Weißes Haus
will Nato-Stellvertreterkrieg mit Russland erheblich ausweiten
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 23. MÄRZ 2022
von
Andre Damon – http://www.wsws.org
Einen Monat nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine
unternimmt US-Präsident Joe Biden in dieser Woche eine Europareise,
um die Nato-Mächte für eine weitere Eskalation des Konflikts gegen
Russland zu gewinnen.
Die Spitzengespräche, auch das zwischen
der Nato und dem Europäischen Rat, zielen darauf, „die
internationalen Bemühungen zu verstärken, (…) Russland schwere
und beispiellose Kosten aufzuerlegen“, so das Weiße Haus.
Im
Vorfeld von Bidens Reise haben Nato-Militärs Pläne erörtert, die
auf dem Gipfel bekannt gegeben werden sollen. Dabei ging es um die
Aufstellung von Nato-Streitkräften an den europäischen Grenzen
Russlands. Damit werden die Bestrebungen, Europa in einen
Kriegszustand zu versetzen, erheblich verstärkt. Die Rede ist von
einer Verdoppelung der US-Truppenpräsenz in Europa.
Die
Treffen in dieser Woche sind regelrechte Kriegsratssitzungen:
Am
Montag telefonierte Biden mit dem französischen Präsidenten
Emmanuel Macron, dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dem
italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem britischen
Premierminister Boris Johnson, um über „Sicherheitsunterstützung
für die tapferen Ukrainer zu sprechen, die ihr Land gegen die
russische Aggression verteidigen“ (wie das Weiße Haus mitteilte).
Am selben Tag kündigte die EU an, dass sie der Ukraine zusätzliche
Waffen im Wert von 500 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
Später,
am Abend desselben Montags, sprach Biden vor den
Vorstandsvorsitzenden der größten amerikanischen Unternehmen, um
„die Reaktion der Vereinigten Staaten auf Russlands unprovozierten
und ungerechtfertigten Krieg mit der Ukraine zu diskutieren“.
Am
heutigen Mittwoch wird Biden in Brüssel eintreffen, um an einer
Sitzung des Europäischen Rates teilzunehmen. Trotz des Austritts des
Vereinigten Königreichs aus der EU wird auch der britische
Premierminister Boris Johnson daran teilnehmen.
Am Donnerstag wird
Biden an einem Nato-Gipfel teilnehmen, bei dem es um „laufende
Abschreckungs- und Verteidigungsmaßnahmen als Reaktion auf Russlands
unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff auf die Ukraine“
geht.
Am Freitag reist Biden nach Warschau zu einem bilateralen
Treffen mit Präsident Andrzej Duda. Letzte Woche schlug der
polnische Premierminister Mateusz Morawiecki die Entsendung einer
Nato- „Friedensmission“ in die Ukraine vor.
Schon vor dieser
ganzen Reihe von Treffen deuteten eindeutige Signale aus dem Weißen
Haus darauf hin, dass die Vereinigten Staaten trotz der Erklärungen
der Ukraine, sie strebe Verhandlungen mit Russland an, an einer
diplomatischen Lösung des Kriegs überhaupt nicht interessiert
sind.
Am 17. März sagte US-Außenminister Antony Blinken:
„Aus meiner Sicht erfordert die Diplomatie natürlich, dass sich
beide Seiten in gutem Glauben um eine Deeskalation bemühen.“ Er
fügte hinzu: „Die Aktionen, die wir von Russland sehen (…)
stehen in völligem Gegensatz zu allen ernsthaften diplomatischen
Bemühungen, den Krieg zu beenden.“
Nach diesen Äußerungen
unternahm Biden offenbar alles in seiner Macht Stehende, um den
russischen Präsidenten Wladimir Putin vor den Kopf zu stoßen und
persönlich anzugreifen, indem er ihn als „Schläger“, „Diktator“
und „Kriegsverbrecher“ titulierte.
In einer Situation, in
der ein Krieg außer Kontrolle gerät, Hunderte von Menschen getötet
werden und die höchsten Spannungen zwischen Atommächten seit der
Kubakrise von 1962 herrschen, kommen solche Äußerungen dem
bewussten Versuch gleich, die Spannungen zu eskalieren. Der Kreml
wird sie als Absichtserklärung der USA betrachten, einen
Regimewechsel in Russland herbeizuführen oder die Beteiligung der
USA am Krieg massiv auszuweiten.
Als Reaktion auf die von
Russland als „Beleidigungen“ bezeichneten Äußerungen gab das
russische Außenministerium bekannt, dass es den US-Botschafter John
Sullivan einbestellt habe, um ihm klarzumachen, dass sich die
„russisch-amerikanischen Beziehungen am Rande des Zusammenbruchs“
befinden. Der „Zusammenbruch“ von Beziehungen zwischen Staaten
bedeutet im Allgemeinen, dass ein Krieg unmittelbar
bevorsteht.
Seinen Parforceritt durch Europa, um die
europäischen Verbündeten der Vereinigten Staaten für einen solchen
Krieg zu gewinnen, bereitete Biden durch ausführliche
Militärgespräche sorgfältig vor.
