Der große unverzeihliche Fehler der Hamas
Der Mord an israelischen Zivilisten hat dem politischen Anliegen der Palästinenser schweren Schaden zugefügt / Israel steht nun als „Opfer“ da
Arn Strohmeyer
Die Hamas hat Israel angegriffen - und das mit vollem Recht. Muss man noch aufzählen, was die Zionisten den Palästinensern an furchtbarem Unrecht seit Beginn ihrer Besiedlung Palästinas angetan haben? Der Ausbruch der Hamas aus dem Gazastreifen hat seine Berechtigung allein durch die völkerrechtswidrige totale Blockade, die Israel über dieses Gebiet verhängt und die Menschen zu einem Elendsdasein hinter Mauern und Zäunen verurteilt hat. Widerstand ist besetzten und unterdrückten Völkern nach dem Internationalen Recht ausdrücklich erlaubt – mit der Einschränkung, dass die Zivilbevölkerung von Gewalt verschont wird.
Hier hat die Hamas einen großen Fehler begangen, sie hat bei ihrem Vorgehen ganz offensichtlich wahllos israelische Zivilisten ermordet. Die sonst der zionistischen Besatzungspolitik gegenüber so kritisch eingestellte israelische Organisation ehemaliger Soldaten Breaking the Silence schreibt dazu angewidert: „Der Angriff der Hamas und die Ereignisse, die sich seit gestern abspielen, sind unaussprechlich. Es bricht uns das Herz zu sehen, wie verängstigte Zivilisten in ihren Häusern belagert werden, wie unschuldige Menschen kaltblütig auf den Straßen, auf Partys und zu Hause ermordet werden. Dutzende wurden als Geiseln genommen und in den Gazastreifen verschleppt. Jeder von uns kennt jemanden, den es auf tragische Weise getroffen hat.“
Da mag die Hamas von Rachegedanken für das ebenso schreckliche und wahllose Morden der Zionisten an Palästinensern geleitet worden sein (man denke nur an die Tausende Toten durch die Luftangriffe in den letzten Gaza-Kriegen), aber hier hören das Verständnis und die Sympathien für die Hamas auf. Moralisch und rechtlich ist ihr Morden von Zivilisten in keiner Weise zu rechtfertigen. Es ist kriminell und im höchsten Maße verwerflich. Die Hamas hat sich damit einen Bärendienst erwiesen und sich total ins Unrecht gesetzt: Und: Sie hat ihrem ureigenen politischen Anliegen – dem Befreiungskampf ihres Volkes - schwer geschadet.
Der Apartheid- und Unterdrückerstaat Israel, der eigentliche Täter in der nahöstlichen Tragödie, steht jetzt als das Opfer da. Ihm gelten nun die öffentlich bekundeten Sympathien in der westlichen Welt. Die Heuchelei der westlichen Politik, die nie etwas für den Frieden in Israel/Palästina getan hat, sondern die Zionisten in ihrem brutalen Vorgehen gegen die Palästinenser stets unterstützt hat, erreicht einen neuen Höhepunkt. Alle Freunde und Anhänger Israels können jubeln: „Wir haben es ja immer gesagt, die Palästinenser sind Terroristen!“
Diese Steilvorlage hätte die Hamas den Zionisten und ihren Freunden in aller Welt nicht geben dürfen. Sie hat damit der palästinensischen Sache schweren Schaden zugefügt. Die jetzige neue Auseinandersetzung schreit geradezu nach einer politischen Lösung, die endlich an die Stelle der Gewalt treten müsste. Aber wer glaubt nach dem jetzigen Morden auf beiden Seiten, dass die Vernunft noch eine Chance hat?
Die Hamas hätte sich bei ihrem Überfall auf Israel auf militärische Ziele beschränken müssen, auf die Objekte und die Täter, die die Unterdrückung dieses Volkes betreiben. Sie hätte ihren Kampf auf die uniformierten Wächter des „größten Freiluftgefängnisses der Welt“ beschränken müssen, dann hätte die Welt Verständnis für das palästinensische Anliegen zeigen können. Sie hätte Verständnis gehabt für den Ausbruch aus dem Gefängnis und das Ziel der Hamas. Sie hätte als der moralische Sieger dastehen können, so aber hat sie ihr moralisches Kapital verspielt.
Aber schlimme und böse Ahnungen beschleichen einen, wenn man sich den weiteren Gang der Dinge im Gazastreifen vorstellt. Israel bereitet sich auf den groß angelegten Rachefeldzug vor. Der Armeechef des Zionistischen Staates hat angekündigt, die Hamas habe „das Tor zur Hölle geöffnet“. Man muss kein Prophet sein: Die Bilanz des Todes wird am Ende für die Palästinenser furchtbar sein. Auch den Anhängern und Verteidigern Israels, die jetzt so lauthals ihre Sympathien für das „Opfer“ bekunden, wird es angesichts des zionistischen Rachemordens vor Scham die Sprache verschlagen.
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