelder erfolgreich ausgedehnt.

Im Januar (2014) berichtete die New York Times, dass „islamistische Rebellen und extremistische Gruppen die Kontrolle über die meisten Öl- und Gasquellen Syriens an sich gerissen haben“, wodurch sie „das Vermögen des Islamischen Staats von Irak und Syrien (ISIS) und der Nusra-Front, welche beide Abspaltungen von Al Kaida darstellen, vergrößert haben“. Mit Al Kaida verbundene Rebellen hatten „die Kontrolle der über den Norden und Osten des Landes verstreuten Öl- und Gasfelder übernommen“, während eher gemäßigte „vom Westen unterstützte Rebellengruppen nicht in den Ölhandel verwickelt scheinen, hauptsächlich deshalb, weil sie keine Ölfelder übernommen haben“.

Aber der Westen hat diesen islamistischen Gruppen direkt bei ihren Bemühungen geholfen, Syriens Ölfelder in Betrieb zu nehmen. Im April 2013 schrieb beispielsweise die Times, dass Al Kaida-Rebellen die Schlüsselregionen Syriens übernommen hätten: „Die Hand von Al Nusra kann man am stärksten in Aleppo spüren“, wo dieser Al Kaida-Verbündete in Abstimmung mit anderen Rebellengruppen einschließlich ISIS „eine Scharia-Kommission“ eingerichtet hatte, welche „eine Polizei und einen islamischen Gerichtshof“ unterhielt, der „Strafen verhängt, die Auspeitschungen eingeschlossen haben“. Al Kaida-Kämpfer „kontrollieren“ auch „das Elektrizitätswerk und verteilen Mehl, um die Bäckerei am Laufen zu halten“. Zusätzlich „haben sie Ölfelder der Regierung“ in der Provinz Deir al-Zour und Hasaka „an sich gerissen und machen jetzt Gewinn mit dem Rohöl, das sie produzieren“:

Im Nebel des Medienrummels ging die verwirrende Tatsache verloren, dass diese Brot- und Ölaktionen Al Kaidas in Aleppo, Deir al-Zour und Hasaka direkt und indirekt von den USA und der Europäischen Union (EU) unterstützt wurden.

Ein Bericht der Washington Post nimmt beispielsweise Bezug auf eine Geheimmission in Aleppo zur „Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfen an bedürftige Syrer – alles von der US-Regierung bezahlt“, einschließlich der Mehllieferung. „Die Bäckerei wird vollständig mit Mehl versorgt, welches von den Vereinigten Staaten bezahlt wurde“, fährt die (Washington) Post fort und schreibt, dass jedoch die Verbraucher vor Ort „glaubten, dass Jabhat al-Nusra – eine Rebellengruppe, die die Vereinigten Staaten wegen ihrer Verbindungen zu Al Kaida als terroristische Organisation eingestuft hatten – die Region mit Mehl versorgte, obwohl diese zugab, dass sie nicht sicher sei woher es stamme“.

Genau zwei Monate später ließ ein früherer leitender Mitarbeiter der Syrien-Unterstützungsgruppe (SSG) in (Washington) DC, David Falt, interne E-Mails der SSG durchsickern, die bestätigten, dass diese Gruppe „besessen“ war, „Spitzen“ölgeschäfte zugunsten der FSA („Freie Syrische Armee“, eine bewaffnete Oppositionsgruppe, s. z.B. diesen Wikipedia-Artikel) für Syriens von Rebellen kontrollierte Ölregionen zu vermitteln. „Die Idee, dass sie hunderte Millionen Dollar aus dem Ölverkauf erheben könnte, begann die Arbeit der SSG bis zu dem Punkt zu beherrschen, dass keine wirkliche Aufmerksamkeit mehr der Natur des Konflikts gewidmet wurde“, sagte Falt, wobei er sich besonders auf den Direktor der SSG, Brian Neill Sayers, bezog, der vor seiner Funktion beim SSG mit der Abteilung für Operationen der NATO zusammenarbeitete. Ihr Ziel war es, Geld für die Rebellen durch den Verkauf der Rechte am syrischen Öl zu beschaffen.

Stillschweigende Komplizenschaft mit dem IS-Ölschmuggel



Sogar noch als Al Kaida-Kämpfer zunehmend dazu übergingen, sich dem IS anzuschließen, funktionierte allem Anschein nach die von den islamistischen Gruppen in Syrien aus dem Stegreif errichtete Schwarzmarkt-Ölproduktions- und -Ölexport-Infrastruktur weiterhin mit der stillschweigenden Unterstützung regionaler und westlicher Mächte.

Laut Ali Ediboglu, einem türkischen Parlamentsabgeordneten für die Grenzprovinz Hatay, verkauft der IS den Großteil seines Öls aus Gebieten in Syrien und aus Mossul im Irak über die Türkei, mit dem stillschweigendem Einverständnis türkischer Behörden: „Sie verlegten Pipelines von Dörfern nahe der türkischen Grenze nach Hatay. Ähnliche Pipelines gibt es auch in [den türkischen Grenzgebieten von] Kilis, Urfa und Gaziantep. Sie transferieren das Öl in die Türkei und setzen es in Bargeld um. Sie nehmen das Öl von den Raffinerien zum Nulltarif. Unter Verwendung primitiver Mittel raffinieren sie das Öl in Gebieten nahe der türkischen Grenze und verkaufen es dann über die Türkei. Das hat einen Wert von 800 Millionen Dollar“. Er merkte auch an, dass das Ausmaß dieser Vorgänge sowie dazugehörender Operationen auf die offizielle türkische Komplizenschaft hinweisen.

„Kämpfer aus Europa, Russland, asiatischen Ländern und Tschetschenien gehen in großer Zahl sowohl nach Syrien als auch in den Irak, wobei sie türkisches Territorium durchqueren. Es gibt Informationen, dass mindestens 1000 türkische Staatsangehörige diesen ausländischen Kämpfern dabei helfen, heimlich nach Syrien und in den Irak einzureisen, um sich ISIS anzuschließen. Der nationale (türkische) Geheimdienst (MIT) soll angeblich darin verwickelt sein. Nichts davon kann sich ohne die Kenntnis des MIT abspielen.“

Ebenso deutet vieles darauf hin, dass Behörden im kurdischen Gebiet des Irak ebenfalls ein Auge beim IS-Ölschmuggel zudrücken. Im Juli (2014) sagten irakische Beamte, der IS habe den Verkauf von Öl begonnen, welches in der nördlichen Provinz Salahuddin gewonnen wurde. Ein Beamter betonte, dass „die kurdischen Peschmerga-Kräfte den Ölverkauf zunächst stoppten, später aber Tankfahrzeugen den Transport und Verkauf von Öl erlaubten“.

Die Parlamentsabgeordnete Alia Nasseef, Mitglied der Rechtsstaat-Koalition (des früheren irakischen Ministerpräsidenten al Maliki) beschuldigte auch die Kurdische Regionalregierung (KRG) (des Irak), heimlich Ölhandel mit dem IS zu betreiben: „Was sich hier abspielt, zeigt das Ausmaß der massiven Verschwörung gegen den Irak durch kurdische Politiker“… Der [illegale] Verkauf irakischen Öls an ISIS ist etwas, was uns nicht überraschen würde“. Obwohl kurdische Beamte diese Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen haben, berichteten informierte Quellen der arabischen Tageszeitung Asharq Al-Awsat, dass von ISIS erbeutetes irakisches Rohöl „an kurdische Händler auf beiden Seiten der Grenzregionen des Irak, Irans und Syriens verkauft und nach Pakistan verschifft“ wurde, „wo es für weniger als die Hälfte seines ursprünglichen Preises‘ verkauft wurde“.

Eine offizielle Stellungnahme seitens des irakischen Ölministeriums im August (2014) warnte davor, dass sämtliches nicht von Bagdad lizensiertes Öl illegal vom IS geschmuggeltes Rohöl enthalten könne: „Internationale Abnehmer [von Rohöl] und andere Marktteilnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass jedwede Ölexporte, die ohne die Genehmigung des Ölministeriums durchgeführt werden, Rohöl enthalten können, welches von Ölfeldern unter der Kontrolle von [ISIS] stammt“.

„Länder wie die Türkei haben weggeschaut bei der Praxis“ des IS-Ölschmuggels, sagte Luay al-Khateeb, ein Mitglied des Brookings Doha Center, „und es sollte internationaler Druck aufgebaut werden, um Schwarzmärkte in ihrer südlichen Region zu schließen“.

Bisher gab es noch keinen derartigen Druck. Währenddessen geht der Ölschmuggel des IS weiter, wobei Beobachter innerhalb und außerhalb der Türkei vermerken, dass die türkische Regierung dem IS stillschweigend das Aufblühen erlaubt, weil es ihn als Rebellen gegen das Assad-Regime bevorzugt.

Nach Aussage des früheren irakischen Ölministers Islam al-Jalbi „ist die Türkei der größte Gewinner beim Handel mit geschmuggeltem IS-Öl“. Sowohl Händler als auch Ölfirmen sind darin verwickelt, sagte er, wobei der niedrige Preis den Ländern, die den Schmuggel unterstützen,“massive“ Gewinne ermöglicht.

Öl von ISIS kaufen?



Früh in letztem Monat (= August 2014) kam ein Tanker mit über einer Million Barrel Rohöl im texanischen Teil des Golfs von Mexiko an. Das Öl war im kurdischen Gebiet des Irak raffiniert worden, bevor es durch eine neue Pipeline der KRG (kurdische Regionalregierung) gepumpt wurde, die in Ceyhan in der Türkei endet, wo es dann in den Tanker zur Verschiffung in die USA umgeladen wurde. Bagdads Bemühung, den Ölverkauf auf der Grundlage seines vorhandenen nationalen Rechtssystems zu stoppen, wurden von amerikanischen Gerichten zurückgewiesen.

Früh im September (2014) berichtete die Botschafterin der Europäischen Union im Irak, Jana Hybásková, dem EU-Komitee für auswärtige Angelegenheiten, dass „mehrere EU-Mitgliedstaaten Öl von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS, früher ISIS) gekauft haben, welche große Teile des Irak und Syriens brutal erobert hat“, so Israel National News. Aber sie „weigerte sich, die Namen dieser Länder preiszugeben, obwohl sie mehrfach danach gefragt wurde“.

Ein dritter Endpunkt für das Rohöl der KRG, welches erneut über den türkischen Hafen von Ceyhan verschifft wurde, war Israels südwestlicher Hafen Ashkelon. Das ist jedoch kaum etwas Neues. Im Mai (2014) enthüllte Reuters, dass israelische und US-Ölraffinerien regelmäßig das umstrittene Öl der KRG gekauft und importiert hatten.

Mittlerweile, wo dieses Dreieck heimlicher Ölverschiffungen, in welche ISIS-Rohöl hoffnungslos verstrickt zu sein scheint, schon stärker etabliert wird, hat die Türkei zunehmend gefordert, dass die USA formale Maßnahmen ergreift, um Hindernisse für kurdische Ölverkäufe an globale Märkte aufzuheben. Die KRG plant, täglich 1 Million Barrel Öl im nächsten Jahr durch ihre Pipeline in die Türkei zu exportieren.

