ZEITNAHES
Aus Literatur & Wissenschaft
2. Folge
Werner Mittenzwei:
„Das Leben des
Bertolt Brecht
oder Der Umgang mit den Welträtseln“, Bd. 2,
Aufbau-Verlag Berlin 1986
S. 216:
„Die westlichen Allierten strebten auf kulturellem Gebiet eine Wendung an, die sie wirtschaftspolitisch 1946 mit dem Marshallplan bereits vollzogen hatten. So orientierte die amerikanische Direktive ICS 1779 auf eine kulturelle Ausrichtung der von ihnen besetzten Sektoren im Sinne des Westens. Der kulturelle Wettbewerb der vier Besatzungsmächte mit dem Ziel, Einfluß auf die erkrankte deutsche Volksseele zu nehmen, schien beendet. (…) Darauf folgten das Verbot des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands in den Westsektoren, die Spaltung der Berliner Volksbühne und der Berliner Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen, der Boykott der Theater im Ostsektor.“
S. 283:
Auf Brecht eingehend: „Doch einige Gespräche mit Passanten machten ihm klar, daß die Verwüstung in den Köpfen nicht weniger schlimm war. Hellhörig für alle Töne, die auf das Alte eingestimmt waren, von dem das von dem das Unglück ausgegangen, wurde ihm wieder deutlich, daß die Menschen aus dem Unglück allein nichts lernen.“
S. 306:
Für Brecht „war die Beseitigung des Kapitalismus zugleich das wirkungsvollste Mittel, den Faschismus zu bekämpfen. (…) Er befürchtete eine neue deutsche Misere, weil das Proletariat auch im Osten Deutschlands nicht zu begreifen schien, daß, wie er formulierte, „ein befohlener sozialismus besser ist als gar keiner“.
S. 517:
Zur Kunst: „Aber die Kunst wird zur Verführerin, wenn sie sich zum Einübe von Größe und Stärke hergibt, ohne auf die Abgründe hinzuweisen, die sich dicht neben den Aufstiegsmöglichkeiten befinden. Die Kunst leiste der Gesellschaft einen schlechten Dienst , versuche sie mit ihren Mitteln die Menschen traumwandlerisch über diese Abgründe hinwegzubringen. In einem solchen Optimismus erkannte Brecht eine Schwächung des Marxismus als kritischer Methode: ´Kein neuer Staat kann aufgebaut werden ohne Zuversicht; es ist der Überschuß an Kraft, der die neue Gesellschaft baut. Aber ein oberflächlicher Optimismus kann sie in Gefahr bringen´.“
S.538:
Gegen eine pragmatische Politik „setzte Brecht die harte These, die Hoffnung in den Widersprüchen zu suchen. Wenn es den Menschen gelinge, deren Verlauf zu erkennen und sich darauf einzustellen, fand er erreicht, was die Klassiker verkündet hatten, daß nämlich der Mensch des Menschen Schicksal sei.“
S. 638:
„Am 11. und 12. Januar 1956 fand der IV. Deutsche Schriftstellerkongreß in Berlin statt. Brecht nahm daran teil und hielt eine kurze, aber vielbeachtete Rede, in der er (…) die Künste und die Kunst zu leben zu verbinden suchte. Daß es in Westdeutschland im Unterschied zur DDR nicht zu den gesellschaftlichen Veränderungen als notwendiger Voraussetzung für eine neue Lebensweise gekommen war, empfand er nach wie vor als die exemplarische Tatsache, von der aus die Dinge beurteilt werden mußten. Er ließ nicht mit sich reden, wenn von dieser Tatsache abgesehen wurde. In der BRD war die Restauration der alten gesellschaftlichen Kräfte betrieben worden, davon ging er in seiner Rede aus: ´Immer noch lebt der größere Teil Deutschlands im Sumpf der bürgerlichen Barbarei, und der Sumpf steigt wieder.`“
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