Freitag, 27. Oktober 2023

Die globale Expansion der neuen Kapitalisten im 21. Jahrhundert - freidenker

 Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=17335

Die globale Expansion der neuen Kapitalisten im 21. Jahrhundert

26. Oktober 2023
Webredaktion

Wirtschaft
Die globale Expansion der neuen Kapitalisten im 21. Jahrhundert und Chinas freundliche internationale Zusammenarbeit
Unter diesem Titel ist in den ‚Marxistischen Blättern‘ 5/6-2023 eine Rezension zur chinesischen Ausgabe des Buches „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ erschienen, Autor ist Dr. Werner Rügemer, Beirats- und Vorstandsmitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes.

Wir dokumentieren diese Rezension in deutscher Sprache und anschließend im chinesischen Original sowie der englischen Übersetzung.

Chinesische Ausgabe im Verlag Dongfang/Oriental Press, übersetzt von Xiao Lei, Peking 2023, 457 Seiten, 78 Yuan, ISBN 978-7-5207-2996-3.

Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure”, Erstauflage Köln 2018, 3. aktualisierte Auflage Köln 2021.

Das Buch erschien auch in englischer, französischer, italienischer und russischer Ausgabe.

Zusammengestellt von Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker

Rezension in deutscher Sprache

Rezension von Cheng Enfu / Yin Xing
Seit der globalen Finanzkrise 2008 gibt es einerseits die offensichtliche Abwendung der USA von der Globalisierung und andererseits die verdeckte, weitergehende, globale Ausdehnung des US-amerikanischen Finanzkapitals. Beide Aspekte sind scheinbar widersprüchlich, sind aber systemisch miteinander verbunden.

Die USA waren nach der Finanzkrise nicht in der Lage, wirksame institutionelle Reformen durchzuführen, um die unkontrollierte Ausdehnung des Finanzkapitals einzudämmen und die wirtschaftspolitischen Widersprüche im eigenen Land zu mildern. Stattdessen sehen die USA die von China aktiv vorangetriebene Globalisierung als Herausforderung für die US-amerikanische Hegemonie und versuchen kontinuierlich, die Entkoppelung (decoupling) Chinas voranzutreiben. Dies trägt dazu bei, die systemische Krise in den USA selbst und zugleich die globale Governance-Krise weiter zu verschärfen.

Die Welt erlebt derzeit eine noch nie dagewesene große Veränderung und betritt eine Phase tiefgreifender Umwälzungen, mit vielen unvorhersehbaren Faktoren. Dagegen ist es notwendig, den Herausforderungen von Turbulenzen und sogar möglichen Stürmen standzuhalten. Diese große Herausforderung scheint offensichtlich zu sein, aber ihre eigentliche Widersprüchlichkeit liegt im Verborgenen. So besteht die dringende und grundlegende Frage sowohl für China als auch für die Welt darin: Wie erkennt man ganzheitlich den tiefgreifenden Widerspruch zwischen der globalen Expansion des neuen US-amerikanischen Finanzkapitals im 21. Jahrhundert und dem Einfluss des chinesischen Sozialismus mit seinen charakteristischen Merkmalen hinsichtlich der Förderung globaler freundlicher Kooperation? Wie können wir auf die große Veränderung und mögliche Stürme reagieren und die globale Wirtschaftsordnung verbessern?

Das Buch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ des bekannten deutschen Autors Dr. Werner Rügemer, in chinesischer Sprache veröffentlicht im Juni 2023, führt eine gründliche professionelle Untersuchung der globalen Expansion des US-amerikanischen Finanzkapitals im 21. Jahrhundert und seiner inhärenten Krise durch. Gleichzeitig anerkennt und erwartet der Autor den Beitrag des chinesischen Sozialismus mit seinen charakteristischen Merkmalen hinsichtlich der Förderung globaler freundlicher Kooperation.

Im Buch wird deutlich darauf hingewiesen, dass seit den 1980er Jahren mit  Globalisierung und Informatisierung das US-Kapital stark zentralisiert wurde und eine kleine Gruppe neuer, großer Kapitalisten entstand, die inzwischen praktisch die wichtigsten Industrien und Unternehmen im Westen dominieren und schrittweise in die Ära des „Neuen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts“ eingetreten sind. Die tiefgreifende Expansion dieser neuen Kapitalisten auf globaler Ebene hat nicht nur in den USA selbst die Konzentration von Reichtum und Macht und das Ungleichgewicht in den Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit verstärkt, sondern auch die wirtschaftliche und politische Dominanz der USA über Europa.

Dies führte zugleich zur globalen Finanzkrise, aber die USA behielten auch nach der Krise ihre dominierende Position bei, indem sie die Krise mit verzerrten neoliberalen Maßnahmen abmilderten. Dadurch wurden die Arbeitsplatzunsicherheit und der Rückgang der Kaufkraft der abhängig Beschäftigten verstärkt sowie politische, soziale und Krisen der internationalen Beziehungen ausgelöst. Damit wurde auch die globale Governance-Krise weiter verschärft, was eine neue multilaterale internationale Ordnung erfordert.

Der Erfolg der Volksrepublik China im Umgang mit den Herausforderungen und Chancen der Globalisierung hat dazu geführt, dass China sich schnell entwickelt und aktiv zu einer Wirtschaftsordnung beiträgt, die nach dem Prinzip der Gleichberechtigung der Staaten die globale Kooperation und den Frieden fördert anstatt nur den Interessen eines Hegemons unterworfen zu sein. Staaten auf der ganzen Welt müssen sich von den negativen Auswirkungen transnationaler US-Finanzgruppen befreien und gemeinsam an der globalen Kooperation und Entwicklung arbeiten.

Zunächst bietet dieses Buch eine gründliche Analyse der Mechanismen der globalen tiefgreifenden Expansion der neuen führenden US-Finanzgruppen und zeigt auf, wie sie die entscheidenden Bereiche der Wirtschaft mithilfe verschiedener Akteure und Praktiken kontrollieren. Das Buch unterteilt die Akteure im Finanzsektor in fünf Gruppen: Die erste Gruppe umfasst die großen Kapitalorganisatoren wie BlackRock; die zweite Gruppe umfasst Private-Equity-Fonds, Hedgefonds und Risikokapitalgeber; die dritte Gruppe sind Elite-Investmentbanken und traditionelle Großbanken; die vierte Gruppe besteht aus den fünf Internet-Giganten Google, Apple, Microsoft, Facebook und Amazon; und die fünfte Gruppe umfasst Konzerne der digitalen Plattformwirtschaft wie Uber und Airbnb.

Das Buch bietet somit eine systematische empirische Analyse der Zusammensetzung des gegenwärtigen Finanzkapitals und auch seiner Kontrolle über digitales Kapital und dessen Datenmonopol. Rügemer enthüllt konkret die Logik hinter dem Finanzkapital, erhöht dadurch die gezielte, glaubwürdige Kritikfähigkeit gegenüber Finanz- und Digitalkapital und zerstört dessen Mythen.

Zum Zweiten analysiert das Buch, wie die neuen Kapitalisten die Dominanz über Kapital und Regierungen auf dem europäischen Kontinent verstärken, die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit sowie die Produktion medialer Narrative und die Datenüberwachung der USA auf Europa übertragen sowie durch exterritoriale Justiz und Sanktionen das einheimische europäische Kapital an US-Interessen orientieren, um Gewinne und Investitionen herüberzuziehen und die Kapitalzentralität in den USA zu verstärken. Diese konkrete Analyse des Buches trägt dazu bei, die vielfach noch bestehende Illusion über den US-amerikanischen „Multilateralismus“ zu durchbrechen.

Zum Dritten bietet das Buch aus der Perspektive westlicher linker Wissenschaftler eine tiefgreifende Analyse und aufrichtige Erwartungen hinsichtlich der Herausforderungen und Chancen, denen sich der chinesische Sozialismus im Zuge der Globalisierung gegenübersieht. Rügemers Analyse fördert damit den intensiven Austausch zwischen chinesischen und westlichen Wissenschaftlern und Autoren über die Leistungen und die internationale Wirkung der Volksrepublik China und trägt dazu bei, die Isolation Chinas, die durch das „Bündnis westlicher Werte“ bewirkt werden soll, zu durchbrechen.

Von einem theoretischen Standpunkt aus betrachtet, zerstört dieses Buch die Mythen der US-amerikanischen Theorien der freien Marktwirtschaft und der Demokratie und trägt dazu bei, Analyse und Theorie des neuen Imperialismus weiter auszubauen. Es fördert die Forschung zu den neuen Monopolen in der Produktion, Zirkulation, dem Finanzkapital und den internationalen Oligarchie-Allianzen im Rahmen des neuen Imperialismus. In Bezug auf die Natur dieses neuen Imperialismus wird die Forschung zu den monopolistischen, ausbeuterischen, verfallenden, parasitären, transitorischen und unsicheren neuen Trends des gegenwärtigen Kapitalismus vorangetrieben.

Angesichts der verstärkt versuchten Isolierung Chinas durch die USA in der internationalen Gemeinschaft und der Abwertung der chinesischen Wirtschaft auch während der Pandemie, hegen einige Intellektuelle sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas immer noch unrealistische Vorstellungen über das US-amerikanische System der Marktwirtschaft und sein neues polarisiertes politisches System. Die theoretische Analyse in Rügemers Buch in Verbindung mit der Realität trägt dazu bei, diese Illusionen zu zerstreuen.

Aus praktischer Sicht ist das Buch wertvoll für Fachleute, um die Ursachen und Entwicklungen der gegenwärtigen internationalen Beziehungen zu verstehen und zu erfassen. Es fördert die globale freundliche Zusammenarbeit und bietet auch starke Einblicke und Anregungen dafür, wie China die Kontrolle von Finanzkapital und digitalen Plattformen verstärken kann.

Angesichts der immer verdeckteren Kombination aus US-amerikanischem Finanz- und Digitalkapital, die sich unter dem Trend der Deglobalisierung in die globale Wirtschaft einschleicht, muss China in seiner Öffnung gegenüber der Welt nicht nur die verschiedenen Sanktionen und Blockaden des US-amerikanischen neuen Imperialismus durchbrechen, sondern auch internationales Kapital besser lenken, um der realen Wirtschaft und den Interessen der Menschen zu dienen. Die Volksrepublik China muss sich für friedliche Entwicklung, gegenseitige Öffnung und gemeinsamen Nutzen einsetzen und die Entwicklung der globalen Wirtschaftsordnung vorantreiben – nach dem Prinzip der Gleichberechtigung der Staaten.

Prof. Cheng Enfu ist Leitender Seniorprofessor an der Universität der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und Präsident der World Association for Political Economy;
Prof. Yin Xing ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften und Professor für Ökonomie an der Shanghai Maritime University


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