Dienstag, 19. April 2022

Eine interessante Analyse ... LZ

 

Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/04/19/eine-interessante-analyse-ueber-den-kampf-gegen-russland-bis-zum-letzten-ukrainer/


Eine interessante Analyse über den Kampf gegen Russland „bis zum letzten Ukrainer“



VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 19. APRIL 2022


von Thomas Röper – http://www.anti-spiegel.ru

Wirklich gute Analysen über die geopolitische und militärische Lage rund um den Ukraine-Konflikt sind selten, weshalb ich mich sehr gefreut habe, eine solche gefunden zu haben.

Stammleser des Anti-Spiegel wissen, dass ich gerne Analysen der Experten der russischen Nachrichtenagentur TASS übersetze, denn die TASS hat ausgesprochen gute geopolitische Experten, deren Analysen oft sehr lesenswert sind. Nun ist in der TASS eine Analyse sowohl der geopolitischen, als auch der militärischen Komponente der aktuellen Lage in und um die Ukraine erschienen, die ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Mit fremden Händen: Wie und womit der Westen Russland „bis zum letzten Ukrainer“ bekämpfen wird


Der „Krieg bis zum letzten Ukrainer“, den die USA und ihre NATO-Verbündeten gegen Russland führen, gefällt ihnen im Prinzip. Andernfalls würden sie ihn nicht verlängern, indem sie das Kiewer Regime vor allem kontinuierlich mit Waffen beliefern. Allerdings kommen ihnen auch Zweifel, ob sie die Mittel und Ressourcen dazu haben und ob das nicht ein Bumerang für ihre eigene Sicherheit werden könnte.

Der Sinn des Ansatzes
Ich möchte gleich klarstellen, dass die These vom „Krieg bis zum letzten Ukrainer“, deren Richtigkeit kürzlich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin bestätigt wurde, nicht nur bei uns und unseren Anhängern, sondern auch auf der anderen Seite des Ozeans in Mode ist. Im März wurde dieses Bild zum Beispiel von Charles Freeman, einem erfahrenen US-Diplomaten, ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister für internationale Sicherheitsfragen und Botschafter in Saudi-Arabien, verwendet.

Und erst vor wenigen Tagen veröffentlichte The American Conservative einen Kommentar mit dem Titel: „Washington wird Russland bis zum letzten Ukrainer bekämpfen. Kiew steht vor der Wahl: Frieden für die eigene Bevölkerung oder Krieg für die vermeintlichen Freunde.“ Der Autor ist der bekannte Politikwissenschaftler, Publizist und Schriftsteller Douglas Bandow, ehemaliger Berater von Ronald Reagan, dem 40. Präsidenten der USA und Idol der amerikanischen Konservativen.

„Die USA und Europa unterstützen Kiew weiterhin. Aber wie es scheint nicht, um Frieden zu schaffen“, schreibt der Analyst, der in den letzten Jahren für das liberale Cato-Institut in Washington gearbeitet hat. „Vielmehr sind die Verbündeten bereit, die Regierung von [dem ukrainischen Präsidenten Wladimir] Selensky zu stützen, solange sie Moskau bis zum letzten Ukrainer bekämpft. Das war eigentlich schon immer der Ansatz des Westens gegenüber Kiew.“

„Die Ukraine ist im Westen zu einem Modethema (cause célèbre) geworden“, so Bandow weiter. „Menschen, die normalerweise den Ereignissen im Ausland keine Aufmerksamkeit schenken, setzen sich jetzt für die Ukrainer ein. Darüber hinaus haben die wütenden Anhänger [Kiews] die Praxis der Selbstkritik von der chinesischen ‚Kulturrevolution‘ [der 1960er und 1970er Jahre] übernommen und fordern nun, dass russische Sportler, Sänger, Dirigenten und andere öffentlich Buße tun, sich erniedrigen, Putin verurteilen oder ihren Job verlieren.“

Die USA und ihre Freunde und Partner „versorgen Kiew mit Waffen in Hülle und Fülle und verhängen lähmende Sanktionen gegen Moskau, um sicherzustellen, dass die Ukraine weiter kämpft“, erklärt der Autor. Mit einem bitteren Lachen erinnert er uns daran, dass die Amerikaner und Europäer sich nicht an den Feindseligkeiten beteiligen werden: Sie rüsten die Ukrainer aus und stacheln sie an, aber sie lassen sich nicht selbst auf Kämpfe ein.

