Freitag, 28. Juli 2023

Die zweite deutsche Teilung - Dagmar Henn - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/07/28/die-zweite-deutsche-teilung/

Die zweite deutsche Teilung

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 28. JULI 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Dagmar Henn – https://okv-ev.de

Wiedervereinigt? Sieht nicht danach aus; dafür muss man nur einen Blick in die Zeitung werfen. Im Gegenteil. Die Bewohner des 1990 erworbenen Teils sind entweder der Feind im Inneren oder irgendwie zurückgeblieben. Wie kam es dazu?

Manchmal führt eines zum anderen, und das Gesprächsprotokoll zwischen dem US-Außenminister James Baker und Michael Gorbatschow führte zu einem abermaligen Nachdenken über diesen so verheerend abgelaufenen Prozess namens “Wiedervereinigung”. Wie hätte sich Deutschland entwickelt, hätte nicht Helmut Kohl die Wahl im Dezember 1990 gewonnen? Oder, andersherum, wie kommt es, dass das Land über 30 Jahre nach einer angeblichen Wiedervereinigung tiefer gespalten ist, als es das zu jener Zeit, als noch zwei deutsche Staaten bestanden, jemals war?

Um zu erkennen, wie tief diese Spaltung reicht, muss man sich nur einen der regelmäßig wiederkehrenden Texte über die “undemokratischen Ostdeutschen” nehmen und die “Ostdeutschen” durch Franzosen, Polen oder Italiener ersetzen. Sofort hätte man einen Text vor sich, der auf den ersten Blick als überheblich, ja geradezu als chauvinistisch zu erkennen ist. Von Russen einmal abgesehen, die auch in dieser Hinsicht mit den “Ostdeutschen” zu einer Kategorie zu gehören scheinen, gibt es keine ethnische Gruppe, über die in dieser Weise geschrieben werden dürfte, ohne sofort des Rassismus beschuldigt zu werden.

Wie konnte es dazu kommen? Wie in vielen anderen Fällen ist es schwer, zwischen unbewussten strukturellen Zwängen und Absicht zu unterscheiden; manche Prozesse, die quasi unbewusst beginnen, werden dann nutzbar gemacht, und nicht alles, was böse Wirkung zeigt, ist tatsächlich böse gemeint. Aber werfen wir einen Blick auf die Bundesrepublik Ende der 1980er.

Der erste Punkt, der es zumindest sehr erleichterte, anschließend den Bewohnern der fünf annektierten Bundesländer das Etikett der “Rechten” anzuhängen, war das Ergebnis der Wahl 1990. Die jüngere Generation hoffte auf eine Abwahl dieses drögen, provinziellen Kanzlers, und die Bundestagswahl 1990 schien endlich die Chance zu sein, sich von Saumagen und geistig-moralischer Wende zu befreien – bis die Wähler auf dem Gebiet der DDR der Birne eine Mehrheit verschafften.

Das hatte viel mit falschen Versprechen zu tun, “blühende Landschaften” etc., und mit dem Anschlag auf Lafontaine, mit der konsequenten Arbeit des bundesdeutschen Fernsehens, möglichst nicht zu erklären, wie verheerend sich eine schnelle Währungsunion auf die Wirtschaft im Osten auswirken würde und andere Kleinigkeiten mehr; das Ergebnis jedenfalls war ein köchelnder Zorn auf die Neuwähler, die die ersehnte Veränderung verhindert hatten. Auf dieser Grundlage war es leicht, in Folge mit massiver staatlicher Förderung des Exports entsprechender Strukturen und Kader aus dem Westen die neuen Bundesländer zu Naziland zu machen.

Nur ein kurzer Auszug aus einem offiziellen Text der Bundeszentrale für politische Bildung zur Entwicklung der letzten Jahre vor 1989 in der BRD:

“Durch schrittweise Veränderungen 1977, 1982 und 1983 wurden die Renten nicht mehr nach dem Brutto-, sondern nach dem Nettoeinkommen der Arbeitnehmer berechnet, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung wurden reduziert, und in der gesetzlichen Krankenversicherung wurden Gebühren für Medikamente eingeführt.”

Der soziale Wohnungsbau wurde trotz Wohnungsmangels komplett zurückgefahren, und die bis heute anhaltende Mietsteigerung setzte ein. Es gab über zwei Millionen Arbeitslose, und das Wirtschaftswachstum war niedrig. Es war mitnichten so, dass der Westen Ende der 1980er blühte. Der Spruch, er habe nicht gesiegt, sondern sei nur übrig geblieben, hat eine sehr reale Grundlage.

Die Ausweitung der Hochschulen, die Anfang der 1960er erforderlich wurde, als der Zufluss fertig ausgebildeter Kräfte aus der DDR gekappt wurde, hatte mittlerweile dazu geführt, dass eine ganze Generation akademischen Nachwuchses in einem Beschäftigungs- und Beförderungsstau hing. Das galt für die Behörden ebenso wie für die Universitäten.

Dieses Problem wurde nach 1990 dadurch gelöst, dass man die Stellen einer Verwaltung, die an die Regeln der BRD angeglichen werden musste, mit eben diesen Leuten besetzte. Anfang der Neunziger gab es den großen Drang nach Osten; dort war die ersehnte Karriere möglich, wenn auch zulasten der dortigen Einwohner. Diese banale Tatsache ist einer der Puzzlesteine.

Der nächste ist die ökonomische Lage. Ein sanfter Übergang, wie ihn Lafontaine geplant und beworben hatte, hätte die Betriebe auf dem Gebiet der DDR weitgehend erhalten; das Wachstum, von dem die westlichen Unternehmen nach 1990 profitierten, hätte es aber ebenfalls nicht gegeben. Der Raubzug, der in der DDR stattfand, bediente vielfach Firmen, die der Regierung Kohl nahestanden. Kali + Salz beispielsweise, eine Firma, die ihre Konkurrenz in der DDR per Treuhand billig aufkaufte und dann schlicht schloss, gehört zum Konglomerat um BASF, und BASF war gewissermaßen der Hauskonzern von Helmut Kohl (oder Helmut Kohl war der Hauskanzler der BASF).

Die Tatsache, dass Kohl und seine Mannschaft zu den ursprünglichen Kalten Kriegern gehörten, wird die von ihnen getroffenen Entscheidungen ebenfalls beeinflusst haben. Selbst wenn man berücksichtigt, dass auch die Ostpolitik der SPD alles andere als frei von bösen Hintergedanken war, so war es doch eine Strategie, die davon ausging, dass der gegebene Zustand bleiben würde, was ein gewisses Maß an Respekt für das Gegenüber unverzichtbar machte. Die CDU war Gegner dieser Ostpolitik, und Helmut Kohl nahm ihre Folgen eher zähneknirschend hin. Als sich dann die Möglichkeit ergab, wurden sofort die Muster der Adenauerzeit reaktiviert.

Es mag sogar sein, dass in der Entscheidung dieser Regierung, den neuen Staat in der NATO zu belassen, auch die Erfahrung mit den in der BRD omnipräsenten alten Nazis eine Rolle spielte. Die Forderung nach einer eigenständigen nuklearen Bewaffnung der Bundesrepublik war gerade innerhalb der CDU stetig präsent gewesen. Aber was sicher auch eine Rolle spielte, war, dass sich diese Generation von Politikern plötzlich als Sieger im Kalten Krieg sah und mit den Bewohnern der DDR letzten Endes so umging, wie es Sieger mit Besiegten tun. Das wäre vielleicht auch noch bearbeitbar gewesen, wenn man die Annexion nicht als Vereinigung verkauft hätte.

Im ganzen Verlauf der ersten Jahre gibt es ein ungeheures Maß an Feindseligkeit, Gier und Zerstörungswillen. Die Aberkennung von Berufsabschlüssen, beispielsweise. Machte es wirklich einen Unterschied, ob ein Zahnarzt einen Abschluss als Dr. med. Dent hat oder ein Diplom als Stomatologe? Wenn man aus zwei Teilen wirklich wieder ein Land machen will, warum lässt man dann Hinz und Kunz erleben, dass ihre Ausbildung nichts wert ist, obwohl die Standards im Bildungswesen der DDR in weiten Teilen sogar höher waren als im Westen (was spätestens mit der ersten PISA-Studie noch einmal bestätigt wurde)? Die westdeutsche Erzählung nimmt das nur bezogen auf politische Positionen wahr, als Maßnahme gegen die “Kollaborateure der Diktatur”, aber es betraf tatsächlich die meisten Berufsausbildungen. Es war also nicht nur der Betrieb oder die Struktur weg, auch eine der Qualifikation entsprechende Beschäftigung im Westen war nicht erreichbar.

Klar, das war im Grunde seitens der damaligen Bundesregierung gehandelt, als sei sie nach wie vor eine Regierung der BRD und vertrete deren Interessen und eben nicht die der gesamten neuen Republik. Und gedeckt wurde dieses bösartige Verhalten dadurch, dass die finstersten Erzählungen aus den finstersten Zeiten des Adenauerschen Antikommunismus wieder aufgekocht wurden. Die Tatsache, dass weite Teile beispielsweise der universitären Kader entfernt wurden, wurde dreister Weise auch noch damit begründet, dass es die Lehre sei, die man aus dem viel zu nachsichtigen Umgang mit den Nazis gezogen habe – wie dreist das war, lässt sich daran erkennen, dass man keine Hemmungen hatte, Positionen, aus denen man Leute vertrieb, die man für der SED zu nahe hielt, ausgerechnet mit Leuten zu besetzen, die Nazis gewesen waren; damals schon eine besondere Leistung, da man sie schlicht aus Altersgründen hätte fernhalten können.

Die ganze Erzählung von den “zwei deutschen Diktaturen”, deren eine die Welt in einen blutigen Krieg stürzte, Millionen in Konzentrationslagern vernichtete und ihre Staatsgewalt auf Folter, Mord und Plünderung baute, während man der anderen eigentlich nur vorwerfen kann, nicht rechtzeitig die qualitative Sozialforschung durch die quantitative per Meinungsforschungsinstitut ersetzt zu haben (ein großer Teil der Akten des MfS diente nämlich gar nicht dazu, einzelne Personen zu observieren, sondern nur dazu, die Ansichten, Wünsche und Kritikpunkte der Bevölkerung im Blick zu behalten) und in einem kritischen historischen Moment die Grenze gesichert zu haben, was beide Teile davor bewahrte, als Schlachtfeld zu enden.

Allerdings war die jüngere Generation im Westen geradezu darauf gedrillt, Andere mit Misstrauen zu betrachten. Es prägt, wenn man bei jedem älteren Mann, der einem irgendwo begegnet, nicht weiß, ob man gerade einen Massenmörder vor sich hat. Ausgerechnet der Drehbuchautor Herbert Reinicker, der für die Fernsehserien “Der Kommissar” und “Derrick” verantwortlich war und der auch schon für Goebbels geschrieben hatte, hat dieser Erwartung, dass in jeder bürgerlichen Villa einige Leichen im Keller liegen müssen, ein Monument von hunderten Folgen errichtet. Es war nicht allzu schwer, dieses Misstrauen auf ein neues Objekt zu richten (insbesondere, wenn, siehe oben, dabei auch noch Vorteile für die eigene Karriere winken).

Man stelle sich das einmal als Beziehung vor. Eine Art Zwangsheirat, in der dann ausgerechnet der gewalttätigere Partner dem anderen vorwirft, gewalttätig zu sein; in der nur die Lebensgeschichte des einen, aber nicht die des anderen Gültigkeit hat. Das kann nicht gut gehen. Und mit Liebe hat das wirklich nichts zu tun.

Dabei hätte sich vieles lernen lassen können. Die DDR hatte keine demografischen Probleme, ganz im Gegensatz zur BRD, und das ist nichts, was sich verordnen ließe; da geht es um handfeste biografische Sicherheit. Sie hatte es geschafft, trotz wesentlich ungünstigerer Voraussetzungen zu den führenden Industrienationen aufzusteigen. 1981 stand das kleine Land mit nur einem Drittel der Bevölkerung der westdeutschen Konkurrenz an zwölfter Stelle weltweit; und das trotz der Reparationen zu Beginn und des Verlusts der Steinkohlereviere und der Notwendigkeit, die komplette Schwerindustrie neu aufzubauen. Der entscheidende Engpass, der Mangel an Energie, war gerade erst beseitigt (vielleicht sind deshalb die Grünen so hartleibige Ignoranten in der Frage, wie wichtig eine sichere Energieversorgung ist, weil dann auch die DDR im Rückblick besser dastünde und das ideologisch auf keinen Fall sein darf).

Aber da ist noch mehr. Die einzige Möglichkeit, die für eine Integration in die West-Eliten gelassen wurde, war die Rolle als armes Opfer der Diktatur. Musterbeispiel dafür ist Angela Merkel. Nichts in ihrer Biografie vor 1989 weist wirklich darauf hin, dass sie irgendwie leiden musste, aber sie wollte nach oben, und dafür muss man eben Opfer sein und stetig beteuern, wie abscheulich man die DDR und ihre Strukturen fand. Das ist psychisch eine sehr anstrengende Rolle, die zu bewältigen es ein ungeheures Maß an Opportunismus und Machtgier braucht, und immer lauert irgendwo in der Vergangenheit eine Wahrheit, die man am liebsten auslöschen würde. Womöglich hat das sogar eine Rolle gespielt bei ihrem Betrug mit Minsk II – ihr Studienjahr in der Sowjetunion absolvierte sie ausgerechnet in Donezk, der Stadt, deren achtjährige Bombardierung sie ungerührt geschehen ließ.

