Samstag, 2. Februar 2019

Eine Farce: Westliche Wertegemeinschaft - von Wolfgang Bittner



Der Einfluss der US-Netzwerke auf Politik und Medien in Deutschland


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 2. FEBRUAR 2019

von Wolfgang Bittner – https://kenfm.de

Wenn man die Mitwirkung Deutschlands an den Kriegen der USA und ihrer NATO, die Aggressionspolitik gegen Russland, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten oder auch die verbotenen Waffenexporte in Krisenregionen (zum Beispiel nach Saudi-Arabien, das den Jemen in die Steinzeit zurückbombt) vor Augen hat, ist die permanente Berufung deutscher Politiker und ihrer Medien auf eine „westliche Wertegemeinschaft“ eine einzige Farce.

Der Herausgeber der nachdenkseiten.de, Albrecht Müller, schrieb zu dem westlichen Anspruch, Recht und Moral immer auf seiner Seite zu haben: „Wir, der Westen unter Beteiligung von Deutschland, führen Kriege im Nahen Osten und in Afrika und zerstören die Lebensgrundlagen vieler Völker. Wir zetteln wie in Syrien Bürgerkriege an, um Regime Changes nach unserem Gusto zu erreichen. Und dann bedienen wir uns bei den gut ausgebildeten Menschen dieser Völker, insbesondere auch bei der Jugend. Das ist infam, das ist unfassbar und ein Beleg dafür, dass diese unsere Gemeinschaft jedenfalls keine Werte hat.“(1)

Vor allem die Willfährigkeit der deutschen Regierung gegenüber den Vorgaben aus den USA, wie sie sich gerade wieder in der konzertierten Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas zeigt, ist verhängnisvoll und beweist eindrucksvoll, dass Deutschland nach wie vor unter Kuratel steht.(2) Bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben das US-Außenministerium, geheimdienstliche Organisationen sowie sonstige interessierte Kreise aus den USA die Welt und insbesondere den Frontstaat Deutschland mit ihren Think Tanks und „Nichtregierungsorganisationen“ (NGO‘s) überzogen.(3) Dazu gehören Atlantik-Brücke, Münchner Sicherheitskonferenz, European Council on Foreign Relations, Aspen Institute, Goldman Sachs Foundation, The American Interest, Atlantic Council, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Rockefeller Foundation, Atlantische Initiative, insgesamt weit über hundert Organisationen. Mit diesen Netzwerken nehmen die USA Einfluss auf die Politik insbesondere in Deutschland. Das wird jedoch in den Medien, deren leitende Redakteure ebenso wie namhafte Politiker gern solchen Netzwerken angehören, nicht thematisiert.

Der „Atlantik-Brücke“ gehören zum Beispiel folgende Politiker an: Angela Merkel (CDU), Friedrich Merz (CDU), Friedbert Pflüger (CDU), Karsten Vogt (SPD), Christian Lindner (FDP), Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Philipp Rösler (FDP), Omid Nouripour (Bündnis 90/ Die Grünen), Stefan Liebich (Die Linke), Wolfgang Ischinger (Münchner Sicherheitskonferenz). Hinzu kommen aus den Medien u.a.: Claus Kleber (Moderator und Leiter der ZDF-Nachrichtenredaktion), Kai Diekmann (ehemaliger Chefredakteur für Bild und Bild am Sonntag), Josef Joffe (Herausgeber der ZEIT), Stefan Kornelius (Leiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung), Jan Fleischhauer (Der Spiegel), Michael Hüther (Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft).

