"Der Crash ist die Lösung"
von Matthias Weik & Marc Friedrich
Elende Hunde
Buchtipp von Harry Popow
So freudig laut hört man „hungrige Hunde“ selten jaulen: Aus einem Buch der Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich mit dem Titel „Der Crash ist die Lösung. Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“ lesen Sie bei oberflächlicher Betrachtung eine tolle Nachricht für sich heraus. Dass nämlich die „Hundegesellschaft“ im Geld schwimmt, denn „das Geldvermögen der privaten Haushalte war 2013 auf über 5 Billionen Euro angewachsen.“ Anfang 2014 seien es bereits 6,3 Billionen gewesen.
So freudig laut hört man „hungrige Hunde“ selten jaulen: Aus einem Buch der Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich mit dem Titel „Der Crash ist die Lösung. Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“ lesen Sie bei oberflächlicher Betrachtung eine tolle Nachricht für sich heraus. Dass nämlich die „Hundegesellschaft“ im Geld schwimmt, denn „das Geldvermögen der privaten Haushalte war 2013 auf über 5 Billionen Euro angewachsen.“ Anfang 2014 seien es bereits 6,3 Billionen gewesen.
Mit einem Wort, jeder „Hund“ ab 17 Jahren müßte theoretisch 83
000 Euro auf der hohen Kante haben. (S. 92) Der anfängliche Jubel
der Unbedarften, der schlichten Gemüter, der Langsamdenker oder
Gar-Nicht-Denker – sonst wohl gutmütige Haustiere – nur von
etwas beschränkter Urteilskraft, verfliegt ebenso schnell, wenn sie
mitkriegen, dass reiche Deutsche – die Milliardäre und
Super-Millionäre noch gar nicht mitgezählt – 800 000 Euro pro
Kopf besitzen. Und nicht zu fassen: „Die Anzahl der
Milliardenvermögen in Deutschland hat im Jahr 2013 mit 135
Milliardären einen neuen Höchststand erreicht.“ (S. 93) Die armen
Hunde haben dagegen in ihrem Unterschlupf „höchstens ein
Sparschwein“ stehen. Sie schweigen betreten, denn die schmerzliche
ungerechte Vermögensverteilung juckt im Grunde genommen keinen
„kalten Hund“. Ja, laut einer Umfrage durch Infratest-dimap sind
80 Prozent der Befragten mit der politischen Lage in der BRD `sehr`
oder `eher` zufrieden.“ (siehe junge welt vom 30. April/1. Mai
2014)
Während ein Teil der „armen Hunde“
mutlos den Kopf schüttelt, gibt sich ein kleinerer Teil nicht damit
zufrieden. Man will mehr wissen, was hinter diesen sehr
unterschiedlich großen „Fressnäpfen“ steckt, wie sie zustande
kommen, wo die Ursachen liegen und welche Alternativen es gibt.
Freudestrahlend lesen sie im gründlich recherchierten 378 Seiten
umfassendem Werk „Der Crash“, dass die zwei Ökonomen knallharte
Fakten sprechen lassen, dass sie zu einem Sinneswandel beitragen
wollen, sowohl bei den Entscheidungsträgern in der Finanzwirtschaft
als auch bei den Bankkunden. Jeder Einzelne sei mitverantwortlich,
„dass das System wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Dass
das Geld wieder den Menschen dient, und nicht die Menschen dem Geld.“
(S. 23)
Natürlich wissen die meisten armen
Schlucker, dass seit Herbst 2008 Krisen unsere ständigen Begleiter
sind: die Immobilienkrise, die Finanz- und die Bankenkrise, die
Staatsschuldenkrise, die Eurokrise. Sowie die Krisen und
Pleitegefahren in Irland, Griechenland, Spanien, Zypern, Italien. (S.
11) Auf den Seiten 185 bis 201 nehmen die Autoren ebenso die USA,
China und Japan unter die ökonomische Lupe. Sie werden als globale
Krisenmotoren bezeichnet. Dabei würden die Rettungspakete immer
teurer und fragwürdiger, begleitet von einer beispiellosen „Serie
von Vertragsbrüchen, Lug und Betrug.“ (S. 11) Ratlos schütteln
die sehr wenig Bemittelten am Rande der Gesellschaft die Köpfe,
zumal, wie die Autoren schreiben, seit Sommer 2012 „die Politik,
Hand in Hand mit der Finanzbranche und den Notenbanken, lediglich die
Symptome der Krankheit bekämpft“. Die wahren Ursachen der Krise
seien aber nicht in Angriff genommen worden. (S. 12)
So ist es nicht verwunderlich, dass wir
alle, nachzulesen auf der Seite 14, durch die Notenbanken enteignet
werden, dass die Verzinsung von Ersparnissen fast unterhalb der
Inflationsrate liegt, dass billiges Geld verzweifelt in der Welt nach
Anlagemöglichkeiten sucht, dass immer größere Spekulationsblasen
entstehen, dass die Welt in Schulden versinkt, „dass sich die
Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet...“ Wachstum sei
auf Treibsand gebaut (S. 15), ohnehin sei dieser ohne nachhaltige
Binnennachfrage undenkbar. (S. 129) Auch verweisen die Autoren auf
die begrenzten Ressourcen auf unserem Planeten. Ab der Seite 30
vergleichen die Autoren das Geschäftsgebaren einiger Finanzkonzerne
mit kriminellen Organisationen und fügen zwanzig interessante Fakten
hinzu. Daraus insgesamt schlussfolgern die Autoren, der Knall werde
kommen, der Abgrund, der Zusammenbruch des Finanzsystems, der Crash.
Mahnend schreiben sie auf Seite 317: „Doch wenn die Menschen erst
begreifen, dass ihr Geld und auch ihre Rente zum großen Teil weg
sind, wird man … bürgerkriegsähnliche Zustände und Revolutionen
nirgendwo mehr ausschließen können. Der Zorn wird unbeschreiblich
sein.“ (S. 317)
Beispiele, so viele auch genannt
werden, sind allerdings nur Belege, sie führen nicht direkt zu neuen
Erkenntnissen. So fragen sich die „elenden Hunde“ ernsthaft, wo
denn die eigentlichen tieferen Ursachen der Gesellschaftskrise
liegen, denn nur aus diesen Erkenntnissen lassen sich Lösungen und
echte Alternativen finden sowie eigenes Tun und Lassen.
Und an dieser Stelle zeigt sich –
trotz der mühevollen Recherchen und der reichen Faktensammlung –
eine gewisse Ratlosigkeit bei den beiden Ökonomen. Mehrfach
verwenden sie das Wort Gier. Gier, die dazu antreibt, immer mehr
Kapital zu akkumulieren, immer mehr Gewinn zu machen. Wäre es nur
die menschliche Gier, dann würde wohl ein Appell an die Vernunft
reichen, vielleicht verbunden mit ernsthaften Ermahnungen. Doch
seitdem es Kapitalismus gibt, sind gebetsmühlenartige Beschwörungen
für die Katz, wer wüsste das nicht. Zwar schreiben die Autoren auf
Seite 79 von „Profitmaximierung um jeden Preis“ und auf der Seite
304 nennen sie die Minimaldefinition von „Kapitalismus“ als
„Eigentum an den Produktionsmitteln“ und das Verfügungsrecht
über Kapitalverwendung grundsätzlich als privat. Man könne somit
den Kapitalismus nicht mehr als „freie Marktwirtschaft“
bezeichnen. (S. 304) Einige Zeilen weiter meinen die beiden Ökonomen,
„unsere Götter heißen Kredit und Konsum“.
Dass das Privateigentum an
Produktionsmitteln die heiligste aller Kühe ist, wird niemand
bestreiten, gerade deshalb ist es ein bloßer Wunschtraum, jeder
Einzelne solle bereit sein, „Gier und Bequemlichkeit zu zügeln“,
um so „unseren Teil zum dringend nötigen Wandel“ beizutragen!!
Das ist gelinde gesagt eine große Illusion. Mit reiner Vernunft ist
dem Kapitalismus nicht beizukommen. Nur Bankenschelte und verkürzte
Kapitalismuskritik verschleiern die wahren Ursachen der Krise.
Vielleicht zweifeln die Autoren selbst an ihren Lösungswegen – die
seitenlang durch Tipps, wie man sein eigenes Vermögen retten kann –
belegt werden sollen. Sie befürchten nämlich, dass „das
notwendige Umdenken nicht freiwillig stattfinden, sondern durch ein
katastrophales Ereignis erzwungen wird“. (S. 305) Zu begrüßen ist
die Feststellung, die Krise sei nur zu bewältigen durch einen
tiefgreifenden Struktur- und Gesellschaftswandel. Und schon
präsentieren sie kleinlaut nur halbtaugliche Lösungswege, indem sie
zu mehr Bildung und Erziehung, Mündigkeit, Werte, Moral und Ethik,
Demut und Dankbarkeit, Liebe und Vertrauen aufrufen.
Die nach wie vor durch das Lesen dieses
Buches nicht sehr schlauer gewordenen „armen Hunde“ fühlen sich
in die Kirche versetzt, um zu beten. Sie bleiben, was sie sind unter
diesen Umständen: Arme Schweine, denn welches Vermögen sollen sie
denn retten können? So bleibt vorerst nur übrig, sich leider –
Ironie der Geschichte – auf Friedrich den Großen zu besinnen, der
der Legende nach einst ausrief: „Hunde, wollt ihr ewig leben?“
Anzuraten ist jedem politisch
interessierten Leser diese Lektüre auf jeden Fall. Ist sie doch in
ökonomischer und politischer Hinsicht eine Bereicherung für eine
realistische Gesellschaftsanalyse, vorausgesetzt, er scheut nicht vor
einem kritischen Blick auf das vorliegende Buch „Crash“ zurück.
(PK)
Erstveröffentlichung der Rezension
in der Neuen Rheinischen Zeitung
Mehr über den Rezensenten:
http://cleo-schreiber.blogspot.com
Online-Flyer Nr. 460 vom
28.05.2014