Es ist kein Wunder, dass die “Willkommenskultur” auf dem Gebiet der DDR auf keinen fruchtbaren Boden fiel. Nicht nur, weil die grundlegende Erfahrung, durch Fremde aus dem Westen übernommen worden zu sein, noch nicht verarbeitet war, weil sie nicht ausgesprochen werden durfte (und bis heute nicht darf). Sondern auch, weil es die eigene Erfahrung gab, dass die Westdeutschen es nicht einmal geschafft hatten, eine Bevölkerungsgruppe zu integrieren, die die gleiche Sprache sprach, der gleichen Kultur angehörte und nur durch vierzig Jahre in einer anderen politischen Struktur von ihnen getrennt war. Wundert es dann, wenn es als völlige Fiktion gesehen wird, das dann mit Menschen zu schaffen, die auch noch eine andere Sprache und eine andere Kultur aufweisen?

Es war ein unglücklicher Zufall, dass sich das Bild des bräsigen Saumagenfans Helmut Kohl und das der Ostdeutschen, die keine Pizza und keine Burger kannten, überlagerten; aber das hätte sich auflösen lassen. Selbst die Ideologisierung der ersten Jahre wäre noch verdaubar gewesen, hätte sie denn irgendwann ein Ende gefunden.

Stattdessen führte der auch innerhalb der deutschen Linken verbreitete Antikommunismus dann dazu, dass gerade die Kernfragen, die einmal das definierten, was links ist (anständige Wohnungen, ein gesichertes Leben, Zugang zu Bildung und Gesundheit für alle) schon allein deshalb bei Seite geschoben wurden, weil sie in der DDR besser gelöst worden waren, man aber nichts mit dieser bösen Stasi-Diktatur zu tun haben wollte; und sei es, um selbst endlich den ständigen Sprüchen zu entgehen, man sei doch genau so. Man war schließlich urban, modern und überhaupt ganz anders, und die DDR-Gewohnheiten mit Datsche und Volkstanz kamen einem sehr großväterlich vor.

Es war eine Illusion, weil letztlich der Fortschritt in den Lebensbedingungen der eigentlich entscheidende ist, und der eigene Widerwille gegen Wurst, Sauerkraut und Kartoffelbrei nur den gegen diese andere, düstere Tradition kaschierte, gegen die man in all den Jahrzehnten BRD nicht ankam. Aber das genügte, um einen Kompromiss mit jenen zu schließen, die mit Begeisterung am abtrünnigen Teil Vergeltung übten, obwohl diese ihre “Diktaturopfer” gerne und reichlich gerade unter Naziverbrechern fanden. Es war eben nicht zu haben, jenen Teil Deutschlands, in dem tatsächlich die Gegner der Nazis regierten, zu verleumden, ohne gleichzeitig die wirkliche Diktatur zu verharmlosen. Was bis heute anhält, auch wenn die Floskeln anders klingen, und mit dazu beiträgt, dass der Schritt zum Bündnis mit ukrainischen Nazis ein so kleiner war.

Im Ergebnis ist heute trotz eines einzigen ökonomischen Systems der Abstand zwischen Ost und West größer, als er während der realen Teilung war. Wie das vor dieser historischen Teilung der Fall war, als die Westzonen mit der Währungsreform den Grundstein für die vierzig getrennten Jahre legten, geht auch diese Fortsetzung der deutschen Teilung vom Westen aus. Und wie es weitaus einfacher ist, sich gegen eine explizite, von außen auferlegte, Regel zu wenden als gegen eine internalisierte, ins eigene Denken übernommene, ist diese Teilung tatsächlich schwerer zu überwinden, als es sämtliche Grenzanlagen je waren (die, wenn es nicht den Vorteil der fertig gelieferten Fachleute gegeben hätte, vom Westen in dem Moment wieder errichtet worden wären, indem der Osten sie preisgegeben hätte; man muss sich nur einmal kundig machen, wie viele Strafverfahren unter Adenauer geführt wurden, weil Westdeutsche es gewagt hatten, in die falsche Richtung zu fahren).

Gleich, ob die ursprüngliche Entwicklung durch die innere Dynamik der BRD ausgelöst wurde oder von vorneherein so beabsichtigt war, heute ist diese Trennung in Deutsche erster und zweiter Klasse geradezu konstitutiv für diese Republik. Der westdeutsche Spießbürger kann es sich erlauben, sich einzureden, Menschen aus jedem Winkel der Welt zu respektieren (was er nicht tut), weil er sein Bedürfnis nach Demütigung und Ressentiment jederzeit auf die heimische Minderheit richten kann. Das innere Herrenmenschentum – das nebenbei durch eine Verfassungsdebatte die Grundlage verloren hätte, weil da plötzlich ein gleiches Gegenüber erfahren worden wäre –, ist inzwischen bereit, wieder überzuquellen und die Welt zu beglücken, und der Exorzismus am kritischen Geist, der damals vorgenommen wurde, sorgt dafür, dass die heutigen Politiker und Medienvertreter nicht einmal mehr wahrnehmen, welches Unheil sie anrichten.

In all dem erweisen sich die verachteten “Brüder und Schwestern” auch noch als Refugium der Vernunft, und der erste Schritt zu einer Heilung des deutschen Zustands bestünde ausgerechnet darin, diese Tatsache anzuerkennen. Dem stehen ausgerechnet die Reste einer Westlinken im Weg, die sich aus einer Niederlage, die auch ihre Niederlage war, in die Identifikation mit dem Sieger gerettet hat.

https://okv-ev.de/2023/07/27/die-zweite-deutsche-teilung/


Montag, 24. Juli 2023

Pflugschare zu Schwertern - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/07/23/pflugschare-zu-schwertern/

Pflugschare zu Schwertern

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 23. JULI 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Rüdiger Rauls – https://ruedigerraulsblog.wordpress.com

Die Zeitenwende offenbart den Verfall des westlichen Denkens und seiner Werte. Selbst Teile der Friedensbewegung sind deren Umdeutung zum Opfer gefallen. Ihre Parole „Schwerter zu Pflugscharen“ hat ausgedient. Nirgendwo wird dieser Verfall deutlicher als bei den Grünen. Was hat zu diesem Wandel im politischen Denken geführt?

Werte, Werte über alles

Grüne wie Alternative und so manche, die sich als Linke verstehen, haben ihre Wurzeln in der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Das Wettrüsten zu beenden, um einen atomar ausgetragenen Dritten Weltkrieg zu verhindern, war das Anliegen dieser damaligen Massenbewegung. Ein Umdenken innerhalb der Völker des Westens gegenüber den Russen hatte zu dieser Entwicklung geführt. Trotz aller Angst, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschürt worden war, hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Volker der Sowjetunion wie die im Westen auch nichts anderes als ein friedliches Leben wollen und eine freundliche Zukunft für ihre Kinder.

Nach der Niederlage der USA im Vietnamkrieg war ab dem Ende der 1970er Jahre der Kampf für die Menschenrechte die neue Strategie des Westens gegenüber der Sowjetunion. Die Niederlagen im Osten Asiens hatten deutlich gemacht, dass der Sozialismus militärisch nicht zu besiegen war. Für dieses Ziel hatte sich die Menschenrechts-Strategie als erfolgreicher erwiesen. Mit dem Untergang der Sowjetunion und der Vernichtung Jugoslawiens schien auch der Sozialismus besiegt. Die westliche Demokratie schien sich als überlegene Gesellschaftsform herausgestellt zu haben.

Die Friedensbewegung hatte die Aufstellung neuer Raketen in Europa nicht verhindern können. Sie zerfiel nach dieser Niederlage und konnte keine neue Perspektive entwickeln. In der Folge durchdrang die siegreiche Werteorientierung immer mehr die westlichen Gesellschaften und bestimmt seitdem das Denken ihrer Eliten besonders in Bildung, Kultur, Medien und Politik. Werteorientierung ist Teil der westlichen DNA geworden.

In Schulen und Universitäten waren immer größere Teile der Gesellschaft mit dieser Nährlösung aufgezogen worden. Das Denken der nachfolgenden Generationen wurde durch sie geprägt, denn mit dem Untergang des Sozialismus gab es kein anderes Weltbild mehr. Allgegenwärtig in den westlichen Gesellschaften, blieb der Einfluss des Wertedenkens auch nicht ohne Auswirkungen selbst auf jene Kräfte, die Kapitalismus, NATO und dem westlichen Imperialismus ablehnend gegenüberstanden.

Diese Kräfte, zu denen besonders die Grünen sowie weite Teile der Linken, Alternativen und Intellektuellen gehören, lehnten diese Werte nicht ab. Im Gegenteil: Sie sahen sich aufgrund ihrer Vergangenheit im Eintreten für Frieden und soziale Gerechtigkeit als die wahren Verteidiger der Werte. Je mehr aber die Kriegsgefahr nach dem Ende der Blockkonfrontation in den Hintergrund getreten war, umso mehr trat bei den Werteorientierten das Engagement besonders für all jene in den Vordergrund, die als schutzbedürftig und benachteiligt angesehen wurden.

So setzten sich Grüne, Linke und Alternative immer stärker ein für Themen wie den Schutz von Umwelt und Tieren, die Identitätsrechte von Minderheiten und gegen jegliche Form von Diskriminierung. Das politische Bewusstsein, das die frühe Friedensbewegung noch sehr stark geprägt hatte, war mehr und mehr einer emotionalen, moralischen und eigentlich unpolitischen Haltung gewichen. Harmoniestreben ersetzte zunehmend das Benennen der Interessengegensätze. Ganz aus dem politischen Denken verschwunden war das Wissen um die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen mit ihren entsprechenden Interessen.

Missbrauch der Werte

Wertegeleitetes Denken und Handeln bestimmt mittlerweile Medien, Kultur und Politik. Hier wird die öffentliche Meinung gebildet. Dieses Denken erreicht seinen Höhepunkt bei Gruppen wie Fridays for Future (FfF) und all jenen, die sich dem Kampf gegen jede Art vermeintlicher Diskriminierung verschrieben haben. Das Gendern ist das öffentliche Zurschaustellen des eigenen diskriminierungsfreien Verhaltens, worin aber gleichzeitig auch Abgrenzung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft mitschwingt.

Denn diese orientiert sich mehr an Interessen als an Werten und fühlt sich durch das pädagogische Auftreten der Wertemissionare von oben herab behandelt. Sie sieht darin das Bestreben, Andersdenkende belehren und erziehen zu wollen. Mit ihrem demonstrativ gutmenschlichen und diskriminierungsfreien Gebaren rufen die Wertegeleiteten Unmut und Groll im Rest der Gesellschaft hervor. Soweit sie diesen Konflikt überhaupt spüren, lösen sie ihn für sich auf, indem sie bei der Mehrheit Gleichgültigkeit oder mangelndes Bewusstsein sehen.

Denn die Wertevertreter halten sich nicht nur für moralisch überlegen sondern aufgrund ihrer meist höheren formalen Bildungsabschlüsse für besser informiert und damit auch intellektuell auf einem höheren Stand. Solch elitäres Denken gipfelt in einer feministischen Außenpolitik, die anderen Staaten und Völkern glaubt, Vorschriften machen zu dürfen, wie sie ihre Gesellschaften zu gestalten haben.

So hat sich schleichend in der Gesellschaft aus einer ehemals breiten Massenbewegung für den Frieden besonders im intellektuellen Milieu eine elitäre Denkweise entwickelt. Die Grundlage dieses Denkens ist die Vorstellung eigener Überlegenheit. Die Eliten des Kaiserreichs glaubten sich überlegen durch die deutschen Tugenden, an denen die Welt genesen sollte, der Faschismus durch die angebliche rassische Überlegenheit des arischen Herrenmenschen. Heute soll die Welt an den westlichen Werten genesen. Das westliche Überlegenheitsdenken ist geblieben, nur hat es andere Formen angenommen und neue Träger gefunden.

Unantastbar

Dieses Gefühl der Überlegenheit macht die Werteorientierten unerreichbar für Zweifel und andere Sichtweisen und damit auch unbelehrbar. All diese zur Schau getragene moralische und intellektuelle Überlegenheit ist aber nur vordergründig, hat wenig Festigkeit, wenig Tiefe.

Die Werteorientierten leben nicht von der Überzeugungskraft ihrer Werte sondern von deren Unantastbarkeit. Sie profitierten von der Scheu im Rest der Gesellschaft, dem Wertegesäusel auf den Zahn zu fühlen. Sie nähren sich aus dem Tabu, dass die westlichen Werte und ihre Inhalte nicht hinterfragt werden dürfen, ohne sich dem Vorwurf der Rückständigkeit, Wissenschaftsfeindlichkeit oder gar Rechtslastigkeit auszusetzen.