Und schließlich „ist das Beunruhigendste die offensichtliche Weigerung der [westlichen] Verbündeten, das zu unterstützen, was das ukrainische Volk am meisten braucht, nämlich den Frieden“, so der amerikanische Experte. „Die offensichtliche Erfahrung zeigt, dass die USA eine diplomatische Lösung in der Ukraine behindern (inhibit)“, betont Bandow. Dies ist die Ansicht vieler Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Ein „ernüchternder Prolog“
Was die Befürchtungen der USA und ihrer westlichen Verbündeten anbelangt, ob sie ihre Macht nicht doch überschätzen, so hat das Nachrichtenprotal Bloomberg neulich einen Kommentar veröffentlicht, in dem es heißt, dass „der Krieg in der Ukraine das amerikanische Arsenal der Demokratie erschöpft.“ Dem Portal zufolge hat das Weiße Haus das derzeitige Szenario in der Ukraine zunächst „nicht geplant“, sondern ist davon ausgegangen, dass „ein Großteil des Landes“ schnell unter russische Kontrolle geraten würde und „die USA ukrainische Kämpfer (insurgency) in einem schwelenden Konflikt niedriger Intensität unterstützen müssten.“

Stattdessen gehen die regulären Kämpfe weiter, bei denen schnell alles vernichtet wird, was der Westen zu liefern hat. „Nach Angaben des Pentagons verbraucht Kiew an einem einzigen Tag den Vorrat an Panzerabwehrmunition für eine Woche“, schreibt das Portal. „Außerdem fehlt es dem Land an kampffähigen Flugzeugen, da die russischen Luftangriffe und Kampfverluste ihren Tribut fordern. In Mariupol und anderswo geht [den ukrainischen Streitkräften] die Munition aus.“

Unter diesen Umständen, so Bloomberg, „weigert sich Deutschland, Panzer an die Ukraine zu liefern – mit der Begründung, es habe einfach keine mehr. Kanada gehen bald die Panzerfäuste und andere von den Ukrainern dringend benötigte Systeme aus“, fügen die Kommentatoren hinzu. „Die USA haben bereits ein Drittel ihres gesamten Bestandes an Javelin-Panzerabwehrsystemen bereitgestellt. Sie können nicht einfach mehr geben, ohne ihre eigenen Arsenale zu sehr zu gefährden, und eine signifikante Erhöhung der Produktion könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern.“

Insgesamt, so das US-Nachrichtenportal, sei die derzeitige Situation von einem „fatalen Mangel“ an Waffen und Munition für die ukrainische Armee geprägt. Und gleichzeitig werden „amerikanische Schwächen aufgedeckt, die im nächsten Kampf der Großmächte wieder zum Vorschein kommen könnten“, also „im Konflikt [der USA] mit Russland oder China.“ Bloomberg hält diese Erfahrung für einen „ernüchternden Prolog“ für den Westen.

„So weit sind wir noch nicht“
Es stimmt, dass, insbesondere in den Korridoren der Macht, nicht jeder mit solch alarmierenden Einschätzungen für Washington und seine „Freunde und Partner“ einverstanden ist. Kaum waren sie aufgetaucht, beeilte sich Pentagon-Sprecher John Kirby, sie zu dementieren. „Wir beobachten das sehr genau“, versicherte er den Reportern bei seiner regelmäßigen Pressekonferenz in der Behörde. „Aus diesem Grund haben wir insbesondere ein Gespräch am runden Tisch mit Führungskräften führender Unternehmen [des militärisch-industriellen Komplexes in den USA] veranstaltet. Und ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht an einem Punkt angelangt sind, an dem der Zustand unserer Bestände an diesen Systemen bereits unsere Kampfbereitschaft beeinträchtigt oder bald beeinträchtigen wird.“ Der Sprecher lehnte Spekulationen über eine mögliche Aufstockung der Waffenproduktion auf der Grundlage des entsprechenden Gesetzes ab.

Übrigens erinnere ich mich aus seiner Zeit im Dienst von Admiral Michael Mullen, dem Assistenten des Generalstabschefs, gut an Kirby, als er unserem Tass-Team half, Interviews mit Mullen zu führen und im Pentagon zu filmen. Es ist etwas mehr als ein Jahrzehnt her, aber es scheint eine andere Epoche gewesen zu sein. Was den Stand der Beziehungen zwischen unseren Ländern anbelangt, so ist das tatsächlich so, aber ich versuche immer noch, seine Pressekonferenzen aus alter Erinnerung zu verfolgen und habe sogar an einer Telefonkonferenz teilgenommen, die er neulich für ausländische Journalisten abgehalten hat.

