Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/03/29/bidens-neuer-endloser-krieg/
Bidens
neuer „endloser Krieg“
VERÖFFENTLICHT
VON LZ ⋅ 29. MÄRZ 2022
von
Andre Damon – http://www.wsws.org
Am Samstag beendete US-Präsident Joe Biden seine einwöchige
Europareise mit einer kriegslüsternen Wutrede in Warschau. Die Reise
sollte dazu dienen, die Nato für den Konflikt gegen Russland zu
mobilisieren. Die mediale Berichterstattung über Bidens Rede
konzentrierte sich auf die letzte Passage, in der der amerikanische
Präsident offenbar abseits des Redetexts sagte, dass der russische
Präsident Wladimir Putin „nicht an der Macht bleiben kann“.
Ein
noch wichtigerer Aspekt der Rede blieb jedoch weitgehend unerwähnt:
Bidens Erklärung, die Vereinigten Staaten müssten sich zu einem
„jahrzehntelangen“ Krieg „verpflichten“.
Vor dem
Hintergrund des größten Landkriegs in Europa seit dem Zweiten
Weltkrieg erklärte Biden: „Wir müssen uns jetzt verpflichten, in
diesem Kampf langfristig zu bestehen. Wir müssen heute und morgen
und übermorgen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vereint
bleiben.“
Zu welchem „Kampf“ verpflichtet Biden die
Vereinigten Staaten?
Noch vor neun Monaten, als Biden den
Rückzug der USA aus Afghanistan ankündigte, sagte er: „Wir haben
uns als Nation zu lange im Krieg befunden. Wenn Sie heute 20 Jahre
alt sind, haben Sie noch nie ein Amerika in Friedenszeiten erlebt.“
Er erklärte: „Es ist an der Zeit, den endlosen Krieg zu
beenden.“
Jetzt verpflichtet Biden die amerikanische
Bevölkerung zu einem neuen endlosen Krieg – einem Krieg, der, wie
er sagte, immense „Kosten“ verursachen und „nicht einfach“
sein werde.
In seiner Rede erklärte Biden, dass der
jahrzehntelange „Kampf“, den die USA beginnen, ein „großer
Kampf für die Freiheit ist: ein Kampf zwischen Demokratie und
Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer auf
Regeln basierenden Ordnung und einer, die von roher Gewalt beherrscht
wird.“
Biden hat sich einen seltsamen Ort ausgesucht, um
einen Kampf für „Demokratie“ zu beginnen. Die in Berlin
ansässige Civil Liberties Union for Europe beschuldigte in diesem
Jahr die polnische Regierung, „die Kontrolle über das
Justizsystem, die Zivilgesellschaft und die Medien weiter an sich zu
reißen, während sie die grundlegenden Menschenrechte beschneidet
und die Spaltung des Landes anheizt, indem sie Migranten und andere
Minderheitengruppen zu Sündenböcken macht.“
Die polnische
Regierung wird von der ultrarechten, chauvinistischen,
antisemitischen und autoritären PiS-Partei kontrolliert. Präsident
Duda – Bidens ständiger Weggefährte während seines
kriegslüsternen Kreuzzugs – steht einer Regierung vor, die
Abtreibung als Form der Familienplanung vollständig verboten hat,
die LGBT-Community verfolgt und die Aufdeckung polnischer Mitschuld
am Holocaust kriminalisiert.
Wie im „Krieg gegen den
Terror“, der die schwersten Verletzungen demokratischer Rechte in
der amerikanischen Geschichte mit sich brachte, wird auch in Bidens
neuem, jahrzehntelangem Krieg die „Demokratie“ als eine Worthülse
benutzt, die niemand ernst nehmen darf.
In seiner Rede machte
Biden selbst deutlich, in welchem Ausmaß die Vereinigten Staaten die
russische Invasion provoziert haben, indem sie einen Nato-Statthalter
an der russischen Grenze bewaffnet haben.
„In den Jahren vor
der Invasion haben wir, Amerika, über 650 Millionen Dollar an Waffen
in die Ukraine geschickt, bevor sie [die Russen] die Grenze
überschritten, einschließlich Luftabwehr- und
Panzerabwehrausrüstung. Seit der Invasion hat Amerika weitere 1,35
Milliarden Dollar für Waffen und Munition bereitgestellt.“
Alles,
was Biden in der vergangenen Woche getan hat, diente dazu, den
Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Nato in der Ukraine
anzuheizen. Er belegte den russischen Präsidenten mit allen
erdenklichen Schimpfwörtern, von „Schlächter“ über
„mörderischer Diktator“ bis hin zu „Kriegsverbrecher“ und
„Gangster“. Er hat Waffen in die Ukraine geliefert und die
Streitkräfte an Russlands Grenzen verdoppelt. Wie Edward Luce von
der Financial Times kommentierte, „sind die US-amerikanischen
Liberalen mindestens solche Falken wie die Konservativen“.