Unter den vielen in der Hauptstadt der KRG, Erbil, aktiven Öl- und Gasfirmen befinden sich ExxonMobil und Chevron. Sie bohren in der Region unter KRG-Verträgen nach Öl, auch wenn die Operationen infolge der Krise gestoppt wurden. Es verwundert nicht, wenn Steve Coll im New Yorker schreibt, dass Obamas Luftschläge und Waffenlieferungen an die Kurden – und bemerkenswerterweise nicht an Bagdad – tatsächlich auf „die Verteidigung eines unerklärten kurdischen Ölstaats“ hinauslaufen, „über dessen Grundlagen von geopolitischer Bedeutung – z.B. als einem langfristigen, nicht-russischen Lieferanten von Öl und Gas nach Europa – in vornehmer oder naiver Gesellschaft am besten nicht gesprochen wird“. Die Kurden sind jetzt damit beschäftigt, ihre Exportkapazität zu „vervierfachen“, während die US-Politik zunehmend dazu übergegangen ist, kurdische Exporte zu erlauben – eine Entwicklung, welche größere Auswirkungen auf Iraks nationale territoriale Integrität haben dürfte.

Da die Offensive gegen den IS anläuft, gehen die Kurden jetzt zwar teilweise härter gegen die IS-Schmuggelaktivitäten vor – aber die Maßnahmen sind zu geringfügig und kommen zu spät.

Eine neue Landkarte



Der Dritte Irakkrieg hat begonnen. Mit ihm sind seit langem bestehende Träume der Neocons wiederauferstanden, den Irak entlang ethnischer und religiöser Linien in drei Teile zu teilen.

Vertreter des Weißen Hauses erwarten jetzt, dass der Kampf gegen den ‚Islamischen Staat‘ in der Region Jahredauern wird, und dass er die Obama-Regierung überleben dürfte. Aber diese Vorstellung eines ‚langen Kriegs‘ geht auf nebulöse Ideen zurück, die früher vom verstorbenen Analysten der RAND Corporation, Laurent Muraweic, auf Einladung des damaligen Vorsitzenden Richard Perle vor dem Defense Policy Board des Pentagon dargelegt wurden. Diese Ausführungen beschrieben den Irak als „taktischen Dreh- und Angelpunkt“, über den der Nahe und Mittlere Osten umzugestalten sei.

Brian Whitaker, früherer Redakteur des Guardian für den Nahen Osten, merkte zurecht an, dass die Perle-RAND-Strategie von einem 1996 vom israelischen Institute for Advanced Strategic and Political Studies (Institut für zukunftsweisende strategische und politische Studien) veröffentlichten (Strategie-) Papier inspiriert und von Perle und anderen Neocons mitverfasst wurde, welche Spitzenpositionen in der Bush-Regierung nach dem 11.9. (2001) innehatten.

Das Strategiepapier plädierte für eine Vorgehensweise, die eine erschreckende Ähnlichkeit zu dem Chaos aufweist, welches sich infolge der Ausbreitung des ‚Islamischen Staats‘ entwickelte – Israel solle „sein strategisches Umfeld gestalten“, indem es zunächst die Beseitigung Saddam Husseins sicherstellen solle. „Jordanien und die Türkei würden zusammen mit Israel eine Achse bilden, um Syrien zu schwächen und zurückzuwerfen“. Diese Achse würde versuchen, den Einfluss Libanons, Syriens und Irans durch „Entwöhnung“ ihrer schiitischen Bevölkerungsbestände zu schwächen. Um Erfolg zu haben, würde Israel Unterstützung durch die USA erzeugen müssen, die von Benjamin Netanjahu durch Formulierung der Strategie „in einer den Amerikanern vertrauten Sprache unter Verwendung von Themen amerikanischer Regierungen während des Kalten Kriegs“ erreicht werden würde.

Der Perle-RAND-Plan von 2002 war im strategischen Denken der Bush-Regierung bezüglich des Iraks kurz vor dem (Irak-) Krieg von 2003 wirksam. Laut dem privaten US-Informationsdienst Stratforhatten gegen Ende 2002 der damalige Vizepräsident Dick Cheney und Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz einen Plan mitverfasst, wonach der mehrheitlich sunnitische Zentralirak sich mit Jordanien verbinden sollte; die nördlichen kurdischen Regionen (des Irak) sollten ein autonomer Staat werden; beide sollten von der südlichen schiitischen Region abgetrennt werden.

Die strategischen Vorteile einer Teilung des Irak, argumentierte Stratfor, stellten die Kontrolle des Öls durch die USA in den Mittelpunkt:

„Nach Auslöschen des Iraks als eines souveränen Staates bräuchte man keine Angst mehr zu haben, dass eines Tages eine antiamerikanische Regierung in Bagdad an die Macht käme, denn die Hauptstadt wäre dann Amman (Jordanien). Derzeitige und potentielle Gegner der USA, Iran, Saudiarabien und Syrien, würden voneinander isoliert, mit großen, unter Kontrolle von Pro-US-Kräften stehenden Landstücken zwischen ihnen“.

„Gleichermaßen wichtig wäre es, dass Washington in der Lage wäre, seine langfristige und massive Militärpräsenz in der Region als notwendig für die Verteidigung eines jungen Staates zu rechtfertigen, der um Schutz durch die USA bittet – und um die Stabilität der Ölmärkte und -lieferungen zu sichern. Das wiederum würde den Vereinigten Staaten helfen, direkte Kontrolle über das irakische Öl zu gewinnen und saudisches Öl im Fall eines Konflikts mit Riad zu ersetzen“.
Die Ausbreitung des ‚Islamischen Staats‘ hat einen Vorwand für die Entfaltung der grundsätzlichen Umrisse dieses Szenarios geschaffen, wobei die USA und Großbritannien danach trachten, eine langfristige militärische Präsenz im Irak wiederherzustellen.


2006 gab auch Cheneys Nachfolger, Joe Biden, seine Unterstützung für die ‚sanfte Teilung‚ des Iraks entlang ethnisch-religiöser Grenzen zu erkennen – eine Position, die der Mitverfasser des Irak-Biden-Plans, Leslie Gelb vom Rat für Auswärtige Angelegenheiten, jetzt als „die einzige Lösung“ für die gegenwärtige Krise ausgibt.

2008 tauchte diese Strategie – wieder mal über die RAND Corporation – durch ein Gutachten wieder auf, das vom US Army Training and Doctrine Command bezahlt und der Frage gewidmet wurde, wie der ‚lange Krieg‘ weiterzuführen sei. Unter seinen Strategien war „Teile und Herrsche“ ein vom Gutachten befürwortetes Szenario, welches „das Ausnutzen von Bruchlinien zwischen den verschiedenen salafistisch-dschihadistischen Gruppen“ beinhalten würde, um sie „gegeneinander aufzubringen und ihre Energie gegeneinander zu vergeuden“.

Gleichzeitig regte das Gutachten an, dass die USA den Konflikt zwischen salafistischen Dschihadisten und militanten Schiiten fördern könnte, indem sie „die traditionellen sunnitischen Regime stärken – als ein Weg, Macht und Einfluss des Iran im Nahen Osten und am Persischen Golf zu begrenzen“.

In der einen oder anderen Weise befindet sich dieser Plan in Umsetzung. Letzte Woche erklärte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman gegenüber US-Außenminister John Kerry: „Der Irak bricht vor unseren Augen auseinander und es dürfte sich herausstellen, dass die Schaffung eines unabhängigen kurdischen Staates das absehbare Ergebnis sein wird“.

Der Aufstieg des ‚Islamischen Staats‘ ist nicht nur eine direkte Folge dieser Vision der Neocons, die mit einer gefährlichen Strategie geheimer Operationen verknüpft ist, welche mit Al Kaida verbundene Terroristen als Werkzeug zur Beeinflussung lokaler Bevölkerungsteile ansah. Er hat seinerseits auch den Vorwand für den Beginn einer neuen Ära endlosen Krieges unter Zuhilfenahme des ganzen Spektrums einer länger andauernden US-geführten Militärpräsenz in der energiequellenreichen Region des Persischen Golfs geschaffen und zur Rückkehr zur gefährlichen imperialen Versuchung geführt, die Ordnung der Großregion umzugestalten.

Der Originalartikel erschien unter dem „Titel „How the West Created the Islamic State““ hier:
http://www.counterpunch.org/2014/09/12/how-the-west-created-the-islamic-state.




Dienstag, 27. Juni 2017

Trump und die Macht



Der Kampf um die Macht – Donald Trump und der „militärisch-industrielle Komplex“.


VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅ 23. JUNI 2017


von Wolfgang Bittner – www.rubikon.news

Die USA sind der bestimmende Faktor der politischen Entwicklung im Osten Europas. Seit langem bereiten sie mit geheimdienstlichen Mitteln Umstürze vor, beeinflussen die zentralen Medien und entkernen die Souveränität europäischer Staaten. Die verhängnisvolle Einflussnahme der US-amerikanischen Regierung auf die zentralen Medien und die Politik Europas schildert und analysiert Wolfgang Bittner kenntnisreich in seinem Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“. Im folgenden Text geht er auf die aktuellen Entwicklungen unter Präsident Trump ein sowie auf die Zuspitzung des Konfliktes mit Russland.

Bereits 1961 warnte der US-Präsident und ehemalige Generalstabschef der Armee, Dwight D. Eisenhower, vor den verhängnisvollen Verflechtungen und Einflussnahmen des „militärisch-industriellen Komplexes“ auf die Politik der USA. „Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen“, sagte Eisenhower. „Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet.“(1)

Wie recht Eisenhower hatte und wie sehr die destruktive „Macht dieser Kombination“ die Wirklichkeit bestimmt, wird deutlich, wenn wir uns die gegenwärtige politische Weltlage ansehen. Wohin wir auch blicken: Konflikte, fortschreitende Verschärfung der sozialen Verhältnisse, Chaos, Gewalt, Kriege, zumeist verursacht von den USA oder unter deren maßgeblicher Beteiligung. (…)

Die guten Vorsätze



Bei den Wahlen, die kaum demokratischen Ansprüchen genügten, ging es zwar um die Entscheidung zwischen Pest und Cholera.(2) Doch im Gegensatz zu Clinton hatte Trump neben seinen zahlreichen Entgleisungen mehrfach betont, dass er den russischen Präsidenten Putin schätze, das Gespräch mit ihm suche und sich als Präsident weniger der Außenpolitik als vielmehr den innenpolitischen Problemen zuwenden wolle. Ende Oktober sagte er in einer Wahlkampfrede: „Unserer Bewegung geht es darum, ein gescheitertes und korruptes politisches Establishment durch eine Regierung zu ersetzen, die von euch, dem amerikanischen Volk, kontrolliert wird. Das Washingtoner Establishment, sowie die Finanz- und Medienunternehmen, die es finanzieren, existieren nur aus einem Grund: um sich selbst zu schützen und zu bereichern! … Die Medien in unserem Land haben nichts mehr mit Journalismus zu tun, sie sind politische Interessenvertretungen …“(3) Das, worüber die deutschen Medien nicht berichteten – was zu denken geben muss! –, hörte sich vernünftig an.