Kirby wies insbesondere darauf hin, dass die USA allein unter der derzeitigen Regierung von Joe Biden Waffen und Munition im Wert von über 2,5 Milliarden Dollar nach Kiew geliefert hätten. Die Frist für die Umsetzung der entsprechenden Anweisungen des Weißen Hauses wurde auf vier bis sechs Tage verkürzt. Die Amerikaner bewaffnen ihre Klienten nicht nur, sondern bilden sie auch aus: Kürzlich hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin persönlich „eine kleine Gruppe ukrainischer Soldaten“ unterrichtet, bevor sie nach Hause zurückkehrte.

Verständlicherweise berichtete der Pentagon-Sprecher mit Stolz und Freude über all dies. In seinem Kommentar zum „Arsenal“ erinnerte Bloomberg aber auch daran, dass die USA „eine direkte Einmischung“ in den Konflikt in der Ukraine „vermeiden“. Darüber hat auch Bandow geschrieben, und überhaupt vergisst natürlich niemand, dass Washington in diesem Fall Tod und Zerstörung lieber durch die Hände anderer sät.

Ich hätte versuchen können, Kirby danach zu fragen, aber man kann sich die Antwort des professionellen Propagandisten leicht vorstellen. Außerdem muss man noch das Recht bekommen, eine Frage zu stellen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das für ausländische Reporter im Weißen Haus oder im US-Außenministerium viel schwieriger ist als bei den Pressekonferenzen des Kremls oder des Außenministeriums in Moskau.

„Für den langen Krieg?“
Unter den westlichen Kommentaren über das Vollpumpen Kiews mit Waffen – von denen es in diesen Tagen eine ganze Menge gibt – fiel mir unwillkürlich die jüngste Veröffentlichung des in Texas ansässigen Fachportals War on the Rocks ins Auge: „Die Ukraine für den langen Krieg unterstützen.“ Der Name des Verfassers, ein gewisser Jack Watling, sagte mir nichts, aber er behauptete, dass er kurz vor Beginn der russischen Spezialoperation persönlich mit hochrangigen ukrainischen Militärbefehlshabern – Generaloberst Aleksandr Syrsky „in Begleitung von Geheimdienst- und Planungshelfern“ und Ruslan Khomchak – gesprochen habe. Letzterer wurde jedoch als „Generalleutnant Khomchak“ bezeichnet, wobei die Position – Erster Stellvertretender Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine – korrekt angegeben wurde.

Watling selbst ist Brite, Angestellter des Royal United Services Institute (RUSI) und, den vagen biografischen Angaben nach zu urteilen, ein professioneller Geheimdienstagent. Das ist nur eine Vermutung meinerseits, aber sehr wahrscheinlich (highly likely). Deshalb erinnere ich daran: Die westlichen Geheimdienste und auf ihre Veranlassung auch die Politiker schämen sich nicht, ihre Vermutungen mit genau der gleichen Begründung (highly likely) zu wiederholen.

Wie dem auch sei, aus seinem Opus habe ich entnommen, dass das derzeitige Vollpumpen der Ukraine mit westlichen Waffen und Ausrüstung eine lange Vorgeschichte hat. Anfragen für Luftverteidigungs- und Drohnenabwehrsysteme sowie Panzerabwehrsysteme, Artillerie-Zielradare, Scharfschützenabwehrsysteme etc. wurden mit dem derzeitigen Kiewer Regime „seit mindestens 2019“ erörtert. Das heißt, seitdem Selensky an der Macht ist.

Im Rahmen der russischen Operation setzte die ukrainische Armee, wie Watling unter Berufung auf Khomchak schreibt, zunächst auf „mobile Verteidigung“, Angriffe „außerhalb der Sichtlinie“ und dann auf einen „Zermürbungskrieg“. Aber sie verfügte zunächst nur über genügend Kräfte und Ausrüstung, vor allem Panzerabwehrsysteme, um nur den Bereich Kiew abzudecken. Jetzt sind sie sich der Gefahr einer Einkreisung der Hauptgruppe ihrer Kräfte im Donbass bewusst und bereiten sich auf verzweifelten Widerstand gegen Offensiven „von Mariupol nach Norden und von Charkiw nach Süden“ vor. Sie glauben, dass sie durchhalten werden. Nach den britischen Kommentaren zu urteilen, neigen die westlichen Kuratoren nun ihrerseits dazu, ihnen mehr zu vertrauen.

Der Autor geht übrigens davon aus, dass Kiew jetzt „keine Anreize“, auch keine kalendarischen Anreize, für die Aushandlung von Zugeständnissen hat. Andererseits muss Moskau seiner Ansicht nach „vor Ende dieses Monats“ über seine Pläne entscheiden – damit es zumindest vor der Parade zum Tag des Sieges „entscheiden kann, ob [das Land] im Krieg ist oder nicht.“

Watling ist jedoch der Ansicht, dass sich der Konflikt in jedem Fall hinzieht. Seiner Ansicht nach ergeben sich daraus für Kiew und seine westlichen Gönner sowohl offensichtliche Probleme als auch neue Chancen, was weitere Lieferungen angeht – zum Beispiel Zeit, um ukrainische Soldaten (oder zumindest Ausbilder, nach dem Prinzip „teach the teacher“) im Umgang mit westlicher Ausrüstung und Waffen zu schulen. Gleichzeitig rät der Brite kategorisch davon ab, Lieferungen und Ausbildung zu verzögern, schon allein wegen des drohenden Kessels für die ukrainischen Streitkräfte.

Zur „großen Aggression“ in der Luft….
Weiter stellt der Kommentator konkrete Fragen dazu, was der Westen russischen Spezialoperationen in der Luft, zu Lande und zu Wasser entgegensetzen kann. Offenbar macht ihm die Luft am meisten Angst: Er erinnert insbesondere daran, dass die Ukraine schon lange dasselbe US-amerikanisch-norwegische Luftabwehrsystem NASAMS (National Advanced Surface-to-Air Missile System) anfordert, das „jetzt das Weiße Haus und andere Aktiva (high-value assets) in Washington schützt.“

Übrigens, was einen Militärexperten ausmacht: Ich habe mehr als 20 Jahre lang in der amerikanischen Hauptstadt gearbeitet und war manchmal fast täglich im Weißen Haus, um meine journalistischen Aufgaben zu erledigen, aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, es als „Aktiva“ zu bezeichnen. Zur Sache schreibt der Autor, dass „die NATO-Länder in Europa selbst zu wenig Luftverteidigungsausrüstung haben, so dass es schwierig ist, Systeme zu spenden, aber die Produktionslinie bleibt offen.“

Da auch Kiew dringend auf die Luftwaffe angewiesen ist und eine Umstellung der Luftwaffe auf westliche Maschinen unrealistisch ist (Umschulung der Piloten und des Bodenpersonals, Schaffung einer geeigneten Infrastruktur etc.), erwägt Wateling „verfügbare Alternativen.“ Gleichzeitig erklärt er, warum beispielsweise die hochrangigen NATO-Partner Warschau nicht erlaubt haben, polnische MiG-29 an Kiew zu übergeben. Das Haupthindernis besteht darin, dass sie bereits an die NATO-Standards angepasst sind und nicht in die falschen Hände übergeben werden können, ohne zuvor „gesäubert“ worden zu sein, indem alle Ausrüstungsgegenstände, die „kompromittiert“ werden könnten, entfernt wurden.

Andererseits gibt es bei den 46 hochmodernen MiG-29M, die Ägypten kürzlich erworben hat, die mit R-77-Raketen ausgestattet sind und die Kiew sich so sehr wünscht, kein solches Hindernis, so Watling. Seiner Meinung nach kann Kairo sie gegen amerikanische F-16 austauschen – zusätzlich zu denen, über die Ägypten inklusive der nötigen Infrastruktur bereits verfügt. Nach Ansicht des Briten würden die Ägypter von einem solchen Tausch profitieren und sie sollten ihm grundsätzlich zustimmen.

Ich muss gestehen, dass ich von dieser Idee nicht begeistert bin. Sind Kampfflugzeuge ein Spielzeug, das Kinder im Sandkasten nach Belieben tauschen können? Ist der Endnutzer solcher Geräte nicht in den Kaufverträgen festgelegt? Oder gelten gegenüber Russland aus der Sicht des Westens überhaupt keinen Rechtsnormen mehr?

Natürlich sollten dazu echte Experten befragt werden. Doch für die „Sofastrategen“ reicht es offenbar aus, dass der RUSI-Experte angesichts eines „langwierigen Konflikts“ in der Ukraine solche Optionen nicht nur für „realisierbar“, sondern auch für „lebenswichtig“ (vital) hält. Ihm zufolge wird die ukrainische Luftwaffe in keinem Fall in der Lage sein, „den Himmel über dem Donbass herauszufordern“, aber mit MiGs und Switchblade-Raketen wird sie in der Lage sein, die westlichen Regionen der Ukraine abzudecken, die russische Luftabwehr zu „beunruhigen“ und generell „aggressiver“ in der Luft aufzutreten.

…zu Lande und zu Wasser.
Zu Lande schlägt Watling vor, dass sich der Westen zunächst um die Einheitlichkeit der gepanzerten Fahrzeuge kümmern sollte. Andernfalls werden seiner Meinung nach die Eiferer aus den verschiedenen Hauptstädten allen möglichen plumpen Müll nach Kiew schicken. Seiner Meinung nach ist das die schlechteste Option, denn es gibt weder Ersatzteile für solche Geräte noch Menschen, die sie bedienen könnten, und es macht auch keinen Sinn, sie auszubilden.

Was das maritime Element betrifft, so hätte ich als jemand, der sich mit militärischen Themen nicht befasst, wahrscheinlich überhaupt nicht darauf geachtet, wenn es nicht den tragischen Verlust des Kreuzers „Moskwa“ gegeben hätte. Der Kommentar in War on the Rocks wurde am 12. April veröffentlicht, und einen Tag später ertönte der Donner, in dessen Folge unsere Schwarzmeerflotte ihr Flaggschiff verlor und wir uns alle – wie das Sprichwort besagt – bekreuzigen mussten.

In dem Artikel heißt es unmissverständlich: „Die anhaltende Bedrohung von der Seeflanke aus schränkt nicht nur die ukrainischen Streitkräfte ein, sondern könnte zu einem ernsten Problem werden, wenn es Russland gelingt, den Donbass einzunehmen und dann seine Hauptanstrengungen in Richtung Odessa statt nach Norden in Richtung Kiew zu verlagern. Der Schaffung von Risikofaktoren für die russische Marine sollte Priorität eingeräumt werden.“ Priorität!

Watling zufolge „lässt sich dieses Problem am besten lösen, indem man [die ukrainische Armee] mit Anti-Schiffs-Marschflugkörpern ausstattet.“ Der Brite stellt fest, dass sein Land „bereits seine Absicht signalisiert hatte, dies zu tun“, obwohl es zu diesem Zeitpunkt keine offizielle Bestätigung gab. Er warnt jedoch davor, dass die Übergabe von Waffen wie Harpoon-Raketen an Kiew „eine sorgfältige Diskussion mit den Ukrainern erfordern würde“ – wegen des Risikos, durch ungeschickte Abschüsse „nicht-russische Ziele im Schwarzen Meer“ zu treffen. Kommentare sind meines Erachtens überflüssig.

„Ich würde es nur gerne verstehen!“
Überhaupt gebe ich die Einschätzungen anderer so ausführlich wieder, weil ich mich nicht berechtigt fühle, meine eigenen abzugeben. Da ich die meiste Zeit meines Lebens als Auslandskorrespondent für eine Nachrichtenagentur gearbeitet habe, muss ich natürlich in der Lage sein, kompetent über jedes Thema zu schreiben, auch über militär-technische Themen. Aber ich habe kein wirklich tief gehendes Verständnis über sie.

Mein Freund und Kollege Viktor Litovkin, Kriegsberichterstatter bei der TASS, mit dem ich meine Zweifel geteilt habe, nahm sie allerdings eher mit Verwunderung auf. Er ist davon überzeugt, dass der Westen mehr als bereit ist, auf Kosten anderer in den Krieg gegen Russland zu ziehen (insbesondere im Rahmen der neuen Land-Lease-Kredite), indem er seine alten Waffen und Munition „recycelt“, die ohnehin abgeschrieben werden müssten, und sich über die drohende „Arsenalverknappung“ nur als Ablenkungsmanöver beschwert, um vor der eigenen Bevölkerung eine weitere Erhöhung der Militärausgaben zu rechtfertigen.

„Verstehst Du das als professioneller Amerikanist das wirklich nicht?“, hat sich Victor gewundert. Und ich stimme zu, dass natürlich alles, wovon er spricht, verständlich und allgemein bekannt ist. Was das Recycling betrifft, so kann ich hinzufügen, dass die US-Marine erst neulich vorgeschlagen hat, neun fast neue Kriegsschiffe für insgesamt 4,5 Milliarden Dollar außer Dienst zu stellen, die seinerzeit in Auftrag gegeben wurden, um die Bedrohung durch Piraten und Terroristen in Küstengewässern abzuwehren, aber jetzt haben sich die Prioritäten auf eine Auseinandersetzung mit Russland und China verlagert. Die Schiffe sollen verschrottet werden, um Geld zu sparen; das Projekt ist im Haushaltsantrag der US-Marine für das nächste Haushaltsjahr enthalten.

Ich habe also den Finger am Puls der Zeit, wie man so schön sagt. Aber dennoch fühle ich mich wie die Figur in dem bekannten Witz über zwei Politikwissenschaftler, in dem der eine dem anderen alles erklären will und dieser antwortet: „Erklären kann ich das selbst. Ich würde es nur gerne verstehen!“

Ende der Übersetzung


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen