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Die globale Expansion der neuen Kapitalisten im 21. Jahrhundert
26. Oktober 2023
Webredaktion
Wirtschaft
Die globale Expansion der neuen Kapitalisten im 21. Jahrhundert und Chinas freundliche internationale Zusammenarbeit
Unter diesem Titel ist in den ‚Marxistischen Blättern‘ 5/6-2023 eine
Rezension zur chinesischen Ausgabe des Buches „Die Kapitalisten des 21.
Jahrhunderts“ erschienen, Autor ist Dr. Werner Rügemer, Beirats- und
Vorstandsmitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes.
Wir dokumentieren diese Rezension in deutscher Sprache und anschließend
im chinesischen Original sowie der englischen Übersetzung.
Chinesische Ausgabe im Verlag Dongfang/Oriental Press, übersetzt von
Xiao Lei, Peking 2023, 457 Seiten, 78 Yuan, ISBN 978-7-5207-2996-3.
Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum
Aufstieg der neuen Finanzakteure”, Erstauflage Köln 2018, 3.
aktualisierte Auflage Köln 2021.
Das Buch erschien auch in englischer, französischer, italienischer und russischer Ausgabe.
Zusammengestellt von Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker
Rezension in deutscher Sprache
Rezension von Cheng Enfu / Yin Xing
Seit der globalen Finanzkrise 2008 gibt es einerseits die
offensichtliche Abwendung der USA von der Globalisierung und
andererseits die verdeckte, weitergehende, globale Ausdehnung des
US-amerikanischen Finanzkapitals. Beide Aspekte sind scheinbar
widersprüchlich, sind aber systemisch miteinander verbunden.
Die USA waren nach der Finanzkrise nicht in der Lage, wirksame
institutionelle Reformen durchzuführen, um die unkontrollierte
Ausdehnung des Finanzkapitals einzudämmen und die wirtschaftspolitischen
Widersprüche im eigenen Land zu mildern. Stattdessen sehen die USA die
von China aktiv vorangetriebene Globalisierung als Herausforderung für
die US-amerikanische Hegemonie und versuchen kontinuierlich, die
Entkoppelung (decoupling) Chinas voranzutreiben. Dies trägt dazu bei,
die systemische Krise in den USA selbst und zugleich die globale
Governance-Krise weiter zu verschärfen.
Die Welt erlebt derzeit eine noch nie dagewesene große Veränderung und
betritt eine Phase tiefgreifender Umwälzungen, mit vielen
unvorhersehbaren Faktoren. Dagegen ist es notwendig, den
Herausforderungen von Turbulenzen und sogar möglichen Stürmen
standzuhalten. Diese große Herausforderung scheint offensichtlich zu
sein, aber ihre eigentliche Widersprüchlichkeit liegt im Verborgenen. So
besteht die dringende und grundlegende Frage sowohl für China als auch
für die Welt darin: Wie erkennt man ganzheitlich den tiefgreifenden
Widerspruch zwischen der globalen Expansion des neuen US-amerikanischen
Finanzkapitals im 21. Jahrhundert und dem Einfluss des chinesischen
Sozialismus mit seinen charakteristischen Merkmalen hinsichtlich der
Förderung globaler freundlicher Kooperation? Wie können wir auf die
große Veränderung und mögliche Stürme reagieren und die globale
Wirtschaftsordnung verbessern?
Das Buch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ des bekannten deutschen
Autors Dr. Werner Rügemer, in chinesischer Sprache veröffentlicht im
Juni 2023, führt eine gründliche professionelle Untersuchung der
globalen Expansion des US-amerikanischen Finanzkapitals im 21.
Jahrhundert und seiner inhärenten Krise durch. Gleichzeitig anerkennt
und erwartet der Autor den Beitrag des chinesischen Sozialismus mit
seinen charakteristischen Merkmalen hinsichtlich der Förderung globaler
freundlicher Kooperation.
Im Buch wird deutlich darauf hingewiesen, dass seit den 1980er Jahren
mit Globalisierung und Informatisierung das US-Kapital stark
zentralisiert wurde und eine kleine Gruppe neuer, großer Kapitalisten
entstand, die inzwischen praktisch die wichtigsten Industrien und
Unternehmen im Westen dominieren und schrittweise in die Ära des „Neuen
Kapitalismus des 21. Jahrhunderts“ eingetreten sind. Die tiefgreifende
Expansion dieser neuen Kapitalisten auf globaler Ebene hat nicht nur in
den USA selbst die Konzentration von Reichtum und Macht und das
Ungleichgewicht in den Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit
verstärkt, sondern auch die wirtschaftliche und politische Dominanz der
USA über Europa.
Dies führte zugleich zur globalen Finanzkrise, aber die USA behielten
auch nach der Krise ihre dominierende Position bei, indem sie die Krise
mit verzerrten neoliberalen Maßnahmen abmilderten. Dadurch wurden die
Arbeitsplatzunsicherheit und der Rückgang der Kaufkraft der abhängig
Beschäftigten verstärkt sowie politische, soziale und Krisen der
internationalen Beziehungen ausgelöst. Damit wurde auch die globale
Governance-Krise weiter verschärft, was eine neue multilaterale
internationale Ordnung erfordert.
Der Erfolg der Volksrepublik China im Umgang mit den Herausforderungen
und Chancen der Globalisierung hat dazu geführt, dass China sich schnell
entwickelt und aktiv zu einer Wirtschaftsordnung beiträgt, die nach dem
Prinzip der Gleichberechtigung der Staaten die globale Kooperation und
den Frieden fördert anstatt nur den Interessen eines Hegemons
unterworfen zu sein. Staaten auf der ganzen Welt müssen sich von den
negativen Auswirkungen transnationaler US-Finanzgruppen befreien und
gemeinsam an der globalen Kooperation und Entwicklung arbeiten.
Zunächst bietet dieses Buch eine gründliche Analyse der Mechanismen der
globalen tiefgreifenden Expansion der neuen führenden US-Finanzgruppen
und zeigt auf, wie sie die entscheidenden Bereiche der Wirtschaft
mithilfe verschiedener Akteure und Praktiken kontrollieren. Das Buch
unterteilt die Akteure im Finanzsektor in fünf Gruppen: Die erste Gruppe
umfasst die großen Kapitalorganisatoren wie BlackRock; die zweite
Gruppe umfasst Private-Equity-Fonds, Hedgefonds und Risikokapitalgeber;
die dritte Gruppe sind Elite-Investmentbanken und traditionelle
Großbanken; die vierte Gruppe besteht aus den fünf Internet-Giganten
Google, Apple, Microsoft, Facebook und Amazon; und die fünfte Gruppe
umfasst Konzerne der digitalen Plattformwirtschaft wie Uber und Airbnb.
Das Buch bietet somit eine systematische empirische Analyse der
Zusammensetzung des gegenwärtigen Finanzkapitals und auch seiner
Kontrolle über digitales Kapital und dessen Datenmonopol. Rügemer
enthüllt konkret die Logik hinter dem Finanzkapital, erhöht dadurch die
gezielte, glaubwürdige Kritikfähigkeit gegenüber Finanz- und
Digitalkapital und zerstört dessen Mythen.
Zum Zweiten analysiert das Buch, wie die neuen Kapitalisten die Dominanz
über Kapital und Regierungen auf dem europäischen Kontinent verstärken,
die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit sowie die Produktion
medialer Narrative und die Datenüberwachung der USA auf Europa
übertragen sowie durch exterritoriale Justiz und Sanktionen das
einheimische europäische Kapital an US-Interessen orientieren, um
Gewinne und Investitionen herüberzuziehen und die Kapitalzentralität in
den USA zu verstärken. Diese konkrete Analyse des Buches trägt dazu bei,
die vielfach noch bestehende Illusion über den US-amerikanischen
„Multilateralismus“ zu durchbrechen.
Zum Dritten bietet das Buch aus der Perspektive westlicher linker
Wissenschaftler eine tiefgreifende Analyse und aufrichtige Erwartungen
hinsichtlich der Herausforderungen und Chancen, denen sich der
chinesische Sozialismus im Zuge der Globalisierung gegenübersieht.
Rügemers Analyse fördert damit den intensiven Austausch zwischen
chinesischen und westlichen Wissenschaftlern und Autoren über die
Leistungen und die internationale Wirkung der Volksrepublik China und
trägt dazu bei, die Isolation Chinas, die durch das „Bündnis westlicher
Werte“ bewirkt werden soll, zu durchbrechen.
Von einem theoretischen Standpunkt aus betrachtet, zerstört dieses Buch
die Mythen der US-amerikanischen Theorien der freien Marktwirtschaft und
der Demokratie und trägt dazu bei, Analyse und Theorie des neuen
Imperialismus weiter auszubauen. Es fördert die Forschung zu den neuen
Monopolen in der Produktion, Zirkulation, dem Finanzkapital und den
internationalen Oligarchie-Allianzen im Rahmen des neuen Imperialismus.
In Bezug auf die Natur dieses neuen Imperialismus wird die Forschung zu
den monopolistischen, ausbeuterischen, verfallenden, parasitären,
transitorischen und unsicheren neuen Trends des gegenwärtigen
Kapitalismus vorangetrieben.
Angesichts der verstärkt versuchten Isolierung Chinas durch die USA in
der internationalen Gemeinschaft und der Abwertung der chinesischen
Wirtschaft auch während der Pandemie, hegen einige Intellektuelle sowohl
innerhalb als auch außerhalb Chinas immer noch unrealistische
Vorstellungen über das US-amerikanische System der Marktwirtschaft und
sein neues polarisiertes politisches System. Die theoretische Analyse in
Rügemers Buch in Verbindung mit der Realität trägt dazu bei, diese
Illusionen zu zerstreuen.
Aus praktischer Sicht ist das Buch wertvoll für Fachleute, um die
Ursachen und Entwicklungen der gegenwärtigen internationalen Beziehungen
zu verstehen und zu erfassen. Es fördert die globale freundliche
Zusammenarbeit und bietet auch starke Einblicke und Anregungen dafür,
wie China die Kontrolle von Finanzkapital und digitalen Plattformen
verstärken kann.
Angesichts der immer verdeckteren Kombination aus US-amerikanischem
Finanz- und Digitalkapital, die sich unter dem Trend der
Deglobalisierung in die globale Wirtschaft einschleicht, muss China in
seiner Öffnung gegenüber der Welt nicht nur die verschiedenen Sanktionen
und Blockaden des US-amerikanischen neuen Imperialismus durchbrechen,
sondern auch internationales Kapital besser lenken, um der realen
Wirtschaft und den Interessen der Menschen zu dienen. Die Volksrepublik
China muss sich für friedliche Entwicklung, gegenseitige Öffnung und
gemeinsamen Nutzen einsetzen und die Entwicklung der globalen
Wirtschaftsordnung vorantreiben – nach dem Prinzip der
Gleichberechtigung der Staaten.
Prof. Cheng Enfu ist Leitender Seniorprofessor an der Universität der
Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und Präsident der World
Association for Political Economy;
Prof. Yin Xing ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften und Professor für Ökonomie an der Shanghai Maritime University
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