Putins Jahresbotschaft: Moskau gegenüber USA weiter gesprächsbereit. Schwerpunkt der Rede aber Sozialpolitik und Entwicklung
Von Reinhard Lauterbach
Der russische Präsident Wladimir Putin hat in seiner Jahresbotschaft den internationalen Spannungen mit den USA nur verhältnismäßig wenig Raum gewidmet. Den Großteil der zweieinhalbstündigen Ansprache vor 2.000 Abgeordneten, Honoratioren und hohen Beamten nahmen – wie auch schon in den vergangenen Jahren – Fragen der Modernisierung Russlands ein.
Mit Blick auf die internationale Lage warf Putin den USA vor, auf »unehrliche Weise« aus dem INF-Vertrag zur Abschaffung der Mittelstreckenraketen ausgestiegen zu sein. Er deutete an, Russland habe Verständnis für die Sorgen der USA über die nukleare Aufrüstung von durch den INF-Vertrag nicht gebundenen Drittstaaten – gemeint ist in erster Linie wohl China. Putin sagte wörtlich: »Wir sind zu weiteren Gesprächen über Abrüstungsthemen bereit. Aber an verschlossene Türen anklopfen werden wir nicht mehr«. Russland werde niemals als erstes Land neue Mittelstreckenraketen stationieren. Sollten die USA aber mit ihren Plänen für angebliche Abwehrraketen in Polen und Rumänien fortfahren, kämen sowohl diese Länder, als auch die Länder, aus denen der Einsatz der Raketen gesteuert würde – unter anderem Belgien und die Bundesrepublik – auf die russische Zielliste.
Putin betonte, Russland wolle keinen Konflikt mit den USA, Moskau lasse sich aber auch nicht durch Drohungen und Provokationen unter Druck setzen. »Viele Mitglieder der herrschenden Klasse in Washington sind etwas zu überzeugt von der Idee ihrer eigenen Einzigartigkeit und der Überlegenheit ihres Landes gegenüber dem Rest der Welt. Sie haben natürlich das Recht so zu denken, aber sie sollten auch ihre Fähigkeit zu rechnen nicht vergessen.«
Als eine Art Rechennachhilfe für die US-amerikanische Seite gab Putin einen Überblick über die Entwicklung der in seiner Ansprache im letzten Jahr vorgestellten neuartigen Hyperschallwaffen. Sie gehe planmäßig voran, der Kampflaser »Pereswet« werde im Dezember in Dienst gestellt, und schon im Frühjahr 2019 werde das erste neue Atom-U-Boot vom Stapel laufen, das mit dem Hyperschall-Marschflugkörper »Kinschal« ausgestattet sei.
Putin betonte zum Schluss seiner Rede, Russland brauche für seine Entwicklung Frieden. Anspruchsvoll sind die von ihm genannten Ziele dieser Entwicklung: Mehr Kindergeld, staatlich subventionierte Baukredite, Renten sicher über dem offiziellen Existenzminimum, Prämien für Ärzte und Lehrer, die zur Arbeit in die Provinz gehen.
Das Geld für diese Sozialleistungen sei da, nahm er den liberalen »Sparpolitikern« auch in der eigenen Regierung gleich selbst den Wind aus den Segeln. Der »Nationale Wohlstandsfonds« werfe inzwischen aus den Zinsen der von ihm gezeichneten Staatsanleihen soviel ab, dass diese Ziele alle finanzierbar seien. Heimische Produzenten von Hightech-Waren sollten durch Staatsaufträge gefördert werden, freilich im Rahmen einer »wettbewerbsorientierten Gesamtsituation«.
Mit dem umfangreichen sozialpolitischen Teil seiner Rede ging Putin indirekt auf die große Unzufriedenheit ein, die die Erhöhung des Rentenalters in Russland im letzten Jahr ausgelöst hatte. Seine eigenen Beliebtheitswerte waren damals zum ersten Mal seit Jahren unter die 50-Prozent-Marke gefallen. Indirekt gab Putin zu, es könne im Staatsapparat Widerstände gegen die neuen sozialpolitischen Ziele geben, aber »Das geht nicht« und »Das haben wir noch nie so gemacht« wolle er künftig nicht mehr hören.
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