Diese Eiferer setzen auf die Lautstärke ihrer Empörung und moralischen Entrüstung. Aber sie können nur unzureichend argumentieren, kaum überzeugen. Was ihnen fehlt, ist die Klarheit eines Weltbildes, das nur entsteht aus der vorurteilsfreien Betrachtung der Welt und aus dem Ringen um das Erkennen der Wirklichkeit. Das aber entsteht allein aus einem Meinungsaustausch im Interesse an Erkenntnis.

Darin liegt gerade die Schwäche der Werteorientierung. Es fehlt an politischem Bewusstsein, es fehlen die klaren Standpunkte, die ihre Festigkeit erworben haben im Austausch mit anderen Ansichten, Meinungen und Argumenten. Die Werteorientierten erhalten ihren Standpunkt gerade aus dem Vermeiden des Meinungsaustauschs. Sie schotten sich ab von den Widersprüchen, indem sie sich hinter ihren Werten verbarrikadieren. Vor allem aber fehlt es ihnen an Klarheit über die Grundlagen von Entwicklung, wie sie der Materialismus anbietet.

Dass sie sich mit politischen Themen beschäftigen, bedeutet nicht, dass sie über politisches Bewusstsein verfügen. Dazu fehlt ihnen das Erkennen politischer Zusammenhänge. Sie begnügen sich mit dem Gefühl, aufgrund der Werte, die sie vertreten, und aufgrund der Bildung, die sie zu haben glauben, die Vorgänge in der Welt zu durchschauen. Und da beides von der Gesellschaft nicht infrage gestellt wird, bekommt dieses Selbstbild auch kaum Risse.

Ihr politisches Bewusstsein geht über Appelle, Forderungen und platte Parolen kaum hinaus. In dieser Form tragen sie ihr Weltbild vor sich her zur Schau wie die Katholiken die Monstranz an Fronleichnam. Beiden ist gemeinsam, dass die wenigsten von ihnen ihr Handeln begründen, die Hintergründe verständlich machen und Zusammenhänge darstellen können. Werteorientierung ergeht sich in oberflächlichen Aussagen, die meist nur das Offensichtliche feststellen.

Zeitenwenden

Dieser Verfall von politischem Bewusstsein hatte erstmals schwerwiegende Folgen beim Krieg gegen Jugoslawien. Der grünen Führungsriege genügte die amerikanische Behauptung, dass in Jugoslawien ein Völkermord drohe. Man müsse diesen Krieg führen, um ein zweites Auschwitz zu verhindern. Dazu wurde die Formel der Antikriegsbewegung „Nie wieder Krieg“ geschickt umgewandelt in den Appell „Nie wieder Völkermord“, „denn es gibt noch Wichtigeres als „Nie wieder Krieg!“(1).

Mit dieser Manipulation wurde Verwirrung geschaffen und der Angriff auf Jugoslawien möglich. Denn wer hätte sich schon dem Vorwurf aussetzen lassen, Völkermord nicht verhindern zu wollen? Besoffen von Wertedenken und gebauchpinselt in der Rolle, endlich mitentscheiden zu dürfen, liefen die Grünen den Amerikanern hinterher.
Dass es sich dabei um dieselben Amerikaner handelte, gegen deren Vietnamkrieg noch Jahre zuvor die Fischer, Cohn-Bendit und viele grüne Friedenstauben demonstriert hatten, spielte keine Rolle mehr. Über Nacht schien alles vergessen: die Fragwürdigkeit amerikanischer Aussagen und Zusicherungen. Die Erfahrungen mit der Rücksichtslosigkeit der US-Politik in Südostasien, in Chile, Kuba und Südamerika.

Vergessen die Invasion in der Schweinebucht und all die anderen Putsche, Putschversuche und Förderung von Putschen in Südamerika und überall sonst in der Welt. Vergessen die weltweit von der CIA geförderte Umstürze und die Errichtung und Unterstützung von Folterregimen unter dem Schah, unter Pinochet und all den vielen anderen.

Vergessen die Unterstützung regierungsfeindlicher Gruppen. Vergessen all die niedergeschlagenen Proteste der Völker der Welt für ein besseres Leben. Vergessen Hiroshima und Nagasaki. Vergessen die lange Geschichte der amerikanische Verletzungen der Menschenrechte, auch all die Lügen, mit denen diese Verbrechen gerechtfertigt worden waren. Alles gelöscht aus dem politischen Bewusstsein und grünen Gedächtnis.

Die Grünen waren auf einmal wichtig. Endlich sahen sie sich anerkannt in ihrer Rolle, von der sie glaubten, dass sie ihnen zukam aufgrund ihres moralischen und intellektuellen Niveaus. Nun konnten sie beweisen, dass sie Politik nicht nur gut machen konnten, sondern sogar besser als die anderen. Die Macht, an der man endlich teilhaben durfte, wollte man nutzen und sich ihrer würdig erweisen. Da standen alle moralischen Zweifel und politischen Bedenken zurück, da wurden die letzten Reste politischen Bewusstseins im Suff der Macht ertränkt.

Nicht zu unrecht sagt der Volksmund: „Wem Gott ein Amt gibt, dem nimmt er den Verstand.“ Es ist vielleicht kein Zufall, dass Zeitenwenden immer mit der Regierung der Grünen zusammengefallen sind. Ihr Denken unterscheidet sich kaum von dem der etablierten Parteien, die bisher die Macht unter sich aufgeteilt hatten, bis auf einen entscheidenden Unterschied: Die Grünen glauben, es sogar noch besser machen zu können aufgrund ihrer intellektuellen Überlegenheit.

Das wollen sie mit größerer Entschlossenheit, aber auch mit weniger moralischen Vorbehalten unter Beweis stellen. Das gilt nicht nur für die Grünen sondern auch für viele andere linke und alternative Kräfte, die ebenso in den Vorstellungen moralischer und intellektueller Überlegenheit denken. Mit einer guten Begründung im Ärmel können dann aus Pflugscharen auch wieder Schwerter geschmiedet werden. Es muss aber etwas mit Werten zu tun haben.

(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28022023 „Nie wieder Völkermord“


Samstag, 22. Juli 2023

FRIEDEN STATT NATO - Brigitte Queck - NRhZ

 Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28703

Sevim Dagdelen (DIE LINKE) am 7. Juli 2023 im Bundestag
FRIEDEN STATT NATO!
Von Brigitte Queck

Sevim Dagdelen wies auf den anstehenden NATO-Gipfel in Litauen hin, in dem die Aufnahme der Ukraine in diese Militärorganisation erneut zur Debatte steht. Sie sagte: „Wer Mitglied der NATO ist, verliert seine Souveränität!“ „Eine Aufnahme der Ukraine in die NATO könnte von einem NATO-Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu einer direkten Kriegsbeteiligung der USA und Deutschlands werden.“ Sevim Dagdelen nimmt zu einigen irrigen Vorstellungen über die NATO Stellung.

Behauptung 1: Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis

Sevim Dagdelen erinnerte an den NATO-Krieg in Jugoslawien mit zig zivilen Opfern und den 20-jährigen Krieg der NATO in Afghanistan mit Hunderttausenden von zivilen Opfern.

Behauptung 2: Die NATO ist ein Bündnis der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit

Dabei erinnerte Sevim Dagdelen an den NATO-Staat Portugal und das faschistische Salazar-Regime mit seinen vielen Kolonialkriegen.

Behauptung 3: Die NATO verteidigt die Menschenrechte

Sevim Dagdelen machte in diesem Zusammenhang auf den Weiterbetrieb des weltweit berüchtigten US-Gefängnisses auf Guantanamo aufmerksam. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Julian Assange von den USA zu 175 Jahren Haft verurteilt wird, nur weil er die weltweiten Kriegsverbrechen der USA angeprangert hat.

Schlussfolgernd schätzte Sevim Dagdelen die NATO wie folgt ein: „Wer Mitglied der NATO ist, beteiligt sich an einem Kriegsführungsbündnis, das auf Expansion zielt und das Völkerrecht und die Menschenrechte mit Füßen tritt. Wer Mitglied der NATO ist, verliert seine Souveränität, denn es ist immer die USA, die ihre Interessen hegemonial durchsetzen. Wer Mitglied der NATO ist, opfert durch seine massive Hochrüstungspolitik die soziale Sicherheit seiner Bevölkerung. Jedes fünfte Kind in unserem Land ist arm. Das ist eine Schande! Aber der deutsche Militäretat wächst und wächst. Deshalb ist es höchste Zeit, den Militärpakt aufzulösen, und es ist nach 78 Jahren endlich Zeit, dass die USA ihre Truppen und ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen. Wir brauchen Frieden statt NATO!“
Sevim Dagdelen machte in diesem Zusammenhang auf den Weiterbetrieb des weltweit berüchtigten US-Gefängnisses auf Guantanamo aufmerksam. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Julian Assange von den USA zu 175 Jahren Haft verurteilt wird, nur weil er die weltweiten Kriegsverbrechen der USA angeprangert hat.

Schlussfolgernd schätzte Sevim Dagdelen die NATO wie folgt ein: „Wer Mitglied der NATO ist, beteiligt sich an einem Kriegsführungsbündnis, das auf Expansion zielt und das Völkerrecht und die Menschenrechte mit Füßen tritt. Wer Mitglied der NATO ist, verliert seine Souveränität, denn es ist immer die USA, die ihre Interessen hegemonial durchsetzen. Wer Mitglied der NATO ist, opfert durch seine massive Hochrüstungspolitik die soziale Sicherheit seiner Bevölkerung. Jedes fünfte Kind in unserem Land ist arm. Das ist eine Schande! Aber der deutsche Militäretat wächst und wächst. Deshalb ist es höchste Zeit, den Militärpakt aufzulösen, und es ist nach 78 Jahren endlich Zeit, dass die USA ihre Truppen und ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen. Wir brauchen Frieden statt NATO!


Donnerstag, 20. Juli 2023

Großes Wiederaufleben des USA-Imperialismus - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/07/20/die-ukraine-und-das-grosse-wiederaufleben-des-amerikanischen-imperiums/

Die Ukraine und das große Wiederaufleben des amerikanischen Imperiums

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 20. JULI 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Andrew J. Bacevich – http://www.antikrieg.com

Das Schicksal Kiews war schon immer ein zweitrangiges Thema. Das eigentliche Ziel ist die Wiederbelebung der NATO und damit der Vormachtstellung der USA.

Inmitten des Schrotts, mit dem die Meinungsseite der New York Times an den meisten Tagen überschwemmt wird, tauchen gelegentlich Schimmer der Erleuchtung auf. Ein kürzlich erschienener Gastbeitrag von Grey Anderson und Thomas Meaney ist ein gutes Beispiel dafür.

“Die NATO ist nicht das, was sie zu sein vorgibt”, lautet die Überschrift. Im Gegensatz zu den Behauptungen ihrer Architekten und Verteidiger argumentieren Anderson und Meaney überzeugend, dass der Hauptzweck des Bündnisses seit seiner Gründung nicht in der Abschreckung von Aggressionen aus dem Osten und schon gar nicht in der Förderung der Demokratie bestand, sondern darin, “Westeuropa an ein weitaus umfassenderes Projekt einer von den Vereinigten Staaten geführten Weltordnung zu binden”. Im Gegenzug für die Sicherheitsgarantien aus der Zeit des Kalten Krieges boten Amerikas europäische Verbündete Unterwürfigkeit und Zugeständnisse in Fragen wie der Handels- und Währungspolitik an. “Bei dieser Aufgabe”, so schreiben sie, “hat sich die NATO als bemerkenswert erfolgreich erwiesen”. Europa, ein von den Mitgliedern der amerikanischen Elite besonders geschätztes Grundstück, wurde so zum Kernstück des amerikanischen Imperiums der Nachkriegszeit.

Mit dem Ende des Kalten Krieges wurden diese Vereinbarungen in Frage gestellt. In dem verzweifelten Bestreben, die Lebensfähigkeit der NATO zu erhalten, behaupteten die Befürworter, das Bündnis müsse “aus dem Gebiet oder aus dem Geschäft” verschwinden. Die NATO nahm eine aktivistische Haltung ein, was zu rücksichtslosen staatsbildenden Interventionen in Libyen und Afghanistan führte. Die Ergebnisse waren ungünstig. Dem Druck der USA nachzugeben und sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, erwies sich als kostspielig und diente vor allem dazu, die Glaubwürdigkeit der NATO als militärisch fähiges Unternehmen zu untergraben.

Dann kam Wladimir Putin, um den Tag zu retten. So wie der Einmarsch Russlands in die Ukraine den USA einen Vorwand lieferte, um ihr eigenes militärisches Versagen nach dem 11. September 2001 zu vergessen, so hat er es auch der NATO ermöglicht, sich erneut als wichtigstes Instrument zur Verteidigung des Westens zu konstituieren – und zwar, was entscheidend ist, ohne dass Amerikaner oder Europäer dafür ein Blutopfer bringen mussten.

