Donnerstag, 28. November 2013

Leserkommentar zur Rezension "Lob des Kommunismus"


Lieber Harry Popow,

dies ist nicht die erste Buchrezension, die ich von dir lese.
Und ich muss dir sagen, jede dieser Rezensionen hat den Nagel auf den Kopf getroffen, einige der von dir rezensierten Bücher habe ich gelesen. Hab meinen besten Dank für diese Arbeiten.

Hier nun geht es um das Thema Kommunismus. Ein heutzutage nicht nur ungeliebtes Thema, sondern ein Thema, das schon lange vom Tisch hätte verschwunden sein müssen - ginge es nach den Wünschen der uns Regierenden. Und nun schreiben die beiden Autoren, deren Buch du rezensiert hast, genau zu diesem Thema.

Du hast es hier (übrigens in allen Foren, ist dir aber sicher bekannt) mit Antikommunisten zu tun. Dass sie es sind, würden sie immer abstreiten, sie sind sich also dessen gar nicht bewusst, im Gegenteil, sie halten sich vielleicht sogar noch für unpolitisch. Nehmen aber begierig auf, was ihnen die bundesdeutschen Medien eintrichtern, zum Beispiel das Ding mit dem Staatseigentum in der DDR, weil sie es gewohnt sind, im Gedankengebäude des Antikommunismus sich zu bewegen. Die Frage, wer eigentlich der Staat in der DDR war, wen er vertrat, wem also die Produktionsmittel gehörten, stellt ich niemand. Staatseigentum! Da hast du es, und nun argumentiere dagegen mal, wenn deine Gesprächspartner nicht bereit sind, auch nur annähernd sich Zusammenhängen nähern zu wollen. Du kannst also nicht verlangen, dass hier irgend jemand deine Worte überhaupt ernst nimmt. Sie werden schlicht für Propaganda (der Gegenseite!)gehalten.

Das kannst du auch daran ablesen, wie sehr sich die Kommentatoren hier an die Propaganda gegen die DDR gewöhnt haben, sie haben sie als nicht anzweifelbare Wahrheit aufgenommen, ich würde sogar behaupten, sie haben gar nicht begriffen, was 1989 in der DDR eigentlich geschah. Und das sollen sie auch nicht. Was sie sollen, ist, zu begreifen, dass sich das DDR-Volk gegen die Diktatur einer Funktionärsklasse erhoben hatte und sich nun in größter Seligkeit in die Arme des westdeutschen Sozialstaats begab. Und das tun sie, wie dir hier anschaulich klargemacht wird.

Lieber Harry Popow, es hat meiner Ansicht wenig Sinn, derart manipulierten, indoktrinierten und zur Irrationalität erzogenen Menschen (das ist nicht als Kränkung, sondern als Einschätzung der realen Situation gemeint) irgend etwas klarmachen zu wollen. Sie begreifen erst, wenn es ans Eingemachte geht, wenn sie nämlich selbst betroffen sind. Das ist zwar eine sehr persönliche Erfahrung, die ich mit eigenen Texten in mehreren Foren gemacht habe, aber deshalb muss sie nicht unzutreffend sein. Ich habe neulich einen Beitrag von Erasmus Schöfer gelesen, der beschreibt genauestens die bundesrepublikanische Situation auf literarischem Gebiet - und bestätigt damit diese meine Einschätzung. Was ja nicht heißt, dass man aufhören sollte zu schreiben. Nein, man muss schreiben, unbedingt muss man schreiben, wieder und wieder, bis unsere Worte im Munde zu Asche werden.

Ich wünsche dir ein gutes Händchen bei deiner weiteren Arbeit, viel Erfolg und vielleicht auch mal ein Begreifen bei deinen Lesern.

Lieben Gruß, Hanna Fleiss

Mittwoch, 20. November 2013

"Risse im Balkon" - von Ulla Lessmann


Von Marotten und Schrullen


Buchtipp von Harry Popow


Davon liest man nicht alle Tage: Vom altersbedingten Vergessen, vom Staub wischen oder vom Fenster öffnen oder nicht, vom schwer hören und kaum sehen können, vom Hoffen auf etwas oder von resignierender Enttäuschung, vom Tun oder sich wie ein Blatt im Wind gehen lassen, vom sinnlosen Sammeln, von irrsinnigen Träumen, von lichtscheuer Besessenheit, vom Fluch der Vergesslichkeit, vom Fimmel des Karteikarten sortierens. Und, und, und.


