Samstag, 16. Oktober 2021

"Neuer" Kalter Krieg - Dr. Jens Möller, RotFuchs

 Entnommen: http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2021/RF-285-10-21.pdf


Aktuelles aus der Oktober-Zeitschrift „RotFuchs“


  1. Folge - (Textauszüge)



Gedanken über einen „neuen“ Kalten Krieg

Die Ära des Kalten Krieges, die bald nach dem II. Weltkrieg einsetzte und nun seit dreißig Jahren der Geschichte angehört, war eigentlich ein aktiv betriebener Nicht-Frieden. Er konnte binnen weniger Stunden zu einem atomaren Krieg werden und einen Großteil der Menschheit vernichten. Zeitlich „verortet“ von 1947 bis 1991 war ihm ein enormes Unsummen verschlingendes Wettrüsten immanent, das vor allem die weitere Entwicklung der Nuklear- und Raketentechnologie beinhaltete. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen, daß man mit den enormen für die Rüstung ausgegeben Mitteln in diesen 45 Jahren grundlegende globale Probleme der Menschheitsent wicklung, hier u.a. Klima- und Umweltforschung , Fragen der Weltenergieproblematik, Medizinforschung und gute Medizin für alle, Kampf gegen Armut in der Welt und Unterernährung, usw. hätte zumindest in Ansätzen lösen können. Denkt man dieses für die letzten 30 Jahre weiter, gäbe es heute wohl keine Klima- und Umweltkrise in der heutigen Dimension.


(…)

Globales Weltbild und
Rüstungswettlauf heute



Verändert hat sich die Situation insofern gravierend, da seit einigen Jahren mit China eine neue und starke wirtschaftliche und militärische Macht die Bühne betreten hat. Als Supermächte werden heute 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges von SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) vor allem die USA und China betrachtet. Rußland lag 2020 bei den Militärausgaben mit 3,1 % hinter Indien (3,7 %) auf Rang vier und gibt in den letzten Jahren nachweisbar weniger für die Rüstung aus. Diese Zahlen sagen ganz lapidar aus, daß Rußland in 2020 im Vergleich zu den USA ein Zehntel dessen für die Rüstung ausgegeben hat. Erstens kann sich Rußland derartige Zuwächse wie die USA gar nicht leisten und zweitens – wie Putin betonte – will man sich nicht erneut zum „Totrüsten“ treiben lassen. Er macht aber auch keinen Hehl daraus auch Atomwaffen einzusetzen, wenn man die Existenz des Staates bedroht sieht. So hat er in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit mehrfach über neu in Dienst gestellte bzw. sich in der Entwicklung befindliche Waffensysteme informiert. Der kostspielige Versuch eines US-Raketenabwehrschirm um Rußlands strategisches Arsenal zu neutralisieren, ist mit den gegenwärtigen Entwicklungen um die Hyperschallnutzung gescheitert. Zugleich sind die Fähigkeiten Rußlands angreifende Raketen selbst abzufangen angestiegen, so mit dem rund um Moskau aufgestellten neuen System S-500. Weltweit wird unverändert immer mehr Geld in die Rüstung gesteckt: 1981 Milliarden (1.981.000.000.000) US-Dollar haben die Staaten der Welt 2020 für Rüstungsgüter ausgegeben. Das waren bei einer Weltbevölkerung von mehr als 7,8 Milliarden Menschen ca. 253 Euro Militärausgaben pro Kopf. Es war der höchste Wert seit 1988. Festgestellt werden muß auch, daß die Corona-Pandemie keinen nennenswerten Einf luß auf die weltweiten Rüstungsausgaben 2020 gehabt hat. Die Militärausgaben sind angestiegen, mitten in einem wirtschaftlichen Niedergang.