In diesem Zusammenhang spielt das Schicksal der Ukraine selbst nur eine untergeordnete Rolle. In Wirklichkeit geht es um die Wiederbelebung der beschädigten amerikanischen Vormachtstellung in der Welt. Das nationale Sicherheitsestablishment der USA vertritt fast einhellig die These, dass die Vereinigten Staaten die einzige Supermacht der Welt bleiben müssen, selbst wenn dies die Ignorierung einer Vielzahl gegenteiliger Beweise für das Entstehen einer multipolaren Ordnung erfordert. In dieser Hinsicht war Putins Rücksichtslosigkeit ein Geschenk, das genau zum richtigen Zeitpunkt kam.

Hier ist ein Element der Genialität am Werk. Russland zu besiegen, ohne tatsächlich kämpfen zu müssen, wird zum Mittel, um das Image der amerikanischen Unverzichtbarkeit wiederherzustellen, das in den Jahrzehnten nach dem Fall der Berliner Mauer verspielt wurde. Für Washington, das wissen Anderson und Meaney, geht der wahre Einsatz in der Ukraine weit über die Frage hinaus, wessen Flagge über der Krim weht. Wenn die Ukraine ihren Krieg mit Russland “gewinnt” – wie auch immer der Begriff “gewinnen” definiert wird und wie hoch der Preis sein mag, den die Ukrainer dafür zahlen müssen -, wird die NATO selbst (und die NATO-Lobby in Washington) ihre Rechtfertigung einfordern.

Seien Sie versichert, dass die großen europäischen Staaten dann ihre Versprechen, ihre Militärausgaben zu erhöhen, stillschweigend brechen werden, so dass die tatsächliche Verantwortung für die europäische Sicherheit wieder bei den Vereinigten Staaten liegt. Da der hundertste Jahrestag des Zweiten Weltkriegs nun in greifbarer Nähe liegt, werden die US-Truppen dauerhaft in Europa stationiert bleiben. Dies wird für den gesamten militärisch-industriellen Komplex der USA ein Grund zum Feiern sein, denn er wird florieren.

Indem sie ihre Muskeln spielen lassen, werden die Vereinigten Staaten von Amerika eine stark erweiterte NATO unweigerlich dazu veranlassen, ihre Aufmerksamkeit auf die Durchsetzung der “regelbasierten internationalen Ordnung” im asiatisch-pazifischen Raum zu richten, wobei China der auserwählte Gegner sein wird. Die Ukraine wird dabei als eine Art Musterbeispiel dafür dienen, wie die USA und ihre Verbündeten viele tausend Kilometer von Europa entfernt ihr Gewicht in die Waagschale werfen.

Der globale militärische Fußabdruck der USA wird sich vergrößern. Die Bemühungen der USA, ihr Haus im Innern in Ordnung zu bringen, werden scheitern. Drängende globale Probleme wie die Klimakrise werden als Nebensächlichkeiten behandelt werden. Aber das Imperium, das keinen Namen hat, wird fortbestehen, und das ist letztlich der Sinn des Spiels.

Präsident Biden sagt gerne, dass die Welt an einem “Wendepunkt” angelangt ist, was bedeutet, dass wir die Richtung ändern müssen. Doch das übergreifende Thema seines außenpolitischen Ansatzes ist der Stillstand. Er hält an der geopolitischen Logik fest, die zur Gründung der NATO im Jahr 1949 führte.

Damals, als Europa schwach war und Stalin die Sowjetunion beherrschte, mag diese Logik durchaus ihre Berechtigung gehabt haben. Heute jedoch zeugt die Bedeutung, die der NATO beigemessen wird, in erster Linie vom Bankrott des amerikanischen strategischen Denkens und von der Unfähigkeit, den tatsächlich bestehenden nationalen Interessen der Vereinigten Staaten – sowohl im Ausland als auch im Inland – Vorrang einzuräumen.

Eine vernünftige Überarbeitung der nationalen Sicherheitsstrategie der USA würde mit der Ankündigung eines Zeitplans für den Rückzug aus der NATO beginnen und sie in eine Organisation umwandeln, die vollständig in europäischem Besitz ist und von Europa betrieben wird. Dass es nahezu unmöglich ist, sich ein solches Vorgehen der Vereinigten Staaten auch nur vorzustellen, zeugt von dem Mangel an Vorstellungskraft, der in Washington herrscht.

erschienen am 17. Juli 2023 auf > RESPONSIBLE STATECRAFT > Artikel, ursprünglich auf > The American Conservative

https://www.antikrieg.com/aktuell/2023_07_19_dieukraine.htm


Montag, 17. Juli 2023

Lawrow über den Konflikt mit der NATO - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/07/16/es-ist-voller-katastrophaler-folgen-sergej-lawrow-ueber-den-konflikt-mit-der-nato-und-die-risiken-des-einsatzes-von-atomwaffen/

„Es ist voller katastrophaler Folgen“ Sergej Lawrow über den Konflikt mit der NATO und die Risiken des Einsatzes von Atomwaffen

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 16. JULI 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Sergej Lawrow – https://lenta.ru

Im Anschluss an den NATO- Gipfel in Vilnius gaben die Staats- und Regierungschefs der Länder des Nordatlantischen Bündnisses eine Erklärung ab, in der sie Russland als größte Sicherheitsbedrohung bezeichneten, gleichzeitig betonten, dass sie keine Konfrontation anstreben und auf die Aufrechterhaltung von Kommunikationskanälen hoffen. Gleichzeitig versprach die NATO, die Ukraine weiterhin mit Waffen zu unterstützen, und gab ihr grünes Licht für den Beitritt zum Bündnis nach dem Ende des Konflikts. Das Risiko, dass westliche Länder in einen direkten militärischen Zusammenstoß mit Russland verwickelt werden, zwingt jedoch viele Länder dazu, eigene friedenserhaltende Initiativen anzubieten. Zu den wichtigsten Friedensvorschlägen zum Konflikt in der Ukraine, zu den Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen durch die russische Seite und zur Interaktion mit den USA und China. In einem Interview mit Lente.ru sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow .

In letzter Zeit sind in der Ukraine mehrere Friedensinitiativen gleichzeitig entstanden – chinesische, indonesische, vatikanische und afrikanische. Welches kommt der Vision Russlands näher? Sind solche Initiativen generell nicht verfrüht?

Sergej Lawrow : Zunächst möchte ich unseren Partnern meinen Dank für ihre Bemühungen aussprechen, Wege für eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise zu finden.

Wir halten ihre Initiativen nicht für verfrüht – für die russische Seite hat der Frieden immer Priorität im Vergleich zu Militäreinsätzen.

Deshalb möchte ich Sie daran erinnern, dass wir bereits im Frühjahr 2022 am Verhandlungsprozess mit der ukrainischen Seite teilgenommen haben und nahezu zu einem positiven Ergebnis gekommen sind.

Alle Bemühungen wurden jedoch von den Angelsachsen vereitelt, deren Pläne eindeutig nicht die Einstellung der Feindseligkeiten vorsahen. Sie waren und sind besessen von der manischen Idee, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen.

Selbstverständlich haben wir alle eingegangenen Friedensinitiativen sorgfältig geprüft. Mit einigen Partnern haben wir spezielle Beratungsgespräche geführt und deren Vorstellungen ausführlich besprochen. Mitte Juni empfing der russische Präsident Wladimir Putin in St. Petersburg die Staats- und Regierungschefs mehrerer afrikanischer Staaten . Ende Mai hatten wir in Moskau ein sehr vertrauliches und herzliches Treffen mit dem Sonderbeauftragten der Regierung der Volksrepublik China für eurasische Angelegenheiten, dem Leiter der chinesischen Delegation zur Lösung der Krise in der Ukraine, Li Hui. Wir hatten ein bedeutungsvolles Gespräch mit dem Assistenten des brasilianischen Präsidenten für internationale Angelegenheiten, Celso Amorim, der Russland in den letzten Märztagen besuchte.

Wir teilen viele Vorschläge unserer Partner. Zum Beispiel die Achtung des Völkerrechts und der UN-Charta, die Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges, die Lösung der humanitären Krise, die Gewährleistung der Sicherheit von Kernkraftwerken, die Beendigung einseitiger Sanktionen und die Weigerung, die Weltwirtschaft für politische Zwecke zu nutzen

Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die westlichen Kuratoren von Wladimir Selenskyj zu keiner Form der Deeskalation bereit sind. Das Kiewer Regime lehnte die Möglichkeit von Verhandlungen auf der Grundlage von Friedensinitiativen Chinas, Brasiliens und afrikanischer Länder direkt und entschieden ab. Michail Podolyak , ein Berater des Büroleiters des Präsidenten der Ukraine , sagte, dass „die Verhandlungen bedeutungslos, gefährlich und tödlich für die Ukraine und Europa werden würden.“

In Kiew fanden sie nichts Besseres, als diejenigen, die gerne Vermittler im Verhandlungsprozess werden wollten, um Beweise für „Zuverlässigkeit“ zu betteln

Insbesondere Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov forderte, dass China Russland davon überzeugen solle, Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Andernfalls wären Kontakte mit chinesischen Unterhändlern nach Ansicht dieser Kiewer Persönlichkeit Zeitverschwendung.

Vor dem Hintergrund des gescheiterten Aufstands von Jewgeni Prigoschin wurde in Kopenhagen von einem „geheimen Treffen“ westlicher Länder, Brasilien, Indien, China, der Türkei und Südafrika berichtet , bei dem Friedensgespräche über die Ukraine besprochen wurden. Haben Sie von Partnern Signale zum Treffen erhalten?

Solche Signale haben wir nicht erhalten. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass diese Informationen unzuverlässig sind, angesichts des hartnäckigen Wunsches Kiews und seiner westlichen Handlanger, den Weg der eskalierenden Feindseligkeiten zu beschreiten.

Wie wir wiederholt betont haben, hat Russland den Dialog als politisches Mittel zur Erreichung der Ziele der NWO nie aufgegeben

Welche Bestimmungen des Istanbul-Vertrag  bleiben für Russland relevant?

Was unsere Vision einer Regelung betrifft, so haben wir bereits vor Beginn der militärischen Sonderoperation deren Ziele klar dargelegt. Dies ist der Schutz der Bevölkerung des Donbass, die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine sowie die Beseitigung von Sicherheitsbedrohungen, die vom Territorium dieses Landes ausgehen.

Während der Verhandlungen mit Kiew, die auf seine Initiative im Februar-April 2022 stattfanden, wurde vereinbart, dass die Ukraine zu einem neutralen Nicht-Block-Status zurückkehren, den NATO-Beitritt verweigern und ihren Nicht-Atom-Status bestätigen sollte

Darüber hinaus sollten neue territoriale Realitäten anerkannt werden, die mit der freien Willensäußerung der Bewohner der Volksrepubliken der Regionen Donbass, Cherson und Saporoschje zugunsten der politischen Einheit mit Russland verbunden sind. Die Kiewer Behörden müssen die Rechte der russischsprachigen Bürger und nationalen Minderheiten in der Ukraine gewährleisten, einschließlich des offiziellen Status der russischen Sprache.

Das Hauptziel des Treffens in Kopenhagen bestand darin, die Vertreter des globalen Südens davon zu überzeugen, zumindest teilweise die „Friedensformel“ von Wolodymyr Selenskyj zu unterstützen, die absolut inakzeptabel und vielversprechend ist, was wir unseren Partnern aus Asien und Afrika offen mitteilen und Lateinamerika.

Da der Konflikt, der seinen Ursprung im Putsch in der Ukraine im Jahr 2014 hat, eine geopolitische Dimension hat, muss auch die Frage der russischen Sicherheitsgarantien an unseren Westgrenzen angegangen werden.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Initiative von Präsident Wladimir Putin im Dezember 2021 genau darauf abzielte. Dann lehnte der Westen, vertreten durch die USA und die NATO, es arrogant ab.

Vertragsentwürfe zwischen Russland und den USA und der NATO über Sicherheitsgarantien

Vor etwas mehr als anderthalb Jahren, am 15. Dezember 2021, übergab Russland den Vereinigten Staaten Entwürfe für einen Vertrag über Sicherheitsgarantien und eine Vereinbarung über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit Russlands und der NATO-Staaten. Zwei Tage später, am 17. Dezember 2021, veröffentlichte das Außenministerium Vertragsentwürfe auf seiner offiziellen Website.

Die Dokumente enthielten insbesondere die Ablehnung der NATO-Osterweiterung einschließlich der Ukraine und die Rückkehr der militärischen Infrastruktur des Bündnisses auf den Stand von 1997, also der ersten Runde der NATO-Erweiterung.

Gleichzeitig musste die NATO jegliche militärische Aktivität auf dem Territorium der Ukraine und anderer Staaten Osteuropas, Transkaukasiens und Zentralasiens verweigern.

Das Dokument enthielt auch eine Klausel, die besagte, dass Russland und die NATO sich verpflichten, keine Bedingungen zu schaffen, die von der anderen Seite als Bedrohung angesehen werden könnten, und sich gegenseitig nicht als Gegner zu betrachten.

Seit Anfang 2022 diskutieren die Parteien über das Projekt, allerdings ohne große Fortschritte im semantischen Teil. Infolgedessen wurden die von Russland vorgebrachten Initiativen von den Vereinigten Staaten nicht ernst genommen, was zum Beginn einer speziellen Militäroperation führte.

Wie beurteilen Sie die Beteiligung des Internationalen Strafgerichtshofs seitens der ukrainischen Seite an der Untersuchung des Dammbruchs im Wasserkraftwerk Kachowskaja?

