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https://linkezeitung.de/2023/10/24/warum-wir-die-linke-verlassen/
Warum wir DIE LINKE verlassen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 24. OKTOBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von https://buendnis-sahra-wagenknecht.de
Liebe Mitglieder der Partei DIE LINKE,
wir haben uns entschieden, DIE LINKE zu verlassen und eine neue Partei
aufzubauen. Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen. Denn DIE LINKE
war jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause. Hier
haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter kennengelernt, von denen
viele zu Weggefährten und einige zu Freunden wurden. Mit ihnen gemeinsam
haben wir Abende und Wochenenden bei Parteiveranstaltungen verbracht
und in Wahlkämpfen Sonderschichten eingelegt. All dies hinter uns zu
lassen, fällt uns schwer – politisch wie persönlich. Hätte es einen
besseren Weg gegeben, wir wären ihn gerne gegangen. Weil wir uns mit
vielen von Euch verbunden fühlen, möchten wir unsere Entscheidung
begründen.
Die Konflikte der letzten Jahre wurden um den politischen Kurs der
LINKEN geführt. Immer wieder haben wir argumentiert, dass falsche
Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit
und Frieden das Profil der Partei verwässern. Immer wieder haben wir
angemahnt, dass die Fokussierung auf urbane, junge, aktivistische
Milieus unsere traditionellen Wähler vertreibt. Immer wieder haben wir
versucht, den Niedergang der Partei durch eine Änderung des politischen
Kurses aufzuhalten. Damit hatten wir keinen Erfolg – und im Ergebnis
hatte die Partei bei den Wählerinnen und Wählern immer weniger Erfolg.
Die Geschichte der LINKEN seit der Europawahl 2019 ist die Geschichte
eines politischen Scheiterns. Die jeweiligen Parteiführungen und die sie
stützendenden Funktionäre auf Landesebene waren entschlossen, dieses
Scheitern auf keinen Fall kritisch zu diskutieren. Es wurde weder eigene
Verantwortung dafür übernommen, noch wurden inhaltliche Konsequenzen
daraus gezogen. Vielmehr wurden diejenigen, die dem Kurs der
Parteiführung kritisch gegenüberstanden, als Schuldige für die
Ergebnisse ausgemacht und immer weiter ausgegrenzt.
Wir sehen vor diesem Hintergrund für unsere Positionen keinen Platz mehr
in der Partei. Als Beispiel sei an den “Aufstand für den Frieden” vom
Februar 2023 erinnert. Es war die größte Friedenskundgebung der letzten
knapp 20 Jahre. Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger
Tor. Obwohl, und gerade weil etwa die Hälfte der Bevölkerung den
militärischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte
politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie
diffamiert. Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen,
stand die Parteiführung der LINKEN Schulter an Schulter mit den anderen
Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen,
“rechtsoffen” zu sein und war so Stichwortgeber für Vorwürfe gegen uns.
Die politischen Räume für uns in der Partei wurden so klein, dass wir
mit geradem Rücken nicht mehr reinpassen. Aus unseren Landesverbänden
wissen wir: So geht es vielen Mitgliedern der LINKEN. Auch für sie
wollen wir mit der neuen Partei eine neue politische Heimat schaffen.
Dies tun wir aus innerer Überzeugung, denn eine Partei ist kein
Selbstzweck. Was uns antreibt: Wir wollen die politische Entwicklung
nicht länger hinnehmen. Die sozial verheerende Politik der Ampel kostet
große Teile der Bevölkerung Einkommen und Lebensqualität. Die deutsche
Außenpolitik munitioniert Kriege, statt sich um Friedenslösungen zu
bemühen. International eskalieren Konflikte, die sich abzeichnende
Blockbildung ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und wird massive
ökonomische Verwerfungen mit sich bringen. Gleichzeitig wird Widerspruch
gegen diese politische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion immer
häufiger sanktioniert und an den Pranger gestellt. Aber Demokratie
braucht Meinungsvielfalt und offene Debatten. Die Unfähigkeit der
Regierung, mit den Krisen unserer Zeit umzugehen, und die Verengung des
akzeptierten Meinungskorridors haben die AfD nach oben gespült. Viele
Menschen wissen schlicht nicht mehr, wie sie anders ihren Protest
artikulieren sollen. DIE LINKE tritt in dieser Situation nicht mehr als
klar erkennbare Opposition auf, sondern als weichgespülte “Ja,
aber…”-Partei. Sie ist mit diesem Kurs unter die Wahrnehmungsgrenze der
Bevölkerung gesunken. Aktuell spricht alles dafür, dass sie im nächsten
Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, während die AfD in Umfragen
bei über 20 Prozent steht. Wir haben die Verantwortung, den Kampf um die
Ausrichtung der Politik und um die Zukunft unseres Landes wieder
ernsthaft zu führen. Dafür wollen wir eine neue politische Kraft
aufbauen, eine demokratische Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden,
Vernunft und Freiheit.
Wir gehen ohne Groll und ohne Nachtreten gegen unsere alte Partei. Der
Konflikt ist für uns abgeschlossen. Wir wissen: Einige von Euch haben
diesen Schritt herbeigesehnt, andere werden enttäuscht sein und wieder
andere werden nun abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Euch allen
sagen wir: Wir möchten uns wie Erwachsene trennen. Ein Rosenkrieg würde
uns allen schaden. Die Partei DIE LINKE ist nicht unser politischer
Gegner. Den vielen unter Euch, mit denen wir lange Jahre vertrauensvoll
zusammengearbeitet haben, sagen wir auch: Wir sind bereit für Gespräche
und würden uns freuen, Euch zu einem geeigneten Zeitpunkt in unserer
Partei begrüßen zu können.
Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Lukas Schön, Jonas
Christopher Höpken, Fadime Asci, Ali Al-Dailami, Sevim Dagdelen, John
Lucas Dittrich, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Amid Rabieh,
Jessica Tatti, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann
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