Donnerstag, 28. Februar 2019

Lotti-Kommentar zu Geist oder Materie


GEIST ÜBER MATERIE? WOHL KAUM!

User Lotti, Mitautorin des Buches "EISZEIT-BLÜTEN", kommentiert den Beitrag „AUSBRUCH AUS DER TRANCE“ - von Harry Popow 


Hallo User Harry, im Betreff habe ich meine Antwort gegeben: WOHL KAUM: Ich möchte sie etwas ausbauen. Der Mensch als "Zoon Politikon" seit dem Altertum so bezeichnet, hat mit der Menschwerdung gelernt, sich seine Lebensverhältnisse selbst zu gestalten, ja, wenn er ein solcher bleiben wollte, selbst gestalten müssen. So gibt es seit dem langen Prozess der Menschwerdung immer wieder die Frage nach dem Primat Geist oder Materie. Sie spielt eine große Rolle in der Lebensbewältigung der Menschen zu allen Zeiten, nämlich kann der Geist beherrschen, was das materielle Leben vorgibt? Auf der Suche nach Antworten, bzw. Erklärungen der Lebensphänomene musste der Mensch immer wieder auf Erklärungskrücken zurückgreifen, weil er viel Geschehen in seinem Leben nicht erklären konnte oder diesem nicht begegnen konnte. So schuf er sich als Erklärungshilfe die Naturgötter, dann die Götter im Himmel und bezog sie in sein Wirken oder Versagen mit ein.

Eigentlich zog sich diese Frage durch die ersten Jahrtausende mit der Hilfskrücke göttlicher Geister hin, Descartes konnte noch im Mittelalter behaupten: "Ich denke, also bin ich ". Wissenschaftler des Mittelalters wurden mit dem Scheiterhaufen bedroht oder umgebracht, Hexen verbrannt. Aber wer glaubt heute noch, dass die Erde eine Scheibe ist? Es gab "Mystiker", Christen, Mohamedaner et cetera. Und hier gab es die erste verhängnisvolle Entwicklung, die Menschen, Menschengruppen die sich in den entwickelnden ökonomischen Strukturen Macht verschaffen, erhalten oder stärken wollten, nutzten die Unfähigkeit der Menschen, Materielles einzuordnen, durch die Betonung des "Übersinnlichen" aus, um ihre Ansprüche zu erhalten und auch mit dem Vehikel der Göttlichkeit zu legitimieren. Mit zunehmender Erkenntnis der natürlichen Gesetze, zu allererst aber auch der des menschlichen Zusammenlebens, der Gesetze der Physik, Chemie, Biologie, im letzten Jahrhundert der Atomwissenschaften - und technik wurden die Übernatürlichen, die das menschliche Leben bestimmen wollen, zurückgedrängt. Viele geistige Strömungen sind schon kaputtgegangen, Seni, Hannussen, Wunderheiler, Anthroposohpen sind schon fast von der Bühne verschwunden.
Jetzt erlebt man die Zerrüttung der katholischen Kirche, deren Macht immer mehr schwindet, je weniger die Menschen die Augen gen Himmel richten. Das ist das eine, die Ökonomisierung und Versachlichung der zu beschreibenden Phänomene schreitet voran, aber gebiert aus sich heraus wieder Widersprüche, Unvereinbarkeiten und Unbegreifliches.

Die Menschen suchen heute wie vor 3000 Jahren ihre Lebensverhältnisse zu gestalten. Nun geschieht etwas, was wir aus der menschlichen Entwicklung her kennen, bei der krassen Verschärfung der Widersprüche in der menschlichen Gesellschaft braucht der denkende Mensch wieder Krücken. So, wie wir aus den schlimmsten Kriegszeiten die Macht und das Ansehen der Kartenschlägerinnen kennen, werden jetzt wieder Gedanken entwickelt, die Krückenstatus haben. Deshalb soll der Geist jetzt über die Materie gestellt werden, damit die Menschen sich zurechtfinden in den gegenwärtigen Machtverhältnissen, diese akzeptieren, damit die gefährlichen Drahtzieher im Hintergrund das Volk noch besser manipulieren können. Und da sind die Forderungen nach der allseitigen Liebe das Beste was der herrschenden gesellschaftlichen Ideologie passieren kann. Diese Theorien haben die Funktion des Weihrauchs der katholischen Kirche. Aber, und das ist auch wieder zu bedenken, solche Gedanken machen sich keine dummen Menschen, man muss ihren Willen, sich zurechtzufinden, akzeptieren, aber nicht die von der menschlichen Entwicklung in vielen Fällen überholten und missbrauchten Gesellschaftstheorien. Die bringen die Menschen nicht weiter, sie halten sie auf. Ich kann meine Gedanken zum Problem nur anreißen. Sollte ich bald wieder einmal Luft holen kann, wäre es auch nötig, zu den pseudowissenschaftlichen Verkleisterungen im Buch etwas zu sagen, z.B. ist die Epigenik ein Teil der biologischen WISSENSCHAFTEN. Synapsen, Mitochondrien sind das Eine - materielle Abläufe! Gehirnwellen habe ich in noch keinem Biologieunterricht erklärt bekommen, wo sollten sie stecken, wie spür- und sichtbar gemacht werden? Und so fort...

Ich gebe Dir voll Recht, Du hast eine gute und tiefgehende Buchbesprechung erarbeitet, aber nicht alle unsere Nachkommen können uns akzeptieren, sind wir doch Kinder eines vorläufig verschwundenen Systems. Viele Grüße!

Dienstag, 26. Februar 2019

Träumender Trommler (3)


SOLDATEN FÜR DEN FRIEDEN (Teil drei)


Leseprobe aus „AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder“ anlässlich des 63. Jahrestages der Gründung der Nationalen Volksarmee am 1. März 1956 und des 70. Jahrestages der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949

Der Autor wurde 1936 in Berlin-Tegel geboren, wuchs in der DDR auf, arbeitete als Militärjournalist im Dienstgrad Oberstleutnant in der NVA und betätigt sich heute als Blogger, Buchrezensent und Autor. Er ist seit 1961 glücklich verheiratet.

Träumender Trommler
Tamara arbeitet inzwischen als Personalchefin beim 2. Gleisbau, eine wichtige Strecke für die WISMUT von Johanngeorgenstadt nach Aue im Erzgebirge. Henry und seine Geschwister werden von Tante Lotte versorgt. Mit ihr fahren sie im Sommer 1949 nach Rathen im Elbsandsteingebirge. Sie wohnen in der romantischen Burgruine Rathen, direkt über der Elbe. In der Burg ist ein Hotel untergebracht. Früher gehörte sie einem Schweizer Bankier, so ist zu erfahren. Später wird sich eine Sparkasse aus Berlin die „Ruine“ als Ferienheim einrichten. In Erinnerung bleiben die Wanderungen zum Amselsee und zur Bastei, in der Felsenbühne Rathen begeistert sie die Operette „Schwarzwaldmädel“. Die Burgkost ist schmal, deshalb holen sie beim Fleischer für fünfzig Pfennige heiße Knochenbrühe, denn der Hunger ist noch ein ständiger Begleiter. Henry zeichnet eine Skizze von der Burg. Außerdem will er „wissenschaftlich“ arbeiten, so beobachtet er mit seinem einrohrigen Fernglas, das er von seinem Papa hat, die täglichen Wolkenbewegungen und notiert`s in einem Heftchen. Er fühlt sich wohl. Schliesslich ist eine Karte an Mama fällig: Ich schreibe Dir den ersten Gruß aus Kurort Rathen. Sei bitte nicht traurig, daß ich solange nicht geschrieben habe. Eben kommen wir von einem Spaziergang zurück. Es geht uns hier sehr gut. Ich freue mich sehr über die herrliche Gegend. Gestern waren wir trotz schlechtem Wetter mit Eberhardt zum Felsen ‚Talwächter‘. Mama, ich bin wirklich schreibfaul. Herzliche Küsse von Deinem Henry.

Zurück nach Berlin-Friedrichshagen. In der Bölschestraße, der Hauptstraße, wird ein Jugendklub gegründet. Der gehört der neuen Pionierorganisation. Dort trifft man sich und bekommt auch blaue Halstücher. Henry will auch mitmachen. Er geht einfach hin. Der soeben gegründete Fanfarenzug zieht ihn an, vor allem das Trommeln. Man übt oft. Erst im Keller des Klubs, dann auf der Straße, wo viele interessiert zusehen. Das gefällt Henry. Und dann heißt es: „Wir bereiten uns auf eine große Sache vor ...“

Nach der Schule wird tüchtig geprobt. Fast jeden Abend. Dann ist es soweit. Ein neuer Staat wurde am 7. Oktober 1949 gegründet – die DDR! Der Fanfarenzug trifft sich am 11. Oktober mit Tausenden anderen im Lustgarten. Fackeln, Fanfaren, Menschen über Menschen. Und alle fröhlich und voller Erwartung. Extra für diesen Anlass wurden viele kleine Bäumchen am Rande des Platzes gepflanzt. Dieser historische Abend war ein unauslöschliches Erlebnis. Wenige Tage danach bekommt auch Henry sein blaues Halstuch. In der Pioniergruppe geht es lebendiger zu als in der Schule. Da gibt es Bücherabende, man übt sich im Laienspiel, man lernt Lieder wie „Du hast ja ein Ziel vor den Augen“, „Dem Morgenrot entgegen“ und „Dunja unser Blümelein ...“ Er fühlt sich wohl, ist mittenmang. „Disziplin Pioniere!“, ermahnt oft der Gruppenleiter. Neue Worte für die Schüler. Langsam nisten sie sich ein in den Köpfen. Im Kino von Karlshorst besuchen die „Jungen Pioniere“ eine Veranstaltung mit Erich Weinert. Wer das ist? Der Gruppenleiter erklärt, es ist ein Schriftsteller, der in die Sowjetunion emigrieren musste und dort im Nationalkomitee Freies Deutschland gegen die Faschisten gekämpft hat. Dieser Mann beeindruckte Henry ungemein.

Henry ist seit der Scheidung der Eltern mit seinen Geschwistern oft alleine. Mama arbeitet im Erzgebirge, zum Vater gibt es keine Kontakte und die Haushälterin Tante Lotte hat andere Sorgen, als die vielen Fragen zu beantworten, besonders die von Henry. Es interessiert ihn, warum wird denn soviel aufgebaut, wenn doch wieder Krieg kommen könnte, wie man im Radio immer hört ... Aber er bleibt alleine mit seinen Fragen … Viel später wird er erkennen, mit den Fragen fängt das Denken an.