Weitere Mitglieder US- und NATO-naher Netzwerke sind: Klaus-Dieter Frankenberger (Leiter Außenpolitik der Frankfurter Allgemeinen), Michael Stürmer (Chefkorrespondent der WELT), Theo Sommer (ehemaliger Herausgeber und Chefredakteur der ZEIT), Ulrich Wickert (ehemaliger Moderator der ARD-Tagesthemen), Wolfgang Schäuble (CDU), Ursula von der Leyen (CDU), Norbert Röttgen (CDU), Ruprecht Polenz (CDU), David McAllister (CDU), Kurt Biedenkopf (CDU), Eckart von Klaeden (CDU), Edmund Stoiber (CSU), Klaus von Dohnanyi (SPD), Hans-Ulrich Klose (SPD), Walter Momper (SPD), Joschka Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen), Cem Özdemir (Bündnis 90/ Die Grünen). Hinzu kommen Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Es sind einflussreiche Gesellschaften, die in die Politik und das öffentliche Leben eingreifen, dafür wurden sie gegründet.(5) Wer sich konform verhält, hat gute Chancen gefördert zu werden, wer ausschert, kann Probleme bekommen, in seiner Karriere behindert und von den Medien boykottiert werden. So können Shootingstars entstehen oder auch namhafte Persönlichkeiten ins Abseits geschickt werden.

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring schrieb im April 2018 nach der Berliner Regierungsbildung über ein solches Netzwerk: „Der Atlantic Council, ein eminent wichtiger Lobby- und Politikberatungsverein in Washington hat eine Studie herausgebracht, in der er Politiker verschiedener Parteien, einschließlich Sigmar Gabriel, zu Putins Fünfter Kolonne erklärt und Medien, Geheimdienste und Zivilgesellschaft zur Hatz auf diese auffordert. Martin Schulz hat offenbar mächtige Unterstützer bei seinem erstaunlichen Wunsch nicht nur Außenminister, sondern – statt Gabriel – auch SPD-Kanzlerkandidat zu werden.“(6)

Bekannte Persönlichkeiten im Atlantic Council,(7) einer weltweit operierenden Organisation mit Hunderten von Mitgliedern und Mitarbeitern sind unter anderem der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, der Vorstandsvorsitzende der Airbus SE Thomas Enders und der Medienunternehmer Rupert Murdoch. Zum Vorstand gehört „die Crème de la Crème der Neokonservativen und Kriegsverbrecher“, wie der Journalist Jonathan Sigrist schreibt.(8) Er nennt Henry Kissinger, Condoleezza Rice, Frank Carlucci, James A. Baker, George P. Shultz, James Woolsey, Leon Panetta, Colin Powell und Robert Gates und bezeichnet den Coucil als die „inoffizielle Propaganda-Abteilung der NATO“, einen Think Tank, „der maßgeblich von der NATO, von Waffenproduzenten, Öl-Monarchien des Mittleren Ostens, Milliardären und verschiedenen Zweigen des US-Militärs finanziert wird“. Zu den Unterstützern, die offen genannt werden, gehören: Krauss-Maffei, Bertelsmann Stiftung, Airbus Group, Lockheed Martin, Chevron, Blackrock, Bank of America, Coca Cola, ExxonMobil, Shell, Europäische Union u.a.(9)

Widersacher und politische Gegner werden herabgewürdigt und diffamiert. Norbert Häring schrieb: „Das Cover der Atlantic-Council-Veröffentlichung zierte ein Foto von Gerhard Schröder mit schwarzem Balken über den Augen. Als pro-russische Schlüsselakteure in Deutschland wurden aus dem SPD-Lager zuvorderst aufgeführt, Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder, aus dem CDU-Lager Ronald Pofalla und aus dem Unternehmenslager Wolfgang Büchel und Klaus Mangold.“

Wer nicht spurt, hat schlechte Karten: „Für keinen der Genannten lief es ab da karriere- und PR-mäßig gut. Bahn-Vorstand Pofalla scheiterte im folgenden Frühjahr mit der Ambition, Bahnchef Grube nachzufolgen, aufgrund mangelnden Rückhalts bei CDU und SPD, wie es in der Presse hieß. Linde-Chef Büchele kam nur zwei Wochen später seinem Rauswurf durch Rücktritt zuvor. Vorher hatte er seinen Platz auf der Schwarzen Liste des Atlantic Council gerechtfertigt, indem er in einem Gastkommentar im Handelsblatt am 21.11. unter dem Titel Zeit für Alternativen die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland forderte.“(10)