Themen, die die Autorin Ulla Lessman in ihrem neuesten Buch „Risse im Balkon. Nachrichten vom Wahnsinn des Alltags“ ans Tageslicht zerrt. Beobachtungen, die meist untergehen, unbeachtet, weil sie zu banal sind, viel zu klein für die Größe dieser Welt. Aber nicht für die Alten, denen die Autorin ihre ganze Aufmerksamkeit widmet. Das Kleine, Winzige, Unscheinbare – das ist es, was sie im schnelllebigen Alltag der älteren Menschen neu entdeckt und vielfach in satirischer Weise stark überhöht. Nein, sie spottet nicht, ist sie doch selbst in die Jahre gekommen, aber sie nimmt Denk- und Verhaltensweisen aufs Korn und auf die Schippe, die mitunter mehr sind als Marotten oder Schrullen. Sie bewegen sich zwischen unnötiger Selbstüberhebung und persönlichem Verfall, zwischen dem Ich und den äußeren Zwängen.

Wer in diesem klugen Verwirrspiel der Wörter und Sätze den hier und dort anzutreffenden Hintersinn herauszupicken versteht, wird um einen Lesegenuss nicht herumkommen. Der Titel deutet ihn bereits an: „Risse im Balkon“. Dieser droht abzustürzen. Aber den Riss will man nicht wahrhaben. Obwohl der Balkon beim Absturz Menschenleben töten könnte. Aber: „...niemand habe Zeit, auf entstehende Risse zu achten,... (S. 71) Risse, die jeden begleiten, in sich selbst und in der Gesellschaft.

Sehr schmerzhaft und traurig die Kurzgeschichte „Das Tourismuszimmer“ (S. 16). Eine alte Frau wird dazu ermuntert, ein Teil ihrer Wohnung in ländlicher Idylle mit Außenklo als Ferienwohnung umzugestalten und Urlaubern anzubieten. Als sie damit fertig ist, lauert sie am Fenster, ob da auch Leute kommen. Tagelanges Warten. Dann endlich. Ein Paar. Doch sie erwartet eine unerhörte Enttäuschung. Und trotzdem, im nächsten Sommer wird es schon werden...

Nahezu gesellschaftskritisch geht es „In der S-Bahn“ zu (S. 28) „Und die da oben, die kassieren nur...“ Von denen da oben „fährt keiner mit dem Zug, die fliegen alle, obwohl sie damit das Klima kaputt machen, das ist denen scheißegal...“ (S. 30) „...und die Atomkraftwerke bauen sie ohne Rücksicht auf Verluste...“

Bewundernswert schöne Sätze, die man bei Ulla Lessmann lesen kann. Hier nur einige Kostproben: „Eine Sortiererin und Ordnerin, der Ariadne-Faden durch das Labyrinth einer Welt, in der Hermine und Meta sich sonst verirrten.“ Und: „Dass er nach Staub roch, nach Unzufriedenheit, nach dem Schweiß in trockenen alten Akten.“ (S. 37) „Vor allem um die Lippen herum sind diese rissigen, winzigen Falten eingekerbt; wie Vogeltritte in tauendem Schnee.“ (S. 54) „Wenn die Schwingungen des Schlafes näherkommen, dreht sie sich auf die andere Seite und die Welle fließt sanft zurück, bevor die nächste kommt.“ (S. 74) „Da hat es angefangen, dieses heimliche Wiederauftauchen von Zeilen, von Melodien, von Gedichtfetzchen.“ (S. 79) „Die Bilder seiner Erinnerung haben nicht ausgereicht, ihn müde zu machen.“ (S. 83) „Stille ist wie ein warmes Bett. Sie kann sich in Stille einkuscheln wie in eine mollige Decke, sich ganz und gar und rundherum mit ihr bedecken. Stille ist geborgene Weichheit, wärmender Schutz.“ (S. 120)

