Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-300-01-23.pdf
RotFuchs, Januar 2022
Am Abgrund
Das Jahr 2022 begann mit einer Frieden versprechenden Erklärung der fünf Atommächte und ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, Rußland, China, Frankreich und Großbritannien. Am 3. Januar veröffentlichten sie gemeinsam einen Text, in dem sie sich gegen die weitere Verbreitung von Atomwaffen aussprechen und feststellen: „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.“ Am Jahresende gilt das für die westlichen Unterzeichner dieses Dokuments nicht mehr. Am 5. Dezember erklärte NATOGeneralsekretär Jens Stoltenberg im norwegischen Fernsehsender NRK, er befürchte, „daß der Krieg in der Ukraine außer Kontrolle gerät und sich zu einem großen Krieg zwischen der NATO und Rußland ausweitet“. Er sei aber „zuversichtlich, daß wir das vermeiden werden“, denn die NATO habe ihre Präsenz im Osten verstärkt und sei „so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Die Drohung war unmißverständlich.
Denn die weitere NATO-Verlagerung an die russische Grenze und die
Behauptung, so stark wie lange nicht zu sein, bedeutet erhöhte Weltund
Atomkriegsgefahr. Das NATO-Vorgehen, das nun mit dem Eingreifen Rußlands
am 24. Februar 2022 in den damals fast acht Jahre dauernden Krieg Kiews
gegen die Bevölkerung des Donbass begründet wird, folgt einer
strategischen Planung, die den „Westen“ ausmacht. Sie begann unmittelbar
nach dem Ende der UdSSR und setzte die letztlich jahrhundertealte, seit
dem 18. Jahrhundert verfolgte Politik der USA gegenüber Rußland fort.
Der Rivale sollte und soll wegen seiner Größe und seines Reichtums an
Rohstoffen und Bodenschätzen entweder eingebunden und durch Schürung von
Nationalismus zum Zerfall gebracht odermilitärisch eingekreist und in
einen ununterbrochenen Abnutzungskrieg verwickelt werden. Dem dienten
seit 1991 die Installierung bedingungslos USA-höriger, russophober und
faschistischen Kräften zugeneigter Regimes in den baltischen Republiken,
die NATO-Osterweiterung seit Mitte der 90er Jahre, das Schüren der
Tschetschenienkriege, das Ermuntern Georgiens zum Angriff auf die
russischen Friedenstruppen in Südossetien 2008 und schließlich der vom
Westen finanzierte Putsch von Nationalisten und Faschisten 2014 in Kiew.
Der Boden dafür war in der Bevölkerung seit der Unabhängigkeit der
Ukraine vorbereitet worden: Die Verherrlichung des Faschisten Stepan
Bandera begann vor 30 Jahren, von den Schulen bis zu den Hochschulen
wurde gelehrt, Rußland sei seit dem Mittelalter bestrebt, die
ukrainische Bevölkerung zu unterjochen, kulminierend im angeblichen
Genozid durch Hunger in den Jahren 1932 und 1933 – eine primitive, aber
in der Ukraine wirksame Geschichtsklitterung, die im Dezember 2022 vom
Bundestag übernommen wurde. Diese Strategie der USA gipfelte in der
Weigerung der NATO, Rußland eigene Sicherheitsinteressen zuzugestehen.
Angesichts dessen legten die Präsidenten der Volksrepublik China und der
Russischen Föderation, Xi Jinping und Wladimir Putin, am 4. Februar in
einer gemeinsamen Erklärung den Ernst der entstandenen Weltlage dar: Die
Hegemoniebestrebungen des Westens stellten „eine ernsthafte Bedrohung
für den globalen und regionalen Frieden und die Stabilität dar“ und
untergrüben „die Stabilität der Weltordnung“. Mit Blick auf die
US-geführte Kriegsallianz hieß es in dem Dokument: „Die Seiten lehnen
eine weitere Erweiterung der NATO ab und fordern das Nordatlantische
Bündnis auf, seine ideologisierten Ansätze des Kalten Krieges
aufzugeben.“
Der Westen ignorierte auch diesen Aufruf, machte den Krieg Kiews gegen
die eigene Bevölkerung zu seinem und verhinderte im April einen
Waffenstillstand. So endete das Jahr folgerichtig mit einer Warnung
Putins am 9. Dezember vor der Bereitschaft der USA zum Atomschlag: Sie
hätten „das Konzept eines Präventivschlags in ihrer Strategie und in
anderen politischen Dokumenten. Wir nicht. Unsere Strategie spricht von
einem Vergeltungsschlag.“ Dem folgte am 14. Dezember eine wahre
Waffenanschaffungsorgie im Bundestag, die Bundeskanzler Olaf Scholz mit
Weltkriegssprache begleitete. Er brachte es als deutscher Regierungschef
fertig, dem russischen Präsidenten eine „Strategie der verbrannten
Erde“ vorzuwerfen. Der maßlosen Sprache, der Völkerhaß schürenden
Propaganda entspricht die Bereitschaft, zum Äußersten zu gehen und die
Weltordnung in
den Abgrund zu stoßen. Es bedarf starker Kräfte, das zu verhindern.
Arnold Schölzel
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