Welche Länder geben am meisten für Militär aus? – fragt SIPRI jedes Jahr. Das Friedensforschungsinstitut in Stockholm zeigt auf, daß die USA im Jahr 2020 mit 778 Milliarden US-Dollar allein etwa 39 % der weltweiten Rüstungsausgaben tätigten und damit mit deutlichem Abstand vor allen anderen Staaten liegen. China folgt mit 13 %, das sind über 250 Milliarden US-Dollar. Das Institut erklärt das mit den ambitionierten Plänen zur Modernisierung bei den Waffensystemen und „Expansionsplänen“. Daß sich die Volksrepublik auch selbst gefährdet sieht, daran wird kein Gedanke verschwendet. Der chinesische Staat ist auch selbst größter Abnehmer der erzeugten Militärgüter. So werden nahezu alle Waffen, die in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Elektronik und Landsysteme
produziert werden, im Inland vom chinesischen Militär gekauft. Ein Grund dafür ist, daß Peking bei der Herstellung der Waffen und Technologien für sein Militär unabhängig von anderen Staaten sein will. China verfügt heute über etwa 320 Atomwaffen. 190 landgestützte und 48 seegestützten ballistischen Raketen bilden das Rückgrat der chinesischen Nuklearstreitmacht. Die drei Länder China, Indien und Pakistan teilen umstrittene Grenzen und sind seit vielen Jahren in den Kaschmirkonflikt
involviert, der auf Hinterlassenschaften aus der britischen Kolonialzeit beruht. Dabei geht es im wesentlichen um die Rohstoffe in dem betreffenden Gebiet. Indien und Pakistan besitzen zusammen ca. 300 Atomsprengköpfe. Ein indischer Politologe meinte jüngst, der Unterschied zwischen dem alten und einem neuen Kalten Krieg wäre, daß Länder, die zwischen den Fronten stehen, sich nicht mehr von einer Seite vereinnahmen lassen müssen, sie hätten auch andere Optionen. Indien realisiert auch ein ambitioniertes Raumfahrtprogramm und verfügt im militärischen Bereich über Kurz-, Mittel- und seit 2012 Langstreckenraketen. Es kann damit das gesamte Territorium Pakistans und Chinas erreichen und testet auch schon Hyperschallwaffen.

Der Hype mit dem Hyperschall

Alle Staaten, die dazu technologisch in der Lage sind, entwickeln derzeit Hyperschall-Waffen. Diese sollen wieder einen Erstschlag ermöglichen und nicht von Abwehrraketen abzufangen sein. Von Hyperschall oder Hypersonic spricht man, sobald ein Projektil fünffache Schallgeschwindigkeit erreicht, also Mach 5. Das entspricht ungefähr 6000 Kilometer pro Stunde oder 1,7 Kilometer in der Sekunde. Das russische System Avangard soll etwa die 20fache Schallgeschwindigkeit erreichen können. Gegen Hyperschallraketen gibt es derzeit keinen Schutz. Sie sind insofern hochgefährlich, weil sie die Reaktionszeiten extrem verkürzen. Abwehrsysteme können letztlich nur noch autonom und blitzschnell entscheiden und ebenso müßten nukleare Gegenangriffe im Sinne des Gleichgewichts der Kräfte autonom, also von KI-Systemen ausgelöst werden. Die Entwicklung und Existenz von Hyperschallwaffen erzwingen Wettrüsten der autonomen Systeme. Was sich hier wie Utopie anhört, ist bald Realität.



Krieg im All und aus dem All


Gesetzt wird weiterhin auch auf diese Karte. Nach Angaben von SIPRI werden heute von den USA über zwei Drittel aller im Weltraum stationierten Militärsatelliten unterhalten und man verfügt über das Potenzial die verschiedenen weltraumgestützten militärischen Systeme in einem einzigen integrierten System zur Präzisionskriegsführung zu vernetzen. Die Fähigkeit hierzu wurde im völkerrechtswidrigen USA-Krieg gegen den Irak 2003, der mit einer Lüge begann und hunderttausende Opfer kostete, hinreichend bewiesen. Bereits gegen Ende der 90er Jahre haben Militärstrategen des Space Command der USA mit dem Bericht „Vision for 2020“ den Weltraum als Teil des zukünftigen Operationskonzeptes der US-Streitkräfte herausgestellt. Es wird das Fazit gezogen, daß neben Land, Wasser und Luft der Weltraum der vierte potenzielle Kriegsschauplatz geworden ist. Der Masterplan der Strat Com sieht heute vor, daß die USA bis zum Jahr 2025 in der Lage sein werden, innerhalb von Minuten aus dem Weltraum jedes Ziel auf der Erde zu treffen und potenziellen Feinden den Zugang zum Weltraum zu verwehren. Das alles bedeutet gegenüber den Zeiten des Kalten Krieges ein militärisches Wettrüsten im All in völlig neuer Qualität. Da Wettrüsten immer Eigendynamik generiert, werden andere Länder, neben Rußland allen voran China, auf die Dislozierung von US-Waffen im Weltraum reagieren. Das wiederum würde die regionalen Rivalen Indien und Pakistan ebenfalls zu Aktivitäten veranlassen. Beide Länder verfügen über beachtliche Programme für die militärische Nutzung des Weltraums.


Das Zwei-Prozent-Ziel


Auch Deutschland erhöht seine Militärausgaben und wird mit 53 Mrd. auf Platz sieben aufgeführt, das ist insofern beachtlich, daß dies verglichen mit Rußland nur 15 Mrd. weniger sind. (Zwischen den Ländern liegen nur noch Saudi-Arabien und Frankreich. 53 Mrd. sind rund 1,4 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und wie man bedauernd hören kann, sei damit das geforderten Zwei-Prozent-Ziel ja immer noch nicht erreicht. Das wären dann bis 2024 (2004 beim NATO-Gipfel in Wales festgeschrieben) eben 75 Mrd. €. Es ist eine scheinheilige Begründung, wenn man heute nachlesen kann: 2 % für die Verteidigung seien nicht zuviel, in den Hoch-Zeiten des Kalten Krieges, Anfang der 60er Jahre wendete Deutschland ja rund 5 % seines BIP für Verteidigungszwecke auf. Will man
also diesen Zustand wieder erreichen?


Resümee


Es ist müßig, darüber zu sinnieren, ob die gegebene Situation heute als neuer Kalter Krieg bezeichnet werden muß oder nicht. Ein gefährliches Wettrüsten ist es allemal. Neue Technologien wecken neue Begehrlichkeiten und immer noch prägen nukleare Bedrohungen die politischen Kalkulationen. Heute geht es um Wettbewerb und Durchsetzungsfähigkeit auf den globalen Märkten, wobei die Rollen neu verteilt wurden. Dabei kann die Wahrscheinlichkeit eines nuklear-strategischen Schlagabtauschs nicht ausgeschlossen werden.
Begrenzte kriegerische Auseinandersetzungen in Europa und im Nahen Osten, die jederzeit eskalieren können sind möglich, aber dies trifft auch auf größere Kriege in anderen Regionen der Welt zu. Dies am ehesten um die Verfügungsgewalt des Irans über Kernwaffen oder um die Rolle von Taiwan.

Auch neue Waffen kommen auf den Rüstungsmarkt, aber in der Logik dieser Waffen liegt es auch, daß man diese gar nicht einsetzen kann, weil man wieder selbst untergehen würde. Alte Akteure machen weiter wie bisher und neu dazu gekommene bringen sich in wachsendem Maße aktiv in das Geschehen ein. Festzustellen ist, daß sich der Glaube an Abschreckung nicht verändert hat, aber die Objekte zu deren Verwirklichung durch neue Technologien, wie künstliche Intelligenz, autonome Drohnen und Hypersonic, einen enormen qualitativen Sprung vollzogen haben. Den neuen Waffen liegt immer noch die gleiche atomare Logik zugrunde wie sie schon vor siebzig Jahren existierte: Man wird untergehen, wenn man sie einsetzen würde.
Dr. Jens Möller
Rangsdorf

Den vollständigen Text lesen, S. 10/11:
http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2021/RF-285-10-21.pdf 



Ein dringendes Anliegen des „RotFuchs“:

Auf der Seite 27 des Oktoberheftes schreiben Dr. Arnold Schölzel, Bruni Steiniger, Wolfgang Dockhorn und Jürgen Claußner u.a.:

Wir sind der Meinung, daß die Verantwortung des „RotFuchs“ –
sowohl der Zeitschrift wie des Fördervereins – wächst. Der
Imperialismus steigert die Kriegsgefahr und pfeift auf seine Rechtsordnung. Für Letzteres ist der Versuch, die DKP von den Bundestagswahlen auszuschließen und ihr den Parteistatus zu entziehen, ein besonders drastisches Beispiel. Das wurde vorläufig gestoppt,
aber angesichts ähnlicher Attacken auf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und auf die Tageszeitung „junge Welt“ läßt sich feststellen: Linke Stimmen in der BRD sollen eingeschüchtert und mundtot gemacht
werden.
Gleichzeitig sympathisieren Teile des Staatsapparates mit Faschisten,
sitzen Nazi-Abgeordnete in allen deutschen Landesparlamenten
und im Bundestag. In dieser Situation mehren sich in der Partei Die Linke Stimmen,
die deren friedenspolitische Positionen revidieren wollen. Der „RotFuchs“ bleibt gerade in diesem Punkt kompromißlos parteilich – so wie in der Verteidigung der DDR und der Traditionen der Arbeiterbewegung. Wir halten den Kampf für den Frieden und
gegen imperialistischen Krieg heute für die wichtigste Aufgabe von
Kommunisten, Sozialisten und allen anderen Linken. Aus unserer Sicht ist es dringend nötig, den Einfluß unserer „Tribüne“ zu erweitern. (…)

Wer noch nicht Mitglied im „RotFuchs“-Förderverein ist, der kann
dies gerne werden. Ein Anruf genügt:
030-241 26 73.
Wir, die „RotFuchs“-Macher, brauchen Eure Hilfe, damit die von
ihren Freunden und Mitstreitern geliebte und vom Gegner gehaßte
kommunistisch-sozialistische Zeitschrift weiter erscheinen und
verbreitet werden kann.




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