Ebenso seine Ausführungen in einem Interview mit der New York Times am 23. November 2016: „Ich denke, in den Irak zu gehen, war einer der größten Fehler in der Geschichte unseres Landes. Syrien – wir müssen das Problem lösen, weil wir ständig dabei sind zu kämpfen, immer zu kämpfen… Ich möchte gern mit Russland gut auskommen und ich denke, dass auch Russland gerne mit uns gut auskommen möchte. Das ist in unserem gemeinsamen Interesse… Wäre es nicht schön, wenn wir gut mit Russland auskämen. Wäre es nicht schön, wenn wir gemeinsam gegen den Islamischen Staat vorgingen… Wir müssen dem Wahnsinn, der sich in Syrien abspielt, ein Ende setzen.“(4)

Am 6. Dezember 2016 bekräftigte Trump in einer Rede in Fayette/ North Carolina, die USA müssten aufhören, Regimewechsel zu betreiben: „Dieser zerstörerische Kreislauf von Interventionen und Chaos muss endlich ein Ende haben … Wir werden nicht mehr fremde Regierungen stürzen, über die wir nichts wissen und mit denen wir nicht zu tun haben sollten.“ Man müsse sich auf den Kampf gegen Terrorismus konzentrieren, insbesondere auf die Zerstörung des Islamischen Staates – so Trump. (5) (…)

Die vorgegebene Richtung



Spätestens im März 2017 zeigte sich, dass die von Donald Trump ausgehenden Signale widersprüchlich, regellos, teilweise wirr und chaotisch sind. Hinzu kommt, dass es in seinem Stab unter den zum Teil konservativ-reaktionären Ministern und Beratern starke Kräfte gibt, die an der NATO-Politik Obamas und seiner Vorgänger festhalten wollen. Dagegen wird Trump – so war von Anfang an zu befürchten – wenig ausrichten können, zumal er selber die weltpolitische Situation offensichtlich nicht einzuschätzen vermag. Die weitere Richtung scheint vorgegeben zu sein: Im Verhältnis zu Russland hat sich durch den Regierungswechsel von Obama zu Trump zunächst nichts zum Positiven geändert, im Gegenteil, die NATO wird noch mehr aufgerüstet. Und im Hinblick auf den Iran und China hat sich die Lage verschlechtert. (…)

Die Einstellung Trumps und seiner Regierung zu Russland wird schließlich längerfristig zeigen, wohin der Weg führt, zunächst vor allem hinsichtlich der Krisen in Syrien, dem Irak und in der Ukraine. Manches lässt bedauerlicherweise nicht darauf schließen, dass Trumps Denken und seine Ziele primär dem Frieden in der Welt gelten, auch wenn er davon spricht. Vielmehr steht über allem seine Botschaft: „America First!“, und es hat den Anschein, dass ihm dieser nicht durch Ethik, Moral oder Vernunft gezügelte „Patriotismus“ Macht und Mehrheit in seiner Partei, im Kongress und in der Wirtschaft sichern soll, auch in Kreisen des militärisch-industriellen Komplexes, der Waffen-, und Bankenlobby und in der verarmten, verunsicherten Bevölkerung, die ihn gewählt hat. Das alles hat selbstverständlich weitgehende internationale Auswirkungen. (…)

Die Situation ist und bleibt unübersichtlich und brandgefährlich. Donald Trump ist mit seinen Dekreten, Gesetzesvorlagen und Twitter-Attacken unberechenbar, und ebenso wenig garantiert das ihn umgebende Personal eine seriöse Friedens- und Sozialpolitik. Seit seinem Amtsantritt wird Trump boykottiert; aber es ist auch nicht auszuschließen, dass er psychisch gestört ist, was gleichermaßen, wenn auch anders, auf seine Gegner zutrifft. Die USA sind seit Langem eine Bedrohung für Frieden und Wohlergehen in der Welt, und das hat sich mit Trump bedauerlicherweise nicht geändert.

Als folgenschwere Erkenntnis ergibt sich, dass Europa nicht nur in Westeuropa und Russland geteilt ist, sondern auch Westeuropa in Gestalt der EU zweigeteilt wird: Auf der einen Seite befinden sich die von den USA aufgerüsteten militanten Baltischen Staaten, Polen, Bulgarien, und Rumänien, wozu nach dem Brexit noch Großbritannien stößt, das sich mehr und mehr den USA annähern und damit Probleme im Festlandeuropa herbeiführen wird. Das ist eine gefährliche Phalanx gegen Russland. Auf der anderen Seite stehen die übrigen EU-Staaten, die sich – mehr oder weniger – um ein vernünftigeres Verhältnis zu Russland bemühen werden und auch bemühen müssen (falls es nicht zu einem von den USA und der NATO angezettelten Krieg in Europa kommt). Diese Konstellation wird in nächster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, insbesondere, wenn sich Großbritannien endgültig von der EU verabschiedet hat.

Der vorliegende Artikel ist ein Auszug aus Wolfgang Bittners: „Die Eroberung Europas durch die USA. Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“, Westend Verlag, 256 Seiten. Die komplett überarbeitete und erweiterte Neuausgabe erschien am 2. Juni 2017.



Persönliche Anmerkung: Ich habe (Harry Popow) am 06.06.2017 zu eben diesem Buch eine Rezension unter dem Titel "USA - kein Vorbild für Frieden und Freiheit" verfasst und u.a. an 14 Printmedien zur freien Verfügung per Mail gesandt. 

KEINE REAKTION, KEINE VERÖFFENTLICHUNG!! DEMOKRATIE IN AKTION!!!!

(Erstveröffentlichung in der Neuen Rheinischen Zeitung und auf anderen online-Plattformen.)

Montag, 26. Juni 2017

ALTERS-WITZ

So ist es halt...

Er schaut seine seit 60 Jahren des sich kennens und liebens Angebetene an, die immer noch ausschaut wie ein Model. Und vermerkt bedenkenlos: "Schade, du kannst mir kein Kind mehr schenken". Er hätte wissen müssen, dass seine Göttin noch nie auf den Mund gefallen war. Und so kommt promt die Retourkutsche: "Du aber auch nicht!"

(Dem Leben entnommen)

Sonntag, 25. Juni 2017

Hysterische Russland-Hetze


Was steckt hinter der Russland-Hetze der USA?


VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅ 25. JUNI 2017

von Ernst Wolff – http://www.kritisches-netzwerk.de

Wenn es um Russland geht, werden amerikanische Politiker hysterisch. Egal, was auf der Welt geschieht – es gibt kaum eine negative Meldung, deren Ursache nicht umgehend Russland oder dem russischen Präsidenten zugeschrieben wird. Ob es sich um einen Flugzeugabsturz in der Ukraine, die Manipulation der Präsidentenwahl in den USA oder Massendoping bei internationalen Sportereignissen handelt – US-Politiker und US-Medien deuten sofort mit dem Finger auf Russland.

Diese permanente Schuldzuweisung ist nicht neu: Gleich nachdem sie das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit der Sowjetunion besiegt hatten, änderten die USA den Kurs gegenüber dem Verbündeten und eröffneten die jahrzehntelange Phase des „Kalten Krieges(link is external)“. Wer immer in den USA auch nur ein positives Wort über die Sowjetunion fallen ließ, wurde in der „McCarthy-Ära(link is external)“ der Fünfziger Jahre als „Kommunistenfreund“ verfolgt. Wer sich dem staatlichen Diktat nicht beugte, verlor – wie u.a. Charlie Chaplin(link is external) – die US-Staatsbürgerschaft oder wanderte ins Gefängnis.

Warum? Wieso wurde aus dem Verbündeten im Zweiten Weltkrieg plötzlich der Staatsfeind Nr. 1? Und wieso wird heute wieder solche Hetze gegen Russland betrieben?

Das neue Finanzsystem: Die Diktatur des US-Dollars

Die USA gingen aus dem Zweiten Weltkrieg als wirtschaftlich und militärisch stärkste Macht der Welt hervor. In Bretton Woods legten sie 1944 ein neues Weltwährungssystem(link is external) fest, das den US-Dollar zur ersten globalen Leitwährung(link is external) machte. Es gab nur eine wirtschaftlich bedeutende Nation, die sich dem Diktat des US-Dollars nicht unterwarf: die Sowjetunion. Sie ging sogar noch einen Schritt weiter und sorgte dafür, dass ihre Satellitenstaaten (die Länder des „Ostblocks“) dem Abkommen ebenfalls fernblieben.

Damit wurde mehr als ein Sechstel der Erde dem Einfluss des US-Dollars und dem ungehemmten Export von US-Waren entzogen. Für die neue Supermacht USA Grund genug, den ehemaligen Verbündeten umgehend zum Feind zu erklären und mit Hilfe der Medien nach allen Regeln der Kunst zu verteufeln.

Auch die amerikanische Rüstungsindustrie trug zum Kurswechsel bei: Da sie im Zweiten Weltkrieg gegeneinander kämpfende Kriegsparteien mit Waffen versorgt hatten, war sie zu einer Wirtschaftsmacht erster Ordnung angewachsen. Nach Kriegsende geriet sie schnell in die roten Zahlen und lechzte daher nach Absatzmöglichkeiten und weiteren Kriegen. Da gegenüber der eigenen Bevölkerung ein passendes Feindbild benötigt wurde, kam die Ablehnung des Bretton-Woods-Abkommens durch die Sowjetunion für die Rüstungsindustrie wie gerufen.

Gegenwärtiges Ziel der USA: Das Ende der Dollar-Ära abwenden

Nach der Auflösung der Sowjetunion(link is external) 1991 und dem Zerfall der Ostblockregimes änderte sich das Bild. Amerikanisches Kapital konnte den europäischen Osten fast ungehemmt überschwemmen. Damit entfiel die Notwendigkeit, das Feindbild aufrechtzuerhalten. Doch mit der Zeit begannen Russlands neue Machthaber, ihre eigenen Interessen zu verfolgen und nicht mehr nach der Pfeife des US-Kapitals zu tanzen. Gleichzeitig zeigte sich der fortschreitende Niedergang der US-Wirtschaft, deren Arbeitsplätze im Rahmen der Globalisierung ins Ausland verlegt worden waren und die immer stärker dem Spekulationskarussell des Finanzsektors unterworfen wurde.

Als erste Länder versuchten, sich der globalen Dominanz des US-Dollars zu entziehen, reagierten die USA mit eiserner Härte: Saddam Husseins Plan, Erdöl für Euro zu verkaufen, wurde mit einer Kriegserklärung an sein Land beantwortet, er selbst landete am Galgen. Muhammar al-Gaddafis(link is external) Vorhaben, einen goldgedeckten nordafrikanischen Dinar einzuführen, führte zur Verwüstung Libyens durch eine US-geführte Koalition und zu Gaddafis Ermordung.

Hintergrund der extremen Reaktion ist die Tatsache, dass der Dollar bis heute der wichtigste Eckpfeiler der globalen US-Vorherrschaft ist. Sobald er fällt, ist es mit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzdominanz der USA vorbei. Deshalb stemmt sich Washington mit aller Macht gegen jeden Versuch, den Einfluss seiner Währung zu beschränken. Genau hier liegt auch der Grund für die seit drei Jahren an Schärfe zunehmende Hetze gegen Russland: Russland hat sich nämlich 2014 erdreistet, mit China nicht nur einen Mega-Deal im Energiebereich abzuschließen, sondern auch anzukündigen, künftig sämtliche Geschäfte im chinesisch-russischen Handel direkt in Rubel und Yuan(link is external) abzuwickeln.

