Wenn man sich seit Jahrzehnten jeder Lösung des Palästinenser-Problems verweigert…
Der neue blutige Krieg Israels
mit der Hamas ist die logische Folge der zionistischen Besatzungspolitik und der völligen Untätigkeit des Westens
Arn Strohmeyer
Es ist erst wenige Tage her, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in der UNO-Generalversammlung stolz eine Karte zeigte, die den neuen „friedlichen Nahen Osten“ darstellen sollte, nachdem man sich mit den Saudis über die Aufnahme von Beziehungen geeinigt hätte. Die Palästinenser kamen in diesem absurden Friedensszenario natürlich nicht vor. Sie waren und sind in der Sicht des zionistischen Staates eine zu negierende Größe. Eigentlich gibt es sie gar nicht, wie viele Israelis immer wieder betonen. Ein furchtbarer Irrtum, wie man seit dem gestrigen Tag mit dem Beginn des neuen blutigen Gaza Krieges weiß.
Die westliche Welt wird nun wieder das große Klagelied anstimmen: Das arme, unschuldige Israel ist erneut von den „islamistischen Terroristen“ der Hamas angegriffen worden und hat jedes Recht zur „Selbstverteidigung“. Aber Israels Rache wird nicht nur „Selbstverteidigung“ sein, es wird nach seiner Dahiya-Strategie den Gazastreifen weitgehend in Schutt und Asche legen, Menschenleben spielen da keine Rolle. (Gestern Abend wurden dort schon über 200 Tote gemeldet!) Netanjahu hat dieses Vorgehen angekündigt: „Die Palästinenser werden einen furchtbaren Preis zahlen!“
Israel ist also in den Augen des Westens wieder einmal das Opfer und hat das Recht, sich zu wehren. Wirklich? Nach dem Völkerrecht hat Israel dieses Recht nicht, denn der Gazastreifen gehört zum israelischen Besatzungsgebiet und da gilt das „Selbstverteidigungsrecht“ nicht. Man muss klar konstatieren: Israel trägt – auch wenn das auf den ersten Blick absurd erscheint – die alleinige Verantwortung für die erneute Eskalation.
Ziel der Zionisten war es immer, in Palästina ihren Staat zu errichten – die Palästinenser, die Urbevölkerung dieses Gebietes, spielten dabei überhaupt keine Rolle. Das Land sollte den Zionisten allein gehören. Aber wenn man in der Mitte eines anderen Volkes einen Staat gründen will, ist damit der Keim zur permanenten Gewalt gelegt. Die maßgebenden Zionisten haben denn auch nie versucht, mit der indigenen Bevölkerung zusammenzuleben. 1948 haben sie mit der ethnischen Säuberung (der Nakba) versucht, für klare homogene, völkische Verhältnisse in ihrem Sinne zu sorgen, was „leider“ (nach Aussagen sehr vieler Israelis heute) nicht gelang, denn „nur“ die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung wurde vertrieben.
Im Krieg 1967 haben die Zionisten das Westjordanland, den Gazastreifen und die Golanhöhen erobert und dort mit ständigem Landraub für den Bau ihrer Siedlungen ein grausames Besatzungsregime errichtet. Die palästinensische Bevölkerung wurde in alter kolonialistischer Manier hinter großen Mauern und Zäunen in Reservate (Bantustans) weggeschlossen und aller Menschen- und Bürgerrechte beraubt. – überflüssige Menschen eben, die man nicht braucht. Das Westjordanland wurde einer Militärdiktatur unterworfen und der Gazastreifen zum „größten Freiluftgefängnis der Welt“ (der israelische Journalist Gideon Levy) – ein Ghetto, in dem die Menschen ein klägliches Elendsdasein fristen müssen.
Israel allein ist für die Schaffung der barbarischen Zustände, ein ganzes Volk in Geiselhaft zu halten, verantwortlich. Es hat als die hegemoniale Macht nie den Versuch gemacht, eine Friedenslösung, die diesen Namen verdient, gemeinsam mit den Palästinensern zu finden. Die Zwei-Staaten-Lösung wäre es gewesen, die Saudi-Arabien 2002 gegen die Anerkennung Israels angeboten hat. Die Offerte war Israel nicht einmal eine Antwort wert. Auch die westlichen Staaten – an der Spitze die USA – tragen eine große Mitschuld am Ausbruch dieses neuen furchtbaren Krieges. Sie haben Israel in seinem inhumanen Vorgehen gegen ein ganzes Volk nicht nur gewähren lassen, sie haben den zionistischen Staat auch materiell und moralisch stets unterstützt, anstatt Druck auf ihn in Richtung Frieden auszuüben. Das Schicksal der Palästinenser war und ist dem angeblich so „werteorientierten“ Westen völlig egal.
Der jetzige Krieg ist also auch die logische Folge des völligen Versagens der westlichen Nah-Ost-Politik, da helfen alle Krokodilstränen nichts, die jetzt dort sicher vergossen werden. Die Palästinenser versuchen, mit diesem Gewaltausbruch ihr Schicksal zu wenden, aber das Risiko ist hoch, dass sie damit genau das Gegenteil erreichen: noch mehr grausame Unterdrückung, noch mehr Gewalt und noch mehr Tod. Man muss aber kein Prophet sein, um vorauszusagen: Ohne eine gerechte Lösung für das palästinensische Volk wird es im Nahen Osten keinen Frieden geben. Wieviel Menschen müssen dort noch sterben, bis diese Einsicht bei den politisch Verantwortlichen ankommt?
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