Bidens
Rede in Polen folgte auf den Abschluss des Nato-Gipfels in Brüssel,
auf dem die Staats- und Regierungschefs des Nato-Bündnisses eine
immense Eskalation des Konflikts ausgeheckt hatten. Auf dem Gipfel
verkündete die Nato eine Verdoppelung ihrer Streitkräfte an der
russischen Grenze an, und die New York Times berichtete über Pläne
der USA für einen schrankenlosen Krieg gegen Russland.
Die
eigentlichen Gründe für diesen neuen „endlosen Krieg“ sind in
den Dokumenten der amerikanischen Militärplaner zu finden.
Im
Jahr 1991, inmitten der Auflösung der UdSSR, erklärte der damalige
US-Präsident George H. W. Bush, dass der Golfkrieg gegen den Irak
eine „neue Weltordnung“ unter Führung der Vereinigten Staaten
einleiten würde.
Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte das
Pentagon eine Verteidigungsplanungsrichtlinie, die so genannte
„Wolfowitz-Doktrin“, in der es hieß, dass „das erste Ziel der
Vereinigten Staaten darin besteht, die erneute Herausbildung eines
neuen Rivalen zu verhindern, der entweder auf dem Gebiet der
ehemaligen Sowjetunion oder anderswo eine Bedrohung in der
Größenordnung der früheren Sowjetunion darstellt“.
Auf
den Ausbruch des US-Militarismus, der mit der ersten Invasion im Irak
begann, folgten drei Jahrzehnte andauernder Kriege, darunter die
Bombardierung und Auflösung Jugoslawiens, die Zerstörung und
Besetzung Afghanistans, die Invasion und Besetzung des Irak, der
Sturz der libyschen Regierung und der jahrelange Regimewechselkrieg
in Syrien.
Jetzt entwickeln sich diese Kriege zu einem
direkten Konflikt der USA gegen Russland und China, mit potenziell
unabsehbaren Folgen.
In der Nationalen Verteidigungsstrategie
von 2018 wurde eine Verlagerung von den militärischen Engagements
der USA im Nahen Osten auf den Kampf gegen Russland und China
angekündigt. „Zwischenstaatlicher strategischer Wettbewerb“,
verkündete sie, „und nicht Terrorismus, ist jetzt die Hauptfrage
der nationalen Sicherheit der USA.“
Vor diesem Hintergrund
ist klar, dass Bidens Rückzug aus Afghanistan nichts anderes als
eine Umgruppierung von Streitkräften zur Vorbereitung von
militärischen Konflikten in noch größerem Umfang war.
Trotz
der Bemühungen des Weißen Hauses, Bidens Aussage zurückzunehmen,
war Bidens aus dem Stegreif getroffene Erklärung die unausweichliche
Schlussfolgerung der gesamten Rede. Bidens Äußerungen spiegeln
eindeutig die tatsächliche Politik der USA wider, deren Ziel die
militärische Isolierung und der wirtschaftliche Ruin Russlands, der
Sturz seiner Regierung und die Einsetzung eines Marionettenregimes
ist, das das Land in einen Rumpfstaat verwandeln würde.
Bidens
Erklärung eines neuen, jahrzehntelangen Engagements kommt nur wenige
Tage, nachdem er vor seiner Abreise nach Europa ausgerufen hatte: „Da
draußen wird es eine neue Weltordnung geben, und wir müssen sie
anführen.“
Vor sieben Jahren schrieb der Vorsitzende der
internationalen Redaktion der WSWS, David North, in seinem Vorwort zu
30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft
1990-2020:
Die Kriege, die im letzten Vierteljahrhundert
von den USA angezettelt wurden, müssen als Kette zusammenhängender
Ereignisse aufgefasst werden. Die strategische Logik des
Weltmachtstrebens der USA geht über neokoloniale Operationen im
Nahen Osten und Afrika hinaus. Die laufenden regionalen Kriege sind
zusammengehörige Elemente einer rasch eskalierenden Konfrontation
der USA mit Russland und China.
Die Ereignisse dieser
Woche machen eines überdeutlich. Die Pläne der USA für einen
„Großmachtkonflikt“ mit Russland und China haben das
Planungsstadium verlassen und werden nun in die Praxis umgesetzt.
Nachdem die Vereinigten Staaten die russische Invasion in der Ukraine
angezettelt haben, nutzen sie diese zur Umsetzung ihrer
jahrzehntelangen Pläne, die US-amerikanische Hegemonie mit
militärischen Mitteln gegen atomar bewaffnete Gegner
durchzusetzen.
Der einzige Ausweg aus der Katastrophe, die der
Menschheit droht, ist der Aufbau einer Antikriegsbewegung der
Arbeiterklasse, die darauf abzielt, die Arbeiterklasse in Russland,
der Ukraine, in ganz Europa und Amerika gegen das kapitalistische
System zu vereinen, das die eigentliche Ursache des Krieges
ist.
https://www.wsws.org/de/articles/2022/03/28/pers-m28.html
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