Beide Länder haben damit nichts anderes getan, als ihr international geltendes Recht als souveräne Staaten wahrzunehmen. Doch die USA haben eine lange Tradition, internationales Recht zu missachten, wenn es um eigene Machtansprüche geht. Russland und das mittlerweile wirtschaftlich übermächtige China haben in den Augen Washingtons einen Präzedenzfall geschaffen, der die Weltherrschaft des Dollars infrage stellt und weitere Länder ermutigen könnte nachzuziehen – und der damit das Ende der US-Dollar-Diktatur einläuten könnte.

Da das US-Finanzsystem auf Grund riesiger Spekulationsblasen derzeit in allergrößten Schwierigkeiten steckt, ist nicht mit einem Nachlassen der Russland-Hetze zu rechnen. Im Gegenteil: Washington wird auch für die absehbaren weiteren Einbrüche im Wirtschafts- und Finanzsektor, zur Rechtfertigung seiner militärischen Aufrüstung und zur Begründung umfassender Sozialkürzungen dringend einen Sündenbock brauchen.

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass wir demnächst erfahren, dass die Ursache für einen Kurssturz des Dow Jones, das Platzen neuer US-Immobilienblasen oder Kürzungen von Essensmarken für bedürftige US-Bürger nicht im US-Finanzsektor oder in Washington zu suchen sind, sondern – in den weiten Gefilden des 8000 Kilometer entfernten Moskauer Kremls.
Ernst Wolff



Dienstag, 20. Juni 2017

Die Entblößer

Mathias Bröckers: König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron


Nackter als im Sonnenbad - eine Chronik um Intrigen und Macht


Buchtipp von Harry Popow

Da bekam der DDR-Bürger das große Lachen – als Bundesbürger die DDR-Nackedeis an den Stränden der Ostseeküste entdeckten und pikiert laut aufschrieen, ob dieser „Kulturlosigkeit“. Und nun, nach zig Jahren, gab es nochmals einen Aufschrei, als sich nämlich der neue Präsident Donald Trump sich mit seinen „unqualifizierten“ politischen Äußerungen, vor allem in Richtung Russland – im einzigen Interesse der amerikanischen globalen Macht sich trotz der Proteste der bürgerlichen Parteien, der Republikaner, als sich also dieser neue Milliardär plötzlich ganz nackend zeigte, ohne Skrupel, frech und anmaßend. Nur, die sich da provoziert fühlten, waren und sind letztlich selber, die sich vor aller Welt entblößten und nackend gemacht wurden.


So konnte es denn auch nicht beim Aufschrei bleiben. Dazu gibt das neue Buch von Mathias Bröckers „König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron“ Auskunft. Mehr noch – man stelle sich dieses schauerliche Satirestück auf der Bühne vor. Der Zuschauer entdeckt bei genauem Hinschauen und Lesen „möglicherweise“ Fetzen aus dem wirklichen Leben. Spätestens nach dem Schlussvorhang. Oder nachts im Bett. Oder gar nichts.

Ironie und Satire öffnen bekanntlich eher Herz und Hirn als nüchterne und sachliche Polemik. Der Autor, dessen Buch ich nahezu ohne Unterbrechung mit Vergnügen gelesen habe, präsentiert viele Varianten der Anschaulichkeit, um den Vorgang der Wahlen in den USA und die Gegenwehr gegenüber dem neuen Präsidenten Trump ins Scheinwerferlicht zu stellen. So zum Beispiel die andersartige Benennung von Personen und Zuständen sowie sprachliche Vergleiche, faktenreiche Berichte und sachbezogene Kommentare. Man muss nicht lange rätseln, wer der König Donald ist, wer der Ultraböse, wer die unsichtbaren Meister der Intelligence, wer die Gilde der Herolde und Lautsprecher, welche geheime Macht die Yankee and Cowboy darstellen, wer mit dem exzeptionalistischen Königreich gemeint ist.

Der Zuschauer/Leser - bislang ernste Polemiken zu hören oder zu lesen gewohnt - fühlt sich erkenntnisreich angesprochen, wenn der Autor gleich anfangs feststellt, dass Donald als Ultrarechter zwar aus der derselben Elite-Liga wie seine Vorgänger stammt, aber zu einem anderen Club gehört und seine Spielweise den Apparat und die Strukturen des Königreichs „gehörig durcheinander gebracht“ hat.

Kein Wunder, hält der Neue König seiner in den Tiefen der Gesellschaft agierenden Herolde und Hofschreiber, der im geheimen agierenden permanenten Regierung, den Korrupten und Heuchlern und Großgeldverdienern, den Räubern und Cowboys durch sein nicht immer intelligentes und räuberisches Verhalten ohne Rücksicht auf „Verluste“ den Spiegel vor´s Gesicht.

Abschied vom globalen Denken und Handeln?

Als Außenseiter verschrien, so der Autor, habe der Neue dem regime change (S. 12) eine Absage erteilt. Die NATO sei obsolet. Sanktionen gegen das Reich des Ultrabösen seien Unsinn. Auf Seite 15 wiederholt er den oft zitierten Satz, der Ultraböse sei gar nicht so schlimm und man könne mit ihm auskommen. Doch die Hauptaussage des neuen Königs war, die USA stehe über allem. Der Narzist als Nationalist? Ein Abschied vom globalen Denken und Handeln?

Mit viel Biss und Häme registriert auch der Autor wie andere vor ihm den vielfachen Aufschrei und die Abwehrakrobatik der sich stets als friedliebend gebenden Kapitalelite. Seite 9: Hillary – das sei ein Debakel des Jahrhunderts. S.13: Donald sei die Marionette des ultrabösen Herrschers, S. 21 – was wird aus dem Krieg gegen den Terror, wenn der Feind verloren geht (Bekämpfung der Wickelmützen, des ISIS)?

Jeder Lacher, jede Ironie, jeder noch so große Biss – alles geht am Ohr und Hirn vorbei, wollte man nicht darauf pochen, den Ursachen für profitstrebendes Ungemach und Weltherrschaftsplänen auf den Grund zu gehen. So verweist Mathias Bröckers auf Seite 55 darauf, dass man, um den tiefen Hass auf den schlimmen Donald zu verstehen, in die Tiefen des Staates hinabsteigen müsse, zu den unsichtbaren Meistern der Intelligence, „die als Schattenspieler und Strippenzieher seit Jahrzehnten die Fäden im Königreich in der Hand haben“. Für sie sei eine der größten Unfälle eingetreten. Der Thronfolger stamme nicht aus dem Think-Thank-Land und mache sich scheinbar daran, einen „Sumpf“ trockenzulegen, „den unterirdischen Sumpf des Tiefenstaats, von dessen Existenz die meisten Leute im Königreich eigentlich gar nichts wussten“.

Für die schmähliche Wahlniederlage der Clinton-Maschine musste eine Begründung her. Die fand sich sehr schnell in einer ungeahnten Russophobie. Der Ultraböse „soll mit unsichtbaren Häschern Hillarys Post gestohlen und so Donald auf den Thron“ gehievt haben. (S. 8) Wo bis heute die Beweise fehlen. Doch auch hier liegen die Ursachen noch tiefer. Das Königreich wollte über König Boris, den man den „Wodka-Container“ nannte, so schreibt der Autor auf Seite 76, an die „größten Mineralreserven der Welt“ heran, an Öl, Gas, Metalle, seltene Erden... Die „sibirische Schatztruhe“ hatte das Königreich im Visier. Doch dieses „Geschäft“ vermasselte der ab sofort als „aggressiv“ beurteilte und verurteilte Putin. So malten es ab sofort auch die zahlreichen Fake News, „sodass bald fast alle im Lande vergessen hatten, dass sein Verbrechen eigentlich nur darin bestanden hatte, dass er die Schätze seines Landes nicht weiter umsonst, sondern zum Marktpreis abgeben wollte“. (S. 79)

Was aber hat sich seit König Donald geändert, fragt sich der Autor auf Seite 36? Er hat „die Fassade des politisch korrekten Gefasels von ´Werten` und ´Menschenrechten´, hinter der sich der alte Imperialismus im neoliberalem Gewand tarnte,“ heruntergerissen. „Auf dem Thron sitzt jetzt ein echter Barbar.“

Und dennoch: Auf Seite 163 zitiert der Autor anhand eines Symposiums zur Lage im Königreich folgenden Satz: Von der „unipolaren Sicht der Welt und dem Plan, sie militärisch und wirtschaftlich komplett zu beherrschen, will sich König Donald offenbar verabschieden.“ Bezugnehmend auf die „neue Seidenstraße“ heißt es auf Seite 173: „Wie auf der alten Seidenstraße einst begehrte Güter wie Seide oder Tee aus dem Reich der Mitte in den Westen gelangten, soll dies auch auf den neuen Wegen geschehen...“ (…) „Dieser Handel und Wandel, der mehr als als zwei Drittel der gesamten Menschheit umfasst, wird das exzeptionalistische Königreich als dominierende Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Das Königreich und sein transatlantisches Bündnis stehen vor der Wahl: Krieg oder Kooperation.“

Für diejenigen, die das Nachdenken nicht verlernt haben

Die Botschaft des Autors ist gelungen: Er zeigt nicht nur den König nackt und nicht ohne Warnung, sondern auch jene, die ihn hassen und bekämpfen. Ihre wahren Absichten, ihre Machtansprüche. Ihre Lügen und Verleumdungen. Ihr Schüren von Angst. Darüber hinaus versetzt er das in diesem Wirrwarr-Theater zuschauende und das Lesepublikum in einen Zustand der nach Brecht genannten Verfremdung. Eine entlarvende Sicht auf eine sich als „Friedensengel“ und „Verteidiger der Menschenrechte“ ausgebende hochstilisierte Elite mit den USA an der Spitze, die alles unternimmt, ihre aggressiven Weltherrschaftspläne zu kaschieren und sowohl von der „Terrorbekämpfung“ als auch von der hochgeschraubten militärischen Rüstung profitiert. Das Buch sei jenen empfohlen, die das Nachdenken nicht verlernt haben, neugierig geblieben sind und mit zum Gegenwind blasen. So hat Nacktheit, das Herunterreißen von Masken, seine herausfordernden Vorteile. Wer nach der Aufführung den Saal verlässt, sollte ein anderer sein...


Mathias Bröckers: König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron, Westend Verlag, Frankfurt/Main, 2017
208 Seiten, Hardcover ohne Schutzumschlag, 14 Euro, ISBN-10: 3864891906, ISBN-13: 978-3864891908, Größe und/oder Gewicht: 10,6 x 2,1 x 16,2 cm



(Erstveröffentlichung in der Neuen Rheinischen Zeitung)


Sonntag, 18. Juni 2017

Zu Gorbatschow

Illusionisten sind Grabschaufler

Per Mail erhielt ich am 18.06.2017 folgende Stellungnahme zu dem Artikel von Gellermann zum Tode Kohls:

Hallo Herr Popow,

seit geraumer Zeit lese ich ihren Blog und ich möchte Ihnen einige kleine Anmerkungen zu dem Text von Herrn Gellermann nicht vorenthalten.