Das Wall Street Journal
berichtete: „US-Verteidigungsminister Lloyd Austin traf letzte
Woche im Nato-Hauptquartier mit seinen Amtskollegen aus anderen
Bündnisstaaten zusammen, um eine weitere Verstärkung der
Streitkräfte zu erörtern. Sie wiesen die Militärplaner aller
Nato-Mitglieder an, Pläne zu entwerfen, die wahrscheinlich
diskutiert werden, wenn Präsident Biden diese Woche mit anderen
Regierungschefs der Allianz in Europa zusammentrifft.“
„Ich
gehe davon aus, dass sich die US-Präsenz in etwa verdoppeln wird“,
sagte Douglas Lute, ehemaliger US-Botschafter bei der Nato und
Generalleutnant im Ruhestand, dem Journal.
Seit Ausbruch des
Krieges haben die Vereinigten Staaten mehr als 15.000 zusätzliche
Soldaten nach Europa entsandt, und die Gesamtzahl der US-Soldaten in
Europa ist auf über 100.000 gestiegen – zum ersten Mal seit dem
Ende des Kalten Krieges wurde diese Zahl überschritten. Wenn, wie
Lute vorschlägt, die Zahl der in Europa stationierten US-Truppen
verdoppelt wird, bedeutet dies die Entsendung von 100.000 weiteren
US-Soldaten an die Grenzen Russlands.
Das Journal schreibt:
„Die in Osteuropa stationierten Truppen werden wahrscheinlich mit
mehr Bodeneinheiten aufgestockt, die mit Panzern, anderen gepanzerten
Fahrzeugen, Artillerie und Kampfhubschraubern ausgerüstet sind,
anstatt der hauptsächlich leichten Infanteriekräfte, die bereits in
der Nähe der östlichen Nato-Grenzen stationiert sind. Das sagen
derzeitige und ehemalige Regierungsvertreter.“
Die größere
Bedeutung und die Auswirkungen eines Krieges werden in der Regel erst
im Laufe seiner Entwicklung deutlich. Auch wenn es den USA gelungen
ist, die russische Regierung dazu zu bringen, den ersten Schuss
abzugeben, so ist doch klar, dass der Krieg in der Ukraine die erste
Phase eines viel umfassenderen Konflikts ist. Nachdem sie die
russische Regierung zu einer verzweifelten und katastrophalen
Invasion in der Ukraine provoziert haben, nutzen die Vereinigten
Staaten den Krieg, um ihre globale Hegemonie wiederherzustellen. Sie
bauen dafür eine Kriegskoalition auf für das, was die Vereinigten
Staaten als „Großmachtkonflikt“ bezeichnen, der nicht nur
Russland, sondern auch China umfasst.
Am 18. März drohte
Biden bei einem Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping
mit nicht näher bezeichneten „Konsequenzen“, sollte China
Russland materiell unterstützen. Einen Tag zuvor hatte Blinken
erklärt, die USA würden „nicht zögern, China Kosten
aufzuerlegen“.
Diese einschüchternde Sprache wurde in
offene militärische Drohungen umgewandelt, als Biden sich auf seine
Reise nach Europa vorbereitete. Der indopazifische Befehlshaber der
USA, Adm. John C. Aquilino, gab an Bord eines militärischen
Überwachungsflugzeugs über dem von China beanspruchten Gebiet eine
Pressekonferenz für die Associated Press. „Sollte die Abschreckung
scheitern“, erklärte er, „besteht meine zweite Aufgabe darin,
auf den Kampf und den Sieg vorbereitet zu sein“.
Die
Vorbereitungen für den Weltkrieg finden hinter dem Rücken der
amerikanischen Bevölkerung statt. Biden hat versprochen, Amerikas
„ewige Kriege“ zu beenden und „diese Zeit des unerbittlichen
Kriegs“ nicht fortzusetzen. Er wollte angeblich „eine neue Ära
der unerbittlichen Diplomatie“ einleiten. Stattdessen führt die
Regierung Biden jetzt die größte militärische Eskalation seit
Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ im Jahr 2001 durch.
In
den Vereinigten Staaten wird der Militärhaushalt 2023
voraussichtlich 800 Milliarden Dollar betragen: 60 Milliarden Dollar
mehr als die für das Haushaltsjahr 2022 bewilligten 740 Milliarden
Dollar. Es wird gefordert, noch schneller Geld in die
US-Kriegsmaschinerie zu pumpen.
Die Rechnung für diese
massive Ausweitung der Militärausgaben wird die Arbeiterklasse
bezahlen. Ihr Lebensstandard wird massiv angegriffen, und jeder
Widerstand aus der Arbeiterklasse wird kriminalisiert werden. Dies
soll gleichzeitig die Aufmerksamkeit vom massiven Anstieg der
Covid-19-Infektionen ablenken.
Die rücksichtslose
militärische Eskalation droht außer Kontrolle zu geraten. Sie
könnte den ersten Einsatz von Atomwaffen seit der Bombardierung von
Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg zur Folge haben.
Im
Rahmen der kapitalistischen Politik gibt es keinen Ausweg aus dieser
Krise. Nur eine Kraft kann die drohende Katastrophe aufhalten: die
internationale Arbeiterklasse, vereint im Kampf gegen Imperialismus,
Militarismus, das historisch überholte nationalstaatliche System und
die kapitalistische
Gesellschaftsordnung.
https://www.wsws.org/de/articles/2022/03/22/pers-m22.html
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