Krieg in der Ukraine: um die Europäische Union unter Vormundschaft zu halten
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. JANUAR 2023 ⋅ EIN KOMMENTAR
von Thierry Meyssan – http://www.voltairenet.org
Bild: Aber warum sind Josep Borrell, Charles Michel und Ursula von der
Leyen, die wegen Korruption verurteilt wurden und ihre Inkompetenz
bewiesen haben, die Führer der Europäischen Union? Um sich dem zu
unterwerfen, was Jens Stoltenberg ihnen diktiert.
Es ist zwar schwer einzugestehen, aber die Angelsachsen verbergen es
nicht einmal. Um ein berühmtes Zitat des ersten Generalsekretärs des
Bündnisses zu paraphrasieren, wurde die NATO entworfen, um „Russland
draußen, die Amerikaner drinnen und die Europäische Union unter
Vormundschaft zu halten“.
Es gibt keine andere mögliche Interpretation der Fortsetzung nutzloser
„Sanktionen“ gegen Moskau und der vergeblichen tödlichen Kämpfe in der
Ukraine.
Es ist fast ein Jahr her, dass das russische Militär in die Ukraine
einmarschierte, um die Resolution 2202 des Sicherheitsrates umzusetzen.
Die NATO, die diesen Grund zurückweist, ist stattdessen der Ansicht,
dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist, um sie zu annektieren.
In vier Oblasten scheinen Referenden über den Beitritt zur Russischen
Föderation die Interpretation der NATO zu bestätigen, außer dass die
Geschichte Neurusslands die Erklärung Russlands bestätigt. Die beiden
Darstellungen setzen sich parallel fort, ohne sich jemals zu
überschneiden.
Ich selbst habe während des Kosovokriegs einen täglichen Newsletter
herausgegeben [1], und erinnere ich mich, dass das damalige Narrativ der
NATO von allen Balkan-Nachrichtenagenturen angefochten wurde, ohne dass
ich die Möglichkeit hatte zu erkennen, wer Recht hatte. Zwei Tage nach
dem Ende des Konflikts konnten Journalisten aus den Mitgliedsländern des
Atlantischen Bündnisses dorthin gehen und feststellen, dass man sie
getäuscht hatte. Die regionalen Nachrichtenagenturen hatten Recht. Die
NATO hatte die ganze Zeit gelogen. Später, als ich Mitglied der
libyschen Regierung war, missbrauchte die NATO, die ein Mandat des
Sicherheitsrats zum Schutz der Bevölkerung hatte, dieses Mandat, um die
Libysch-Arabische Dschamahirija zu stürzen und 120 000 Menschen
umzubringen, die die NATO ja schützen sollte. Diese Erfahrungen zeigen
uns, dass der Westen schamlos lügt, um seine Taten zu vertuschen.
Heute versichert uns die NATO, dass sie sich nicht im Krieg befinde, da
sie keine Soldaten in der Ukraine stationiert habe. Dennoch erleben wir
einerseits gigantische Waffenlieferungen an die Ukraine, damit die von
der NATO ausgebildeten ukrainischen „integralen Nationalisten“ [2]
Moskau Widerstand leisten, und andererseits einen ebenfalls
beispiellosen Wirtschaftskrieg, um die russische Wirtschaft zu
zerstören. Angesichts des Ausmaßes dieses von Ukrainern als
Stellvertreter ausgefochtenen Krieges, scheint eine Konfrontation
zwischen der NATO und Russland jederzeit möglich.
Doch ein neuer Weltkrieg ist höchst unwahrscheinlich, zumindest
kurzfristig: Tatsächlich widersprechen die Taten bereits dem Narrativ
der NATO.
Der Krieg dauert an und geht weiter. Nicht, weil beide Seiten gleich
stark sind, sondern weil die NATO sich Russland nicht stellen will. Das
haben wir vor drei Monaten auf dem G20-Gipfel in Bali gesehen. Mit
Zustimmung Russlands griff der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj, aus Kiew, per Videoschaltung ein. Er forderte den Ausschluss
Russlands aus der G20, wie es nach dem Beitritt der Krim zur Russischen
Föderation aus der G8 ausgeschlossen wurde. Zur großen Überraschung der
Ukraine und der NATO-Mitglieder, die an diesem Gipfel teilnahmen,
unterstützten die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich sie
nicht [3]. Washington und London waren sich einig, dass es eine Grenze
gab, die nicht überschritten werden durfte. Und zwar aus gutem Grund:
die modernen russischen Waffen sind denen der NATO, deren Technologie in
die 90er Jahre zurückreicht, weit überlegen. Im Falle einer
Konfrontation besteht kein Zweifel, dass Russland sicherlich leiden
würde, aber dass es den Westen in wenigen Tagen vernichten würde.
Angesichts dieses Ereignisses müssen wir besser verstehen, was vor unseren Augen geschieht.
Der Waffenstrom Richtung Ukraine ist nur Augenwischerei: Der Großteil
der gesendeten Ausrüstung erreicht nicht einmal das Schlachtfeld. Wir
hatten schon angekündigt, dass die Waffen entsandt wurden, um einen
anderen Krieg in der Sahelzone zu entfachen [4], was der Präsident von
Nigeria, Muhammadu Buhari, nun öffentlich bestätigte, indem er bezeugte,
dass viele Waffen, die für die Ukraine bestimmt waren, bereits in den
Händen afrikanischer Dschihadisten waren [5]. Übrigens ist es sinnlos,
ein Arsenal aufzubauen, das aus Waffen unterschiedlichen Alters und
Kalibers besteht. Niemand hat die Logistik, um die Kombattanten mit
Mehrfachmunition zu versorgen. Es muss daher der Schluss gezogen werden,
dass diese Waffen der Ukraine nicht gegeben werden, damit sie den Krieg
gewinnt.
Die New York Times hat Alarm geschlagen, und erklärte, dass die
westlichen Rüstungshersteller Waffen und Munition nicht in ausreichender
Menge produzieren könnten. Die Vorräte seien bereits erschöpft und die
westlichen Armeen gezwungen, jetzt die für ihre eigene Verteidigung
notwendige Ausrüstung zu spenden. Dies wurde vom US-Marineminister
Carlos Del Toro bestätigt, der vor der gegenwärtigen Ausdünnung des
Waffenarsenals der US-Armeen warnte [6]. Er sagte, wenn es dem
militärisch-industriellen Komplex der USA nicht innerhalb von sechs
Monaten gelänge, mehr Waffen als Russland zu produzieren, wäre das
US-Militär nicht mehr in der Lage, seine Mission zu erfüllen.
Erste Bemerkung: Wenn US-Politiker ein Armageddon auslösen wollen, haben
sie nicht die Mittel dazu, es in den nächsten sechs Monaten zu tun, und
werden sie wahrscheinlich auch nicht später haben.
Studieren wir nun den Wirtschaftskrieg: Lassen wir seine Tarnung unter
einem beschönigendem Vokabular beiseite: „Sanktionen“. Ich habe diese
Frage bereits angesprochen und betont, dass es sich nicht um eine
gerichtliche Entscheidung handelt und sie auch nach internationalem
Recht illegal sind. Schauen wir uns die Währungen an. Der Dollar hat
während zweier Monate Druck auf den Wert des Rubels ausgelöst, dann
stieg dieser wieder auf den Wert, den er von 2015 bis 2020 hatte, ohne
dass Russland massiv Kredite aufnehmen musste. Mit anderen Worten, die
sogenannten „Sanktionen“ hatten nur eine vernachlässigbare, kurze
Wirkung auf Russland. Sie haben seinen Handel in den ersten zwei Monaten
stark gestört, aber stören ihn nicht mehr. Darüber hinaus haben die
Sanktionen die USA nichts gekostet und sie überhaupt nicht gestört.
Wir wissen, dass die Vereinigten Staaten, während sie ihren Verbündeten
die Einfuhr russischer Kohlenwasserstoffe verbieten, diese selbst über
Indien importieren und so ihre Vorräte wieder auffüllen, aus denen sie
in den ersten Monaten des Konflikts geschöpft hatten [7].
Auf der anderen Seite erleben wir einen Umbruch in der europäischen
Wirtschaft, die gezwungen ist, massive Kredite aufzunehmen, um das
Kiewer Regime zu unterstützen. Wir haben weder Statistiken über den
Umfang dieser Kredite noch kennen wir die Identität der Gläubiger. Es
ist jedoch klar, dass die europäischen Regierungen im Rahmen des Ukraine
Democracy Defense Lend-Lease Act von 2022 an Washington appellieren.
Alles, was die Europäer der Ukraine geben, hat einen Preis, aber er wird
erst nach dem Krieg bekannt werden. Erst dann wird die Rechnung
ausgestellt. Und sie wird exorbitant sein. So weit so gut.
Für die Sabotage der Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 vom 26.
September 2022 wurde nachträglich keine Verantwortung übernommen,
sondern zuvor, von US-Präsident Joe Biden am 7. Februar 2022 im Weißen
Haus im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz. Zwar hat er nur für Nord
Stream 2 gesprochen, im Falle einer russischen Invasion der Ukraine, sie
zu zerstören, aber nur, weil die ihn befragende Journalistin das Thema
derart eingrenzte, dass sie sich die Vorstellung nicht erlaubte, dass er
es auch für Nord Stream 1 tun könnte. Mit dieser Erklärung und noch
mehr durch diese Sabotage hat Washington die volle Verachtung gezeigt,
die es seinem deutschen Verbündeten entgegenbringt. Nichts hat sich
geändert, seitdem der erste Generalsekretär der NATO, Lord Ismay,
erklärt hatte, das wahre Ziel des Bündnisses sei, „die Sowjetunion
draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“ [8].
Die Sowjetunion ist verschwunden und Deutschland übernahm die Führung
der Europäischen Union. Wenn er noch am Leben wäre, würde Lord Ismay
wahrscheinlich sagen, dass das Ziel der NATO darin besteht, Russland
draußen zu halten, die Amerikaner drinnen und die Europäische Union
unter Vormundschaft.
Deutschland, für das die Sabotage dieser Pipelines der schwerste Schlag
seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist, hat den Schlag eingesteckt,
ohne mit der Wimper zu zucken. Gleichzeitig akzeptierte Deutschland
Bidens Plan, die US-Wirtschaft auf Kosten der deutschen Autoindustrie zu
retten. Auf all dies reagierte Deutschland, indem es sich China
annähert und Ärger vermeidet mit Polen, der neuen Trumpfkarte der
Vereinigten Staaten in Europa. Es beabsichtigt nun, seine Industrie
durch die Entwicklung von Munitionsfabriken für das Bündnis wieder
aufzubauen.
Infolgedessen wurde Deutschlands Akzeptanz der US-Oberhoheit auch von
der Europäischen Union geteilt, welche Berlin kontrolliert [9].
Zweite Bemerkung: Die Deutschen und die Völker der Europäischen Union
haben alle zusammen einen Rückgang ihres Lebensstandards zur Kenntnis
genommen. Sie sind zusammen mit den Ukrainern, die einzigen Opfer des
aktuellen Krieges und finden sich damit ab.
1992, als die Russische Föderation gerade auf den Ruinen der Sowjetunion
aus der Taufe gehoben wurde, gab der damalige US-Verteidigungsminister
Dick Cheney dem „Straussianer“ [10] Paul Wolfowitz den Auftrag, einen
Bericht zu erstellen, der uns leider nur reichlich geschwärzt erreicht
hat. Auszüge aus dem Original, das von der New York Times und der
Washington Post veröffentlicht wurde, zeigen, dass Washington Russland
nicht mehr als Bedrohung betrachtete, sondern die Europäische Union als
potenziellen Rivalen [11]. Darin hieß es: „Obwohl die Vereinigten
Staaten das europäische Integrationsprojekt unterstützen, müssen wir
sicherstellen, dass wir die Entstehung eines rein europäischen
Sicherheitssystems verhindern, das die NATO und insbesondere ihre
integrierte militärische Kommandostruktur untergraben würde.“ Mit
anderen Worten, Washington billigt eine europäische, der NATO
untergeordnete Verteidigung, ist aber bereit, die Europäische Union zu
zerstören, wenn sie sich einbildet, eine widerstandsfähige politische
Macht werden zu können.
Die aktuelle Strategie der Vereinigten Staaten, die nicht Russland,
sondern die Europäische Union unter dem Vorwand des Kampfes gegen
Russland schwächt, ist die zweite konkrete Anwendung der
Wolfowitz-Doktrin. Ihre erste Umsetzung im Jahr 2003 bestand darin,
Jacques Chiracs Frankreich und Gerhard Schröders Deutschland zu
bestrafen, die sich der Zerstörung des Irak durch die NATO widersetzt
hatten [12].
Genau das sagte jetzt der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, General
Mark Milley, auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Alliierten,
am 20. Januar in Ramstein. Während er von jedem Teilnehmer gefordert
hatte, Kiew Waffen zu spenden, gestand er ein, dass „es in diesem Jahr
sehr, sehr schwierig sein würde, die russischen Streitkräfte aus jedem
Zentimeter der russisch besetzten Ukraine militärisch zu vertreiben“ («
This year, it would be very, very difficult to militarily eject the
Russian forces from every inch of Russian-occupied Ukraine »). Mit
anderen Worten, die Alliierten müssen sich selbst ausbluten, aber es
gibt keine Hoffnung, 2023 etwas gegen Russland zu gewinnen.
Dritte Bemerkung: Dieser Krieg wird nicht gegen Moskau geführt, sondern um die Europäische Union zu schwächen.
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
[1] Le Journal de la Guerre en Europe.
[2] „Wer sind die ukrainischen integralen Nationalisten?“, von Thierry
Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner
Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 15. November 2022.
[3] „Selenskyj von Moskau und Washington reingelegt“, von Thierry
Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner
Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 22. November 2022.
[4] „Ein neuer Krieg bereitet sich für die kommende Niederlage gegen
Russland vor“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich,
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 24. Mai 2022.
[5] «Muhammadu Buhari met en garde contre le flux d’armes de la guerre
russo-ukrainienne en Afrique», Actu Niger, 30 novembre 2022.
[6] «Navy Secretary Warns: If Defense Industry Can’t Boost Production,
Arming Both Ukraine and the US May Become ‘Challenging’», Marcus
Weisgerber, Defense One, January 11, 2023.
[7] « India’s breaking all records for buying Russian oil, but who is
the surprise buyer ? », Paran Balakrishnan, The Telegraph of India,
January 16, 2022.
[8] Dieses Zitat ziert stolz die offizielle Website der Atlantischen Allianz.
[9] „Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO“, Voltaire Netzwerk, 10. Januar 2023.
[10] „Russland erklärt den Straussianern den Krieg“, von Thierry
Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner
Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 8. März 2022.
[11] « US Strategy Plan Calls For Insuring No Rivals Develop », Patrick
E. Tyler, and « Excerpts from Pentagon’s Plan : „Prevent the
Re-Emergence of a New Rival“ », New York Times, March 8, 1992. « Keeping
the US First, Pentagon Would preclude a Rival Superpower » Barton
Gellman, The Washington Post, March 11, 1992.
[12] « Instructions et conclusions sur les marchés de reconstruction et
d’aide en Irak », par Paul Wolfowitz, Réseau Voltaire, 10 décembre 2003.
https://www.voltairenet.org/article218711.html
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