Wir haben keinen Zweifel an der Verantwortung Kiews für die Sprengung des Wasserkraftwerks Kachowskaja. Es stellt sich heraus, dass das Kiewer Regime den sogenannten Internationalen Strafgerichtshof mit der Untersuchung des von ihm selbst begangenen Verbrechens beauftragt. Dies ist in der Geschichte dieses Pseudogerichts wahrscheinlich noch nie vorgekommen.

Wir haben den UN-Sicherheitsrat bereits im Oktober letzten Jahres vor den Plänen ukrainischer Neonazis gewarnt, den Staudamm zu zerstören. Dann haben wir Generalsekretär Antonio Guterres gebeten, alles zu tun, um dieses kriminelle Szenario zu verhindern.

Die ausbleibende Reaktion des UN-Sekretariats stärkte die Zuversicht der ukrainischen Behörden, dass sie mit allem davonkommen könnten.

Wie beurteilen Sie die Reaktion internationaler humanitärer Organisationen auf den Vorfall?

Was die Reaktion internationaler humanitärer Organisationen auf das Geschehen betrifft, so wurden von ihrer Seite, wie im Fall der Sabotage an der Ammoniakpipeline Togliatti – Odessa und des Terroranschlags gegen die Nord Streams , keine grundsätzlichen Einschätzungen vorgenommen.

UN-Organisationen beschränken ihre Rolle auf demonstrative Versuche, den Bedürftigen über die Kontaktlinie hinweg humanitäre Hilfe zu leisten. Sie wissen, dass dies unter den Bedingungen einer Militäroperation unrealistisch ist, aber sie streben dennoch danach, die politische Ordnung des Westens und des Kiewer Regimes zu erfüllen

Gleichzeitig wird die Frage des Einsatzes von Atomwaffen durch Russland im Ukraine-Konflikt aktiv diskutiert. Wie sehen Sie eine solche Chance?

Dieses Thema wurde schon oft diskutiert. Ich würde sogar sagen, dass es sich erschöpft hätte, wenn der Westen nicht Maßnahmen ergriffen hätte, die uns immer wieder dazu zwingen, auf die Risiken strategischer Natur hinzuweisen, die eine aggressive antirussische Politik mit sich bringt.

Die Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen durch Russland sind in unserer Militärdoktrin klar definiert. Sie sind wohlbekannt und ich werde sie nicht noch einmal wiederholen.

Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen durch Russland
Gleichzeitig möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Satelliten das Risiko eines direkten bewaffneten Zusammenstoßes mit Russland mit sich bringen, der katastrophale Folgen hat.

Ein Beispiel für eine äußerst gefährliche Entwicklung sind die Pläne der USA, F-16- Kampfflugzeuge an das Kiewer Regime zu übergeben . Wir haben die Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich darüber informiert , dass Russland die Fähigkeit dieser Flugzeuge, Atomwaffen zu transportieren, nicht ignorieren kann. Hier helfen keine Zusicherungen.

Im Verlauf der Feindseligkeiten wird unser Militär nicht klären, ob jedes einzelne Flugzeug des angegebenen Typs für den Transport von Atomwaffen ausgerüstet ist oder nicht. Allein die Tatsache, dass solche Systeme in den Streitkräften der Ukraine auftauchen, wird von uns als Bedrohung des Westens im nuklearen Bereich betrachtet

Wie haben sich die außenpolitischen Leitlinien Russlands seit Beginn der militärischen Sonderoperation verändert? Können wir sagen, dass wir in den Beziehungen zu den westlichen Ländern den Punkt überschritten haben, an dem es kein Zurück mehr gibt?

Nach Beginn einer militärischen Sonderoperation haben die USA und andere NATO- und EU – Staaten den bereits 2014 begonnenen hybriden Krieg gegen Russland deutlich verschärft.

Die aggressiven Schritte feindseliger Staaten stellen eine existenzielle Bedrohung für Russland dar. Daran besteht kein Zweifel. Wir müssen unser Recht auf freie und souveräne Entwicklung mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen.

Klar ist auch, dass es keine Rückkehr zu den alten Beziehungen zu unfreundlichen Ländern geben wird. Wenn sie sich plötzlich entschließen, den antirussischen Kurs aufzugeben, werden wir sehen, worum es genau geht, und wir werden uns auf der Grundlage unserer Interessen für eine weitere Linie entscheiden. Hier geht es um den kollektiven Westen.

Was den globalen Osten und Süden betrifft, wo etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung leben, haben sich diese Länder nicht nur den antirussischen Sanktionen nicht angeschlossen, sondern zeigen auch Interesse an der Entwicklung einer praktischen Zusammenarbeit.

Zu den konstruktiven Partnern zählen die Staaten der EAEU , CSTO , GUS, SCO , BRICS . Mit allen entwickeln wir eine systematische Zusammenarbeit in verschiedenen Formaten der Zusammenarbeit im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung.

Wir berücksichtigen, dass die Stärkung der multipolaren Welt eine Realität und keine Laune von irgendjemandem ist

Das aktualisierte außenpolitische Konzept verkündet die zivilisatorische Mission Russlands als Weltmacht, die in internationalen Angelegenheiten eine ausgleichende Rolle spielt. In der Praxis bedeutet dies, dass unser Land nicht in geopolitische und geoökonomische Konstruktionen integriert wird, in denen wir keine Möglichkeit haben, unsere Interessen zu schützen.

Gemeinsam mit Freunden und Gleichgesinnten wollen wir zur Bildung einer gerechteren Weltordnung beitragen, die auf den Zielen und Prinzipien der UN-Charta in ihrer Gesamtheit und Verknüpfung und vor allem auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten basiert

Und vor welchen Aufgaben steht der zweite Russland-Afrika-Gipfel, der Ende Juli stattfinden soll? Wie richtig ist es, über die Hinwendung Russlands zu Afrika zu sprechen?

Russland und Afrika waren schon immer durch starke Freundschaftsbande verbunden. In den letzten Jahrzehnten haben sie den Härtetest erfolgreich bestanden. Wir legen großen Wert auf die Entwicklung der russisch-afrikanischen Zusammenarbeit. Dies ist in unserem außenpolitischen Konzept verankert, das der russische Präsident Wladimir Putin Ende März verabschiedet hat.

Wir betrachten den Aufbau vielfältiger Beziehungen zu afrikanischen Freunden als integralen Bestandteil unserer Gesamtbemühungen, die Zusammenarbeit mit dem globalen Süden auszubauen

Ich bin sicher, dass der Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle beim Aufbau einer strategischen Partnerschaft mit den Ländern des Kontinents spielen wird.

Russland ist bereit, auf jede erdenkliche Weise zur Stärkung der Souveränität der afrikanischen Staaten und ihrer Sicherheit in allen Dimensionen beizutragen. Dies ist der Kerngedanke des bevorstehenden Treffens.

Es ist vorgesehen, eine Erklärung der Staats- und Regierungschefs und einen Aktionsplan für den Zeitraum 2023-2026 in vorrangigen Bereichen der Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen und humanitären Bereich zu verabschieden. Es ist geplant, bestimmte Dokumente im Bereich der internationalen Informationssicherheit, der Terrorismusbekämpfung und der Verhinderung der Platzierung von Waffen im Weltraum zu genehmigen.

Was bedeutet das für den russischen diplomatischen Dienst? Beabsichtigt Russland, das Netzwerk seiner Botschaften auf dem Kontinent auszubauen?

Als Ergebnis des ersten russisch-afrikanischen Gipfels 2019 in Sotschi beschloss die Führung des Landes, seine diplomatische Präsenz in Afrika auszubauen. Das Außenministerium arbeitet an der Eröffnung neuer Botschaften in mehreren afrikanischen Ländern.

Wo genau wir sie öffnen, geben wir bekannt, wenn mit den Behörden der Gaststaaten alles abgestimmt ist und die notwendigen rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind.

https://lenta.ru/articles/2023/07/13/lavrov/


Samstag, 15. Juli 2023

Verbrechen gegen DDR - sascha313

 Entnommen: https://sascha313.wordpress.com/2023/07/07/verbrechen-des-westdeutschen-staates-gegen-die-ddr-tausende-ddr-burger-widerrechtlich-verfolgt/

Verbrechen des westdeutschen Staates gegen die DDR: „Tausende DDR-Bürger widerrechtlich verfolgt“

Erstellt am 7. Juli 2023 von sascha313
Eine alte Weisheit lautet: „Wenn einer es mit dem Meer nicht aufnehmen kann, ist es das einfachste, sich umzudrehen, um es nicht zu sehen.“ (Garcia Lorca) – So verhalten sich die meisten BRD-Bürger gegenüber dem jahrzehntelang erlittenen Unrecht ihrer eigenen Landsleute im Westen, während sie zugleich leichtfertig und bedingungslos bereit sind, den Lügen über die DDR Glauben zu schenken. Zehntausende westdeutscher Bürger wurden nach 1949 durch Berufsverbote ins Elend getrieben, wurden verfolgt und eingekerkert, weil man sie verdächtigte, mit der DDR oder mit dem Kommunismus zu sympathisieren. Doch wie ging man in der BRD mit den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik um, die dieses westdeutsche Nachbarland besuchten, weil sie Verwandte dort hatten oder sportliche Kontakte pflegten?
Es waren nicht die „Brüder und Schwestern aus der Zone“, wie heuchlerisch immer wieder behauptet wurde – nein, die DDR – das war der Feind. Obwohl die DDR ein eigenständiger und souveräner Staat war und kein Bestandteil der kapitalistischen BRD, mischten sich die Machthaber im Westen ständig in die inneren Angelegenheiten der DDR ein. Darüber berichtete der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, in seinen Ausführungen auf der 22. Sitzung des Volkskammer der DDR im September 1966:
Tausende DDR-Bürger widerrechtlich verfolgt
Im Verlauf der letzten Jahre nahm die widerrechtliche Verfolgung durch Polizei- und Justizorgane gegen DDR-Bürger in Westdeutschland ein außerordentliches Ausmaß an. So wurden von Januar 1958 bis Juni 1966 in Westdeutschland auf Grund gesinnungsstrafrechtlicher Bestimmungen über 3.225 DDR-Bürger vielfältig diskriminiert bzw. mit oder ohne Gerichtsurteil bis zu dreieinhalb Jahren der Freiheit beraubt und eingekerkert.
Allein bei 490 DDR-Bürgern, die im Bonner Staat länger als 24 Stunden inhaftiert waren und unsererseits registriert werden konnten, beträgt die Gesamtdauer des widerrechtlichen Freiheitsentzuges 1.595 Monate = 133 Jahre. In 173 dieser Fälle kam es zu einem politischen Prozeß in Anwendung der Bestimmungen über sogenannte Staatsgefährdungsdelikte und anderer Festlegungen der westdeutschen Strafgesetze, die keinesfalls auf die Staatsbürger der DDR — die ja nicht der westdeutschen Gesetzgebung unterstehen — angewandt werden dürfen. Die Gesamthöhe der Gefängnisstrafen betrug in diesen Fällen 1.183 Monate. Die Gesamtzahlen liegen in Wirklichkeit noch bedeutend höher, da bisher nicht alle dieser Menschenrechtsverletzungen ermittelt wurden.
Geachtete Bürger der DDR werden in der BRD verfolgt
Die von diesem Unrecht Betroffenen sind angesehene Bürger unserer Republik, die ihre verfassungsmäßigen Rechte ausübten. Es handelt sich um demokratisch gewählte Funktionäre und Mitglieder von Volksvertretungen, Parteien, Gewerkschafts-, Sport-, Jugend und kommunalen Organisationen. Es sind Arbeiter, Angestellte, Lehrer, Bauern, Studenten, Wissenschaftler und Künstler. Sie begingen keinerlei Verbrechen. Von ihnen wurden weder Bombenanschläge, bewaffnete Überfälle oder Attentate geplant nach durchgeführt. Niemand von ihnen führte Waffen, Sprengstoffe, Gifte oder ähnliches bei sich.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in Westdeutschland verfolgt und verhaftet — einzig und allein wegen ihrer Tätigkeit in der DDR als loyale Bürger ihres Staates. Keiner von ihnen hat sich irgendwelcher Verstöße gegen das Bonner Grundgesetz schuldig gemacht, dessen Geltungsbereich sich bekanntlich nur auf das Territorium Westdeutschlands erstreckt. Sie haben sich bei Besuchen in der westdeutschen Bundesrepublik an die dort geltenden Gesetze gehalten.
…grundlos bespitzelt, verhaftet und angeklagt
Obwohl diese DDR-Bürger im Besitz gültiger Reisepapiere waren, wurden sie aus Zügen geholt, hochnotpeinlichen Verhören durch Grenzschutzbeamte und „Verfassungsschützer“ unterzogen, durch Geheimdienstagenten bespitzelt, verhaftet, von Staatsanwälten angeklagt und von Richtern verurteilt und eingekerkert, die bereits in der Mehrzahl ihre Erfahrungen bei der Verfolgung demokratischer Kräfte während der Nazizeit sammelten. Sie fuhren nach Westdeutschland zu den mit friedliebenden westdeutschen Bürgern, zu sportlichen Begegnungen, wissenschaftlichen Konferenzen, Gewerkschaftstreffen und aus ähnlichen Anlässen.
Wenige Tage vor dem 1. Mai 1959 wurde Arthur Meckert aus Zeitz, der als Delegierter des FDGB Gespräche mit westdeutschen Gewerkschaftsmitgliedern geführt hatte, in der Zelle 410 der Haftanstalt in Hannover in den Tod getrieben. Kurz vor seinem Tod, der auf unmenschliche Behandlung zurückzuführen ist, hatte Arthur Meckert an Prof. Dr. Kaul geschrieben: „Helfen Sie mir, daß ich sobald wie möglich aus diesem Kerker herauskomme, ich gehe sonst ein. Meine Familie braucht mich aber noch.“ Er war Vater von 4 Kindern.
Unmenschliches Verhalten der BRD-Beamten
Das ganze Ausmaß der Polizei- und Justizwillkür gegen DDR-Bürger in Westdeutschland ist leider viel zu wenig Menschen bekannt. Nicht ein einziger der Verantwortlichen oder ihrer Helfer wurde für diese unmenschlichen Handlungen bisher in Westdeutschland bestraft.
…daß in letzter Zeit das Bonner Regime eine Reihe geheimer Bestimmungen durch das Innenministerium, das von ehemaligen Gestapoleuten beherrschte Amt für sogenannten Verfassungsschutz, das Justizministerium und andere Staatsorgane erlassen hat, die der verstärkten Diskriminierung und Verfolgung von DDR-Bürgern dienen.
Die völkerrechtswidrige Willkür des Bonner Unrechtsregimes
Die seit langem bestehende völkerrechtswidrige Verfolgungspraxis wurde mit dem am 4. August dieses Jahres in Kraft getretenen Handschellengesetz vom Bonner Bundestag nochmals ausdrücklich sanktioniert und damit eine weitere gesetzliche Grundlage für Willkürmaßnahmen gegeben. Das Gesetz sieht bekanntlich vor, alle Deutschen, die nicht Bürger des Bonner Staates sind, der westdeutschen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Nach diesem Gesetz können friedliebende, rechtschaffende Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, sobald sie westdeutschen Boden betreten, dort als Verbrecher behandelt werden. Lediglich danach können ihnen, sozusagen gnadenhalber, befristet und bedingt — aber vorher wie nachher widerrufbar — gewissermaßen, die Handschellen abgenommen werden.
Solidarität der DDR-Bevölkerung
Diese menschenrechtsverletzenden Verfolgungen der DDR-Bürger durch die Adenauer-, Erhard- und Kiesinger/Brandtregierungen führte unter den Menschen der DDR zu einer riesigen Solidarisierung: „Weit über 500.000 DDR-Mark hat die Spendenaktion zugunsten der in Westdeutschland verfolgten und eingekerkerten Patrioten bereits erbracht.“
Quelle: 22. Sitzung der Volkskammer der DDR Zur Begründung des Gesetzentwurfs zum Schutze der Staatsbürger- und Menschenrechte der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Rede des Vorsitzenden des Ministerrates, Willi Stoph: „Tausende DDR-Bürger widerrechtlich verfolgt“. „Neues Deutschland“ vom 14.10.1966, Seite 5. (Zwischenüberschriften eingefügt)