Über Pofalla berichtete SPIEGEL Online, er habe wohl unterschätzt, „wie gering die Unterstützung für seine Beförderung war“; auch die Kanzlerin sei als Unterstützerin ausgefallen.“(11) Zu Büchele war bei seinem Abgang über einen „neuerlichen Vorschlag der Amerikaner“ im Handelsblatt zu lesen: „Linde und sein US-Konkurrent Praxair starten einen neuen Anlauf für einen Zusammenschluss. Vorstandschef Wolfgang Büchele muss allerdings sofort abtreten. Der neue Firmensitz soll im Ausland liegen.“(12)

Was Schröder und Mangold angeht, schreibt Norbert Häring: „Zeitgleich mit der Veröffentlichung der Liste der russischen Einflussagenten, steckte jemand der Presse, dass TUI-Aufsichtsratschef Mangold EU-Kommissar Öttinger im Privatjet zu einem Treffen mit Victor Oerban in Budapest mitgenommen hatte. Ein Jahr später kam Mangold in einem Tagesschau-Bericht zu den Paradise-Leaks auf unangenehme Weise groß heraus. Schröder und er bekamen die beiden längsten Einträge. Bei Mangold war das Vergehen, dass er Geschäfte mit dem russischen Milliardär Berezovsky gemacht hatte, der schon seit 2013 tot war.“(13)

So ist erklärlich, dass politische Berichte, insbesondere über Russland, Syrien, Nordkorea, den Iran oder Venezuela, zu einzelnen Themen in fast allen Medien identisch sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie von dubiosen Service-Agenturen verbreitet und ungeprüft übernommen werden. George W. Bush hat 2002 das Schlagwort von der „Achse des Bösen“ geprägt, unter Clinton und Obama wurde Russland zum Feind und Putin der „neue Zar“, der Aggressor, vor dem sich die Welt fürchten müsse. Nicht nur in Deutschland haben sogenannten Qualitätsmedien seit Langem ihre Bedeutung als Vierte Gewalt im Staat verloren. Insofern ist zu begrüßen, dass die alternativen Medien immer mehr an Zuspruch gewinnen.

Es ist schon lange an der Zeit, das deutsch-amerikanische Verhältnis neu zu bewerten. Der Zweite Weltkrieg liegt 74 Jahre zurück, und 1990 wurde bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten das Besatzungsrecht aufgehoben. Deutschland wurde mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag de jure souverän, de facto blieb es das Einfluss- und Interessengebiet der USA. Dass deutsche Regierungspolitiker erst jetzt auf die Idee kommen, die Partnerschaft mit den USA „neu zu vermessen“ – wie Bundesaußenminister Heiko Maas am 21. August 2018 im Handelsblatt verkündete –, muss allerdings verwundern. Das ist offensichtlich nur möglich, weil Präsident Donald Trump in den Augen der Anti-Trump-Koalition, zu der die deutsche Regierung mit Angela Merkel gehört, eine Unperson ist. Deswegen ist es kein Antiamerikanismus mehr, wenn der US-Präsident kritisiert wird und sozusagen hinterhergeschoben deutsche Interessen angemeldet werden. Womöglich pro forma, denn die Vorstellungen von Maas wie auch anderer Politiker seiner Couleur sind in vielerlei Hinsicht unreflektiert, wenn nicht sogar Camouflage, Tarnung für anderes. Unter offensichtlicher Einflussnahme des militärisch-industriellen Komplexes und anderer interessierter Kreise ist Aufrüstung angesagt.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“.

Quellennachweise:, u.a.:

(1) Albrecht Müller, Der Grundwert der westlichen „Werte“gemeinschaft: Egonismus, NachDenkSeiten, 17.8.2018, https://www.nachdenkseiten.de/?p=45538#more-45538.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen