Mittwoch, 11. Januar 2023

Am Abgrund - Arnold Schölzel - RotFuchs Januar 2023

Entnommen:   https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-300-01-23.pdf


RotFuchs, Januar 2022


Am Abgrund


Das Jahr 2022 begann mit einer Frieden versprechenden Erklärung der fünf Atommächte und ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, Rußland, China, Frankreich und Großbritannien. Am 3. Januar veröffentlichten sie gemeinsam einen Text, in dem sie sich gegen die weitere Verbreitung von Atomwaffen aussprechen und feststellen: „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden.“ Am Jahresende gilt das für die westlichen Unterzeichner dieses Dokuments nicht mehr. Am 5. Dezember erklärte NATOGeneralsekretär Jens Stoltenberg im norwegischen Fernsehsender NRK, er befürchte, „daß der Krieg in der Ukraine außer Kontrolle gerät und sich zu einem großen Krieg zwischen der NATO und Rußland ausweitet“. Er sei aber „zuversichtlich, daß wir das vermeiden werden“, denn die NATO habe ihre Präsenz im Osten verstärkt und sei „so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Die Drohung war unmißverständlich.

Denn die weitere NATO-Verlagerung an die russische Grenze und die Behauptung, so stark wie lange nicht zu sein, bedeutet erhöhte Weltund Atomkriegsgefahr. Das NATO-Vorgehen, das nun mit dem Eingreifen Rußlands am 24. Februar 2022 in den damals fast acht Jahre dauernden Krieg Kiews gegen die Bevölkerung des Donbass begründet wird, folgt einer strategischen Planung, die den „Westen“ ausmacht. Sie begann unmittelbar nach dem Ende der UdSSR und setzte die letztlich jahrhundertealte, seit dem 18. Jahrhundert verfolgte Politik der USA gegenüber Rußland fort. Der Rivale sollte und soll wegen seiner Größe und seines Reichtums an Rohstoffen und Bodenschätzen entweder eingebunden und durch Schürung von Nationalismus zum Zerfall gebracht odermilitärisch eingekreist und in einen ununterbrochenen Abnutzungskrieg verwickelt werden. Dem dienten seit 1991 die Installierung bedingungslos USA-höriger, russophober und faschistischen Kräften zugeneigter Regimes in den baltischen Republiken, die NATO-Osterweiterung seit Mitte der 90er Jahre, das Schüren der Tschetschenienkriege, das Ermuntern Georgiens zum Angriff auf die russischen Friedenstruppen in Südossetien 2008 und schließlich der vom Westen finanzierte Putsch von Nationalisten und Faschisten 2014 in Kiew. Der Boden dafür war in der Bevölkerung seit der Unabhängigkeit der Ukraine vorbereitet worden: Die Verherrlichung des Faschisten Stepan Bandera begann vor 30 Jahren, von den Schulen bis zu den Hochschulen wurde gelehrt, Rußland sei seit dem Mittelalter bestrebt, die ukrainische Bevölkerung zu unterjochen, kulminierend im angeblichen Genozid durch Hunger in den Jahren 1932 und 1933 – eine primitive, aber in der Ukraine wirksame Geschichtsklitterung, die im Dezember 2022 vom Bundestag übernommen wurde. Diese Strategie der USA gipfelte in der Weigerung der NATO, Rußland eigene Sicherheitsinteressen zuzugestehen. Angesichts dessen legten die Präsidenten der Volksrepublik China und der Russischen Föderation, Xi Jinping und Wladimir Putin, am 4. Februar in einer gemeinsamen Erklärung den Ernst der entstandenen Weltlage dar: Die Hegemoniebestrebungen des Westens stellten „eine ernsthafte Bedrohung für den globalen und regionalen Frieden und die Stabilität dar“ und untergrüben „die Stabilität der Weltordnung“. Mit Blick auf die US-geführte Kriegsallianz hieß es in dem Dokument: „Die Seiten lehnen eine weitere Erweiterung der NATO ab und fordern das Nordatlantische Bündnis auf, seine ideologisierten Ansätze des Kalten Krieges aufzugeben.“

Der Westen ignorierte auch diesen Aufruf, machte den Krieg Kiews gegen die eigene Bevölkerung zu seinem und verhinderte im April einen Waffenstillstand. So endete das Jahr folgerichtig mit einer Warnung Putins am 9. Dezember vor der Bereitschaft der USA zum Atomschlag: Sie hätten „das Konzept eines Präventivschlags in ihrer Strategie und in anderen politischen Dokumenten. Wir nicht. Unsere Strategie spricht von einem Vergeltungsschlag.“ Dem folgte am 14. Dezember eine wahre Waffenanschaffungsorgie im Bundestag, die Bundeskanzler Olaf Scholz mit Weltkriegssprache begleitete. Er brachte es als deutscher Regierungschef fertig, dem russischen Präsidenten eine „Strategie der verbrannten Erde“ vorzuwerfen. Der maßlosen Sprache, der Völkerhaß schürenden Propaganda entspricht die Bereitschaft, zum Äußersten zu gehen und die Weltordnung in
den Abgrund zu stoßen. Es bedarf starker Kräfte, das zu verhindern.
Arnold Schölzel






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