Gorbatschow „geriet“ nicht an die an die Spitze der kommunistischen Partei in „Russland". Sein Aufstieg bis in die obersten Gremien der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war von langer Hand vorbereitet und geplant und zwar von den Leuten innerhalb und ausserhalb der KPdSU, die den „intellektuellen und ökonomischen Verfall der Sowjetunion“ nicht etwa aufhalten wollten, sondern ihn beschleunigten bzw. vollendeten. Insofern ist der Begriff „freundlicher Herr“ selbst unter satirischen Gesichtspunkten nicht zutreffend. Verräter ist für Gorbatschow die angemessene und korrekte Bezeichnung. 

Der unvergessene Rolf Vellay brachte diesen Fakt bereits 1987 so auf den Punkt:
Gorbatschow als Generalsekretär – das ist die Konterrevolution an der Spitze der KPdSU! Gorbatschow als Präsident der UdSSR – das ist das Ende des Sozialismus in der Sowjetunion! ,Neues Denken’ – das ist die Paralyse des revolutionären Gehalts der kommunistischen Weltbewegung.“ (Rolf Vellay auf der sog. Perestroika-Konferenz des Frankfurter IMSF der DKP im Jahre 1987, erschienen in: AusgewählteAufsätze, Briefe und Vorträge, Heft 83, Berlin, Mai 2002 der Schriftenreihe für marxistisch-leninistische Bildung der KPD.)

Gorbatschow selbst äußerte sich in einem „Spiegel“ Interview 1993 so:
"SPIEGEL: Michail Sergejewitsch, Sie sind kein Kommunist mehr?
GORBATSCHOW: Wenn Sie meine Aussagen nehmen, dann wird Ihnen klar, dass meine politischen Sympathien der Sozialdemokratie gehören und der Idee von einem Sozialstaat nach der Art der Bundesrepublik Deutschland.“
Für die „Preisgabe der internationalen Machtpositionen der Sowjetunion“ also die erfolgreiche Durchführung der Konterrevolution und damit der Restauration des Kapitalismus, sowie der Abschaffung der UdSSR, erhielt er laut Frau Thatcher die entsprechenden Silberlinge und viel Beifall aus dem Westen, übrigens auch von vielen sogenannten „Linken“.

Was die DDR Bürger glaubten oder nicht sei dahingestellt. Was die DDR Bürger allerdings von ihrer Arbeit und dem Volksvermögen „befreite“ war weniger ein Irrtum, sondern eine bereits von den alten, mit Persilschein versehenen, Nazis im sogenannten „Rechtsstaat“ BRD geplante Einrichtung Namens „Treuhand“. Für die in diesem Rahmen handelnden Personen,wie beispielsweise den späteren Grüssonkel der Nation Horst Köhler, von 1990 bis 1993 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, wurde extra Straffreiheit vereinbart, weil das Veruntreuen von DDR Volksvermögen durch die „Treuhand“ justiziabel gewesen wäre. 
Die so eingesammelten „Krümel“ tauchten dann bei den bereits vorhandenen bzw. neu dazugekommenen Millionären im Westen auf. Also kapitalistischer Normalbetrieb, zur Ausbeutung gesellt sich der Betrug!
Kohl insbesondere stand für mich immer als Vertreter dieses piefig, provinziellen „rheinischen Kapitalismus“ den man sich vor Allem im Westen der BRD sehnlichst zurückwünscht und für die Tatsache, dass man an der Spitze des „geschäftsführenden Ausschuss des Kapitals“ keine besonderen Fähigkeiten braucht. Die Hamburger Pfarrerstochter macht ihrem politischen Ziehvater alle Ehre!
Rot Front!
Inson

Antwort vom Blogger H.P.

Lieber Webwulf, ich möchte mich herzlich für Ihren Standpunkt, der auch der meine ist, bedanken. Kürzlich erhielt ich von einem Gleichgesinnten das Büchlein "Ein Appell von Michael Gorbatschow an die Welt". Nie wieder Krieg. Im Klappentext wird sein "Mut" hochgejubelt. Mir wird schlecht. Der Mann hat immer noch nicht geschnallt, dass er mit an vorderster Front das Grab anfing zu schaufeln. Er war der eigentliche Verursacher, ohne ihm allein die Schuld geben zu können. Aber so sieht ein Mensch mit vagen Klassenkampfvorstellungen und voller Illusionen eben aus, ohne seinen Verrat zu begreifen. Illusionisten - das sind solche, die dem Wolf mit gutem Zureden an den Kragen wollen. Die SPD, die Linken zum Teil, die Grünen - wo ist eine Partei, die ohne nur "linkes Augenzwinkern" Klartext spricht? Gorbi ist mit seinem wortreichen Appell ohne Niveau weit unter ähnlichen Weckrufen geblieben.

Also vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Webwulf, so ist doch nicht ganz umsonst, was ich im Blog kritzele, übernommen oder auch selbst Geschriebenes.  (Darf ich Ihre und meine Zeilen in meinen Blog setzen?) Herzlichst Harry Popow

Antwort von Webwulf

Ja gerne. 
Einer der „Masterminds“ der Katastroika Alexander Jakowlew offenbarte in seinem Buch „Dämmerung“ Verlag Materie, Moskau 2003 die ganze hinterhältige und verlogene Politik Gorbatschows. 
Dieser Kampf musste geführt werden, wobei in der Anfangs- und Übergangsperiode ständig der Eid auf die Prinzipien des Sozialismus geleistet werden mußte! Die schicksalsträchtigen Reformen, wie die Glasnost, die reale Freiheit des Wortes und des Schöpfertums, die Freiheit der Kommunikation, alternative Wahlmöglichkeiten auf allen Ebenen, das Ende der politischen Depressionen, die religiöse Freiheit, die Beendigung des kalten Krieges und des Krieges in Afghanistan und vieles andere wurden von uns Reformern als Maßnahmen zu Festigung der bestehenden Gesellschaftsordnung ausgegeben. Tatsächlich untergruben diese Maßnahmen den Totalitarismus und führten zur schrittweisen Herausbildung einer demokratischen Ordnung und der Freiheit der Persönlichkeit. Dieser Prozeß ist außerordentlich kompliziert, er ist auch heute bei weitem noch nicht abgeschlossen.“ (S.359)

Rot Front!
Inson


Kanzler der "blühenden Landschaften"


HELMUT KOHL


Die Rache Gottes

Autor: U. Gellermann
Datum: 18. Juni 2017

Wenn es denn einen Gott gibt, dann hat der offenkundig ein langes, gründliches und rächendes Gedächtnis. Dieses Erinnerungsvermögen geht den deutschen Medien völlig ab. Zum Tod von Helmut Kohl fällt denen nur süßliches Gequatsche ein: Der Kanzler der Einheit soll er sein, ein großer Europäer sei er gewesen, gar ein Glücksfall für die Deutschen. Annehmend, dass es keinen Gott gibt, wird Kohl eher als ein Unfall notiert werden müssen. Aber in der Rechnung der Geschichte, auf deren Konto Millionen toter Russen, Juden, Völker aller Art stehen, wäre er als Rache an den deutschen Verursachern dieser Opfer durchaus geeignet.

Als in Russland ein Mann an die Spitze der kommunistischen Partei geriet, der den intellektuellen und ökonomischen Verfall der Sowjetunion aufhalten wollte, zeigten sich auch die personellen Mittel der Kommunisten am Ende. Mit Michael Gorbatschow fand sich ein freundlicher Herr ein, der seine Aufgabe als Konkursverwalter im Wesentlichen in der Preisgabe der internationalen Machtpositionen der Sowjetunion begriff. Parallel glaubten die Bewohner der DDR für einen ziemlich kurzen Moment, dass Reisefreiheit der wichtigste Teil der Freiheit sei und Reisen mit einer westlichen Währung kostenfrei wären. Dieser Irrtum befreite viele Menschen in der DDR von Arbeit und kostete sie ihr Volksvermögen. Diese Sorte von Einheit erklärte Helmut Kohl als von ihm persönlich hergestellt und sammelte die Krümel ein, die vom großen sowjetischen Kuchen unter den Tisch fielen.

Auch in West-Europa galt die Bewegungsfreiheit als schönste Eigenschaft der Selbstbestimmung. Von A nach B zu reisen ohne den Ausweis zeigen zu müssen, war immer das populärste Argument für die Europäische Union. Kohl hatte auch hier die Gunst der Stunde begriffen, als er auch noch den lästigen Umtausch der D-Mark in fremde Währungen abschaffen ließ. Wer Helmut Kohl, den Kanzler des Euro, als Befreier von ausländischem Kleingeld feiern wollte, der hätte Grund genug: Vorbei die Zeit, als nach den Reisen noch Lira, Gulden oder Francs die Taschen ausbeulten. So wie das Kleingeld schwand, schwand auch die Souveränität europäischer Nationen. Nicht mal in Deutschland, dem Gewinner-Land der westeuropäischen Vereinigung, weiß man noch, wo gerade welche Gesetze gegen wen beschlossen werden. Zumeist ist der wichtige Vorgang gerade nach Brüssel unterwegs. Der metaphorische Ort Brüssel wurde bereits im sicher berühmtesten deutschen Roman, der Feuerzangenbowle, exakt definiert: „Da stellen wir uns mal ganz dumm, Brüssel ist ein großer schwarzer Raum mit zwei Löchern. Durch das eine kommt das Steuergeld rein, und das andere kriegen wir später“.

Im Feuerschein der von sozialdemokratischen Kanzlern verantworteten Bundeswehr-Einsätzen im Ausland, erglänzt das Denkmal des Herrn Kohl als Friedens-Kanzler. Zu gern wird unterschlagen, dass es die letzte Regierung Kohl war, die gegen die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens für eine Zerschlagung Jugoslawiens plädierte und mit einer vorschnellen Aberkennung Kroatiens und Sloweniens den nationalistischen Brandsatz in das kokelnde jugoslawische Haus warf. Dieser deutsche Akt der Zerteilung des jugoslawischen Fells bei lebendigem Leib eines Vielvölkerstaates mündete folgerichtig im NATO-Krieg gegen Jugoslawien und dem ersten Bundeswehreinsatz im Ausland nach dem letzten Welt-Krieg.

Unter den vielen Verdienstkränzen, die sich in diesen Tagen auf dem Grab Helmut Kohls türmen, fehlt die Anerkennung seiner Verdienste um die Abschaffung des Ehrenwortes. Denn im Ergebnis der CDU-Spendenaffäre, als in den schwarzen Kassen der CDU zwei Millionen Mark verschwunden waren, die ziemlich eindeutig die Lieferung von Fuchs-Spürpanzern nach Saudi-Arabien schmieren sollten, gab Kohl dem deutschen Volk und wer es sonst noch wissen wollte sein Ehrenwort: Er wisse nicht wer denn die Spender dieser Millionen gewesen seien. Dass in den Nachrufen auf den früheren Kanzler diese Groß-Betrügerei als Marginalie erscheint, wirft ein grelles Licht auf die deutschen Medien: Immer gern bereit, Korruption und ihre Hintermänner in Deutschland zu verschweigen, aber gern und ausführlich über Fake-News in Nachbars Garten zu reden.

Unter den vielen schweren Verfehlungen gegen die Deutschen will keiner der Nachrufenden die schwerste nennen: Helmut Kohl hat uns Angela Merkel beschert, die Fortsetzung des schwarzen Riesen mit anderen Mitteln aber ähnlichen Methoden: Wo Kohl den pfälzischen Biedermann spielte, da führte Merkel die sparsame Hausfrau auf, wo Kohl mit seinen „blühenden Landschaften“ dem Potemkinschen Dorf zur Wiederauferstehung verhalf, da gelang es Angela Merkel mit diesem Satz „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Osama bin Laden zu töten“ dem US-Western der 50er Jahre zu einem Comeback auf der Menschenrechts-Rampe zu verhelfen. Doch während Helmut Kohl wohl endgültig von der politischen Bühnen abgetreten ist, wird Angela Merkel leider weiter auf dem Berliner Spielplan stehen: Kein barmherziger Vorhang ist in Sicht.



Mittwoch, 14. Juni 2017

Die Geldgeber für Krieg


Das Große Geld hinter dem Krieg: der militärisch-industrielle Komplex


VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅ 14. JUNI 2017

von Jonathan Turley – http://www.antikrieg.com

Mehr als 50 Jahre nach Präsident Eisenhowers Warnung befinden sich die Amerikaner in fortwährendem Krieg

Im Januar 1961 nahm der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Dwight D. Eisenhower seine Abschiedsrede zum Anlass, das Land vor dem zu warnen, was er als eine seiner größten Bedrohungen betrachtete: vor dem militärisch-industriellen Komplex, bestehend aus militärischen Kontraktoren und Lobbyisten für die endlose Fortsetzung des Krieges.

Eisenhower warnte, dass „ein immenses militärisches Establishment und eine ausgedehnte Rüstungsindustrie“ sich als eine verborgene Kraft in der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika herausgebildet haben und die Amerikaner „nicht versäumen dürfen, deren schwerwiegende Auswirkungen zu erkennen.“ Diese Rede wird wohl Eisenhowers mutigster und prophetischster Moment gewesen sein. Fünfzig und ein paar Jahre später finden sich die Amerikaner in dem, was wie ein endloser Krieg aussieht. Wir hören nicht eher auf, unsere Einsätze im Irak herunterzufahren, als Führer eine Intervention in Libyen oder Syrien oder im Iran fordern. Während endloser Krieg endlose Verluste für Familien mit sich bringt und immer weiter steigende Budgets, steht er auch für endlose Profite für einen neuen und größeren Komplex aus Geschäfts- und Regierungsinteressen.

Der neue militärisch-industrielle Komplex wird betrieben mit einem zweckdienlich verschwommenen und unsichtbaren Feind: dem Terroristen. Der ehemalige Präsident George W. Bush und seine Berater bestanden darauf, gegen Terrorismus gerichtete Maßnahmen als „Krieg“ zu bezeichnen. Diese konzertierte Bemühung von Führern wie dem ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney (selbst ehemaliger Vorstand des Verteidigungskontraktors Halliburton) war nicht eine leere rhetorische Übung. Ein Krieg würde nämlich nicht nur die Befugnisse des Präsidenten maximieren, sondern er würde auch die Budgets für Militär und Heimatlandbehörden maximieren.

Diese neue Koalition aus Unternehmen, Behörden und Lobbyisten stellt das System in den Schatten, das Eisenhower kannte, als er die Amerikaner warnte, „wachsam zu sein gegenüber der Aneignung von unvertretbarem Einfluss … durch den militärisch-industriellen Komplex.“ Ironischerweise hatte dieser einige seiner Höhepunkte unter Präsident Barack Obama, der radikal die Drohnenattacken ausweitete und behauptet hat, dass er allein bestimmt, was ein Krieg ist, bei dem der Kongress gefragt werden muss.

Gut für die Wirtschaft?

Obwohl wenige Politiker bereit sind, das zuzugeben, halten wir Kriege nicht nur aus, sondern scheinen Krieg zu brauchen – zumindest für einige Leute. Eine Untersuchung ergab, dass grob geschätzt 75% der in diesen Kriegen Gefallenen aus Familien der Arbeiterklasse kamen. Diese brauchen keinen Krieg. Sie tragen die Kosten des Krieges. Eisenhower wäre wahrscheinlich entsetzt über das Ausmaß der von Industrie und Regierung Beschäftigten, die für Krieg oder Terrorismusbekämpfung arbeiten. Militär- und Heimatlandbudgets tragen jetzt Millionen von Menschen in einer anderweitig absinkenden Wirtschaft. Hunderte Milliarden von Dollars strömen jährlich an Agenturen und Kontraktoren, die sehr daran interessiert sind, dass das Land auf dem Kriegspfad bleibt – und die Rechnung für den Krieg bezahlt.

Im ganzen Land kann man die Kriegswirtschaft erkennen in einer Industrie, die alles einschließt von Heimatlandsicherheit-Ausbildungsdiplomen über Antiterrorismus-Berater bis zu privat betriebenen Programmen für Flughafen-Sicherheitsschleusen. Vor kurzem wurde das „schwarze Budget“ allein für geheimdienstliche Programme auf $52,6 Milliarden geschätzt. Das betrifft nur die geheimen Programme, nicht die viel größeren Budgets für Geheimdienste und Spionageabwehr. Wir haben jetzt 16 Geheimdienste, die 107.035 Angestellte beschäftigen. Diese laufen getrennt von der über eine Million vom Militär und den nationalen Strafverfolgungsbehörden Beschäftigten.

Den Kern dieses expandierenden Komplexes bildet eine Achse von Konzernen, Lobbyisten und Behörden, die eine massive sich selbst tragende Industrie auf der Basis von Terror geschaffen haben.

Die Kontraktoren

In den letzten acht Jahren sind Milliarden von Dollars an Militär und Sicherheitsfirmen geflossen. Wenn die Administration einen Krieg wie den gegen Libyen beginnt, dann bedeutet das eine Profitlawine für Unternehmen, die großzügige Verträge bekommen, um alles von Ersatzraketen bis zu Fertiggerichten zu produzieren.

Allein in der ersten zehn Tagen des Kriegs gegen Libyen gab die Administration rund $550 Millionen aus. Darin enthalten sind rund $340 Millionen für Munition – hauptsächlich Cruise Missiles, die ersetzt werden müssen. Die demokratischen Abgeordneten des Kongresses boten nicht nur nachträgliche Unterstützung für den Angriff auf Libyen an, sondern sie schlugen auch eine ständige Bevollmächtigung für Präsidenten vor, Ziele anzugreifen, von denen angenommen wird, dass sie in Zusammenhang mit Terrorismus stehen – ein endloser Krieg gegen den Terror. Die Behörde für Heimatlandsicherheit (DHS) bietet sogar noch beständigere Gewinnspannen. Laut Morgan Keenan, einer Vermögensberatungs- und Finanzfirma, wird erwartet, dass Investitionen in Heimatland-Sicherheitsfirmen jährliche Ertragszuwächse von 12% im Jahr 2013 erbringen – astronomische Profite, vergleicht man sie mit anderen Bereichen der abrutschenden Wirtschaft.

Die Lobbyisten

Es gibt tausende Lobbyisten in Washington, um die ständig steigenden Budgets für Krieg und Heimatlandsicherheit zu gewährleisten. Ein Beispiel dafür ist der ehemalige DHS-Minister Michael Chertoff, der den Kauf der sehr kritisierten (und wenig erprobten) Voll-Körperscanner durchboxte, die auf Flughäfen eingesetzt wurden. Während Chertoff Dutzende Interviews gab, um die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass die Maschinen notwendig waren, um die Terrorbedrohung einzudämmen, hatten viele Menschen keine Ahnung davon, dass der Hersteller dieser Geräte ein Klient der Chertoff Group ist, seiner hoch profitablen Sicherheitsberatungsagentur. (Diese sehr teuren Geräte wurden später verschrottet, nachdem die Herstellerfirma Rapiscan die Profitlawine kassiert hatte.)

Lobbyisten halten den Druck auf Politiker dadurch aufrecht, dass sie jedes Budget nach Begriffen wie „stark gegen den Terror“ und „weich gegen den Terror“ einordnen. Dafür haben sie die perfekten Produkte – Produkte, die so konstruiert sind, dass sie sich selbst zerstören und in einem endlosen Krieg gegen den Terror immer wieder ersetzt werden müssen.

Die Behörden

Es ist nicht nur der Drehtüreffekt, der die Bundesbehörden und diese Lobbyisten und Firmen zusammenhält. Die Kriegswirtschaft macht das Militär und die Heimatlandbehörden so gut wie unangreifbar. Umwelt- und Souzialprogramme werden gestrichen oder um Milliarden gekürzt, während die kriegsbezogenen Budgets weiterhin expandieren, um mit „neuen Bedrohungen“ fertig zu werden.

Mit der Unterstützung durch ein Heer von Lobbyisten und Firmen sind Kabinettsmitglieder wie die ehemalige DHS-Ministerin Janet Napoolitano in Washington unbesiegbar. Bürgern, die sich beschwerten, wenn sie sahen, wie ihre Kinder von der TSA begrabscht wurden, antwortete Napolitano aufsässig, dass Leute, die nicht wollten dass ihre Kinder begrabscht werden, nachgeben und die unpopulären Bodyscanner benutzen sollten – die von ihrem Amtsvorgänger Chertoff verkauft wurden.

Es sind nicht nur die Ministerien für Verteidigung und Heimatlandsicherheit, die sich des unverhofften Kriegsgewinns erfreuen. Nehmen wir das Justizministerium (DOJ). Ein massives Antiterrorismussystem wurde geschaffen, das zehntausende Mitarbeiter umfasst und Milliarden von Dollars, um Terroristen im Inland zu suchen. Als Problem erwies sich der vergleichsweise Mangel an tatsächlichen Terroristen, um die Größe dieses internen Sicherheitsystems zu rechtfertigen.

Dementsprechend hat das Justizministerium alles von einfachen Immigrationsfällen bis zu Kreditkartenbetrug als Terrorfälle bewertet, mit einem Einsatz von Leibesvisitationen, wie man ihn seit Vietnam nicht gesehen hat. Zum Beispiel behauptete das Justizministerium, es habe ein größeres Terrornetzwerk geknackt im Rahmen der „Operation Cedar Sweep,“ wobei libanesische Bürger beschuldigt wurden, Geld an Terroristen zu schicken. Es musste später alle Anklagen gegen alle 27 Beschuldigten als unbegründet fallen lassen. Es stellte sich heraus, dass es ein paar einfache Geschäfte für Wasserpfeifen waren. Nichtsdestotrotz malmt das neue interne Sicherheitssystem weiter dahin mit wachsenden Befugnissen und Budgets. Vor einigen Jahren änderte das Justizministerium die Definition von Terrorismus, um auf eine größere Anzahl von Fällen zu kommen, von denen dann gesagt wird, dass diese „einen terroristischen Bezug haben.“

Symbiotische Beziehung

Unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Krieg entspricht die politische Abhängigkeit von Krieg. Viele Abgeordnete vertreten Bezirke mit Kontraktoren, welche für die Bedürfnisse der Heimatlandsicherheit und unsere fortgesetzten Kriege liefern.

Obwohl Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Amerikaner gegen die Fortsetzung der Kriege gegen den Irak und Afghanistan ist, bekommt der militärisch-industrielle Komplex leicht die erforderliche Unterstützung im Kongress von beiden Parteien, Demokraten wie Republikanern, zusammen. Es ist auf den Einfluss dieser Allianz zurückzuführen, dass hunderte Milliarden in Afghanistan und im Irak ausgegeben werden, während der Kongress plant, Milliarden bei zentralen sozialen Programmen einzusparen, einschließlich möglicher Kürzungen bei Medicare infolge Geldmangels. Das alles spielt keine Rolle. Es spielt nicht einmal eine Rolle, dass der afghanische Präsident Hamid Karzai die Vereinigten Staaten von Amerika als Feind bezeichnet und gesagt hat, dass er wünschte, er hätte bei den Taliban mitgemacht. Sogar die dokumentierten von Regierungsvertretern in Irak und Afghanistan gestohlenen Milliarden werden behandelt wie bloße Spesen.

Es ist, was Eisenhower als die „falsch platzierte Macht“ des militärisch-industriellen Komplexes beschrieb – Macht, die öffentlichen Widerstand und sogar Tausende von toten Soldaten unerheblich macht.

Krieg mag für einige die Hölle sein, ist aber für andere der Himmel in einer Wirtschaft, die vom Krieg abhängig ist.

erschienen am 11. Januar 2014 auf Jonathan Turleys Website > Artikel

http://www.antikrieg.com/aktuell/2017_06_13_dasgrosse.htm

 



Montag, 12. Juni 2017

Im Disput mit einer Zeitung

Offener Brief an das „neue deutschland“



09.06.2017: Fast liebe Redaktion (Feuilleton), es ist ungeheuerlich, was sich die Dame Caroline M. Buck mit dem Beitrag "Die vergessene Armee" geleistet hat. Aber sie ist wohl nicht zuständig - dazu noch in einer Zeitung, die sich sozialistisch nennt - für wahrheitsgetreue und gedankenreiche Analyse. Und warum lasst Ihr als Redaktion unter dem Motto des Pluralismus solche hirnverbrannten und antikommunistischen Hetztiraden zu? Eher gehört so etwas in die bereits geistig plattgedrückte bürgerliche Presse, von der man nichts anderes erwartet. Ohne freundlichen Gruß
Harry Popow, Oberstleutnant a.D., Schöneiche b. Berlin




12.06.2017: Sehr geehrter Herr Popow, ich habe Ihr Schreiben vom 9. Juni dieses Jahres keineswegs ignoriert. Ich bin allerdings nicht davon ausgegangen, dass Ihre Zuschrift eine Antwort erfordert. Auf Beschimpfungen reagiere ich generell nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Amendt, Zivildienstleistender a.D.




12.06.2017: Sehr geehrter Herr Jürgen Amendt, dieser Artikel "Die vergessene Armee" beleidigt alle ehemaligen Angehörigen der NVA. Und die Kritik daran nennen Sie "Beschimpfung"? Ich hatte als Abteilungsleiter für Leserbriefe und Truppenkorrespondenz in der Wochenzeitung "Volksarmee" nicht einen einzigen Leserbrief unbeantwortet gelassen. Das waren wir unseren Lesern unbedingt schuldig. Das gehört doch auch zur Kultur des Umgangs miteinander. Tut mir wirklich Leid für Sie, dass Sie die Kritik inhaltlich unbeachtet lassen. Trotzdem danke, dass Sie sich überhaupt aufgeschwungen haben, die paar Zeilen zu mailen. Gruß von Harry Popow 

Sonntag, 11. Juni 2017

Quietschende Katzenmusik


Trump im Russen-Sturm


DPA komponiert, TAGESSCHAU orchestriert

Autor: U. Gellermann
Datum: 12. Juni 2017

Donald Trump ist ein Idiot. Dass jedenfalls ist in Deutschland fast überall zu lesen, zu sehen, zu hören. Nicht immer so krass, aber immer öfter. Nicht immer so deutlich, aber immer lauter. Nicht immer so offen, aber immer klarer: Der Mann muss weg! Der Abmarsch von Trump ist in deutschen Medien ziemlich beschlossene Sache. Und die Katzenmusik, die man dem US-Präsidenten zum Abgang spielt, quietscht zwar schauerlich, ist aber sorgsam orchestriert und dirigiert. Ein Beispiel für ein Medien-Stück der besonders schrägen Art lieferte jüngst eine Kooperation von DEUTSCHER PRESSEAGENTUR (DPA) und TAGESSCHAU: „Eine Wolke über Trumps Präsidentschaft“ lautete die Überschrift, und die Wolke, versteht sich, ist die „Russland-Affäre“. Das ist die DPA-Wolke, aus der ein Russen-Sturm kommt.

Diese düstere Wolke, in einem Text von DPA zusammengeballt und von der TAGESSCHAU über den deutschen Medienhimmel getrieben, bewässerte dann umgehend die BZ in Berlin, die GLOCKE im tiefen Westfalen, die FR in Frankfurt, die Saarbrücker Zeitung, die Rhein Zeitung, die Chemnitzer Morgenpost und hätte beinahe auch den OSSERVATORE ROMANO in deutscher Sprache noch bepinkelt, wenn sich nicht der Papst quergestellt hätte. Denn die DPA wird immer und überall zitiert, und die TAGESSCHAU ist offenkundig ihr Prophet. Die „dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH“ ist die größte Nachrichtenagentur der Bundesrepublik Deutschland und ist ein Muss für jede Redaktion. Sie unterhält in Deutschland zwölf Landesdienste, hat 680 Beschäftigte, und im Jahr 2015 lag ihr Umsatz bei etwa 90,7 Millionen Euro. Die DPA sollte sich nicht „Dienst“ nennen, denn sie dient nicht, sie herrscht die Journalisten in den Redaktionen an: Schreib dies! Unterschlag jenes! Denn wenn die Konkurrenz die DPA-Meldung bringt und das eigene Medium nicht, dann biste draußen. Bringste aber was, das nicht durch eine DPA-Meldung geheiligt wurde, dann ist der Text zweifelhaft. Zweifelhaft wie anrüchig, wie fragwürdig, wie dubios.

„Wir wollen nur über Ereignisse berichten, die wir mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört haben.“ So pinselt die DPA ihren Ethos an die Redaktions-Wand und kommt dann zu diesem Wolken-Text: „Schnell kam der Verdacht auf: Die Computer der Clinton-Partei wurden im Auftrag Russlands gehackt.“ Hat die DPA den Verdacht wohl selbst gesehen? Oder doch nur in irgendeiner Washingtoner Hotel-Lobby zwischen dem zweiten und dem dritten Martini zugeflüstert bekommen? Weiter schreibt die Agentur: „US-Geheimdienste kamen zu dem Schluss, dass Russland tatsächlich dahinterstecke.“ Irgendjemand kommt immer zum Schluß, vor allem wenn er am Ende ist. Und Geheimdienste, das weiß der DPA-Redakteur genau, sind total verlässliche Zeugen: Sie haben keinen Namen, sie widersprechen nie, und vor Gericht sind sie auch noch nie gesehen worden. „Schon während des Wahlkampfes hatte es möglicherweise Kontakte von Trump-Leuten zu russischen Regierungsstellen gegeben“ tut uns DPA kund. MÖGLICHERWEISE! Dafür hätte man einst Blatt-Verbot für drei Monate erteilt. Aber die DPA setzt noch eins drauf: „Trump-Gegner sehen dies als mögliche Einflussnahme auf die Justiz. Dies nährte den Verdacht, dass Trump eigene oder politische Interessen in der Russland-Affäre hat.“ Niemand ist so vertrauenswürdig wie ein Trump-Gegner wenn es um Trump geht, oder? Und die Nährung eines unbewiesenen Verdachtes findet immer an der Brust der Missgunst und der Zitze der üblen Nachrede statt. Und eine „mögliche“ Einflussnahmen ist als Nachricht ungefähr so bedeutend wie keine Einflussnahme. Das weiß jeder. Außer der DPA. Und diesen Schrott-Text wagt die Macht um Acht, die mächtige Tagesschau, über die Bildschirme zu verbreiten.

Aber aber, die Öffentlich-Rechtlichen sind doch keine Macht, erzählt der Märchenerzähler um die Ecke oder der Regierungssprecher. Die heißen doch schon rechtlich, da wird es wohl mit rechten Dingen zugehen. – Die ARD, der Betreiber der Tagesschau und anderer Nachrichten-Jonglagen, ist im Spiegel-Ranking der größten Medienkonzerne Deutschlands auf Platz zwei. Denn die ARD, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, ist das größte öffentlich-rechtliche Medienunternehmen der Welt. Und die Einnahmen aus Rundfunkgebühren und Werbung übersteigen die Budgets der meisten kommerziellen Medienkonzerne. Ihr Umsatz lag 2012 bei 6,27 Milliarden Euro. Da kann der legendäre Springer-Konzern nur abstinken: Der bekam mal gerade einen Umsatz bei 3,31 Milliarden Euro zustande. Und wenn man jetzt noch den öffentlich-rechtlichen ZDF-Jahres-Umsatz von rund zwei Milliarden Euro zu den ARD-Milliarden hinzuzählt, dann weiß man was man hat: Das Volkserziehungs-Monster Nummer 1. Denn mit den Weihen der Überparteilichkeit und der Objektivität ausgestattet, versorgen die Öffentlich-Rechtlichen jeden deutschen Haushalt mit der amtlich angesagten Denke. Kein Wohnzimmer ohne TAGESSCHAU, kein Kinderzimmer ohne „1, 2 oder 3 die Quizshow“ moderiert von der Intelligenz-Bestie ELTON, dem Mann, der schon bei ProSieben das Niveau unter Null drückte. Keine private Polit-Debatte ohne Schein-Argumente aus der Manipulationsrunde bei Anne Will. Kein Weihnachten oder Neujahr ohne die Verkündigungsstunde von Präsident oder Kanzler. Kaum eine politische Aussage ohne den Kernsatz „Westliche Wertegemeinschaft“. Das ist jene Gemeinschaft, deren Werte um so vieles wertvoller sind als jene anderer Gemeinschaften. Warum sonst sollte die Bundeswehr, unter freundlicher Anteilnahme der Öffentlich-Rechtlichen, diese Werte an jeder dritten Welt-Ecke verteidigen?

Natürlich ist Donald Trump nicht so richtig intelligent. Denn jeder Idiot weiß, dass man seit dem Ende des Volksvermögen-Verschleuderers Jelzin nicht mehr mit Russland redet, wenn man US-Präsident bleiben will. Man darf Drohnen über Unschuldige regnen lassen, man darf gemeinsam mit dem saudischen Mörder-Königshaus einen Krieg im Jemen befeuern, man darf auch gern rund um Korea an der Atom-Kriegsschraube drehen. Immer gern auch mit dem Beifall der Öffentlich-Rechtlichen. Was man nicht darf: Mit Russland so reden, als sei das Land irgendwie gleichberechtigt. Sonst wird so lange Katzenmusik in Deutschland gespielt, bis Trumps Amtsenthebung perfekt ist.