Freitag, 14. Juli 2023

Größte Panzerschlacht vor 80 Jahren - Leseprobe aus "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen" - Wolfgang Bittner

 

Vor 80 Jahren fand die größte Panzerschlacht der Geschichte am Kursker Bogen statt

Auszug aus dem Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“

von Wolfgang Bittner

Im Radio wird über das Unternehmen Zitadelle berichtet. Es ist Sommer, ein schöner sonniger Tag im Juli 1943, und an der Ostfront beginnt mit einem Angriff auf Kursk eine Großoffensive der deutschen Wehrmacht. Hitler will jetzt mit einem Schlag die sowjetischen Armeen des sich über 200 Kilometer erstreckenden östlichen Frontbogens vernichten. Der Volksempfänger meldet, dass 625 000 Soldaten, darunter Truppen der Waffen-SS-Division „Das Reich“ mit 2700 Panzern, Artillerie und 1300 Kampfflugzeugen auf die russischen Stellungen vorstoßen.

Aus dem Äther schallt der Tagesbefehl des Kommandeurs der 7. Infanterie-Division, Generalleutnant Fritz-Georg von Rappard: „Soldaten! Die Stunde des Angriffs ist gekommen. Ich weiß, dass jeder von euch seine Pflicht bis zum Letzten erfüllen wird. Ihr werdet an die siegreichen Fahnen der Division, die in Polen, Frankreich und bis vor die Tore Moskaus den Feind vor sich hergejagt und die auch in zwei Jahren der Verteidigung auf russischer Erde allen Angriffen standgehalten hat, neuen Ruhm heften. Unsere Gefallenen schauen auf euch herab. Unser Gruß und unsere Hingabe gilt Deutschland und seinem geliebten Führer.“

Die Großmutter sitzt am Küchentisch und schält Kartoffeln. „Mein Gott“, sagt sie bestürzt. „Ist nicht der Albert von den Pissarskis in dieser SS-Division?“ Sie hält einen Moment inne. „Wie soll das nur weitergehen?“ Mariya, die an der Anrichte Gemüse putzt, bekreuzigt sich. Ihr Freund, der Marcin, ist in der 7. Infanterie-Division. Sie faltet die Hände und schickt ein Stoßgebet zum Himmel: „Heilige Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.“

(…)

Am 17. Juli meldet das Oberkommando der Wehrmacht, dass der Kommandeur der 6. Panzer-Division, Generalmajor Walther von Hünersdorff, Träger des Deutschen Kreuzes in Gold und des Ritterkreuzes, im Verlauf der Panzerschlacht von Kursk schwer verwundet wurde und für Führer, Volk und Vaterland gefallen ist. Es war den deutschen Truppen nicht gelungen, auch nur ansatzweise die starken Befestigungen der Sowjets zu durchbrechen. Hitler gab persönlich den Rückzugsbefehl; ihm blieb nichts anders übrig, wollte er nicht die gesamte bei Kursk eingesetzte Streitmacht verlieren. Im Ersten Weltkrieg hatte es noch geheißen: … für Kaiser, Volk und Vaterland.

Auf deutscher Seite etwa 50 000 Tote und Verletzte, 350 abgeschossene Panzer, zahlreiche zerstörte Geschütze und Flugzeuge. Die Rote Armee verlor etwa 250 000 Soldaten, 2600 Panzer, 4000 Artilleriegeschütze, zahlreiche Flugzeuge. Die Angriffspläne waren der sowjetischen Führung schon lange vor Beginn der Offensive bekannt gewesen, die Front bei Kursk zu einer gewaltigen Feldbefestigung bis zu hundert Kilometer ins Hinterland ausgebaut worden. Ein Schlag ins Wasser, ein Mordunternehmen, von vornherein chancenlos. Der vor Kursk verwundete Freund von Mariya berichtet später mit zitternder Stimme von einem Inferno ohnegleichen und dass er geglaubt habe, der Weltuntergang sei gekommen.

(,,,)

In Gleiwitz ist der Krieg noch weit weg, aber er rückt immer näher. Mit der Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad beginnt der Vormarsch der Roten Armee auf die Grenzen des Deutschen Reichs. Aber der Volksempfänger kündet nach wie vor von der Einsatzbereitschaft und dem Mut des deutschen Soldaten und von den Erfolgen der Wehrmacht. Fliegerass Hans-Ulrich Rudel schoss mit seiner Ju 87 G, die mit zwei 3,7-Zentimeter-Panzerabwehrkanonen ausgerüstet war, an einem Tag zehn russische Panzer vom Typ T-34 ab und erhält höchste Auszeichnungen: Frontflugspange in Gold mit Brillanten, Deutsches Kreuz in Gold, Eisernes Kreuz 2. und 1. Klasse, Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Marcin, der Freund von Mariya, sitzt in der Küche am Tisch und isst einen Teller der guten Gulaschsuppe, den ihm die Großmutter hingestellt hat. Der junge Mann, stoppelhaarig, hager und mit einem alten Gesicht, macht einen depressiven Eindruck. Mit achtzehn hatte er sich freiwillig gemeldet, war zur Infanterie gekommen. Die Mutter, Polin aus Tschenstochau, und der Vater, ein Gleiwitzer Bergmann, waren strikt dagegen gewesen, aber Marcin wäre sowieso eingezogen worden. Besser als die Plackerei als Hilfsarbeiter im Straßenbau, hatte er gedacht, mal rauskommen aus dem Dreck, was Neues sehen, Abenteuer erleben. Und was hat er erlebt? Den nackten Horror, sagt er. Und wo war er gelandet? Im Dreck, sagt er. Die unbesiegbare deutsche Armee ist im russischen Dreck steckengeblieben, sagt er, wie schon Napoleon. Er ist nicht ungebildet.

Pst, nicht so laut“, bremst ihn Mariya. Sie schaut die Großmutter an, zu der sie Vertrauen hat. Die Großmutter nickt Marcin zu, sie versteht ihn. Die Schlacht bei Kursk hat er mit einem Streifschuss am Kopf überstanden, inzwischen sind die Haare nachgewachsen und es ist kaum noch etwas davon zu sehen. „Noch mal dem Tod von der Schippe gesprungen“, sagt er und tut so, als sei nicht viel passiert. Er wurde zum Obergefreiten befördert und hat für seinen Einsatz an der Front die Nahkampfspange und das Verwundetenabzeichen erhalten. Das bekommt man nicht umsonst, vor allem nicht die Nahkampfspange.

Als ihn die Großmutter nach Einzelheiten fragt, bricht es aus ihm heraus: „Tausende Tote, es ist zum Verzweifeln, es ist entsetzlich. Fast alle meine Kameraden sind gefallen, und die jungen, die hinzukommen – es sind fast noch Kinder –, sterben oft schon in der ersten Woche. Die Russen greifen ständig an, wir ziehen uns immer weiter zurück. Jetzt kommt der Winter und wir haben nicht einmal geeignete Klamotten.“ Er flüstert: „Ihr könnt euch das nicht vorstellen, am liebsten würde ich weglaufen.“ Aber in drei Tagen muss er zurück an die Front, um in diesem Krieg, der ihn seine physische und psychische Gesundheit kostet und den er für verloren hält, weiterzukämpfen.

Hoffentlich desertiert der Marcin nicht“, sagt der Großvater beim Abendessen. „Wer desertiert, wird hingerichtet.“ (…)

(Aus: Wolfgang Bittner, „Die Heimat, „der Krieg und der Goldene Westen“, Roman, Verlag zeitgeist 2019)

Titelbild: Blick auf die Schneekoppe,

höchste Erhebung des Riesengebirges, früher Schlesien.

Erstveröffentlichung auf NachDenkSeiten: https://www.nachdenkseiten.de/?p=100869


Dienstag, 11. Juli 2023

Eine Analyse der neuen NATO-Strategie - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/07/11/eine-analyse-der-neuen-nato-strategie/

Eine Analyse der neuen NATO-Strategie

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 11. JULI 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Thomas Röper – http://www.anti-spiegel.ru

Die NATO steht vor einem historischen Umbau und sie bereitet sich wieder auf einen großen Krieg in Europa vor, wie eine Analyse zeigt.

Die russische Nachrichtenagentur TASS hat eine sehr (sehr, sehr) lesenswerte Analyse der neuen NATO-Strategie veröffentlicht, die ich übersetzt habe. Wenn ich so etwas in russischen Medien lese, frage ich mich jedes Mal, warum man in deutschen Medien nie brauchbare Analysen geopolitischer und militärischer Vorgänge findet.

Beginn der Übersetzung:

Die drei militärischen Pläne der NATO gegen Russland: Das Bündnis kehrt zu seinen Wurzeln zurück
Der Militärblock wird das Kommando über Einheiten von bis zu 300.000 Soldaten sowie über umfangreiche See- und Luftstreitkräfte übernehmen

Auf dem NATO-Gipfel in Vilnius am 11. und 12. Juli wird ein neuer Generalplan für den Einsatz der Bündniskräfte gegen Russland in Europa verabschiedet. Er besteht aus drei regionalen Teilen und sieht die Verlegung von bis zu 300.000 Soldaten sowie umfangreiche See- und Luftstreitkräfte unter dem Kommando des Bündnisses vor, wobei die Logistik für die rasche Verlegung von Verstärkungen aus den USA und den westlichen NATO-Staaten an die Ostflanke ausgearbeitet wird.

Ein solcher Plan wird zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren verabschiedet. De facto kehrt die NATO zu ihren Wurzeln zurück, denn sie plant einen umfassenden Krieg mit Russland in Europa und zieht zu diesem Zweck die größtmöglichen Ressourcen aus den europäischen Ländern ab. Genau zu diesem Zweck wurde die NATO auf Initiative Großbritanniens und der USA am 4. April 1949 gegründet.

Drei regionale Pläne
„Auf dem Gipfeltreffen werden wir weitere wichtige Schritte zur Stärkung unserer Verteidigungspolitik der Abschreckung durch drei neue regionale Verteidigungspläne ergreifen, um die beiden Hauptbedrohungen für unser Bündnis – Russland und den Terrorismus – zu bekämpfen. Ein Plan ist für den Norden und den Atlantik, ein anderer für Mitteleuropa, der sich auf die baltischen und mitteleuropäischen Regionen erstreckt, und ein dritter für die Mittelmeer- und Schwarzmeerregionen“, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz am 7. Juli in Brüssel.

„Diese Pläne [implizieren], dass die NATO 300.000 Soldaten in hoher Bereitschaft einsetzt, einschließlich bedeutender Luft- und Seekampfkräfte“, sagte er.

In der Tat werden sich die zentralen und nördlichen Militärpläne der NATO auf die Konfrontation mit Russland konzentrieren, während der südliche die Ressourcen zwischen dem Kampf gegen Terrorgruppen in Nordafrika und der Konfrontation mit Russland in der Schwarzmeerregion und in Nordafrika aufteilen wird.

Rob Bauer, der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, erklärte seinerseits bei einer geschlossenen Pressekonferenz in Brüssel, dass für jede Region ein anderes NATO-Kommando zuständig sein wird: der Norden und der Atlantik werden von einem Hauptquartier in Norfolk (USA) geleitet, der zentrale Plan wird einem Kommando in Brunssum (Niederlande) zugewiesen, die Mittelmeer- und Schwarzmeerregion wird von einem Hauptquartier in Neapel (Italien) geleitet. Bauer sagte auch, dass die Pläne die Integration von Weltraum- und Computerkräften in die Operationen vorsehen.

Ihm zufolge befinden sich derzeit 40.000 Soldaten, 100 Kampfflugzeuge und 27 Schiffe unter dem Kommando der Allianz in ständiger Bereitschaft. Das bedeutet, dass die Zahl der ständig einsatzbereiten Kräfte um das 7,5-fache erhöht werden soll. „Die Hauptarbeit wird also nach Vilnius beginnen – wir werden die neuen Pläne, die dort beschlossen werden, in die Praxis umsetzen müssen. Und das funktioniert nicht wie ein Schalter, sondern wird Jahre dauern“, sagte er.

Und das werde „große Investitionen der NATO-Länder“ erfordern. Eine weitere wichtige Entscheidung auf dem NATO-Gipfel in Vilnius wird die deutliche Ausweitung der Militärausgaben des Bündnisses sein.

Intermare und Skandinavien
Strategisch hat das Bündnis es vorgezogen, „das Rad nicht neu zu erfinden“, denn die neuen Pläne sehen die Remilitarisierung der Intermare-Zone vor, also des Gebiets zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer. Im Laufe der Jahre wurde dieser Begriff von polnischen, französischen, deutschen und anglo-amerikanischen politischen Eliten mit demselben Ziel verwendet, Russland von Europa zu isolieren und einen „Verteidigungswall gegen die Russen“ zu errichten. Die NATO hatte nach dem Kalten Krieg im Gegenzug für den Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR versprochen, sich nicht auf den Intermare-Raum auszudehnen. Und in der Russland-NATO-Grundakte von 1997 verpflichtete sich das Bündnis, dort keine „bedeutenden militärischen Kräfte“ zu stationieren.

Neu in diesen Plänen wird die arktische Dimension sein. Seit den Siegen Peters des Großen im Großen Nordischen Krieg, die der Hauptgrund dafür waren, dass Schweden ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 1780, auf seine geopolitischen Ambitionen verzichtete und seine ewige Neutralität erklärte, wurde Skandinavien, also das gesamte Gebiet nördlich der Ostsee, als eine Zone der Neutralität und Entspannung betrachtet. Das Gebiet war für keinen führenden Politiker der Welt von Interesse: Fische, Walrosse und Eis…

Mit dem Erscheinen effektiver Technologien für die Erschließung von Offshore-Bodenschätzen unter arktischen Bedingungen und vor allem mit der Erwärmung des Klimas und der Öffnung des Nördlichen Seewegs stieg der Appetit auf Einfluss in dieser Zone drastisch an. Daher musste auch die militärische Macht in die Region projiziert werden.

Die Türkei und Schweden als Geo-Gegner
Das Verständnis der geographischen Gegebenheiten der neuen militärischen Planung der NATO bietet neue Einblicke in den Widerstand der Türkei gegen den Beitritt Schwedens zum Bündnis. Die militärischen Ressourcen der NATO sind aufgrund des Konflikts in der Ukraine derzeit stark eingeschränkt. Die Türkei und Schweden sind die geografisch gegenüberliegenden Punkte des Bündnisses. Die Region vom Baltikum bis Rumänien ist für die NATO kein Thema, denn angesichts ihrer Nähe zur heißen Zone des militärischen Konflikts in der Ukraine wird die NATO alles in Bewegung setzen, was sie kann. Der Mittelmeerraum und die Arktis sind jedoch zweitrangig, was bedeutet, dass sie um Ressourcen der NATO konkurrieren. Indem Ankara den Beitritt eines wichtigen nördlichen Landes zur NATO blockiert, verunsichert es die Bündnisstaaten in Bezug auf die nördliche Region und setzt so Ressourcen für den Süden frei, der von der Türkei dominiert wird.

Egal, wie oft Stoltenberg erklärt, dass Schweden vollständig in die militärischen Pläne des Bündnisses integriert wird, unabhängig davon, ob es bereits Teil des Blocks ist oder noch nicht, wird es beispielsweise bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen eindeutig keine politische Priorität haben. Ankara muss jedoch auch aufpassen, dass es innerhalb der NATO nicht zu einem übermäßigen Ärgernis wird und dürfte daher den USA und den führenden NATO-Staaten Zugeständnisse in Bereichen machen, die keine Priorität haben.

Verteidigung oder Angriff
Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer ist die NATO-Grenze zu Russland und Weißrussland mehr als 2.000 Kilometer lang. Allein die Landgrenze Russlands zu Finnland ist mehr als 1.000 Kilometer lang. Außerdem soll ein Teil der NATO-Kräfte für Aufgaben in Nordafrika eingesetzt werden. Das heißt, unter dem Kommando der Allianz stehen 300.000 Soldaten auf einer Länge von 3.000 Kilometern in ständiger Bereitschaft.

Die NATO beabsichtigt in ihrer Planung, bestimmte Brigaden und Bataillone aus verschiedenen Bündnisstaaten eng an bestimmte Einsatzgebiete an der Ostflanke zu binden. Das heißt, dass zum Beispiel eine deutsche Einheit, die einen Sektor für Kampfhandlungen in Nordpolen zugewiesen bekommen hat, dauerhaft in der BRD stationiert sein wird, wobei sie eine kleine taktische Gruppe nach Polen verlegt und den größten Teil ihrer Ausrüstung und Waffen dauerhaft dort stationiert. Das Personal der gesamten Einheit wird regelmäßig zu Übungen in dieses Gebiet reisen. So werden die 300.000 Soldaten über die gesamte Ostflanke des Bündnisses „verteilt“, einschließlich des Hohen Nordens und des südlichen Mittelmeerraums, und sie sollen nicht in einer schlagkräftigen Faust auf einem schmalen Abschnitt der Front versammelt werden. Der Ukraine-Konflikt hat deutlich gezeigt, dass eine Truppe von 100.000 Mann auf einer fast 1.000 km langen Grenze für eine vollwertige Offensive gegen einen vergleichbaren Gegner nicht ausreicht.

Aber diese 300.000 Mann starke einsatzbereite Truppe entspricht nicht einmal annähernd den gesamten Ressourcen der NATO. Das sind die Kräfte, die in der ersten Phase eines Konflikts zusätzlich zu den Armeen der Bündnisstaaten, die sich bereits in Grenznähe zu Russland befinden, eingesetzt werden sollen. So gab es in Polen laut offenen Daten im Jahr 2022 125. 500 Soldaten und 35.000 Kämpfer der Territorialverteidigung. In Finnland beläuft sich die Zahl der Berufssoldaten und Wehrpflichtigen auf 35.000, zuzüglich der Mobilisierungsreserve von 700.000… In Rumänien sind es 36.000 Personen.

Doch das ist noch nicht alles. Die USA haben bereits mehr als 10.000 Militärangehörige auf bilateraler Basis allein nach Polen entsandt, die nicht zu den NATO-Kontingenten gehören, und sie stellen in Polen Waffen und Ausrüstung für die rasche Verlegung von Zehntausenden weiterer Soldaten nach Polen bereit.

Aber auch das ist noch nicht alles. Eine der Hauptprioritäten des Bündnisses in den letzten Jahren war der Ausbau seiner militärischen Transportinfrastruktur mit dem einzigen Ziel, so schnell wie möglich Verstärkung aus dem Westen (einschließlich der großen Häfen an der Atlantikküste, wo Transporte aus den USA, Kanada und anderen verbündeten Ländern ankommen können) nach Osteuropa zu bringen.

Bei der kleinen Truppe von 300.000 Mann, von der die NATO-Führung spricht, handelt es sich also nicht einmal um eine erste Einheit, sondern buchstäblich um das Vorauskommando für den ersten Kontakt. Die NATO arbeitet derzeit daran, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie in einem möglichen Konflikt ihre gesamten militärischen Fähigkeiten einsetzen kann. Das Bündnis plant nicht nur einen Verteidigungsschwerpunkt, sondern die NATO-Zentrale hat mit der Planung für einen globalen Konflikt mit Russland begonnen. In diesem Ausmaß ist die Frage, ob sich das Bündnis auf eine Verteidigung oder einen Angriff vorbereitet, im Grunde sinnlos. Die beste Verteidigung ist ein Präventivschlag. Im Moment natürlich nur auf der Planungsebene.

Ist die Kapazität realistisch?
Theoretisch liegt die verfügbare kombinierte Kapazität der NATO-Bodentruppen im Jahr 2022 bei über vier Millionen Mann. Das ist jedoch eine sehr willkürliche Zahl. Wenn man von einem globalen Konflikt ausgeht, muss einerseits die Mobilisierungskapazität berücksichtigt werden, und zwar nicht nur die personelle, sondern auch die organisatorische und militärtechnische (wie soll man sich versammeln, wo soll man ausbilden, was soll man bewaffnen, wer wird das Kommando haben). Andererseits bleibt auch die Frage der Kampfbereitschaft der vorhandenen vier Millionen Militärangehörigen offen, wenn man den Zustand der Ausrüstung und die Verbringung erheblicher Mengen davon in die Ukraine, die Munitionsbestände etc. berücksichtigt. Es gibt eine dritte Partei – die Luft- und Seestreitkräfte des Bündnisses, die im Falle eines globalen Konflikts entscheidend sein werden.

Natürlich denkt das Bündnis auch an die Atomstreitkräfte. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Staats- und Regierungschefs der NATO in allen öffentlichen Erklärungen zu ihren künftigen militärischen Plänen dieses Thema sorgfältig vermeiden. Insgesamt hat die Ukraine der NATO in der Praxis gezeigt, dass ein langwieriger Konflikt mit einer Atommacht mit nichtnuklearen Mitteln theoretisch möglich ist. Und wenn das der Fall ist, müssen die erforderlichen Pläne vorhanden sein.

Die ukrainische Offensive
Die ukrainische Sommeroffensive hat eine Bedeutung für die NATO, die weit über den aktuellen Ukraine-Konflikt hinausgeht. Sie soll ein Test für die Ausrüstung, die Taktik und die Organisation von Kampfeinsätzen der Allianz gegen den Hauptgegner der NATO sein.

Die Ergebnisse sind derzeit so entmutigend, dass sie bei den Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder und den Militärplanern des Bündnisses auf dem Gipfel in Vilnius ernsthafte Fragen aufwerfen können, inwieweit die militärischen Strukturen der NATO-Hauptquartiere überhaupt einsatzfähig sind. Diese Fragen wurden jedoch bereits beantwortet. Die Misserfolge der ukrainischen Streitkräfte werden höchstwahrscheinlich auf ihren niedrigen Ausbildungsstand und das Fehlen einer ernsthaften Luftunterstützung zurückgeführt werden.

Vor dem Gipfel erklärte ein Militärexperte in Brüssel gegenüber der TASS unter der Bedingung der Anonymität, dass „Kiew nicht über den wichtigsten Trumpf der NATO verfügt – mächtige Luft- und Seeeinheiten, die eine Schlüsselrolle in der militärischen Planung der Allianz spielen“. „Parallel zur Offensive der ukrainischen Armee fand in Europa jedoch das größte Luftmanöver der letzten 30 Jahre, Air Defender 2023, statt (vom 12. bis 23. Juni – Anmerkung TASS), an dem bis zu 300 verschiedene Flugzeuge teilnahmen. Geübt wurden groß angelegte militärische Luftoperationen gegen einen technologisch fortgeschrittenen Feind. So wurde die Luftkomponente von den NATO-Militärs synchron mit der Gegenoffensive in der Ukraine getestet, aber nicht im Kampfmodus, sondern im Trainingsmodus“, so der Experte weiter.

Auf diese Weise können die NATO-Militärs versuchen, reale Kampferfahrungen der Streitkräfte und Simulationen der Luftkriegsführung im Rahmen der Ausarbeitung ihrer militärischen Pläne zu kombinieren und den Politikern deren Fähigkeiten beweisen.

Kriegshysterie
Die neuen globalen Militärpläne der Allianz erfordern die Aufrüstung der europäischen Armeen, die Militarisierung der Wirtschaft, um die Ausrüstungs- und Munitionsbestände wieder aufzubauen, die Aufstockung der Verteidigungshaushalte und den umfassenden Einsatz von Luft- und Seekapazitäten, die sich in den Händen der USA befinden. Die Angst vor einem nuklearen Konflikt wiederum führt dazu, dass ein wirksamer nuklearer Schutzschirm benötigt wird. All diese Faktoren haben ein Ziel: Europa so fest wie möglich an die USA zu binden. Die wirtschaftliche Schwächung Europas, dessen begrenzte Ressourcen zunehmend für militärische Zwecke eingesetzt werden, ist auch für die USA äußerst vorteilhaft, da sie viele direkte Konkurrenten der amerikanischen Industrie auf der Weltbühne schwächt und die Fähigkeit Europas, mit den USA um Ressourcen zu konkurrieren, verringert.

Mit anderen Worten: Die Allianz setzt darauf, eine mehrjährige militärische Konfrontation in Europa aufrechtzuerhalten, ohne dass es zu einem umfassenden militärischen Konflikt kommt. Wie Admiral Bauer sagte, wird die Verwirklichung der militärischen Pläne der NATO „jahrelange Arbeit erfordern“. Das heißt, es geht um den systematischen Aufbau einer Vorkriegsmentalität in der Alten Welt, die sich auf alles auswirken wird, von der Wirtschaft bis zu den Medien.

Ein direkter Krieg mit Russland ist sehr gefährlich. Brüssel ist sich dessen wohl bewusst und wird ihn wahrscheinlich aktiv vermeiden, indem es den Grad der Eskalation sorgfältig abwägt. Aber die Entwicklung einer langfristigen militärischen Mentalität und der Kampf gegen einen gemeinsamen Feind sind ein vielversprechender Weg, um die Kontrolle der USA über ihre Verbündeten zu erhöhen.

Ende der Übersetzung


Montag, 10. Juli 2023

NATO-Gipfel wird ein Flop - Rainer Rupp, Freidenker

 Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=16547

Top-US-Militärexperte: NATO-Gipfel in Vilnius wird ein Flop

Waffenlieferungen
Hinter der Kulisse der ideologisierten Ukraine-Politik des Biden-Clans wächst der Widerstand. Zunehmend gehen Schwergewichte des US-außenpolitischen Establishments öffentlich auf Gegenkurs, weil sie realistisch einschätzen, dass Biden mit seiner Politik nicht Russland, sondern die NATO und die USA ruiniert.

Von Rainer Rupp

Da der NATO-Gipfel in Vilnius, der Hauptstadt des antirussischen Giftzwergstaates Litauen, bereits am kommenden Montag in Anwesenheit des US-Präsidenten Biden beginnt, wollen wir hier analysieren, welche Bedenken eine Persönlichkeit wie Dr. Stephen Bryen, mit über 50 Jahren Erfahrung in US-sicherheitspolitischem Establishment, dazu treiben, in der in ganz Asien gelesenen Zeitung Asia Times einen viel beachteten Artikel zu veröffentlichen, in dem er erwartet, dass der NATO-Gipfel in Vilnius „ein Reinfall“ wird.

Der Autor, Dr. Bryen, hat den Artikel in seiner Funktion als „Senior Fellow“ des Washingtoner „Center for Security Policy“ (Zentrum für Sicherheitspolitik) geschrieben. Er ist nicht irgendein Schreiberling der westlichen System-Medien, sondern er kann auf eine lange Liste von Top-Positionen im Pentagon, in der Regierung, im US-Senat und in der Rüstungsindustrie verweisen. Näheres dazu in der Fußnote.

Laut Dr. Bryen wird das Hauptthema in Vilnius die Ukraine sein und wie es weitergehen soll. Dabei drängt die Ukraine entweder auf eine sofortige NATO-Mitgliedschaft oder auf verlässliche Sicherheitsgarantien der NATO. Die Position der Ukraine wird jedoch durch das Scheitern der Gegenoffensive gegen Russland und das Scheitern ihrer Versuche untergraben, mit Hilfe von durch Sabotage-Akten, gezielten Ermordungen bekannter Persönlichkeiten und tödlichen Drohnenangriffen, die auf den Kreml gerichtet waren, die Regierung von Präsident Wladimir Putin zu destabilisieren. Jetzt sagt die Ukraine, sie brauche die NATO-Luftwaffe, um ihren Krieg gewinnen zu können. Wörtlich heißt es:

„Es wird sehr schwierig sein, einen NATO-Konsens über den vor uns liegenden Weg zu erzielen, ganz gleich, wie sehr Washington seinen europäischen Partnern die Arme auf den Rücken dreht.“

Dr. Bryen spricht dann offen aus, was sonst von unseren „Qualitätsmedien“ verharmlost oder übertüncht wird, dass nämlich Europa infolge der Covid-Katastrophe und der Sanktionen gegen russische Energie bereits in einer Rezession ist und mit wachsender Arbeitslosigkeit und sozialen Spannungen infolge der jüngsten Einwanderungswelle gestresst ist. Das Ergebnis all dessen sind soziale Unruhen in ganz Europa. Frankreich erlebe bereits eine ernsthafte Revolte, und obwohl sich die Situation dort in den letzten Tagen entspannt habe, seien die Probleme nicht behoben.

Auch die Situation in Deutschland sieht er kritisch. Die deutsche Regierungskoalition verliere stetig an Unterstützung in der Bevölkerung und die AfD … ist jetzt die zweitbeliebteste Partei im Land. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Koalitionspartner wüssten nicht, was sie tun sollen, und sie könnten versucht sein, als letzten Ausweg die AfD zu verbieten.

Auch Italien sei noch lange nicht aus dem Schlamassel heraus. Das Land hat eine konservative Führung, werde aber von beispiellosen Einwanderungswellen aus dem Nahen Osten heimgesucht.

Europa habe kein Geld und keine Munition mehr. Die Europäer seien nicht in der Stimmung, der Ukraine einen Blankoscheck auszustellen oder einen größeren Krieg zu riskieren, der sich auf Europa ausweiten könnte. Präsident Biden werde es schwer haben, den Europäern noch mehr Zugeständnisse abzupressen.

Zugleich wisse Biden genau, dass er die US-Streitkräfte ohne Luftwaffenstützpunkte und Nachschubzentren in Europa, insbesondere die Luftwaffe, nicht unilateral (d. h. ohne Zustimmung der Europäer) einsetzen kann. Im Moment habe Washington freie Hand in Europa, weil US-Kampfflugzeuge keine russischen Stellungen in der Ukraine bombardieren. Eine direkte Einmischung von US-Kampfflugzeugen, eine Bombardierung russischer Einheiten in der Ukraine, würde laut Dr. Bryen „jedoch eine starke europäische Reaktion hervorrufen und das Ende der NATO bedeuten“.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat Washington unter Druck gesetzt, fortschrittliche Kampfflugzeuge zu liefern, und erklärt, die Luftwaffe würde es der Ukraine ermöglichen, zu gewinnen. Aber der einzige praktische Weg, um dies im nächsten Jahr zu erreichen, besteht darin, von Stützpunkten außerhalb der Ukraine aus mit US-amerikanischen und möglicherweise anderen NATO-Flugzeugen zu operieren. Die Folge wäre laut Dr. Bryen:

„Dies würde sicherlich einen Krieg in Europa bedeuten, und die derzeit amtierenden Regierungen in Europa müssten entweder Nein sagen oder mit Gewalt abgesetzt werden. Es handelt sich also um ein unwahrscheinliches, wenn auch höchst gefährliches Szenario.“

Dann wendet sich der Autor dem ukrainischen Drang in die NATO zu und schreibt:

„Washington hat (der Ukraine) bereits signalisiert, dass es seine NATO-Partner nicht von einer ukrainischen Mitgliedschaft überzeugen konnte. Daher ist es wahrscheinlich, dass Washington hinter den Kulissen versucht, eine Art Sicherheitsgarantie für die Ukraine zu schaffen, aber jede sinnvolle Garantie für die Ukraine ist wahrscheinlich bereits eine zu lange Brücke.“

Von Russland erwartet Dr. Bryen, dass in der dortigen Bevölkerung der Druck wächst, bald einen militärischen Sieg über die Ukraine zu erringen. Die Stellung gegen die aktuelle ukrainische Gegenoffensive zu halten werde von den Russen nicht wirklich als Sieg ihres Militärs angesehen. Es sei daher zu erwarten, „dass die russische Armee, sobald sich die ukrainischen Verluste in den kommenden Wochen hoch genug werden, dramatische Offensivschritte gegen die Ukraine unternehmen wird“.

Ein Teil der westlichen Grundlage für die ukrainische Offensive war die Hoffnung, mit der Einführung moderner westlicher Technologie auf dem Schlachtfeld, die insbesondere durch das Erscheinen der Leopard-Panzer symbolisiert wurde, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Zum Leidwesen der NATO hätten die Leopard-Panzer die Lage in der Ukraine nicht gerettet.

Bisher seien zwischen 16 und 20 Leoparden auf dem Schlachtfeld ausgeschaltet worden, zusammen mit vielen anderen von der NATO gelieferten Panzern, darunter Schützenpanzer wie der US-amerikanische Bradley und Minenräumsysteme wie der finnische Leopard 2R HMBV und der deutsche Wisent 1.

Und jetzt wird der Artikel von Dr. Bryen richtig interessant, denn er verweist darauf, dass der Leopard 2a und der US-amerikanische Kampfpanzer Abrams das panzernde Rückgrat der NATO-Landverteidigung bilden. Während die USA und ihre Verbündeten über eine – wie er glaubt – überlegene Luftwaffe verfügen, „verfügen sie über eine spärliche und unzureichende Luftverteidigung im Vergleich zu dem, was Russland ins Feld führen kann. Das bedeutet, dass die NATO-Landverteidigung nicht nur den russischen Kampfhubschraubern standhalten muss, die sich neben Artillerie, Raketen, Killer-Drohnen und luftgestützten Minen als Panzer-Killer bewährt haben“.

Das Scheitern des Leoparden bzw. der westlichen Panzertechnologie in der Ukraine stelle daher „eine große Herausforderung für die NATO dar und signalisiert, dass die derzeitige „Stolperdraht“-Strategie der NATO möglicherweise nicht funktioniert“. Laut Dr. Bryen besagt das Stolperdraht-Paradigma wie folgt:

„Es ist die Idee, dass ein erster russischer Angriff (höchstwahrscheinlich in den baltischen Staaten, da die russischen Streitkräfte sehr nahe an Estland und Lettland liegen) einige Tage lang aufgehalten werden kann, während die USA Truppen mit schweren Waffen nach Europa schicken. Aber wenn der Stolperdraht illusorisch ist, dann ist die NATO im Falle eines Angriffs schnellen russischen Vorstößen in Europa ausgesetzt.“

Aus all dem zieht Dr. Bryen eine bestechend nüchterne Analyse, die von den „die-Ukraine -muss-gewinnen-Schreihälsen“ auch hierzulande sicherlich als Verrat bezeichnet werden wird. Aber daran führt kein Weg vorbei:

„Die Quintessenz ist, dass die Strategie der NATO überarbeitet werden muss oder dass alternativ die Europäer und Russen eine für beide Seiten akzeptable Sicherheitsvereinbarung ausarbeiten müssen. Es ist genau eine solche Vereinbarung, die Russland der NATO im Dezember 2021 vorgeschlagen hat. Sie wurde aber ohne Diskussion (vom Westen) abgelehnt.“

Jetzt ist im Westen der Munitionsschrank leer, sogar in den Vereinigten Staaten. Die Russen haben schnell gelernt, wie sie fortgeschrittene westliche Waffensysteme neutralisieren können, was sich negativ auf die Sicherheit der NATO auswirkt. Es könne keinen schlechteren Zeitpunkt geben, die Sicherheit Europas aufs Spiel zu setzen, wenn man nicht der Lage ist, einen russischen Angriff zu stoppen:

„Es mag für britische Politiker leicht sein zu schreien, dass sie wollen, dass die NATO in der Ukraine kämpft, denn es ist wahrscheinlich nicht London, das das erste Ziel der russischen Raketen wäre. Schneller als erwartet treten Risse im Bündnis auf, und Europas schwache Regierungen sind in Schwierigkeiten.“

Es wird interessant sein zu sehen, wie sich Vilnius entwickelt. Es wird sicherlich eine propagandistische Show, aber es besteht eine gute Chance, dass Vilnius ein Flop wird.

Dr. Stephen Bryen verfügt über 50 Jahre Erfahrung in Behörden und Industrie. Er diente als leitender Stabsdirektor des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats, als Exekutivdirektor einer politischen Basisorganisation, als Leiter des Jewish Institute for National Security Affairs, als stellvertretender Unterstaatssekretär der Verteidigung für Handelssicherheitspolitik, als Gründer und erster Direktor der Defense Technology Security Administration sowie als Präsident von Finmeccanica North.

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes