„Die Eroberung Europas durch die USA“
- von Wolfgang Bittner
„Friedensengel“
bedrängen den Frieden
Buchtipp von
Harry Popow
Diejenigen, von denen in
dieser Rezension die Rede ist – sie nennen sich Freunde. Es sollen
Friedensengel sein. Sie kommen in großen Scharen aus Übersee, im
Bunde mit der NATO. Sie hatten sich bereits nach 1945 in
Westdeutschland ökonomisch und militärisch festgebissen, und nun
ist die gesamte EU dran. Sie erobern die Völker nur mit einem Ziel:
Um gegen die Ostvölker – wie eh und je – angeblich „gewappnet“
zu sein. „Auf zum neuerlichen Marsch gen Osten?“
Dazu gibt es ein neues
Buch mit dem Titel „Die Eroberung Europas durch die USA. Zur Krise
in der Ukraine“ von Wolfgang Bittner. Es hat 148 Seiten und ist
eine Chronologie der Aufpeitschung imperialer Machtinteressen
gegenüber Russland – vor allem in den letzten Monaten und Jahren.
Der Autor spannt den Bogen von der Osterweiterung der NATO, entgegen
vertraglichen Vereinbarungen mit Gorbatschow, über Begehrlichkeiten
Deutschlands und anderer EU-Staaten auf neue Absatzmärkte in
Osteuropa, über die von den USA finanzierte „orangene Revolution“
im Jahre 2004, über die Maidan-Bluttaten, über das auf der Krim vom
Parlament beschlossene Referendum zum Beitritt zur Russischen
Föderation bis zu den Ereignissen im September 2014.
Der Autor hält sozusagen
den Finger am Puls der Ukraine-Krise. Mit ihren nahe am dritten
Weltkrieg gefährlichen Zuspitzungen, mit ihrem Auf- und Ab von
gegenseitigen wirtschaftlichen und militärischen Drohungen, mit
ihren bürgerlichen Medien-Lügen und mit den Beschwichtigungen und
angemahnten Gegenmaßnahmen durch die russische Seite.
Gewiss, viele Tatsachen
sind bekannt, decken sich mit den kritischen Analysen der Autoren
Brigitte Queck und Peter Strutynski (Hg.), um nur zwei Beispiele zu
nennen, die die Ukraine im Fokus der NATO und den Konflikt als ein
Spiel mit dem Feuer charakterisieren. Meiner Meinung nach ist die
Herangehensweise des Autors Wolfgang Bittner, die Ereignisse
chronologisch darzustellen, gut dazu geeignet, die Abfolgen und die
gegenseitige Bedingtheit der Tatsachen und ihrer Ursachen deutlich
herauszuarbeiten. Unübersehbar das Bemühen, die Hauptschuldigen,
die Brandstifter der Krise und die Instrumentalisierung der EU durch
die USA und durch die NATO, an zahlreichen Textstellen kenntlich zu
machen. Erhebliche Beihilfe leisten dem Autor dabei u.a. der
niederländische Publizist und Politikwissenschaftler Karel van
Wolferen, der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele
Ganser, der einstige Bundestagsangehörige, OSZE-Vizepräsident sowie
verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag,Willy
Wimmer, sowie Albrecht Müller, Publizist und Herausgeber des
Internetportals NachDenkSeiten.
Autor
Wolfgang Bittner
NRhZ-Archiv
Bereits auf der Seite 14
stellt der Autor fest: „Die westlichen Politiker fallen zurück in
den Kalten Krieg.“ Er zitiert auf Seite 54 den Niederländer van
Wolferen, der betont, dass die US-amerikanische Politik eine
„Geschichte wirklich atemberau-bender Lügen“ (ist): „Über
Panama, Afghanistan, Irak, Syrien, Venezuela, Lybien und Nordkorea.“
Nicht zu vergessen die Besetzung unseres Planeten mit einigen tausend
Militärbasen. Als Ursachen benennt Albrecht Müller u.a. den
Vormarsch der Neokonservativen und der Rechten in den USA im Umfeld
der Teaparty-Bewegung. Zu Wort kommt auf Seite 49 Willy Wimmer: „Das
amerikanisch- Kiew-ukrainische Ziel dieses Vorgehens wird notfalls
auf den offenen Krieg mit Russland aus sein, um letztlich die Ukraine
als Bollwerk … gegen Russland nutzen zu können. Sollte es
gelingen, die Ukraine derart den USA dienstbar zu machen, wird es
einen kompletten Riegel unter US-Kontrolle zwischen dem Baltikum über
Polen und die Ukraine zum Schwarzen Meer geben.“ „Russland“, so
der Autor auf Seite 92, solle „durch einen neuen ´Eisernen
Vorhang´ von Westeuropa getrennt“ werden.
Die Eskalation des
Konfliktes mit Russland sei in wesentlichen Elementen ebenso bewusst
und mutwillig „herbeigeführt worden wie der Überfall auf den
Irak;“ zitiert Wolfgang Bittner die Einschätzung in German Foreign
Policy. Der Autor lässt es an Fakten zur Destabilisierung der Lage
in der Ukraine nicht fehlen. So pflegt die Stiftung „Open Ukraine“
des Oligarchen Arsenij Jazenjuk intensive Beziehungen zum
US-Außenministerium und zur NATO „und wird von einflussreichen
westlichen Organisationen gesponsert“. Mehr als fünf Milliarden
Dollar hätten die USA für den „Regime Change“ in der Ukraine
gespendet, was „in den westlichen Medien kaum zur Sprache“ kam.
(S. 25) Erwiesen sei auch, so der Autor auf Seite 35, „dass
subversive Kräfte, insbesondere westliche Geheimdienste und allen
voran die CIA, die Maidan-Bewegung vorbereitet und finanziert haben“,
abgesehen davon, „dass sich hochrangige westliche Politiker seit
Jahren in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt haben“.
(S. 35) Nicht nur Politiker, sondern ebenso Journalisten in
maßgeblichen Positionen werden von der CIA, vom US-Außenministerium
und von Konzernen finanziell unterstützt. „Dazu gehören die
Atlantik-Brücke, Goldmann Sachs Foundation, The American Interest,
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Atlantische
Initiative und Münchner Sicherheitskonferenz.“ ( S. 41)
Der Autor verweist auf
einen Aufruf vom 25. Mai, den etwa 10.000 Bürger unterzeichnet
haben, der Konflikt um die Ukraine sei das Resultat der EU- und der
NATO-Erweiterung. Mit der Durchsetzung des Assoziierungsabkommens
habe man mit Unterstützung der antirussischen und faschistischen
Kräfte in der Ukraine dazu beigetragen, „Russland militärisch
einzukreisen“. (S. 44)
Der angeblichen
Friedensengel erinnert sich der aufgeweckte Leser bei der Ankündigung
des NATO-Generalsekretärs, in der Westukraine Manöver abzuhalten,
beim Versprechen Obamas, „für die zusätzliche Stationierung von
Truppen in osteuropäischen Ländern“ eine Milliarde Dollar
auszugeben sowie militärisch an der Seite Polens, Litauens und
Rumäniens zu stehen. (S. 53) Mehr noch: Die NATO beschloss, siehe
Seite 94, „den Aufbau einer neuen Krisen-Eingreiftruppe und einen
Aktionsplan für Osteuropa, der neue NATO-Stützpunkte im östlichen