Ehj, Donald, ein Tip: Sag doch mal, dass die Ukraine dringend in die NATO gehört. Schon bist Du nicht mehr der Idiot. Sondern der Held. So spielt die Medienmusik, Stupid.

Der Text der Startseite wurde von Angelika Kettelhack lektoriert.

Das Buch zum Medium:

http://shop.papyrossa.de/Gellermann-Uli-Klinkhammer-Friedhelm-Braeutigam-Volker-Die-Macht-um-acht

Dran bleiben...





Freitag, 9. Juni 2017

Erinnerung an den Friedensgeneral

Es war eine große Begegnung mit einem Friedensgeneral. Er sprach auf jener von den bürgerlichen Medien verteufelten Zusammenkunft im Tierpark frei, ohne Redeunterlage. Er polemisierte, er griff scharf die Lügen der Heutigen an. Er stand ein, wofür er und andere Tausende ein Leben lang gekämpft haben. Anlässlich seines Todes veröffentliche ich diese meine Erinnerung.

1. März 2012:

Unsterbliche Spuckteufeleien


Heute, 1. März 2012, dem 56. Jahrestag der Gründung der NVA, ein kurzer Biss zurück in das vergangene Jahr, „Tatort“ Tierpark: Das war ein gefundenes Fressen für die ewig manipulierenden Medien. Die Wahrheit muss stets als erste daran glauben. Während sich im Tierpark-Café über 250 Ehemalige der bewaffneten Kräfte der DDR zu einer ordnungsgemäß angemeldeten Traditionsveranstaltung zusammenfanden, gaukelte der sich außen vor befindliche „Kurier“ seinen Lesern eine Zahl von genau hundert vor. Damit nicht genug. Es sollen alles Uniformierte gewesen sein, behauptete die Lügenpresse.

Da sie es nicht besser wusste, hier die Korrektur: Es waren einige der Organisatoren und die für ein militärisches Zeremoniell ausstaffierten Zwanzig- bis Dreißigjährigen, die sich der Tradition verschrieben haben. Doch die auf Dummenfang gewöhnten Leser bekamen die gleichen „genau recherchierten Hintergrundinformationen“ auch von anderen Schmierblättern der Printmedien vorgesetzt. Da hieß es mehrfach in der gleichen uniformierten Wortfolge: die Ewiggestrigen, die Graubärte, die Unverbesserlichen…






Foto: Harald Mühle

Wie das? Da schreibt einer vom anderen ab? Nun gut, daran ist man ja gewöhnt. Aber dass die Spuckteufelei im Chor betrieben wurde und wird, zeugt doch von einer enormen „Vielfalt“ der Meinungsbildung, sprich von einer „demokratischen Eingleisigkeit“ ohnegleichen. Da rotten sich kapitalgelenkte Geister zusammen, die vor Angst schlottern vor einem wiederauferstehenden weltbekannten Gespenst. Sie sehen rot schon bei dem Wort „stolz“ auf das, wozu auch die NVA ihren Beitrag geleistet hat: Stabilität in Europa – ohne einen einzigen Kriegseinsatz im Ausland. So wird vor jeder historischen Wahrheit ein Umgehungsschild aufgestellt: Vorsicht!! Umgehen, lügen, verleumden, verteufeln, verunglimpfen. So rettet man sich fort, von einem gesellschaftlichen Unfall zum nächsten, einschließlich des sogenannten Rettungsschirms.

Herrjeh, wer erlöst uns von so vielen Übeln dieser Welt? Ja, empört Euch, denn kein geringer Teil des Publikums, auf Zutraulichkeit und geistige Bedürfnislosigkeit getrimmt, spürt nicht, wie seine letzten Gehirnzellen vor den Bildschirmen, der Bibel für wenig Nachdenkende, immer rascher absterben. Hauptsache bei den Medien und anderswo stimmt die Kasse. Im Klartext: Gäbe es endlich mal „Morgige“, bräuchten wir die „Ewiggestrigen“ nicht… Oberstleutnant a. D. Harry Popow

Offener Brief an das "neue deutschland"

Fast liebe Redaktion (Feuilleton), es ist ungeheuerlich, was sich die Dame Caroline M. Buck mit dem Beitrag "Die vergessene Armee" geleistet hat. Aber sie ist wohl nicht zuständig - dazu noch in einer Zeitung, die sich sozialistisch nennt - für wahrheitsgetreue und gedankenreiche Analyse. Und warum lasst Ihr als Redaktion unter dem Motto des Pluralismus solche hirnverbrannten und antikommunistischen Hetztiraden zu? Eher gehört so etwas in die bereits geistig plattgedrückte bürgerliche Presse, von der man nichts anderes erwartet. Ohne freundlichen Gruß
Harry Popow, Oberstleutnant a.D., Schöneiche b. Berlin

Offener Brief an das „neue deutschland“



09.06.2017: Fast liebe Redaktion (Feuilleton), es ist ungeheuerlich, was sich die Dame Caroline M. Buck mit dem Beitrag "Die vergessene Armee" geleistet hat. Aber sie ist wohl nicht zuständig - dazu noch in einer Zeitung, die sich sozialistisch nennt - für wahrheitsgetreue und gedankenreiche Analyse. Und warum lasst Ihr als Redaktion unter dem Motto des Pluralismus solche hirnverbrannten und antikommunistischen Hetztiraden zu? Eher gehört so etwas in die bereits geistig plattgedrückte bürgerliche Presse, von der man nichts anderes erwartet. Ohne freundlichen Gruß
Harry Popow, Oberstleutnant a.D., Schöneiche b. Berlin



12.06.2017: Sehr geehrter Herr Popow, ich habe Ihr Schreiben vom 9. Juni dieses Jahres keineswegs ignoriert. Ich bin allerdings nicht davon ausgegangen, dass Ihre Zuschrift eine Antwort erfordert. Auf Beschimpfungen reagiere ich generell nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Amendt, Zivildienstleistender a.D.



12.06.2017: Sehr geehrter Herr Jürgen Amendt, dieser Artikel "Die vergessene Armee" beleidigt alle ehemaligen Angehörigen der NVA. Und die Kritik daran nennen Sie "Beschimpfung"? Ich hatte als Abteilungsleiter für Leserbriefe und Truppenkorrespondenz in der Wochenzeitung "Volksarmee" nicht einen einzigen Leserbrief unbeantwortet gelassen. Das waren wir unseren Lesern unbedingt schuldig. Das gehört doch auch zur Kultur des Umgangs miteinander. Tut mir wirklich Leid für Sie, dass Sie die Kritik inhaltlich unbeachtet lassen. Trotzdem danke, dass Sie sich überhaupt aufgeschwungen haben, die paar Zeilen zu mailen. Gruß von Harry Popow 

Kürzlich fand ich einen weiteren interessanten Beitrag zu diesem Film "Die vergessene Armee":
Entnommen: http://www.vtnvagt.de/index.php/aktuelles/626-der-film-die-vergessene-armee-von-signe-astrup-und-ich


Der Film „Die vergessene Armee“ von Signe Astrup und ich



Schon der von Signe Astrup gewählte Titel „Die vergessene Armee“ ist so falsch, wie er falscher nicht sein könnte, und zwar deshalb, weil die Nationale Volksarmee eben nicht vergessen ist. Wer es den-noch behauptet, der leidet unter Realitätsverlust.
Diese Armee ist bis heute unvergessen, nicht nur bei ihren ehemaligen Angehörigen und in der Bevöl-kerung, sondern auch bei vielen ehemaligen Waffengefährten der Armeen, die einst zum Warschauer Vertrag gehörten. Es gibt hunderte von Kameradschaften, Freundeskreise, Stammtische, Gemeinschaf-ten und Vereine, in denen ehemalige Soldaten der NVA und der Grenztruppen die Erinnerung an ihre Einheiten, Truppenteile, Verbände und Einrichtungen wachhalten. Zudem haben sie die Geschichte dieser Armee maßgeblich selbst geschrieben. In der Literatur nehmen ihre Bücher unbestritten den ersten Platz ein, nicht nur nach Anzahl und Umfang, sondern vor allem nach ihrem Wahrheitsgehalt und Sachverstand. Feststellbar ist auch ein zunehmendes Interesse junger Historiker an dieser ganz anderen deutschen Armee.

Als Signe Astrup vor etwa fünf Jahren mit mir in meiner Wohnung ein mehrstündiges Interview führte, stand sie nach eigener Aussage ganz am Anfang ihres Filmprojekts. Ich war mit Sicherheit einer der ersten Zeitzeugen, die sie befragt hat. Damals hatte ich den Eindruck, dass sie ihr Anliegen aus besten Motiven verfolgt. Wenn ich jetzt das Ergebnis ihrer jahrelangen Arbeit sehe, bin ich maßlos enttäuscht und zugleich heilfroh, dass sie in ihrem Film nichts, aber auch gar nichts aus unserem Interview ver-wendet hat. Es wäre mir einfach nur fatal, mich in einer Reihe mit Leuten zu sehen, die mit unquali-fizierten Aussagen glänzen und die noch dazu mehrheitlich nicht wirklich in der NVA gedient haben.

Die Behauptung, die ehemaligen NVA-Angehörigen machen einfach weiter wie gehabt, trifft mit Sicherheit nicht auf deren Mehrheit zu. Frau Astrup erwähnt mehrfach den „Traditionsverband der NVA“, ohne klarzustellen, dass es zwei Verbände dieser Art gibt. Der andere Verband nennt sich „Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR“. Er wurde 2013 gebildet, weil es innerhalb des zuerst gegründeten Verbands zu unüberwindbaren Gegensätzen zum Traditionsverständnis gekommen war.

Der nunmehr zur Aufführung gelangte Film ist ein Konglomerat aus unsystematisch geführten und zusammengesetzten Antworten und Eindrücken aus Begegnungen, Interviews und Gesprächen mit Personen, die in ihrer Mehrheit nicht repräsentativ für die NVA sind. Besonders makaber sind die Szenen, in denen sich alte, dicke Männer in zu engen Uniformen einer Armee, die es seit 1990 nicht mehr gibt, der Lächerlichkeit preisgeben. Das ist für diejenigen, denen das Anliegen der NVA eine Herzenssache ist, ein unerträglicher Anblick.

Die Befürchtungen, dass der Film missverstanden wird, haben sich jetzt schon bestätigt. Zudem ist er nicht repräsentativ für die absolute Mehrheit der ehemaligen Angehörigen der NVA. Da ist die Rede von „DDR-Offizieren, Stasi-Mitarbeitern und Grenzwächtern“, die „kampfbereit wie in alten Zeiten“ seien. Diejenigen, die das Erbe der NVA hochhalten, gebären sich keineswegs kampfbereit. Sie verteidigen zu Recht das Ansehen und den Ruf der ersten deutschen Armee, die die Erhaltung des Friedens als ihren wichtigsten Auftrag sah und in Ehren erfüllt hat.

In einem Interview hat Signe Astrup gesagt: „Das Vertrauen ist mir sicherlich auch da nur geschenkt worden, weil sie gemerkt haben, dass ich sie ernst nehme und dass ich ihnen erst mal urteilsoffen begegne.“
Meinem Vertrauen ist sie mit ihrem Film jedenfalls in keiner Weise gerecht geworden.

Bernd Biedermann, 26.6.2017