Biden: USA werden Krieg
gegen China führen, um Taiwan zu verteidigen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. OKTOBER 2021
von
Peter Symonds – http://www.wsws.org
Am Donnerstag erklärte US-Präsident Biden bei einer
Bürgerversammlung ganz offen, die USA seien bereit, zur Verteidigung
Taiwans Krieg gegen China zu führen. Diese Erklärung ist ein
weiterer Akt der Provokation, der die Grundlage der diplomatischen
Beziehungen zwischen den USA und China aushöhlt und die bereits
akuten Spannungen zwischen den beiden Ländern verschärft.
Biden
wurde aus dem Publikum gefragt, was er tun würde, um militärisch
mit China mitzuhalten, und ob er schwören könne, Taiwan zu
verteidigen. Seine Antwort lautete: „Ja und ja.“ Er wies die
Behauptung zurück, China werde die USA militärisch übertreffen und
erklärte: „Die Welt weiß, dass wir das stärkste Militär der
Weltgeschichte haben.“
Der Moderator der Veranstaltung,
Anderson Cooper, war sich offensichtlich bewusst, dass Bidens
bedingungslose militärische Unterstützung für Taiwan einen
fundamentalen politischen Kurswechsel der USA bedeutet und versuchte
in folgendem Wortwechsel, die Äußerungen zu klären:
Cooper:
Sie sagen also, die USA würden Taiwan zu Hilfe kommen, wenn –
Biden:
Ja.
Cooper: – wenn es von China angegriffen wird?
Biden: Ja,
wir sind dem verpflichtet.
Das Weiße Haus versuchte
anschließend, die Äußerungen herunterzuspielen. In einer Erklärung
hieß es, Biden habe keinen Kurswechsel angekündigt: „[Wir] werden
Taiwans Selbstverteidigung weiterhin unterstützen und jede
unilaterale Änderung des Status quo bekämpfen.“
Doch
Bidens Worte waren nicht einfach ein Versprecher. Er war 12 Jahre
lang der ranghöchste Demokrat im Senatsausschuss für Außenpolitik
und ist sich daher der diplomatischen Auswirkungen und potenziellen
Gefahren einer unmissverständlichen Erklärung zur militärischen
Unterstützung Taiwans durchaus bewusst.
Der Aufbau
diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und China im Jahr 1979,
sieben Jahre nach Präsident Nixons Besuch in Peking 1972, basierte
auf der so genannten Ein-China-Politik, laut der Washington Peking
faktisch als legitime Regierung von ganz China einschließlich
Taiwans anerkennt. Die USA brachen die diplomatischen Beziehungen mit
Taipeh ab, beendeten das Militärbündnis und zogen alle Streitkräfte
von der Insel ab.
Mehr als 40 Jahre lang war die Haltung der
USA gegenüber Taiwan durch den Taiwan Relations Act geprägt, in
dessen Rahmen Washington Defensivwaffen an Taipeh lieferte und
gleichzeitig Peking vor jedem Versuch einer Invasion der Insel
warnte. Doch unterließ es Washington, Taiwan militärische
Unterstützung im Fall eines Kriegs mit China zuzusagen, was als
„strategische Zweideutigkeit“ („strategic ambiguity“)
bezeichnet wurde.
Die „strategische Zweideutigkeit“ sollte
nicht nur Peking im Zaum halten, sondern Taipeh auch davon abhalten,
sich formell von China unabhängig zu erklären – ein Schritt, der
einen Krieg auslösen könnte. Bidens Äußerungen heben die
„strategische Zweideutigkeit“ de facto zugunsten einer Politik
der „strategischen Klarheit“ auf – zugunsten einer
bedingungslosen Verpflichtung, wegen Taiwan Krieg gegen China zu
führen.
Im Vorfeld seiner Erklärung von letzter Woche hatte
sich Biden bereits häufiger ähnlich geäußert. So hatte er gleich
nach seiner Amtsübernahme im Januar das „felsenfeste“ Eintreten
seiner Regierung für Taiwan bekundet.
Laut einer vorläufigen
sicherheitspolitischen Richtlinie (National Security Strategic
Guidance), die Anfang März veröffentlicht wurde, würden die USA
„Taiwan – eine führende Demokratie und ein wichtiger
wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Partner – gemäß der
seit Langem bestehenden US-Verpflichtungen unterstützen“. Die
Bezeichnung Taiwans als „sicherheitspolitischer Partner“ ist ein
eindeutiger Bruch mit früheren Übereinkünften der USA mit Peking,
in denen Taiwan als Teil Chinas anerkannt wurde.
Im August,
kurz nachdem seine Regierung den ersten Waffenverkauf an Taiwan
bewilligt hatte und Biden wegen des Debakels in Afghanistan in der
Kritik stand, erklärte er, die USA könnten alle ihre
Verpflichtungen erfüllen. In einem Interview mit ABC News erklärte
er: „Wir sind eine heilige Verpflichtung gegenüber Artikel 5
eingegangen, zu reagieren, wenn jemand unsere Nato-Verbündeten
überfällt oder gegen sie aktiv wird. Das Gleiche gilt für Japan,
Südkorea – und Taiwan.“
Das Weiße Haus versuchte zwar,
auch diese Äußerungen herunterzuspielen, doch sie liefen eindeutig
darauf hinaus, dass Taiwan die gleiche militärische Unterstützung
im Kampf erhalten würde wie formelle militärische Verbündete der
USA wie die Nato, Japan und Südkorea.
China reagierte erbost
auf Bidens jüngste Äußerungen. Der chinesische UN-Botschafter
Zhang Jun wies die Vorwürfe „chinesischer Aggression“ gegen
Taiwan zurück und erklärte: „Wir sind nicht die Unruhestifter.
Vielmehr haben sich einige Länder, vor allem die USA, auf einen
gefährlichen Kurs begeben, der die Lage in der Taiwanstraße in eine
gefährliche Richtung lenkt. Es ist definitiv in niemandes Interesse,
Taiwan in einen Krieg zu ziehen.“
Taiwan ist in der
Konfrontation zwischen den USA und China rasch in den Fokus gerückt
und hat andere gefährliche Krisenherde wie die koreanische Halbinsel
und das Südchinesische Meer verdrängt. Die Biden-Regierung hat sich
über die etablierten diplomatischen Protokolle hinweggesetzt und
stärkere Beziehungen zu Taiwan aufgebaut, bei provokanten
Operationen für die „Freiheit der Seefahrt“ US-Kriegsschiffe
durch die enge Taiwanstraße geschickt und bei ihren Provokationen
gegen China die Unterstützung von Verbündeten wie Großbritannien
mobilisiert.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die
Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein
marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des
Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen
und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Bidens jüngste
Äußerungen erfolgten vor dem Hintergrund einer Debatte in
strategischen und militärischen Kreisen, die Politik der
„strategischen Zweideutigkeit“ aufzugeben.
Trumps
ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, der Kriegstreiber John
Bolton, ging am Mittwoch in einer Kolumne im Wall Street Journal
sogar noch weiter. Er erklärte, die Biden-Regierung müsse Taiwan
nicht nur unmissverständlich in einem Krieg gegen China
unterstützen, sondern sollte Taiwan auch als „souveränes, sich
selbst regierendes Land“ unterstützen und formelle diplomatische
Beziehungen etablieren. Er forderte, Taiwan in Washingtons System von
formellen und informellen Militärbündnissen in der Region
aufzunehmen, etwa durch ein Ostasien-Quad (aus Taiwan, Japan,
Südkorea und den USA) als Ergänzung zum bestehenden Quad-Bündnis
aus Japan, Indien, Australien und den USA.
Bolton ist sich
durchaus bewusst, dass der Schritt, Taiwan entweder formell oder
informell zu einem Verbündeten der USA gegen China zu machen, die
Gefahr eines Kriegs deutlich vergrößern würde. Peking betrachtet
Taiwan als abtrünnige Provinz und hat gewarnt, jeder Schritt zur
formellen Unabhängigkeit würde mit Gewalt beantwortet. Bidens Kurs,
ganz zu schweigen von Boltons Plänen, ermutigt die amtierende, für
Unabhängigkeit eintretende Demokratische Fortschrittspartei in
Taipeh nur dazu, genau das zu tun und die Region in die Krise zu
stürzen.
Die Aussicht auf einen Krieg zwischen China und den
USA löst in internationalen Kreisen spürbare Sorge aus. Die
Financial Times veröffentlichte beispielsweise am Freitag einen
besorgten Leitartikel mit dem Titel „Wie lässt sich das nächste
atomare Wettrüsten vermeiden?“. Vor weniger als zwei Wochen hatte
sie bereits in einem Artikel geschrieben: „Die akuten Gefahren
eines Konflikts um Taiwan“.
Der Leitartikel wies darauf hin,
dass Chinas Test einer hochmodernen atomwaffenfähigen
Überschallrakete im Juli im US-Militär einen Schock ausgelöst
habe. Die FT verglich das Ereignis mit der Kubakrise von 1962, die
die Welt an den Rand eines Atomkriegs gebracht hatte und richtete
einen zahnlosen Appell an Washington, von einem atomaren Wettrüsten
mit Peking abzurücken und sich „hinzusetzen und über Waffen zu
reden, die den Planeten zerstören könnten“.
Doch statt
sich zurückzuziehen, verschärft die Biden-Regierung rücksichtslos
die Konfrontation mit China, die vor zehn Jahren unter der
Obama-Regierung begann und in der Biden als Vizepräsident diente.
Bidens Maßnahmen in Bezug auf Taiwan zielen darauf ab, China dazu zu
provozieren, den ersten Schritt zur Auslösung eines Konflikts zu
machen.
Für den Kriegskurs der USA gibt es zwei miteinander
verbundene Faktoren: den historischen Niedergang des amerikanischen
Imperialismus und die Furcht in den herrschenden Kreisen der USA,
China könnte zu einer Gefahr für seine globale Hegemonie werden.
Dazu kommt die zusehends ausufernde wirtschaftliche, soziale und
politische Krise in den USA, die die Arbeiterklasse in den Kampf
treibt. Biden setzt die bösartige antichinesische Propaganda Trumps
mit dem gleichen politischen Ziel fort: die immensen sozialen
Spannungen nach außen gegen einen „fremden Feind“ umzulenken.
Das logische Ergebnis, auf das dieses Vorhaben zuläuft, ist ein
Krieg.
Das Wiederaufleben des Klassenkampfs in den USA – dem
Zentrum des Weltimperialismus – verdeutlicht gleichzeitig, wie sich
die Gefahr eines katastrophalen Atomkriegs aus der Welt schaffen
ließe. Arbeiter in den USA, China, Taiwan und der ganzen Welt sind
mit dem gleichen Klassenfeind konfrontiert: den herrschenden Klassen
und dem kapitalistischen System, das nicht nur in der
Corona-Pandemie, sondern auch im Krieg Profiten Vorrang vor
Menschenleben gibt. Die einzige Möglichkeit, den Kriegskurs zu
beenden, ist ein vereinter Kampf der internationalen Arbeiterklasse
mit einem sozialistischen Programm zur Abschaffung des Profitsystems
und der Aufteilung der Welt in rivalisierende
Nationalstaaten.
https://www.wsws.org/de/articles/2021/10/24/taiw-o24.html
siehe auch https://linkezeitung.de/2021/10/25/nato-masterplan-fuer-russland-washington-sucht-immer-nach-einem-weiteren-krieg/
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