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https://www.freidenker.org/?p=17307
Globalisierung geht in nächste Runde – ohne Deutschland
Auf dem Seidenstraßen-Forum werden die Weichen für die weitere
Globalisierung gestellt. Deutschland hat daran keinen Anteil, denn die
derzeitig Regierenden tun sich schwer mit den Aussichten auf eine
multipolare Ordnung in der Welt: Respekt vor dem Völkerrecht und der
Souveränität aller Staaten.
Von Gert Ewen Ungar
Erstveröffentlichung am 18.10.2023 auf RT DE
Zum derzeit in der Volksrepublik China stattfindenden
Seidenstraßen-Gipfel versammelten sich in diesen Tagen die führenden
Politiker aus aller Welt. Tausende Delegierte aus rund 140 Ländern der
Welt treffen sich in Peking, um die Weltwirtschaft neu zu zentrieren –
ganz weit weg von Washington und Brüssel.
Die One-Belt-One-Road-Initiative ist gegenwärtig das größte
Infrastrukturprojekt der Welt. Die finanziellen Investitionen werden je
nach befragter Quelle auf einen Umfang von 1,1 bis 7,4 Billionen
US-Dollar geschätzt. Daneben nimmt sich die europäische Alternative
Global Gateway, die bis zu 300 Milliarden mobilisieren möchte, eher wie
eine „Portokasse“ aus. Der kleinste Teil dafür kommt allerdings von der
EU-Administration selbst, den Löwenanteil sollen die EU-Mitgliedstaaten
stemmen. Mit anderen Worten, das von der EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen vollmundig angekündigte und dennoch wie sauer Bier
angepriesene Projekt versandet wohl ziemlich sicher in den sattsam
bekannten EU-internen Streitigkeiten.
Das neue Seidenstraßenprojekt, das wird vielfach übersehen, steht
demgegenüber nicht allein, sondern ist ein wichtiger Stein in einem
ganzen Mosaik aus neuen Institutionen, Kooperationen, Projekten und
internationalen Formaten, in dem es um nichts Geringeres geht, als um
die Neuordnung der Welt und die Demokratisierung der internationalen
Beziehungen. Die One-Belt-One-Road-Initiative ist eingebettet in eine
geopolitische Strategie, zu der unter anderem auch die BRICS, die
Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit und die Konferenz für
Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen (CICA) gehören.
Alle diese Formate haben zwei Dinge gemeinsam: Sie repräsentieren zum
einen den wohl mittlerweile größten Teil der Weltbevölkerung. Zum
anderen ist ihnen gemeinsam, dass in all diesen Formaten Deutschland
nicht mehr vertreten ist. Nicht weil man Deutschland dort ausschließen
würde, sondern weil Deutschlands derzeitig maßgebliche Politiker sich
gern als eiserne Transatlantiker sehen und sich eine Zusammenarbeit auf
der Grundlage verbindlicher und vor allem für alle gleicher Regeln, wie
sie in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt ist, nicht
vorstellen können oder wollen. Deutschland soll vielmehr dominieren und
diktieren. Die Entscheidungsträger scheinen nach wie vor dem kolonialen
Denken verhaftet.
Und damit ist all diesen Formaten ein drittes Merkmal gemeinsam: Von
Deutschland aus wird auf sie herabgeblickt. Aus deutscher Sicht
versammelt sich dort angeblich „nur“ der globale Rest. Deutschlands
Führung hat sich allerdings durch Arroganz und Überheblichkeit selbst
isoliert, steht selbst nur noch am Rand. Deutschland wird an der
nächsten Runde der Globalisierung keinen nennenswerten Anteil haben und
demzufolge weiter absteigen.
Dass Deutschland dabei auch noch zu den sprichwörtlichen „schlechten
Verlierern“ gehört, macht ein Blick in die deutsche Berichterstattung
zum derzeitigen Seidenstraßen-Forum deutlich. Chinas Wirtschaft würde
schwächeln, wird da behauptet. Von der chinesischen Schuldenfalle ist
ebenso die Rede wie von furchtbar gescheiterten Projekten – wobei auch
noch suggeriert wird, als seien gescheiterte chinesische Projekte die
Regel und nicht eine Ausnahme. Es stehe insgesamt schlecht um Chinas
Wirtschaft, behauptet der Mainstream, während ausländische Medien
melden, dass China überraschend stark wächst.
In Peking versammeln sich übrigens die Autokraten dieser Welt. China
setzt obendrein den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof
gegen Putin nicht um, empört sich exemplarisch für den deutschen
Mainstream die Tagesschau. Selbst die Taliban seien in Peking willkommen
geheißen worden.
In der Zwischenüberschrift „Taliban, Putin und andere Autokraten“
kulminiert das redaktionelle Entsetzen der Tagesschau über die
„chinesischen Zustände“:
„Peking erwartet mehr als 4.000 Delegierte aus über 140 Ländern. Die
meisten davon sind Schwellenländer, viele autokratisch regiert. Auch
Vertreter der afghanischen Taliban sind in Peking eingetroffen.“
Wo bleibt da die deutsche Moral? In einem weiteren Beitrag heißt es:
„Der international weitgehend isolierte russische Präsident wird wegen
mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine mit internationalem
Haftbefehl gesucht. (…) Dass er in China festgenommen wird, muss Putin
nicht befürchten. Weder Russland noch die Volksrepublik erkennen das
Gericht in Den Haag an.“
Festzuhalten bleibt: wenn Putin sich in China mit Vertretern aus über
140 anderen Ländern trifft, dann gilt er der Tagesschau dennoch als
„isoliert“. Das ist eine steile „journalistische“ Leistung in der
Faktenverdrehung. Zumal man auch in deutschen Redaktionsstuben weiß,
dass in diesem Jahr bereits der 2. Afrika-Gipfel Russlands in Sankt
Petersburg und das BRICS-Treffen in Südafrika stattgefunden haben, um
nur zwei Beispiele zu nennen, die belegen, wie wenig isoliert Putin oder
Russland sind. Russland nimmt nicht nur teil, sondern gestaltet
Geopolitik.
Deutsche Medien biegen sich und ihren Abonnenten oder Gebührenzahlern
ein mediales Weltbild zurecht, in dem sich selbst die Sonne um
Deutschland dreht, das aber mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Im
Kreml geben sich Staatoberhäupter reihenweise die Klinke in die Hand,
was im Berliner Kanzleramt dagegen nicht der Fall ist.
Dabei gibt es eigentlich gar keinen Grund, beleidigt in der Ecke zu
stehen. Wenn selbst die Taliban mitmachen dürfen, wie die Tagesschau
empört anmerkt, dann ist für Deutschland sicherlich in der Mitte der
globalen Mehrheitsgesellschaft ebenfalls noch ein Plätzchen frei.
Sowohl Putin als auch Xi haben es in ihren Reden und Statements immer
wieder betont, dass man zur Zusammenarbeit mit allen Staaten bereit sei.
Voraussetzung sei lediglich die Anerkennung der Regeln der Charta der
Vereinten Nationen und damit die gegenseitige Anerkennung der
Souveränität von Staaten untereinander. Das heißt konkret, keine
Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, das Vermeiden
von deutscher Besserwisserei, den Respekt vor souveränen Entscheidungen
anderer Staaten. Und, das kann und muss man mittlerweile sogar noch
hinzufügen, auch die souveräne Vertretung der eigenen (!) Interessen,
nicht die Interessen anderer. Für Deutschlands führende Politiker
stellen solche eigentlich selbstverständlichen Forderungen heute
riesige, kaum überwindbare Hürden dar. Deutschland isoliert sich dadurch
selbst.
Aus der EU ist lediglich ein einziger Vertreter zum Forum nach China
gereist: Ungarns Premierminister Viktor Orbán ist in Peking zugegen,
sprach mit Wladimir Putin und Xi Jinping. Orbán hat im Gegensatz zu
deutschen Politikern immer wieder deutlich gemacht, dass er als
Regierungschef die Interessen Ungarns und der ungarischen Bürger in den
Mittelpunkt seiner Politik stellt. In den Darstellungen deutscher Medien
macht ihn das schon zu einem Autokraten. Allerdings darf Ungarn dann
auch an der Globalisierung 2.0 teilhaben, während Deutschland sich
selbst ausschließt und beleidigt in der Ecke steht, weil die
Weltgemeinschaft nicht nach der deutschen Pfeife tanzen will.
Gert-Ewen Ungar studierte Philosophie und Germanistik und schreibt regelmäßig für die Neulandrebellen
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