Bündnisgebiet vorsieht“. Bleibt die dringliche Frage: „Wird der
Moment kommen, in dem klar wird, dass es bei der Ukraine-Krise als
allererstes darum geht, Star-Wars-Raketen auf einem langen Abschnitt
der russischen Grenze in Stellung zu bringen. Was Washington … die
Möglichkeit eines Erstschlages eröffnet?“, so ein Zitat von van
Wolferen. (S. 68) Die US-Regierung gehe mit der Rüstungs- und
Erdöl-Lobby im Rücken im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen,
schreibt Wolfgang Bittner. (S. 54) In Bezug auf Europa mache man sich
nichts vor. Wimmer weist zu Recht darauf hin, dass den USA „nicht
an einem wirtschaftlich starken, friedlichen Europa liegt“. Die
amerikanischen Globalkonzerne seien mit gefüllten Kassen dabei, das
von der europäischen Industrie aufzukaufen, „was bisher noch nicht
im Bestand der USA ist“. (S. 71) „Die Ukraine scheint die
Blaupause für weiteres Vorgehen in Europa und darüber hinaus zu
werden“, so Wimmer auf Seite 62. Ergänzend dazu der Autor: Zuerst
werde ein Land aufgemischt, bis es zum Bürgerkrieg kommt, „und
hinterher spielen USA, EU und NATO den Friedensengel“. (S. 66)
Wolfgang Bittner klagt
nicht nur die Brandstifter für die Ukraine-Krise an, sondern auch
die Medien, die die Rolle der Brandbeschleuniger übernommen haben.
So zitiert er den Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele
Ganser, der feststellt, „dass es eine Art ´NATO-Netzwerk` …
gibt“, bei dem sowohl kritische Fragen zum Bündnisfall als auch
zur Ukraine-Krise tabu sind. Die NATO-Osterweiterung werde praktisch
nie erwähnt, die Hintergründe des Regierungssturzes in der Ukraine
nicht genannt.
Das Fazit zieht der Autor,
indem er festhält, die USA sind kein Vorbild für Frieden und
Freiheit, seit über einem halben Jahrhundert schon nicht mehr.
Spätestens seit dem 11. September 2001 sei dort „eine Schranke der
Rechtsstaatlichkeit gefallen“. (S. 109) „Man wünschte den USA
Politikern, dass die den Mut hätten, das eigene Land als
Interventionsfall zu erkennen“, so Wolfgang Bittner auf Seite 110.
Der chronologische Bericht
des Autors ermöglicht aufmerksamen Lesern, die Fakten im
Zusammenhang zu erfassen, wie sich eine Tatsache aus der anderen
ergibt, wie sich die USA zunächst die EU und dann, mit deren
Schützenhilfe, Russland gefügig machen wollen. Sein Verdienst
besteht in der klaren Auflistung der schrittweise begangenen
kriegsvorbereitenden Machenschaften zur Ausrichtung der Ukraine samt
der EU zum Aufmarschgebiet gen Osten. Werden dabei Putins Warnungen,
die NATO nicht so dicht an die Grenzen Russlands vorrücken zu
lassen, überhört? Mitunter schreibt der Autor vom möglichen
Gesinnungswandel, vor allem der BRD-Regierung im Konflikt zwischen
Ost und West. Allerdings geben die Machteliten dazu wenig Raum zum
Weiterdenken. Auf Aggressionen vom Großkapital im Streben nach
Ressourcen getrimmt, ist mehr Wachsamkeit als Hoffnung auf
Veränderung angesagt. Es wird weiter an der Eskalationsschraube
gedreht, stellt Wolfgang Bittner auf Seite 91 bitter fest.
„Friedensengel“ bedrängen den Frieden. Nach wie vor. (PK)
Wolfgang Bittner: „Die
Eroberung Europas durch die USA. Zur Krise in der Ukraine“.
Broschiert: 148 Seiten, Verlag: VAT Verlag André Thiele; Auflage: 1
(1. Oktober 2014), ISBN-10: 3955180298, ISBN-13: 978-3955180294,
Größe: 11,6 x 1 x 20,5 cm, Preis: 12,90 Euro
Erstveröffentlichung
der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung