Mittwoch, 7. Juni 2023

Zwei Lager - RotFuchs

 

Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-305-06-23.pdf


RotFuchs, Juni 2023



Zwei Lager 

Der Krieg des NATO- und EU-Westens gegen Rußland hat die Welt erneut in zwei politische Lager gespalten. Sie sind nicht so klar umrissen wie in den Jahren zwischen 1945 und 1991, als die beiden Supermächte USA und UdSSR an der Spitze militärischer Bündnisse standen und jeweils weitere Länder an sich banden: Auf der einen Seite stehen heute jene, die vor allem Verhandlungen verlangen, um den offenen NATO-Krieg gegen Rußland zu beenden. Dazu gehört die Mehrheit der UN-Vollversammlung, gehören die BRICS-Staaten, mehr als 30 Länder der 55 Staaten umfassenden Afrikanischen Union, Papst Franziskus und große Teile der Bevölkerung in den westlichen Staaten. Deren Meinung kommt nur in Umfragen zum Ausdruck oder manifestiert sich auf Kundgebungen: 50 000 in Berlin, die dem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar folgten, Zehntausende bei den Ostermärschen.


Das andere Lager bilden die mehr als 30 Mitgliedstaaten von EU und NATO plus etwa 15 Länder, sämtliche Konzern- und Staatsmedien, hierzulande fast alle Bundest agsabgeordneten und Ver t reter der Linkspartei wie Bodo Ramelow oder Katina Schubert. Sie treten entgegen dem eigenen Programm für Waffenlieferungen an Kiew, also Kriegsverlängerung, ein. Einige Scharfmacher erklären offen, daß Rußland geschwächt oder aufgelöst, d. h. kolonialisiert, werden soll.


Die Herausbildung des Friedenslagers, das in sich viele Widersprüche aufweist, wird zu Recht als Niederlage des Westens betrachtet – auch in den Hauptstädten von Kiew bis Washington. Das war so nicht vorgesehen, als die NATO-Osterweiterung Mitte der 90er Jahre begann, die Ukraine systematisch als antirussischer Vorposten ausgebaut und der Putsch von 2014 sowie der folgende Krieg in der Ostukraine angezettelt wurde. Diese Fehlkalkulation ist mit der des deutschen Imperialismus in beiden Weltkriegen vergleichbar. Ihr Ursprung liegt wie 1914 oder 1939/1941 in einer unrealistischen Weltsicht. Alle Warnungen auch eigener Experten oder Militärs vor den Konsequenzen des aggressiven Expansionskurses wurden in den Wind geschlagen, die Rußlands ohnehin. Wladimir Putin forderte 2001 im Bundestag, sein Land als gleichberechtigten Staat zu behandeln. Die historische Blindheit des Westens erreichte in der Weigerung, Sicherheitsgarantien für Rußland zu geben, im Herbst 2021 einen neuen Höhepunkt.


Die beiden Lager haben mit denen des Kalten Krieges zu tun – auch wenn das heutige Rußland kapitalistisch ist. Die USA und ihre westeuropäischen Verbündeten mußten nach dem Zweiten Weltkrieg zwar die politische Entkolonialisierung in Asien, Afrika und Lateinamerika hinnehmen, installierten aber in den meisten befreiten Staaten eine korrupte Herrschaftsschicht, die für wirtschaftliche Abhängigkeit sorgte. Erfüllte die Kompradorenbourgeoisie ihre Aufgaben im Umgang mit Kommunisten und Aufstandsbewegungen nicht durch Unterdrückung oder Massenmord wie in Indonesien 1965, sorgte die „freie Welt“ für andere Regierungsmethoden: in Lateinamerika faschistische Militärs, in Südafrika das rassistische Apartheidregime, im Nahen Osten zionistischer Siedlerkolonialismus, in Europa die Diktaturen von Franco und Salazar. Über alles spannte sich ein Netz von Militärbasen der USA und der alten Kolonialmächte, gegen das die national befreiten Staaten machtlos waren. Ihnen und den Befreiungsbewegungen halfen die Sowjetunion und die sozialistischen Länder, wo sie konnten. Militärstützpunkte überall gehörten nicht dazu. Die US-Basen gibt es immer noch, ihre Zahl ist sogar auf 1000 gestiegen. Die US-geführten Schlächtereien des Westens im Irak, in Jugoslawien, Afghanistan, Libyen und Westafrika wurden u. a. über Ramstein in der Bundesrepublik, Thule auf Grönland, Guantanamo Bay auf Kuba, Palanquero in Kolumbien, Guam im Pazifischen Ozean, Diego Garcia im Indischen Ozean, Camp Bondsteel im Kosovo, Incirlik in der Türkei, Manama auf Bahrain, Aviano Air Base in Italien oder Souda Naval Base beim griechischen Chania auf Kreta gelenkt. Die Stützpunkte sind eine Bedrohung für alle, denn die „regelbasierte Ordnung“ basiert auf Regellosigkeit: Die Basen ermöglichen, jederzeit irgendwo auf der Welt Unbotmäßigkeit militärisch niederzuschlagen. Die Herausbildung des Friedens- und Verhandlungslagers aber macht deutlich: Die Bedrohung funktioniert nicht mehr. Beispiel: Am 12. Mai zeigte sich Annalena Baerbock „sehr besorgt“, nachdem der US-Botschafter in Südafrika, Reuben Brigety, dem Land vorgeworfen hatte, Waffen an Rußland zu liefern. Was Baerbock noch nicht wußte: Am selben Tag entschuldigte sich Brigety öffentlich bei Außenministerin Naledi Pandor. Private Waffenverkäufe stritt sie gar nicht ab. Aber was ging ihn das an? Arnold Schölzel


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