Inhalt

Ausgangssituation ist Schweden und das Haus, in dem die Popows wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.

Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er seine spätere Frau kennenlernte.

Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.

Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.

Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlussfolgerungen zieht.

Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.

Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender!





Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro








Sonntag, 24. Februar 2019

Dollar im Abgang



Und tschüß, Dollar!


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. FEBRUAR 2019

Die Macht der USA bröckelt jetzt sogar auf ihrem ureigensten Gebiet: dem Finanzsektor.



Es gibt wichtige Anzeichen, die auf einschneidende Veränderungen der geopolitischen Weltlage hindeuten: der Aufstieg Chinas, das Wiedererstarken Russlands und nicht zuletzt der kritische Zustand der noch amtierenden Supermacht Nummer eins. Das astronomische Haushaltsdefizit der USA schießt unter der Trump-Regierung weiter in die Höhe, der Verfall der Infrastruktur frisst sich in Stadt und Land, die Verelendung großer Bevölkerungsteile und die gesunkene Lebenserwartung erinnern an vormoderne Zeiten. Dazu kommt eine weitere Hiobsbotschaft: Shuttle Economis, eine in Washington ansässige volkswirtschaftliche Analysefirma, hält es für plausibel, dass die USA im Laufe des nächsten Jahres ihre bis dato erstklassige Bonität auf den Kapitalmärkten verlieren könnten. Erleben wir also gerade das Ende der Ära des US-Imperiums? Ja, meint Chris Hedges und beleuchtet die Entwicklung unter dem Aspekt des schwindenden Vertrauens in die Weltreservewährung, den Dollar.

Die unfähige und korrupte Präsidentschaft Donald Trumps hat ungewollt den todbringenden Schlag gegen das amerikanische Imperium ausgelöst – die Abkehr vom Dollar als Haupt-Leitwährung der Welt (1). Weltweit, insbesondere in Europa haben Staaten das Vertrauen verloren, die Vereinigten Staaten könnten in Fragen des internationalen Finanzwesens, des Handels, der Diplomatie und der Kriegsführung rational agieren, geschweige denn die Führung übernehmen. Stillschweigend lösen diese Länder die sieben Jahrzehnte alte Allianz mit den Vereinigten Staaten auf und errichten alternative bilaterale Handelssysteme.

Totengräber des Imperiums



Wie der Historiker Alfred McCoy (2) und der Ökonom Michael Hudson (3) seit langem aufzeigen, wird die Neugestaltung des weltweiten Handelssystems verhängnisvoll für das amerikanische Imperium sein.

Sie wird eine ökonomische Todesspirale in Gang setzen, einschließlich einer hohen Inflation, welche eine massive Schrumpfung des Militärs in Übersee erfordern und die Vereinigten Staaten in eine anhaltende Krise stürzen wird. Anstatt Amerika „great again“ zu machen, wird Trump sich am Ende ungewollt als der aggressivste Totengräber des Imperiums erwiesen haben.



In unberechenbarer Weise hat die Trump-Administration globale Institutionen sabotiert. Zu ihnen gehören die NATO, die Europäische Union, die Vereinten Nationen, die Weltbank und der IWF, die dem amerikanischen Imperialismus und seiner globalen ökonomischen Hegemonie Schutz gewähren und Legitimität verleihen.

Das amerikanische Imperium war immer, wie McCoy betont, eine Kombination aus vergangenen Weltreichen. Es entwickelte, so schreibt er, „eine unverwechselbare Form globaler Herrschaft, die Aspekte vorangegangener Imperien, antiker und moderner, vereinigte. Dieses einzigartige US-Imperium war athenisch in seiner Fähigkeit, Koalitionen unter seinen Verbündeten zu schmieden, römisch in seinem Vertrauen auf Legionen, die Militärbasen in fast allen Teilen der bekannten Welt besetzten, und britisch in seiner Bestrebung, Kultur, Kommerz und Allianzen in einem den ganzen Globus umfassenden System zu verschmelzen.“

US-Alleingänge



Als George W. Bush im Alleingang in den Irak einfiel, setzte er sich mit seiner Doktrin des Präventivkrieges über das Völkerrecht hinweg und wies die Proteste der traditionellen Verbündeten zurück. Damit begann der Bruch. Trump hat die Risse vergrößert.

Die Trump-Administration zog sich aus dem 2015 mit dem Iran getroffenen Atomabkommen zurück – obwohl der Iran das Abkommen eingehalten hatte – und forderte, dass die europäischen Nationen diesen Schritt ebenfalls vollzögen, oder sie würden US-amerikanische Sanktionen zu erleiden haben.

Daraufhin erlebten wir, wie die europäischen Nationen abtrünnig wurden und ein alternatives Clearingsystem etablierten, das die Vereinigten Staaten ausschließt.

Der Anfang vom Ende des Dollars



Der Iran akzeptiert auf dem internationalen Markt für sein Öl keine Dollar mehr und hat den Dollar durch den Euro ersetzt, was angesichts von Washingtons tiefer Feindseligkeit gegenüber Teheran keine Kleinigkeit ist. Auch die Türkei verlässt den Dollar. Bei der US-amerikanischen Forderung, dass Deutschland und andere europäische Staaten den Import von russischem Gas stoppen sollten, konnte man ebenfalls beobachten, wie die Europäer Washington ignorierten. China und Russland, traditionelle Gegenspieler, arbeiten jetzt als Tandem zusammen, um sich vom Dollar zu befreien. Moskau hat 100 Milliarden Dollar seiner Reserven in den chinesischen Yuan, den japanischen Yen und den Euro transferiert.

Und – ebenso bedrohlich – lagern ausländische Regierungen ihre Goldreserven seit 2014 nicht mehr in den Vereinigten Staaten oder sie entnehmen sie – wie im Falle Deutschlands – der US-Notenbank. Deutschland hat 300 Tonnen Goldbarren in die Heimat zurückgeführt. Die Niederländer haben 100 Tonnen zurückgeholt.

Ökonomischer Würgegriff



Die US-Intervention in Venezuela, der potentielle Handelskrieg mit China, die Abkehr von internationalen Klima-Abmachungen, der Rückzug aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF), die Handlungsunfähigkeit in Washington, der destabilisierende Shutdown der Regierungsgeschäfte und die sich verschärfenden Feindseligkeiten mit dem Iran lassen nichts Gutes ahnen für Amerika.

Die bizarren Launen verkümmerter Ideologen wie Mike Pompeo, John Bolton und Elliot Abrams haben die amerikanische Außen- und Finanzpolitik in Geiselhaft genommen. Damit ist die Zunahme des globalen Chaos gewährleistet, ebenso wie die erhöhten Anstrengungen von Staaten weltweit, sich aus dem ökonomischen Würgegriff zu befreien, den die Vereinigten Staaten nach dem 2. Weltkrieg so wirkungsvoll eingesetzt haben.

Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Dollar beiseitegeschoben wird. Die bittere Ironie besteht darin, dass gerade Trump und seine Mit-Ideologen von der extremen Rechten die internationalen Strukturen zerstörten, die von globalen Kapitalisten etabliert worden waren – und nicht die Sozialisten, in deren Vernichtung diese Kapitalisten enorme Ressourcen investiert hatten.

Der Historiker Ronald Robinson argumentierte, dass die britische imperiale Herrschaft endete, „als die kolonialen Herrscher keine eingeborenen Kollaborateure mehr hatten.“ Das Ergebnis, stellte er fest, bestand darin, dass die „Umkehrung von Kollaboration in Nicht-Kooperation im Wesentlichen den Zeitpunkt der Entkolonialisierung bestimmte.“

Der Prozess der Entfremdung traditioneller US-Alliierter und Kollaborateure wird denselben Effekt haben. McCoy weist darauf hin, dass „alle modernen Imperien auf zuverlässige Stellvertreter angewiesen waren, die ihre globale Macht in lokale Kontrolle umsetzten – und bei den meisten kündigte sich der Zusammenbruch an, als diese Eliten begannen aufzubegehren, Widerworte zu geben und ihre eigene Agenda geltend zu machen.“

Gigantischer Schuldenberg



Die Zuverlässigkeit des Dollars schwindet zusehends. Der Grund hierfür sind die astronomischen Regierungsschulden, die sich momentan auf 21 Billionen Dollar belaufen. Diese Schuldensumme wird durch Trumps Steuersenkungen weiter ansteigen, welche das US-Finanzministerium in der nächsten Dekade 1,5 Billionen Dollar kosten werden.

Die Schuldenstandsquote liegt jetzt bei mehr als 100 Prozent, was für Ökonomen ein rot blinkendes Warnlicht ist. Unser riesiges Handelsdefizit ist angewiesen auf den Verkauf von Staatsanleihen ins Ausland. Wenn diese Anleihen an Wert verlieren und nicht mehr als stabile Investition betrachtet werden, wird der Dollar eine große Entwertung erfahren. Es gibt Anzeichen, dass dieser Prozess bereits begonnen hat. Die Zentralbank-Reserven enthalten weniger Dollar als 2004. Es gibt weniger SWIFT-Zahlungen – das Austauschverfahren für Geldtransfers zwischen Banken – in Dollar als 2015. Die Hälfte des internationalen Handels wird in Dollar berechnet, obwohl der US-amerikanische Anteil am internationalen Handel nur 10 Prozent beträgt.

„Schlussendlich werden wir andere Reservewährungen als den US-Dollar haben“, verkündete im letzten Monat Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England.

61 Prozent der ausländischen Währungsreserven (4) sind Dollar. Da diese Dollarwährungsreserven durch andere Währungen ersetzt werden, wird sich der Rückzug vom Dollar beschleunigen. Die Fahrlässigkeit der amerikanischen Finanzpolitik wird die Krise nur verschlimmern.

„Wenn unbegrenztes Kreditaufnehmen, finanziert durch die Gelddruckmaschine, der Weg zu Wohlstand wäre“, sagte unlängst Irwin M. Stelzer vom Hudson Institute, „dann stünden Venezuela und Zimbabwe an der Spitze der Wachstumstabellen.“

Fall ins Bodenlose



McCoy erklärt, wie eine vom Dollar gelöste Finanzordnung aussehen würde:

„Für die Mehrheit der Amerikaner werden die 2020er wahrscheinlich als demoralisierendes Jahrzehnt steigender Preise, stagnierender Löhne und schwindender internationaler Wettbewerbsfähigkeit in Erinnerung bleiben. Nach Jahren wachsender Defizite, die genährt werden von nicht endenden Kriegen in fernen Ländern, wird der US-Dollar 2030 schließlich seinen besonderen Status als herrschende Reservewährung der Welt verlieren.

Plötzlich werden als Strafmaßnahmen Preiserhöhungen für amerikanische Importe von Bekleidung bis hin zu Computern verhängt werden. Ebenso werden die Kosten für alle Auslandsaktivitäten steigen. Dadurch wird das Reisen sowohl für Touristen als auch für Militärtruppen unbezahlbar. Außerstande, die extrem ansteigenden Defizite durch den Verkauf von dann abgewerteten Schatzwechseln abzubauen, wird Washington letztendlich gezwungen sein, sein aufgeblähtes Militärbudget zu kürzen.Zu Hause und im Ausland unter Druck werden sich die Streitkräfte allmählich aus hunderten von Überseestützpunkten zurückziehen, um auf einen kontinentalen Umfang zu schrumpfen. Solch ein verzweifelter Schritt wird allerdings zu spät erfolgen.

Angesichts einer untergehenden Supermacht, die unfähig ist, ihre Schulden zu bezahlen, werden China, Indien, der Iran, Russland und andere Länder die US-Herrschaft über die Meere, den Weltraum und den Cyberspace auf provokative Weise herausfordern.“

Der Zusammenbruch des Dollars, schreibt McCoy, wird „in die Höhe schießende Preise, ständig steigende Arbeitslosigkeit und einen anhaltenden Niedergang der Reallöhne die 2020er hindurch“, bedeuten, „innenpolitische Spaltungen, die sich ausweiten werden zu gewalttätigen Zusammenstößen, und spaltende Debatten, häufig über symbolische, belanglose Themen.“ Die tiefe Desillusionierung und die weit verbreitete Wut werden Trump oder einem trumpähnlichen Demagogen Möglichkeiten eröffnen, gegen Sündenböcke im eigenen Land oder im Ausland loszuschlagen, womöglich durch das Schüren von Gewalt. Aber bis es so weit ist, wird das US-Imperium so geschrumpft sein, dass seine Drohungen – zumindest für diejenigen außerhalb seiner Grenzen – größtenteils bedeutungslos sein werden.

Es ist unmöglich vorherzusagen, wann genau die Flucht aus dem Dollar vollzogen wird. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte die US-Wirtschaft Großbritannien überholt, aber nicht vor der Mitte des 20. Jahrhunderts ersetzte der Dollar das Pfund Sterling und wurde die vorherrschende Währung im internationalen Handel. Der Anteil des Pfund Sterling an den Reservewährungen der internationalen Zentralbanken fiel von ungefähr 60 Prozent in den frühen 1950er Jahren auf weniger als 5 Prozent in den 1970ern. Sein Wert fiel von mehr als 4 Dollar für ein Pfund am Ende des 2. Weltkriegs und erreichte eine annähernde Parität mit dem Dollar. Die britische Wirtschaft geriet in eine Abwärtsspirale. Und dieser wirtschaftliche Schock markierte für die Briten das Ende eines Imperiums. Uns wird es nicht anders ergehen.

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „[Goodbye to the Dollar](https://www.truthdig.com/articles/goodbye-to-the-dollar/Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

Chris  Hedges
Chris Hedges ist Journalist, Pulitzer-Preis-Träger und Autor der New York Times-Bestsellerliste. Er war früher Professor an der Princeton Universität, Aktivist und ordinierter presbyterianischer Pastor. Unter seinen Büchern befinden sich Bestseller wie „Der Lohn des Aufstands: Der moralische Imperativ der Revolte“, „Das Reich der Illusion: Das Ende der Bildung und der Triumph des Spektakels“ und „Amerikanische Faschisten: Die christliche Rechte und der Krieg mit Amerika“. Sein Buch „Krieg ist eine Kraft, die uns Bedeutung verleiht“ wurde 40.000 Mal verkauft und war Finalist des Nationalen Preises des Buchkritiker-Verbandes für Sachliteratur. Er schreibt eine wöchentlich erscheinende Kolumne für das Internet-Magazin Truthdig und moderiert die Sendung „On Contact“ bei RT America.

https://www.rubikon.news/artikel/und-tschuss-dollar





Freitag, 22. Februar 2019

Geist oder Materie? - Satirisches


Geist über Materie. Die erstaunliche Wissenschaft, wie das Gehirn die materielle Realität erschafft“ - Dawson Church

AUSBRUCH
AUS DER TRANCE

Eine satirische Buchbetrachtung von Harry Popow

Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“. Heinrich Heine wirkt fort. Aber auch in den Tagträumen eines Menschen wie dem Max, eines Ewiggestrigen, wie man ihn und andere gleicher Gesinnung nach Abbruch eines friedlichen Lebens im Osten Deutschlands hämisch grinsend zu nennen pflegt. Schuld daran ist ein Buch mit dem Titel „Geist über Materie“ von einem Dawson Church. Max, den Titel kritisch lesend, nahm die Lektüre nur mit spitzen Fingern in die Hand. Aber nicht ohne eine gewisse Neugier. Des abends dann verfiel er dem Lesen. Immer mit der Frage im Kopf, wie wohl der Geist über alles und jedes bestimmen sollte. Oder hat sich hier ein moderner Schamane in die Spur der Verklärung der menschlichen Hirne begeben?

Dann passierte es: Nach mühevollem und nahezu nächtelangem Lesen nahm seine Müdigkeit zu. Er versank in eine unendliche Stille. In sich gekehrt, begann er zu meditieren. Nur so für sich. Das macht ja jeder. Ob beim Malen oder beim Lesen oder beim Schreiben. Aber mit Tiefsinn. Nicht so wie bei Anne Will in der oberflächlichen Plauderrunde. Diesmal aber geriet er unbewusst in Trance. Und dann schwebten Bilder auf ihn zu, die ihn „um den Schlaf“ brachten und ihn bis in die Träume verfolgten.

Er sah sich mit dem Autor in ein Duell verwickelt. Nicht mit Schusswaffen, Gott bewahre, sondern nur mit Worten. Ein Duell mitten in einem stillen Park. Max, der Materialist, hatte sein Gegenpart, offensichtlich ein Idealist, herausgefordert. Schließlich geht es um Bodenständigkeit des ersteren und um die aufrührerische Verbreitung des Glaubens, der Geist beherrsche das menschliche Hirn und sei imstande, die Materie zu verändern. Einem Geist, der alles lenkt und schafft. Die Grundfrage der Philosophie, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, sei überholt in der heutigen Zeit der unübersichtlichen politischen und sozialen Unstimmigkeiten in dieser Welt. Anders gesagt: Es ging um den Abbruch von Überzeugungen und stattdessen um die Flucht aus der Wirklichkeit, was herrschenden Eliten natürlich sehr zu Pass kommt.

Der „wissenschaftliche“ Dämon

Max und Moritz sitzen gemeinsam auf einer Parkbank. Max will dem anderen nichts antun, sondern nur zur Rede stellen, will herausfinden, wie dieser die Welt sieht und verändern will. Moritz ahnt es. Er geht sogleich in Angriffsposition. Er bringt den Max mit „wissenschaftlich“ bewiesenen Aussagen mühelos ins Schleudern und damit, wie er glaubt, ins Reich des ewigen Glücks und der Freude.

Auf unendlich langen Seiten quält Moritz, also der Autor, mit Unterstützung unzähliger Wissenschaftler und Freunde – vor allem aus dem medizinischen und psychologischem Bereich – unkundige Leser mit Fachausdrücken, die niemand – woher auch – verstehen kann.

Und schon duckt sich Max ab, denn auch ihm prallen diese an den Kopf: Von Epigenik, Kymatik, „Strings“ (Energie) ist da die Rede. Auch von Epiphänomen, Synapsen oder auch Enzymekatalysieren und transzendenten Erfahrungen wird philosophiert. Die Verbindung des menschlichen Hirns mit der Welt sollen Gehirnwellen bewerkstelligen die da heißen: Delta, Theta, Alpha und Gamme. Der Autor empfiehlt eine kostenlose EcoMeditation, dies sei ein Rezept für ideale Gehirnwellen.

Max hebt die Hände. Er ist einer Ohnmacht nahe. „Genug“, ruft er seinem neben ihm sitzenden Duellanten zu. „Mag ja alles perfekt sein, was sie mir anbieten und zumuten, aber wer soll das außer den Ärzten und Medizinern denn verstehen? Sie spielen ihre Tricks aus, diese Fachausdrücke sollen doch nur ihre sicherlich noch verborgenen politischen Absichten verbergen, nicht wahr?“

Unbeirrt fährt Moritz fort. Diesmal kann er mit Fallbeispielen aufwarten. Etwas beruhigt schaut Max seinen Nebenmann leicht erbost an. Innerlich ist er gespannt, aber auch darauf gefasst, neue Ungeheuerlichkeiten an den Kopf gedonnert zu bekommen.

Beispielloses

Mit einem hämischen Grinsen offeriert Moritz nunmehr dem angeblich Ewiggestrigen eine ganze Palette von tatsächlichen Begebenheiten und Erlebnissen einzelner Personen, die wie durch Zauberhand eine wundervolle Heilung ihres Leidens erfahren hätten.

Seite 86/87: Eine Frau litt an Gebärmutterkrebs. Sie sollte operiert werden, was sie aber ablehnte. Sie ernährte sich gesund, meditierte täglich, las inspirierende Bücher, ging viel spazieren, trennte sich von nicht so nahen Menschen. Neun Monate später: Keine Spur mehr von Krebs. „In diesem Umfeld voller positiver Heilenergie und vom Bewusstsein angeleitet und gelenkt, wandelte sich die Materie von Adelines Körper. Ihre Zellen reagierten, und ihr Körper begann das funktionsgestörte Krebsgewebe zu beseitigen. Anhand von Energie heilte sie ihren materiellen, stofflichen Körper; sie kehrte nie mehr zu ihren alten Gewohnheiten zurück.“ Seite 139: Ein bösartiger Gehirntumor bei einem Mann. Eine lebensbedrohliche Operation steht bevor. Der Mann meditiert. Er sieht außerirdische Wesen. „Eines davon fasste mit der Hand in Josès Schädel und suchte eine Weile darin herum.“ Einen Tag später – nach einer neuen Aufnahme - war der Tumor „spurlos“ verschwunden. Seite 182: Jemand erlitt eine tödliche Muskeldegeneration, eine seltene Störung namens „Mitochondriale Einschlusskörpermyositis“. Da praktizierte Dawson mit diesem Jemand in „einem Live-Call ein paar Minuten lang Tapping“. Dieser Jemand nahm an einem Zertifizierungskurs bei Dawson teil. Mit Erfolg. Das Bild des gesunden Körpers wurde in das „vereinheitlichte Bewusstseinsfelf“ projiziert. Dann tanzte dieser Jemand wieder. Seite 276: Studien besagen: Die Anzahl an Aids-Viren im Blut steigt bei jenen Probanden dreimal so schnell, die „an einen strafenden Gott“ glauben als bei den Patienten, die „an einen gütigen Gott“ glauben.

Hör auf!“, schreit Max seinem Gesprächspartner empört zu. „Kann ja alles der Wahrheit entsprechen, schließlich gibt es tausende ähnlicher Erlebnisse von Menschen. Aber diese sollten nicht missbraucht werden für die Manipulierung der Menschen, sie mögen nur glauben und meditieren, dann würde alles besser werden. Auch kann man noch so viele Beispiele aus allen Lebensbereichen anführen, sie beweisen gar nichts, wenn sie nicht in einen größeren Zusammenhang gerückt, wissenschaftlich untersetzt werden“. Moritz winkt ab und legt erneut seine mentale Abwehr- und Angriffswaffe an. Diesmal mit Sätzen, die wie Kanonenschläge jeden vernünftigen Menschen entweder das Blut gerinnen lassen oder zum Lachkrampf reizen.

Max nickt zunächst. Meditation, spirituelle Suche, das Besinnen auf das eigene Ich ist in der Menschheitsgeschichte tief verankert, darf aber nicht zur Askese, zum Rückzug aus jeglicher Verantwortung führen. Meditation, so alt sie ist, heute betreiben sie so viele Menschen in der zerrütteten Welt. Mögen sie zu sich finden. Mögen sie glauben. Aber es kommt doch auch darauf an, den eigenen Horizont zu erweitern. Kohärent sein, wie es oft im Buch heißt. Zusammenhänge erkennen. Nicht die Flucht aus der Wirklichkeit soll das Ziel des Meditierens sein, sondern die Zuwendung zu anderen Menschen, zu den Problemen , die sie bewegen. Nicht das ICH, sondern das WIR steht im Mittelpunkt. Max ist tolerant und ist achtsam gegenüber seinen Mitmenschen. In diesem Fall stimmt er dem Autor, seinem Duellanten innerlich zu. Er fordert ihn auf, weiter mit ihm im Wortgefecht zu bleiben. Was hat er weiter zu sagen? Kommt er noch auf den gewissen Punkt und auf den Beweis, dass der Geist die Materie bewegt?

Glaubenssätze

Doch der Autor Moritz streut immerfort seine Erkenntnisse als Wahrheiten zwischen die Zeilen, was den Duellanten Max schmunzeln und seine Haare sträuben lässt. Seite 20: „Wir richten unseren individuellen Geist auf das Bewusstsein des universellen nichtlokalen Geistes aus, und die Schönheit der materiellen Wirklichkeit, die wir kreieren, übertrifft alles, was unser begrenzter lokaler Geist sich jemals träumen lassen könnte.“ Seiten 31/33: Der Geist erzeugt buchstäblich das Gehirn. Meditation verändert die Gehirnstruktur. Seite 38: Aus Geist wird Materie. Seiten 52/53: Das Bewusstsein sei fähig, „Materie von Grund auf zu verändern – durch Intention und Energiefelder“. Der Geist einer einzigen Person könne manchmal „eine ganze Gesellschaft auf der Ebene der Materie verändern“. Seite 80: Felder können Materie erzeugen „und anhand von Kraftlinien Materie in Atome, Moleküle und Zellen anordnen“. Seite 108: Materie sei ein Phänomen der Energie, das hätten empirische Daten ergeben. Seite 270: Die Rolle des Bewusstseins „bei der Erschaffung dieser Welt“. Seite 298: Das Universum „ist Bewusstsein, das beständig aus Geist Materie erschafft (Hoss, 2016)“. Man solle sich „auf das nichtlokale Bewusstsein des Universums einstimmen...“ So bringe man den lokalen Geist in Kohärenz mit dem nichtlokalen Geist. So denke man nicht mehr in Schubladen, man erkenne Möglichkeiten, „die Welt zu verändern“. Seite 302: Das Kultivieren eines kohärenten lokalen Geistes beginnt mit dem Ausrichten unseres Bewusstseins auf die Felder der Liebe und Kreaktivität des nichtlokalen Geistes.“ Deshalb sei es so effektiv, „morgens, solange sich das Gehirn in einem Alpha-Zustand befindet und Beta noch nicht wirkt, als Erstes zu meditieren“. Seite 369: „Indem wir als spirituelle Wesen mit materiellen Körpern leben und unser Bewusstsein tagtäglich entsprechend ausrichten, kreieren wir mit unserem Geist eine ganz andere Materie.“ Seiten 291/ 292: Menschen und Länder, die in Kohärenz sind, gewinnen eine „umfassendere Sichtweise des Planeten“, dies würde „bei der Abschaffung von sozialer und wirtschaftlicher Unterdrückung, Kriegen, kultureller Intoleranz, Kriminalität und der Missachtung unserer Umwelt eine entscheidende Rolle spielen (McCraty & Deyhle, 2016)“.

An dieser Stelle des Worttrommelns durch Moritz, seinem wortreichen Duellanten, sieht Max seine Zeit gekommen, Oberwasser zu ergattern. Er kontert mit einer der wichtigsten Fragen für die Menschheit: „Was ist, wie sie sagen, mit Unterdrückung und Krieg? Haben sie auch dafür ihren Geist mobilisiert, der alles kann, angeblich?“

Die „Wahrheit“ über Krieg und Frieden

Moritz, angeblich im Vollbesitz seiner geistigen Wahrnehmung, verweist auf seine Aussage auf Seite 402, dass zwei Weltkriege, blutige Konflikte, Unwissenheit, Armut, Hunger Ungerechtigkeit und Grausamkeit unsere Spezies seit Jahrtausenden gezüchtet haben. Die Menschen mussten leiden, da sie nicht wussten „dass unsere Gedanken unsere Realität erschaffen“. Doch nun wisse man es besser. Unermesslich groß sei das Potenzial unseres Geistes, die Realität zu kreieren. Positive Energie – gemeinsam mit Millionen anderer Menschen – schaffe eine neue Realität für unseren Planeten. Es entstehe ein „unwiderstehliches Feld der Liebe. Diese Feld der Liebe lehnt niemanden ab. Wir verurteilen, verdammen und klagen nicht. Wir lieben einfach.“ (S. 404) Ab sofort würden die Menschen instinktiv aus Güte und Mitgefühl heraus handeln.

Max erkennt blitzartig: Sein Widersacher als Diener der Geldvampire kann und darf die dringende Lebensfrage nicht beantworten. Er denkt, immer noch in Trance: Unglaublich, was er da von seinem Widersacher hört. Man müsse also nur lieben, und alles werde gut. Und so träumt auch Max: Diese Erleuchtung habe auch die politische Führungsriege erfasst: Die Welt – bisher in argen Nöten wegen eines neuen Kalten Krieges, wegen der zunehmenden Widersprüche zwischen den Mächtigen Kapitaleliten und den Ärmsten dieser Welt – es hat sich alles schlagartig geändert. Nunmehr raucht es aus allen Industrieschornsteinen, denn Schwerter werden zu Pflugscharen umgeschmolzen. Der transatlantische Elitefaschismus gibt seine Pläne der gigantischen Landnahme wie die NATO-Osterweiterung wegen fehlender Feinde auf und zieht sich vor allem aus Europa zurück. Die Kapitalmächtigen überschreiben ihre Reichtümer dem Volk. Die Mieten sinken rapide. Enteignungen wie Deutsches Wohnen gehören zur Normalität. Die Politiker verlassen ihre bürgerlichen Scheinparlamente und begeben sich geschlossen zum Meditieren. Sie folgen der Einsicht, dass nur die Liebe zwischen allen Menschen und zur Natur unsere Welt noch retten kann. Nicht ohne Grund predigt die deutsche Kanzlerin, man möge zusammenhalten, ob reich oder arm. So wird Frieden sein auf Erden. „So wahr mir Gott helfe.“

Max, noch im Halbschlaf auf der Parkbank sitzend, will noch etwas sagen, aber sein Nebenmann reagiert nicht. Sein Platz ist leer. Max sieht ihn, wie dieser sich in gebückter Haltung im Morgengrauen und im dichten Nebel davonschleicht, vorsichtig sich umschauend. Hat er, der Max, ihn sozusagen im Wortgefecht geschlagen? Doch Sekunden später trifft der schleichend Davoneilende auf einen Mann mit Brille und dunklem Anzug. Im Hintergrund ein Mercedes. Der Unbekannte überreicht Moritz irgend ein Stück Papier. Max ergreift eine erschreckende aber fast erwartete Erleuchtung...

Wie sich in noch aufrichtigen linken Presse später nachlesen ließ, war dies ein Scheck in Millionenhöhe. Gespendet von der größten Kapitalsammelstelle der Welt, dem Vermögensverwalter BlackRock. Eine Billionen-Macht. US-Dollar. Max als Materialist hätte dies eigentlich vorausahnen müssen: Volksverdummung wird hoch honoriert. Max, der Materialist und Humanist lächelt verbittert: Sein Wortgefecht mit dem politisch verkappten „Weltverbesserer“ verändert nicht die Welt, aber es hilft, Positionen zu klären.


Nach diesem Albtraum: Max fällt dieser Vers wieder ein: „Denk ich an Deutschland in der Nacht...“ Er steht auf. Mit einer Handbewegung wischt er den nächtlichen Spuk hinweg. Was ist zu tun? Er setzt sich an den Computer und schreibt ein Gegenbuch. „Ausbruch aus der Trance“. Etwas tun. Jeder, wie er kann... 







Dawson Church: Geist über Materie. Die erstaunliche Wissenschaft, wie das Gehirn die materielle Realität erschafft, Gebundene Ausgabe: 448 Seiten, Verlag: Momanda; Auflage: 1 (1. Oktober 2018), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 9783956280252, ISBN-13: 978-3956280252, ASIN: 3956280253, Preis: 19,99 Euro






Donnerstag, 21. Februar 2019

Putins Jahresbotschaft - Reinhard Lauterbach



Russland braucht Frieden


Putins Jahresbotschaft: Moskau gegenüber USA weiter gesprächsbereit. Schwerpunkt der Rede aber Sozialpolitik und Entwicklung


Von Reinhard Lauterbach

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in seiner Jahresbotschaft den internationalen Spannungen mit den USA nur verhältnismäßig wenig Raum gewidmet. Den Großteil der zweieinhalbstündigen Ansprache vor 2.000 Abgeordneten, Honoratioren und hohen Beamten nahmen – wie auch schon in den vergangenen Jahren – Fragen der Modernisierung Russlands ein.

Mit Blick auf die internationale Lage warf Putin den USA vor, auf »unehrliche Weise« aus dem INF-Vertrag zur Abschaffung der Mittelstreckenraketen ausgestiegen zu sein. Er deutete an, Russland habe Verständnis für die Sorgen der USA über die nukleare Aufrüstung von durch den INF-Vertrag nicht gebundenen Drittstaaten – gemeint ist in erster Linie wohl China. Putin sagte wörtlich: »Wir sind zu weiteren Gesprächen über Abrüstungsthemen bereit. Aber an verschlossene Türen anklopfen werden wir nicht mehr«. Russland werde niemals als erstes Land neue Mittelstreckenraketen stationieren. Sollten die USA aber mit ihren Plänen für angebliche Abwehrraketen in Polen und Rumänien fortfahren, kämen sowohl diese Länder, als auch die Länder, aus denen der Einsatz der Raketen gesteuert würde – unter anderem Belgien und die Bundesrepublik – auf die russische Zielliste.

Putin betonte, Russland wolle keinen Konflikt mit den USA, Moskau lasse sich aber auch nicht durch Drohungen und Provokationen unter Druck setzen. »Viele Mitglieder der herrschenden Klasse in Washington sind etwas zu überzeugt von der Idee ihrer eigenen Einzigartigkeit und der Überlegenheit ihres Landes gegenüber dem Rest der Welt. Sie haben natürlich das Recht so zu denken, aber sie sollten auch ihre Fähigkeit zu rechnen nicht vergessen.«

Als eine Art Rechennachhilfe für die US-amerikanische Seite gab Putin einen Überblick über die Entwicklung der in seiner Ansprache im letzten Jahr vorgestellten neuartigen Hyperschallwaffen. Sie gehe planmäßig voran, der Kampflaser »Pereswet« werde im Dezember in Dienst gestellt, und schon im Frühjahr 2019 werde das erste neue Atom-U-Boot vom Stapel laufen, das mit dem Hyperschall-Marschflugkörper »Kinschal« ausgestattet sei.

Putin betonte zum Schluss seiner Rede, Russland brauche für seine Entwicklung Frieden. Anspruchsvoll sind die von ihm genannten Ziele dieser Entwicklung: Mehr Kindergeld, staatlich subventionierte Baukredite, Renten sicher über dem offiziellen Existenzminimum, Prämien für Ärzte und Lehrer, die zur Arbeit in die Provinz gehen.

Das Geld für diese Sozialleistungen sei da, nahm er den liberalen »Sparpolitikern« auch in der eigenen Regierung gleich selbst den Wind aus den Segeln. Der »Nationale Wohlstandsfonds« werfe inzwischen aus den Zinsen der von ihm gezeichneten Staatsanleihen soviel ab, dass diese Ziele alle finanzierbar seien. Heimische Produzenten von Hightech-Waren sollten durch Staatsaufträge gefördert werden, freilich im Rahmen einer »wettbewerbsorientierten Gesamtsituation«.

Mit dem umfangreichen sozialpolitischen Teil seiner Rede ging Putin indirekt auf die große Unzufriedenheit ein, die die Erhöhung des Rentenalters in Russland im letzten Jahr ausgelöst hatte. Seine eigenen Beliebtheitswerte waren damals zum ersten Mal seit Jahren unter die 50-Prozent-Marke gefallen. Indirekt gab Putin zu, es könne im Staatsapparat Widerstände gegen die neuen sozialpolitischen Ziele geben, aber »Das geht nicht« und »Das haben wir noch nie so gemacht« wolle er künftig nicht mehr hören.





Montag, 18. Februar 2019

Weiße Armbinden (2)


SOLDATEN FÜR DEN FRIEDEN (Teil zwei)

Leseprobe aus „AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder“ anlässlich des 63. Jahrestages der Gründung der Nationalen Volksarmee am 1. März 1956 und des 70. Jahrestages der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949


Der Autor wurde 1936 in Berlin-Tegel geboren, wuchs in der DDR auf, arbeitete als Militärjournalist im Dienstgrad Oberstleutnant in der NVA und betätigt sich heute als Blogger, Buchrezensent und Autor. Er ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.

Weiße Armbinden


Donnerwetter, so ein Glück, sagen Mama und Papa, als sie ihr Mietwohnhaus in Berlin–Schöneberg unzerstört wiedersehen. Hier hat die Familie vor der Evakuierung gewohnt. Aber deren Wohnung in der dritten Etage links ist inzwischen besetzt, die Ziebers dürfen in die zweite Etage rechts. Aber noch heulen herzzerreißend und furchterregend die Sirenen. Nacht für Nacht, manchmal auch tagsüber. Sie müssen im Keller bleiben. Provisorisch sind Bettgestelle aufgebaut, manchmal liegen nur Matratzen da. Brot auf Zuteilung, gleich für mehrere Tage. Wenn irgendwo Bomben heulend und krachend in Häuser schlagen und die Erde bebt, dröhnt und stöhnt, dann bleibt das Herz stehen vor Angst. Jede Sekunde kann es auch das eigene Miethaus erwischen, jede Minute ... Papa muss nun doch noch an die Front, zum Volkssturm, wie er sagt. Nach drei Tagen ist er wieder da. Dort, wo er sich melden sollte, seien schon die Russen. Wie froh die Kinder sind ... Henry hört, wie er Mama von Menschen berichtet, die an Laternen aufgehängt wurden, an ihnen ein Schild mit der Aufschrift: Ich bin ein Verräter. Es ist alles so schrecklich und gruselig. Eines Nachts nimmt Papa seinen Größten mit aufs Dach des Hauses. Der Ängstliche sieht die langen bläulich-weißen Strahlen der Scheinwerfer, die den Himmel nach Flugzeugen abtasten. Dann schrillen wieder die Sirenen. Henry schaut tapfer und zitternd. Papa lässt ihn wieder frei und Mama schimpft unten im Keller.

Nach vielen, vielen Tagen stehen an der Kellertür Soldaten, später erfährt Henry, es waren Mongolen. Sie wollen irgendetwas. Man holt Mama, sie sei doch Russin. Die Soldaten wollen nur etwas Tee, doch zuvor muss sie einen Schluck nehmen. Das ist selbstverständlich, sagt Mama, sie müssen vorsichtig sein, sind natürlich mißtrauisch. Es muß der neunte Mai gewesen sein, Henry streift sich nach dem Aufstehen soeben lange Strümpfe über, da sagt seine Mutter ganz leise, als würde sie es noch nicht glauben, den folgenschweren Satz: „Ab heute ist Frieden.“ Sie drückt ihren Ältesten und hat Tränen in den Augen ...

Elektrischen Strom gibt es vorläufig nicht. Papa stellt ein Fahrrad in den Flur und auf den Kopf, drückt den Dynamo an die Reifen, legt Leitungen in die Küche und in die Wohnstube, und Henry darf die Pedalen schwingen. Die Lämpchen glimmen auf. Die Kinder sind stolz auf Papas Erfindungsgeist. Und froh und neugierig machen Henry, Sophia und Axel die Erzählungen von Mama über ihr Russland: über die Datsche ihrer Tante, über die Blumen, über Tanten, über deren Kuchen, über das viele Spielzeug von Mama, das man auf einem Foto sehen kann. Ihre Heimat darf den Kindern nun näher kommen, sie wird so vertraut werden, dass die Kinder sich wünschen, bald nach Moskau zu ziehen, so träumen sie von einer glücklichen Zukunft, die ihnen die warmherzigen Worte ihrer Mutter eingibt. Das gräbt sich in Henrys Bewusstsein so fest ein, dass er in der Schule die Sowjetunion als „schon immer gut“ verteidigen wird gegen die Behauptung, sie hätte erst einmal eine Revolution machen müssen, bevor sie ganz prima wurde.

Bei Ziebells herrscht kurz darauf trotz der Freude über den Frieden schmerzliche Trauer. Berno, der zweijährige Bruder, hat Lungenentzündung, und, er schafft es nicht. Unser Bruder! Mama ist kraftlos auf den Fußboden gesunken im Hausflur und schluchzt und schluchzt herzzerreißend, die Kinder zittern und heulen. Damit nicht genug: Arnold, der jüngste, hat Keuchhusten. Er wird an den Beinen nach oben gehalten, wird mit Fett (Margarine oder?) eingerieben. Wie durch ein Wunder – er wird gerettet. Langsam erobern die Kinder der Ziebells wieder die Straße. Aber vor die Haustüre treten darf nur, wer eine weiße Armbinde trägt. Henry hat keine, will aber wissen, wie weit er sich hinauswagen darf. Also schneidet er sich zwei Streifen weißes Papier zurecht, befestigt sie an beiden Oberarmen. Tür auf und mal sehen, was da passiert. Er dreht seine Arme aber nach hinten. Auf der anderen Straßenseite hockt in einer Hausruine ein Soldat. Henry sieht den Lauf einer Waffe, der sich nach oben bewegt, direkt auf Henry. Der kriegt Schiss. Da streckt er seine zwei Arme mit den Binden vor. Der Lauf senkt sich wieder. Der Junge holt tief Luft, er ist fast stolz auf seine Mutprobe und daß er die geforderten Binden vorzeigen konnte. Mit paar Freunden zieht er zur nächsten Straßenecke. Dort war mal eine Panzersperre. Die sollte den „Feind“ aufhalten. Doch die Kinder sehen nur einen zerschossenen und niedergewalzten Trümmerhaufen. Knorke, wie die Russen das gemacht haben, bestätigen sie sich gegenseitig. In den Ruinen stinkt es. Brandgeruch. An einer Pumpe holen sich die Leute Wasser. Ein russisches Pferdefuhrwerk hält, Soldaten verteilen Schwarzbrot. „Chleb“ heißt das Brot, sagt die Mutter. Sie ist so stolz auf ihre Landsleute, auf ihr großes Land. Und wieder muß sie davon berichten, von blühenden Bäumen im Garten ihrer Tante bei Moskau, von einem Bild voller Schönheit, wo das Edle und Gute zu Hause sind. Die Kinder glauben fest an ihre Erzählungen, besonders der Henry, der ewige Träumer. Und so setzt sich fest in seinem Inneren ein Bedürfnis nach Harmonie, nach Menschlichkeit, Schutzschild und Richtschnur für Visionen zugleich …


Zum Inhalt
Ausgangssituation ist Schweden und das Haus, in dem die Popows wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.

Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er seine spätere Frau kennenlernte.

Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.

Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.

Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlußfolgerungen zieht.

Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.

Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender!


Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro

Tanz der Vampire



Lisa Fitz-Tanz der Vampire anlässslich der Münchner Sicherheitskonferenz


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 18. FEBRUAR 2019

von https://npr.news.eulu.info

Bereits im Januar 2018 sorgte Lisa Fitz mit „Ich sehe was, was du nicht siehst“ für gehörigen Wirbel. Der medial-geifernde Aufschrei kaum überhörbar. Auch mit diesem Text lässt Lisa Fitz, keinen Zweifel daran, was sie von der „Kriegselite“, die jährlich nach München kommt, hält. Sie spricht damit wohl auch der Mehrheit aus der Seele.

1. Im Bayrischen Hof tobt ein Maskenball von Vampiren, die unsichtbar sind. Die Spiegel im Saal reflektieren nicht mal, dabei sind sie doch längst noch nicht blind. Ist alles vom Feinsten, gebohnert, gewischt, entwanzt und gesichert in Hast. Des Abends wird schließlich groß aufgetischt, reichlich Staatshaushalts-Gelder verprasst. Der Welt-Kriegselite gebührt ein Spalier bei Kaviar, Sekt und Champagner und Bier, Sie feiert sich selbst, und das über Gebühr als Drohung zum nächsten Krieg – bis um Vier:

Für Folterherren und Kriegsverbrecher, Waffenhändler und Lobby-Sprecher Militärs und Kriegsminister, spinnefeind, doch wie Geschwister, Anti-Terror- Polizisten, selber Terrorspezialisten. Und als Sahnehäubchen drin: GroKo-Kriegsministerin!

2. Sie sehen die Welt mit dem Falkenblick als ihr eigens verwanztes Haus. Sie tagen und tragen mit großem Geschick die Revierkämpfe freundschaftlich aus. Die Weltpresse knipst, schreibt bereitwillig mit, das Fernsehen erfasst aber –NICHTS…puh! Die Zähne voll Blut glänzen wie Aspik in den Mundwinkeln ihres Gesichts. Die Welt-Lausch-Elite, die findet sich hier bei Kaviar, Sekt und Champagner und Bier. Sie feiert ihr neuestes No-Spy-Papier, den Freibrief zum Datenklau – bis um Vier:

Für BND- und NSA-ler, Schnüffler, Cyber-Angriffs-Mailer digitale Passwort-Knacker, die vitalen Brief- Einsacker, Metadaten-Analysten, Krypto-Botschafts-Dekodisten. Und als Spitze mittendrin: Drohnen-Kriegsministerin!

3. Danach geht es gleich noch zum Stehempfang, den die Stadtspitze gerne spendiert, Da stochert, was Namen hat – oder Rang in die Handys, dass nichts hier passiert… Man plaudert geschäftig geschäftlich, privat und nimmt noch Kaffee oder Tee…. und weiß sich so manchen technischen Rat beim Dessert im Geheim-Separee. Die Welt-Mords-Elite, die tummelt sich hier bei Kaviar, Sekt und Champagner und Bier. Sie feiert der Drohnen untrüglich‘ Gespür im Fliegen zum Terror-Sieg – bis um Vier:

Für Info-Schnaken, Daten-Kraken, die noch nie vor was erschraken, Algorithmen-Programmierer, Alles-was-sie-woll’n-Kopierer, miese Spitzel unter Tarnung mit Trojanern ohne Warnung. Und als Urschel mittendrin lacht die Kriegsministerin! Ha ha ha…

Am Tag schon darauf sind sie wieder fort, eh die Morgenstund‘ ihnen noch schlug, droh’n abermals Drohnen an ander’m Ort, wandert rund um die Welt dieser Spuk. Sie haben ihr Blutbad mit Lügen verkauft: „Ressourcenkrieg“ ist doch kein Wort! Auf „humanitäre Aktion“ getauft akzeptiert man doch eher den Mord. Die Welt-Kriegs-Elite ist weltweit vakant, sieht sich schmählich von Snowden verkannt: „Wir woll’n doch nur freundschaftlich wissen, verdammt, wer sein Handy verschlampt hat im Kanzleramt.“

Wir Abschaum, Kapital-Verbrecher, Weltverheerer, Knochenbrecher, Richter, Henker, Waffenlenker, Friedens-Feinde, Rechts-Verrenker, Kriegsherrn, Gegen-Terroristen, Waterboarding-Spezialisten. Und als Krönung mittendrin: die Leyen-Kriegsministerin! Die Kriegsministerin… die Kriegsministerin! *** (c) Lisa Fitz 2019

Video: Tanz der Vampire (zuerst SchrangTV am 11.02.2019 veröffentlicht)

https://npr.news.eulu.info/2019/02/16/lisa-fitz-tanz-der-vampire-anlaessslich-der-muenchner-sicherheitskonferenz/





Samstag, 16. Februar 2019

Spiel mit dem Feuer



AUS: AUSGABE VOM 16.02.2019, SEITE 1 / TITEL
BÜNDNISPOLITIK



Spiel mit der Apokalypse


Auftakt der Münchner Kriegskonferenz: NATO-Strategen beraten über Aufrüstung. Verstärkte Militarisierung der EU


Von Jörg Kronauer


Mit einem Bekenntnis zur NATO hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Freitag die diesjährige Münchner »Sicherheitskonferenz« eröffnet. Sie kündigte an, den deutschen Militärhaushalt – wie von Washington verlangt – systematisch weiter aufzustocken, forderte im Gegenzug aber ein Ende der jüngsten US-Alleingänge. »Für unsere Missionen pflegen wir den Grundsatz: Gemeinsam rein, gemeinsam raus«, erklärte die Ministerin mit Blick auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Von der Leyen eröffnete die Konferenz gemeinsam mit ihrem britischen Amtskollegen Gavin Williamson und kündigte an, die Militärkooperation mit dem Vereinigten Königreich nach dessen Austritt aus der EU noch zu vertiefen. Williamson hatte Anfang der Woche mitgeteilt, London wolle in den kommenden Jahren militärisch seine »globale Präsenz stärken«, seine »tödliche Schlagkraft steigern« und damit weltweit sein »Gewicht erhöhen«.

Jenseits transatlantischer Treueschwüre hat Konferenzleiter Wolfgang Ischinger, der in diesem Jahr rund 600 Teilnehmer in der bayerischen Landeshauptstadt begrüßen konnte, darunter mehr als 30 Staats- und Regierungschefs sowie etwa 90 Minister, zur verstärkten Militarisierung der EU aufgerufen. Die »Zusammenführung« von Streitkräften in Europa müsse schneller voranschreiten, forderte der langjährige deutsche Spitzendiplomat. Hintergrund sind die Spannungen mit den USA, die es aus Berliner Sicht erforderlich machen, ein eigenes militärisches Standbein aufzubauen. Erst Mitte dieser Woche hatte die Trump-Administration mit einer offen provozierenden Anti-Iran-Konferenz in Warschau versucht, außenpolitische Brüche in der Union zu vertiefen. Ischinger äußerte kurz vor Beginn der Münchner Konferenz, die EU dürfe nicht wirken »wie ein aufgeregter Hühnerhaufen, der nicht genau weiß, wo er hin will«. Er bezog dies explizit auf die Positionierung gegenüber Russland und China; allerdings umfasst seine Aussage implizit auch die Forderung nach politischer Geschlossenheit gegenüber den USA.

Schon vor Konferenzbeginn wurden neue Vorhaben bekannt, die die Debatten an diesem Wochenende befeuern dürften. So forderten führende deutsche Offiziere eine baldige Nutzung von »künstlicher Intelligenz« in der Bundeswehr. Anlässlich eines Treffens der Anti-IS-Koalition kündigte US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan an, der Einsatz des lockeren Kriegsbündnisses solle fortgesetzt werden. Als Schauplätze künftiger Operationen nannte Shanahan neben zwei Einsatzorten der Bundeswehr – Afghanistan sowie die Sahelzone – auch die Philippinen. Im Süden des Landes verbreiten Dschihadisten Terror. Ein Einsatz der Anti-IS-Koalition dort würde zur Stationierung westlicher Kampfverbände im unmittelbaren Umfeld Chinas führen.

Die Zeche der Münchner Konferenz zahlt übrigens – wie üblich – die Allgemeinheit. Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, bestätigte, sind 290 Bundeswehrangehörige nach München entsandt worden. Die Kosten dürften, konstatiert Jelpke, deutlich über den 640.000 Euro liegen, auf die sich die Entsendung von 217 Militärs zur Sicherheitskonferenz 2017 belief. Zuzüglich einer Förderung durch das Bundespresseamt stellt der Steuerzahler also weit über eine Million Euro für das Militärspektakel bereit.





Mittwoch, 13. Februar 2019

Die USA brauchen nützliche Vasallen



Transatlantischer Elitenfaschismus und Tiefer Staat



VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 13. FEBRUAR 2019


von Ullrich Mies
Die Regierungen der westlichen Fassadendemokratien sahen sich nach dem Kollaps der UdSSR 1990/1991 als Siegermächte eines Systemkampfes. Sieger schreiben die Geschichte und darum kam für die politischen Führungen der USA und ihre europäischen Statthalter eine an langfristiger politischer Stabilität und Zusammenarbeit mit Russland „auf Augenhöhe“ orientierte Außenpolitik gar nicht in Frage. Russland stand mit dem Rücken zur Wand und Jelzin hatte die Entscheidungen der Clinton-Administration zur Kenntnis zu nehmen, er hatte zu parieren.[i] Zu dieser Zeit war die Welt für die westlichen Herrschaftskasten noch in Ordnung. Erst als Putin die Macht im früheren Sowjetstaat übernahm, den Ausverkauf der Nation durch kriminelle Oligarchen eindämmte, der Verelendung des eigenen Volkes ein Ende setzte und sich der Einkreisung Russlands durch die NATO entgegenstellte, schrillten in den westlichen Herrschaftszentralen alle Alarmglocken. Seit etwa dem Jahr 2000 installierten die marktradikalen, neokonservativen Transatlantiker unter US-Führung Russland als neuen Feind und den Kalten Krieg 2.0. Treiber der skizzierten Entwicklungen ist ein transatlantischer Elitenfaschismus, der im „Dunkelraum der Herrschenden“, dem Tiefen Staat, operiert und eine neue Phase der Hochrüstung einleitet.