Im Kleinen und Banalen das Große entdecken, das Menschliche und nicht mühelose Miteinander, das Überwinden von Ängsten und Unzumutbarem, das ist es, was Ulla Lessmann den Lesern als Botschaft zureicht. Gewiss – nicht immer leicht zu verstehen, ihre Gedankensprünge, ihre Andeutungen, ihre Assoziationen. Genaues Lesen gehört dazu wie auch aufmerksame Beobachtung des eigenen Umfeldes, um sein Herz jenen kleinen und doch so großen Dingen des Alltags zu öffnen, die mitunter unterzugehen drohen, die aber das Leben ausmachen. Marotten und Schrullen gehören nun einmal dazu. Das Büchlein mit seinen 35 Kurzgeschichten wird seine Leser finden.

Zur Autorin: Ulla Lessmann, Kölnerin mit norddeutschen Wurzeln, schrieb ihren ersten Roman mit zwölf Jahren. Satire und Tod vereint die studierte Diplom-Volkswirtin und ausgebildete Journalistin literarisch seit vielen Jahren in ihren erfolgreichen Kurzkrimis. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Mehr Informationen unter www.ulla-lessmann.de.

Ulla Lessmann: „Risse im Balkon, Nachrichten vom Wahnsinn des Alltags.“ Gebundene Ausgabe: 128 Seiten, ViaTerra Verlag, Aarbergen; Auflage: 1 (21. Oktober 2013), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3941970127, ISBN-13: 978-3941970120, Größe und/oder Gewicht: 20 x 12 x 1,6 cm



Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung


 

Sonntag, 17. November 2013

Querdenken im Dreier-Pakt




Eckhard Lange: (Ghostwriter Harry Popow): „Zwischen Start und Landung, Gelebt-gearbeitet-geflogen“, ein Lebensbericht, 168 Seiten, Preis: 17,50 Euro – Versandkostenfrei, Juli 2013, Druck und Verlag: dbusiness.de Digital Business and Printing Gmbh, Prenzlauer Allee 174, 10409 Berlin, E-Mail: info@copyhouse.de, www.copyhouse.de , Telefon: 030 44650342. Buchbestellungen bitte über die email Adresse info@copyhouse.de.



Harry Popow: „Dem Morgendämmern vorauseilende Lichtblicke“ (1. Auflage), Buchbestellung Adresse siehe oben.



Harry Popow: „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder“. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)

Montag, 11. November 2013

Von der Neuaufteilung zur Neuvermessung der Welt


«junge welt», 26.10.2013:



Mehr Macht und Einfluß


Die Stiftung Wissenschaft und Politik und der German Marshall Fund of the United States machen sich an die Neuvermessung der deutschen Weltpolitik *


Rund 50 teils hochrangige Exponenten des Berliner Außenpolitik-Establishments verlangen mehr deutsche »Führung« in der Welt. Dies ist das Ergebnis eines beinahe einjährigen Projekts, das Grundzüge für die künftige deutsche Außenpolitik erarbeitet hat. Demnach solle Deutschland, da die Vereinigten Staaten eine gewisse Schwäche zeigten, stärkere weltpolitische Aktivitäten entfalten und von einer »Gestaltungsmacht im Wartestand« zu einer Führungsmacht werden. Man müsse auch einen angemessenen Umgang mit aufstrebenden Ländern finden, die nicht bereit seien, sich dem Westen umstandslos zu fügen. Daß für die deutsche Weltpolitik auch militärische Mittel »bis zum Kampfeinsatz« zur Verfügung stehen müssten, steht für die Teilnehmer des Projekts außer Frage. Die Ergebnisse sind in dem 48seitigen Strategiepapier »Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch« niedergelegt worden, das nun von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem German Marshall Fund of the United States (GMF) gemeinsam publiziert wurde. junge Welt dokumentiert dazu eine am Freitag veröffentlichte Analyse des Onlineportals German-Foreign-Policy.com, die wir im Folgenden unsererseits dokumentieren.

Ausgangspunkt des Papiers »Neue Macht – Neue Verantwortung« von SWP und GMF ist die Feststellung, daß Deutschland zur Zeit »mehr Macht und Einfluß« besitzt »als jedes demokratische Deutschland« zuvor. In der Tat reklamiert die Bundesrepublik seit geraumer Zeit offen die »Führung« der EU für sich – ein Machtanspruch, der als Zustandsbeschreibung für die Gegenwart von Parteigängern wie auch von Gegnern der Berliner Dominanz mehr oder weniger offen anerkannt wird. »Deutschlands gewachsene Kraft verleiht ihm heute neue Einflußmöglichkeiten«, heißt es weiter in dem aktuellen Strategiepapier: »Das ist Anlaß für eine Neuvermessung seiner internationalen Beziehungen.«...

Weiter heißt es in der „jungen welt“:

Störer bekämpfen
Mit globalem Herrschaftsblick werden die Staaten der Welt in »Mitstreiter«, »Herausforderer« und »Störer« kategorisiert. »Mitstreiter« seien »Kräfteverstärker«, heißt es: »Sie erweitern den Spielraum, die Reichweite und die Legitimität deutscher Gestaltungskraft.« Gemeint sind vor allem die EU- und die NATO-Staaten. Daneben gebe es »Herausforderer«: stärkere, in vielen Fällen aufstrebende Länder, die allerdings den alten Westen oft »nicht als Vorbild« einstuften. Ausdrücklich genannt werden neben China und Rußland unter anderem Indien, Brasilien und Südafrika (die »BRICS«-Staaten), aber auch Indonesien, Vietnam und Saudi-Arabien.




Im Originaldokument liest sich das so, Quelle siehe http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf: „Da aber, wo Störer die internationale Ordnung in Frage stellen; wo sie internationale Grundnormen (etwa das Völkermordverbot oder das Verbot der Anwendung von Massenvernichtungswaffen) verletzen; wo sie Herrschaftsansprüche über Gemeinschaftsräume oder die kritische Infrastruktur der Globalisierung geltend machen oder gar diese angreifen; wo mit anderen Worten Kompromissangebote oder Streitschlichtung vergeblich sind: Da muss Deutschland bereit und imstande sein, zum Schutz dieser Güter, Normen und Gemeinschaftsinteressen im Rahmen völkerrechtsgemäßer kollektiver Maßnahmen auch militärische Gewalt anzuwenden oder zumindest glaubwürdig damit drohen zu können...

...Wenn Deutschland die eigene Lebensweise erhalten und schützen will, muss es sich folglich für eine friedliche und regelbasierte Weltordnung einsetzen; mit allen legitimen Mitteln, die Deutschland zur Verfügung stehen, einschließlich, wo und wenn nötig, den militärischen.“




Abschließend heißt es bei „junge welt“ vom 26.10.2013:

Zu den rund 50 Teilnehmern, die von November 2012 bis September 2013 an dem Projekt »Elemente einer außenpolitischen Strategie für Deutschland« teilnahmen, das gemeinsam von SWP und GMF getragen wurde, gehörten zahlreiche Personen aus dem außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik – der »Strategic Community«, wie inzwischen in Berlin immer häufiger zu hören ist. Neben Spitzenpersonal aus den außenpolitischen Think-Tanks wie SWP und Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) nahmen zahlreiche Bundestagsabgeordnete – darunter der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour und der Linke-Politiker Stefan Liebich (siehe Spalte) – teil. Außerdem Ministerialbeamte, Vertreter der Konrad-Adenauer-, der Friedrich-Ebert- und der Bertelsmann-Stiftung, mehrere Universitätsprofessoren, ein Vertreter der Daimler AG, ein Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sowie der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International. Auch die Medien waren eingebunden – mit einem Redakteur der Wochenzeitung Die Zeit (Jochen Bittner) und mit dem NATO- und EU-Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Nikolas Busse). Am stärksten vertreten war das Auswärtige Amt – unter anderem mit Thomas Bagger, dem Leiter seines Planungsstabs.

Kommentar überflüssig!!!!