Transatlantischer Elitenfaschismus

Materielle Grundlage des transatlantischen Elitenfaschismus ist der globalisierte Kapitalismus unter Herrschaft der Finanzindustrie, der Reichen und Superreichen.[ii] Der transatlantische Elitenfaschismus als supranationale Herrschaftsideologie ist ein recht junges Phänomen. Er hat sich seit etwa 30 Jahren herauskristallisiert. Als Zentrum der Macht hat Bernd Hamm eine global herrschende Klasse definiert:

„Die global herrschende Klasse tendiert dazu, sich selbst, vergleichbar mit feudalen Königen, von Gottes Gnaden hoch über alle anderen Menschen gesetzt zu sehen. Faschismus dürfte eine tragende Säule ihrer Ideologie sein und Krieg nur eines der Werkzeuge, um ihre Macht und ihre Gewinne zu steigern. Damit ist sie durch ein übergeordnetes Klasseninteresse miteinander verbunden. Zur Einigkeit im Klassenkampf lässt sich konstatieren: Es handelt sich um einen global geführten Klassenkampf ‚von oben‘. Beim Begriff ‚Klassenkampf‘ denkt jeder nur an Aktionen von Arbeitern, die ihre Klasseninteressen verteidigen, und vergisst dabei den viel bedeutenderen Klassenkampf, der von der herrschenden Klasse mithilfe des Staates organisiert wird.“[iii

Der ideologische Überbau, d.h. das Glaubensbekenntnis des transatlantischen Elitenfaschismus umfasst

- den imperialistischen Weltbeherrungsanspruch der USA,
- die Missionierungsideologie der USA als exzeptionelle[iv], „unverzichtbare Nation der Welt“ mit außerordentlichen Rechten[v],
- die Unterwerfungsforderung an alle anderen Nationen,
- den radikalisierten Neoliberalismus (Marktradikalismus) als „alternativlose“ Ordnung[vi] und
- als Menschenbild die Herrenmenschenideologie des Konkurrenzkapitalismus[vii].



Im Gegensatz zum (alten) Faschismus italienischer, nationalsozialistischer, spanischer oder portugiesischer Prägung benötigt der transatlantische Elitenfaschismus

- keine charismatische Führerpersönlichkeit,
- keine aktive Massenunterstützung,
- keine chauvinistische Blut- und Boden-Rabulistik und
- keine formale Diktatur.



Ausgehend vom Weltbeherrschungsanspruch der westlichen Führungsmacht USA haben die neokonservativen Netzwerker der USA und Europas die „westlichen Demokratien“ seit 1990 in Fassadendemokratien transformiert[viii] und den Aufstieg des Finanzkapitalismus durch Deregulierungen aller Art ermöglicht.[ix] Die Tatsache, dass in deutschen ehemaligen „Volksparteien“ neokonservative, marktradikale, transatlantische „Putsch“-Kader[x] völlig konsequenzenlos, fortgesetzt und parteiübergreifend die Richtlinien der Politik bestimmen, obwohl sie ihre Parteien massiv geschädigt und im Falle der SPD voraussichtlich auf Jahrzehnte ruiniert haben, beweist den Komplottcharakter dieser Kader.

Der bedeutendste Aspekt des genannten ideologischen Überbaus des transatlantischer Elitenfaschismus ist die Herrschaftsideologie des „freien, unbeschränkten Marktes“. Dieser säkularisierten Ersatzreligion des Marktradikalismus folgen die Täter des transatlantischen Elitenfaschismus. Sie arbeiten als Feindkorporationen gegen den demokratischen und sozialen Verfassungsstaat, die eigenen Völker und richten ein Desaster nach dem anderen an.[xi] Seit dem Systemkollaps der UdSSR bestimmt der transatlantische Elitenfaschismus mit zunehmender Intensität die Geschicke in den westlichen Staaten.



Souverän abgemeldet

Der Souverän ist abgemeldet und hat nichts zu sagen. Er ist zu 99 % seines Lebens von jeder demokratischen Teilhabe ausgeschlossen. Er darf die Herrschaftskasten im formalen Akt des 4-jährigen Wahlzirkus in ihrer Herrschaft legitimieren. Das ist seine einzige Funktion!

Der „europäischen Abteilung“ des transatlantischer Elitenfaschismus — der EU — kommt die Aufgabe zu, den Vorgaben des finanzkapitalistisch-staatsterroristisch-militärisch-industriellen Kommunikationskomplexes (FSMIKK), der eigentlichen Regierung der USA, Folge zu leisten und sich in seine sub-imperialistische Rolle zu fügen. Allein diese Rolle hat ihr das internationale Anlagekapital und der Militär-Faschismus von Pentagon und NATO zugedacht. Wer die politische Macht heutiger Finanzakteure als maßgebliche Treiber des transatlantischer Elitenfaschismus ermessen möchte, betrachte beispielsweise die größte Kapitalsammelstelle der Welt: den Vermögensverwalter BlackRock mit einem Anlagevermögen in Höhe von 6,288 Billionen US-Dollar zum Ende 2017[xii] und von 6,444 Billionen[xiii] zum Ende des 3. Quartals 2018. Die Finanzpower allein von BlackRock[xiv] überstieg die gesamten Staatseinnahmen der USA in 2018.[xv] Die Macht dieser Kapitalsammelstellen, von denen BlackRock nur eine ist, liegt jenseits des Vorstellungsvermögens der meisten Menschen.[xvi]

Die Zivilgesellschaft ist nach fast 30 Jahren neoliberalen Herrschaftsterrors vollends Geisel des FSMIKK und der neokonservativen Kriegstreiber und Kriegsverbrecher. Diese räumen im koordinierten Militär-Stechschritt alles ab, was ihnen als völkerrechtlicher Hemmschuh, Rüstungskontrollabkommen, als Friedensgebot oder Rechtsstaat im Wege steht. Die neuesten Entwicklungen wie die Kündigung des Iran-Atomabkommens und des INF-Vertrages[xvii] sowie die existenzielle Bedrohung Venezuelas[xviii] legen Zeugnis darüber ab, dass der transatlantische Elitenfaschismus völlig außer Rand und Band geraten ist. Zur Realisierung seiner Weltherrschaftsobszession geht er rücksichtslos über Meere von Leichen[xix].


Tiefer Staat

Als den Tiefen Staat des transatlantischen Elitenfaschismus bezeichne ich die nach 1990 entstandenen bzw. sich konsolidierenden neokonservativen Netzwerke in Parteispitzen und Regierungen, Think Tanks, korrupter Wissenschaft und Publizistik, Rüstungswirtschaft, NATO, EU, Finanzwirtschaft, marktradikalen supranationalen Organisationen wie G-7, OECD, WTO, EZB etc. und ihre Herrschaftsmedien.

Tiefer Staat und transatlantischer Elitenfaschismus bilden eine verwobene Einheit mit Weltbeherrschungsanspruch. Der Tiefe Staat ist der Dunkelraum der Herrschenden, der weitgehend unterhalb des „öffentlichen Radars“ wirkt. Er ist die Parallel-Regierung, die permanente Regierung des transatlantischen Elitenfaschismus.

Der Tiefe Staat operiert langfristig orientiert und völlig unabhängig vom Wählerwillen oder von Wahlergebnissen. Diese Parallel-Regierung interessiert sich nicht für Demokratie und Rechtsstaat, Frieden und Gerechtigkeit. Ihre wesentlichen Akteure sind die Reichen und Superreichen und Kapitalsammelstellen wie BlackRock auf der Suche nach Maximalprofit, ferner demokratiefreie Organisationen wie die NATO und die EU-Kommission. Kennzeichnend für den Tiefen Staat sind klandestine Ausschüsse, Direktorien, Senate, Geheimbünde wie die Bilderberger, die Trilaterale Kommission, das Weltwirtschaftsforum Davos, die Münchner Sicherheitskonferenz, die transatlantischen Think Tanks etc. Ferner zählen zum Tiefen Staat die Geheimdienste, die Kriegs-Bürokratie, die Sicherheits-Industrie, die Finanzministerien und die Konzernwirtschaft einschließlich der Überwachungs- und Gehirnwasch-Industrie.

Weiterhin zähle ich die gesamte Konzernlobby-Maschine sowie die milliardenschwere internationale Anwalts- und Beratungsindustrie zum Tiefen Staat, da sie die demokratischen Institutionen korrumpiert, von innen zersetzt und die Privatisierung des Staates und seiner Institutionen maximal befördert.[xx]

„Ein aktueller Bericht zur Arbeit der EU-Staaten in Brüssel spricht von einer ‚symbiotischen Beziehung‘ mit der Konzernlobby. Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten können oder wollen keine Auskünfte zu Treffen ihrer Mitarbeiter mit Lobbyisten geben.“[xxi]

Machtpolitisch strebt der Tiefe Staat die totale Herrschaft an, versucht aber, in seinem demokratiefeindlichen Totalitätsanspruch nicht erkannt zu werden. Er camoufliert sich bestens vor unseren Augen, verkauft uns z.B. Kriege als humanitäre Einsätze, die Wirtschaftsdiktatur der Konzerne und die Privatisierung des Öffentlichen als alternativlos sowie Flüchtlingsströme als Schicksal. Alles dies ist das Werk des Tiefen Staates und des transatlantischen Elitenfaschismus.


Massenverdummung

Die Träger des modernen transatlantischen Elitenfaschismus haben durch Massenmanipulation, Gehirnwäsche, Tittitainment, Öffentlichkeits- und Empörungsmanagement über eine Generation hinweg das Massenpublikum entpolitisiert, in Konsumverblödung und Konformität gesteuert und sich durch Spaltung, Angst- und Hassproduktion weitgehend gefügig gemacht. Die ausgefeilten Manipulationstechniken des information warfare sind der real geführte soft-power-Krieg gegen die Zivilgesellschaft.

Der transatlantische Elitenfaschismus bekämpft jede kulturelle und nationale Identität, da sie dem von ihm beförderten Menschenbild des politisch indifferenten, internationalisierten, geschlechtsneutralen und kulturell entwurzelten Markthomunculus[xxii] entgegenstehen. Selbstverständlich überlässt der transatlantische Elitenfaschismus auch das Empörungspotential der Öffentlichkeit nicht dem Zufall.[xxiii] Hierzu bedient er sich milliardenschwerer Gehirnwasch-Firmen, sogenannter PR-Agenturen/ public opinion Agenturen. Diese sorgen für einen maximal verengten Meinungskorridor politischer Beschränktheit (political correctness).


Geopolitische Neuordnung

Nachdem ab Mitte der 1990er Jahre klar wurde, dass die Auflösung der NATO nach 1990 nie wirklich zur Debatte stand und die westlichen Herrschaftscliquen ihr Militärbündnis nach Osten expandieren würden, verleibten sie dem westlichen Militärbündnis nach und nach die früheren UdSSR-Satellitenstaaten ein. Die NATO hat sich unter fadenscheinigen Begründungen wie „Demokratieexport“ und „Ausweitung der freiheitlichen Marktwirtschaft und des liberalen Rechtsstaats“ unter völliger Missachtung russischer Sicherheitsinteressen bis vor die „russische Haustür“ geschoben. Sie expandierte 1999 um Polen, Ungarn und Tschechien, 2004 um Estland, Lettland , Litauen, Rumänien, Ungarn, Slovenien und die Slowakei, 2009 um Albanien und Kroatien und 2017 um Montenegro.

Weitere Kandidaten, Ukraine, Mazedonien, Kosovo und Georgien sind in der Pipeline. Aktuell pressen die Freihandels- und Militarisierungsenthusiasten von NATO und EU Mazedonien in die NATO, um endlich das 30. Mitglied in den Schoß der „alternativlosen Marktwirtschaftsordnung“ aufzunehmen. Die Bevölkerungen wurden und werden ohnehin nicht gefragt und wenn sich Widerstand regt, wie in Montenegro oder auch in Mazedonien, dann wird der Wille der Bevölkerung schlicht übergangen oder niedergeknüppelt. Zur Erinnerung: Im Vorfeld des Gerangels um den EU-Verfassungsvertrag hatten sich die Bevölkerungen Irlands, Frankreichs und der Niederlande gegen eben diesen „Verfasssungsvertrag“ ausgesprochen. Danach wurde erneut abgestimmt, bis das Ergebnis passte, und der abgelehnte „Verfassungsvertrag“ trat nahezu wortgleich als Lissabon-Vertrag schließlich 2009 in Kraft. Soviel zum „Souverän“.

Russland hat zu Recht seit Mitte der 1990er Jahre immer wieder auf die destabilisierenden Wirkungen der NATO-Osterweiterungen hingewiesen und diese stets abgelehnt. Das interessierte die USA und ihre Statthalter in den europäischen Hauptstädten jedoch gar nicht. Die Europäer wollen mit am Tisch der US-Raubritter und -Piraten sitzen, wenn das Fell des russischen Bären geteilt werden sollte, so es denn dazu kommt.

Die aktuelle Kriegsgefahr ist das Ergebnis der NATO-Osteroberung und damit der im Wesentlichen vom Westen zu verantwortenden politischen Großwetterlage. USA/NATO/EU haben mit der NATO-Expansion zahllose potentielle Konfliktherde geschaffen und schalten diese nach Belieben jederzeit an und ab, wie neuerlich mit ihren ukrainischen Kumpanen im Asowschen Meer. Das gilt auch für die baltischen Staaten, Polen, Ukraine, Georgien, Ex-Jugoslawien/ Kosovo etc.

Das elitenfaschistische Herrschaftskomplott der „marktgesteuerten westlichen Demokratien“ hat den Hals jedoch noch lange nicht voll — es will mehr. Es will die totale Herrschaft über den Planeten, die USA sagen dies auch und unterstreichen ihren Weltbeherrschungsanspruch in allen Nationalen Sicherheitsstrategien wie in der 2017er nationalen Sicherheitsstrategie:

„Putting America first is the duty of our government and the foundation for U.S. leadership in the world.“[xxiv]

Alle Staaten, die Washington verdächtigt, sich der Herrschaft des transatlantischen Elitenfaschismus nicht zu unterwerfen, werden dämonisiert, destabilisiert und schließlich militärisch überfallen, zumindest zerstört und chaotisiert, damit sie als staatliche Akteure wie Irak, Libyen, Syrien auf dem internationalen Parkett keine Rolle mehr spielen. Aktuell haben die Welteroberer und ihre EU-Satrapen den Iran und Venezuela[xxv] im Fadenkreuz.

Meinungsdifferenzen zwischen den USA und der EU entzünden sich vordergründig am rüpelhaften Verhalten Trumps, z.B. auf dem G-7-Gipfel Anfang Juni 2018 durch die abfällige Behandlung der EU-Partner und das Zurückziehen der Abschlusserklärung. Die Differenzen zwischen den USA und der EU („fuck the EU“) liegen maßgeblich auf wirtschaftlichem Gebiet, auf dem die USA immer weiter zurückzufallen drohen, insbesondere wenn sie zusätzliche Freihandelsabkommen mit der EU abschließen sollten.

Da der europäische Rat — die Staats- und Regierungschefs der EU — als oberste Herrschaftsinstanz der EU das NATO-Bündnis unter keinen Umständen gefährden will, kommt er den US-Forderungen bereitwillig nach, die Militärausgaben auf mindestens 2 % des BIP zu erhöhen. Und so hat das deutsche Kriegsestablishment die Militärausgaben gemäß IISS-Angaben aus „The Military Balance“ 2018 von 36,589 Milliarden $ im Jahr 2015 auf 41,734 $ in 2017, d.h. um über 14 % gesteigert. Russland hat seine Rüstungsausgaben im selben Zeitraum von 52,201 Milliarden $ auf 45,600 $ gesenkt, d.h. um 12,46 %. Die Rüstungsausgaben allein der USA betrugen 2017 602,783 Milliarden $ und waren damit 13-Mal so hoch wie die Russlands.[xxvi] Die Steigerung der US-Militärausgaben in Höhe von etwa 10 % im Jahre 2018 ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Soeben hat das Berliner Regime dem NATO-Faschismus weitere Unterstützungen zugesagt: Das Regime „bekennt sich verbindlich“, die Ausgaben für die eigene Kriegsmaschine bis 2024 auf 1,5 % des BIP heraufzuschrauben, d.h. der deutsche Kriegshaushalt soll bis 2024 auf 60 Milliarden Euro steigen.[xxvii]

Vom aggressiven Russland zu schwadronieren, während die US-Militärausgaben 13- Mal höher liegen als die Russlands und die NATO für etwa 55 % der Weltmilitärausgaben verantwortlich ist, übersteigt eigentlich jedes intellektuelle Fassungsvermögen und zeigt, wie die Täter des westlichen Elitenfaschismus gestrickt sind. Eine unabhängige Medienlandschaft, die die Zusammenhänge aufdeckt, haben wir ohnehin nicht mehr.

Das Ganze läuft vor dem Hintergrund der faktischen Staatspleite der USA, die nach Angaben der Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit 71.000 Milliarden, d.h. 71 Billionen $ verschuldet sind, wenn man die Staats-, Privat- und Unternehmensschulden ohne Hypothekenschulden addiert.[xxviii] Und darin sind die 21 Billionen $, die vorwiegend zwei Ministerien versenkten, noch gar nicht enthalten — verschwunden, unauffindbar. Offensichtlich handelt es sich hierbei um ein einziges staatlich/privat organisiertes und gedecktes Vertuschungssystem.[xxix] Bei realistischer Betrachtung sind die USA also mindestens mit 100 Billionen $ verschuldet, wahrscheinlich mit sehr viel mehr, „vergraben“ in „black budgets“. Nach Trumps Auffassung „schulden“ die NATO-Partner dem Militärbündnis höhere Militärausgaben. Wenn Trump sein „Spielzeug“, d.h. die anvisierte 2 % BIP-Steigerung der Militärhaushalte der EU-Staaten nicht bekäme, würden die Karten in der NATO vielleicht neu gemischt. Das Kriegsestablishment — allen voran Deutschlands und Frankreichs — lässt sich in dieser Causa jedoch gern „erpressen“,

1.weil es die Statthalter-Abteilungen des US-Regimes und damit des transatlantischer Elitenfaschismus ist und
2.weil es nun eine Chance sieht, über eine vermeintlich unabhängige EU-Militärmacht den eigenen Militär- und Rüstungskomplex zu mä



Eine EU-Militärmacht wird jedoch allenfalls ein tolerierter Seitenarm der NATO werden. Insbesondere Frankreich verbindet damit seine neokolonialen Interessen in Afrika, die es mit deutscher Hilfe „verteidigen“ will. Das Ganze erhält dann das Label: „Kampf gegen den Terror“. Das deutsche Kriegsestablishment sieht hier Möglichkeiten, in Afrika Einfluss zu gewinnen und den Absatz von Rüstungsgütern zu fördern. Der soeben unterzeichnete Freundschaftspakt Frankreich-Deutschland in Aachen ist vor allem ein Militär- und Rüstungskooperationsvertrag. Diese beiden Staaten zusammen gaben übrigens 2017 ziemlich genau doppelt soviel für ihre Militärapparate aus wie Russland.

Eine Preisgabe der NATO steht für den transatlantischen Elitenfaschismus generell nicht zur Debatte. Andernfalls hätte sich das angerichtete Chaos in den internationalen Beziehungen „nicht gelohnt“. Darüber hinaus denken die Täter des transatlantischen Elitenfaschismus nicht im Traum daran, eine derartige gigantische Landnahme wie die NATO-Osteroberung aufzugeben.

Im Rahmen des NATO-Bündnisses brauchen die USA nützliche Vasallen und zwar als NATO-Beitragszahler, als Militärdienstleister und Logistikpartner, Militärstützpunkt-„Lieferanten“ und Militärbudget-Aufstocker. Ferner haben sich die europäischen NATO-Mitglieder aus US-Sicht als Kriegsschauplatz für den großen Showdown gegen Russland bereit zu halten.[xxx] Sogar diese Tatsache scheint die Ignoranten-Abteilungen des europäischen transatlantischen Elitenfaschismus in Berlin und Paris nicht zu interessieren. Sieht so „die Übernahme von Verantwortung“ für Europa und das eigene Land aus?

Jetzt in der 6. Auflage: Ullrich Mies/Jens Wernicke (Hg.),
Fassadendemokratie und Tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter,
promedia-Verlag, Wien 2017; (Preis 19,90 €)
Mit Beiträgen von:
Jörg Becker, Daniele Ganser, Bernd Hamm, Hansgeorg Hermann, Hannes Hofbauer, Jochen Krautz, Mike Lofgren, Rainer Mausfeld,
Ullrich Mies, Hermann Ploppa, Jürgen Rose, Werner Rügemer, Rainer Rupp, Andreas Wehr, Wolf Wetzel und Ernst Wolff