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Scham,
Erschütterung und Befremden, Entsetzen, Zorn
VERÖFFENTLICHT
VON LZ ⋅ 11. OKTOBER 2021
von Rainer Rupp –
https://apolut.net
Alternative
Einheitsfeier zum Jahrestag der Annexion der DDR.
„Jede
Vorstellung von Zukunft wird durch einen apokalyptischen Schrecken
ersetzt, der, gleich ob er nun als Pandemie oder als Klimawandel
daherkommt, nur dazu dienen soll, noch das letzte bisschen Wohlstand
aus dem Volk herauszupressen.“
Das
Zitat stammt aus der mitreißenden Rede von Liane Kilinc anlässlich
der alternativen Einheitsfeier zum Jahrestag der Annexion der DDR am
3. Oktober in Neuenhagen bei Berlin. Dabei rechnete die 44 Jahre alte
studierte Betriebswirtin, Friedensaktivistin und engagierte
Pflegekraft kompromisslos mit dem kaputten und durch und durch
korrupten Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland ab.
Organisiert
wurde die gut besuchte alljährliche Veranstaltung am 3. Oktober vom
„Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV)“ (1). Auf Grund
restriktiver Covid-19-Distanzregeln konnte der 500 Personen fassende
Saal nur zur Hälfte mit Publikum besetzt werden. Dennoch war die
Stimmung kämpferisch und der Blick war auf eine andere, bessere
Zukunft gerichtet.
Die Sängerin und Schauspielerin Isabel
Neuenfeldt moderierte nicht nur die Veranstaltung, sondern baute auch
gemeinsam mit ihrem Kollegen Tino Eisbrenner, Rockpoet, Sänger und
ebenfalls Schauspieler musikalische Brücken zwischen den anderen
Reden. Der Hochschullehrer und Schriftsteller Dr. habil. Peter Kroh
forderte u.a. einen „Lockdown für Profitgier“ und Rainer Rupp
teilte seine „Gedanken zur aktuellen wirtschaftlichen, politischen
und militärischen Lage“ mit dem Publikum. Die Video-Links zu allen
drei Reden befinden sich in der Schriftversion dieser Tagesdosis.
In
Abwandlung des Gedichts von Bert Brecht „Wovon lebt der Mensch“,
stellte die Moderatorin Neuenfeldt bei der Vorstellung der ehemaligen
Leistungssportlerin Liane Kilinc die Frage „Wofür lebt der
Mensch?“ und fuhr fort:
„Wofür unsere erste Rednerin der
heutigen Veranstaltung lebt, ist: Für eine gerechte friedliche Welt
– und das sind keine leeren Worte, vielmehr handelt sie im Kleinen
wie im Großen nach diesen Werten „Gerechtigkeit“ und „Frieden“
– leidenschaftlich.
„Hier in diesem Land erlebt sie in
ihrem Beruf als Pflegekraft täglich das Leid der
Menschen.
„International engagiert sie sich im Verein
Friedensbrücke/Kriegsopferhilfe in verschiedenen Projekten – die
hat z.B. mehr als 30 Konvois zur Hilfe für die Ost-„Ukraine
zusammengestellt und gegen alle Widerstände vor Ort gebracht und
verteilt.
„Anstatt noch mehr aufzuzählen, möchte ich auch
sie zitieren:
„Unser allergrößter Wunsch ist es, dass wir
nicht mehr gebraucht werden! Dass unsere Hilfe überflüssig wird!
Bis dahin ist es ein scheinbar unendlich langer Weg. Wir sind bereit
ihn zu gehen, weil wir an die Brücken in den Frieden glauben! Weil
auch die Sehnsucht nach einem Leben in Frieden unsterblich ist! Wir
machen es einfach!“
Und
nun zur Rede der Vorsitzenden der Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe
Liane Kilinc:
Liebe
Freundinnen und Freunde,
es ist schön, euch auch dieses Jahr
wieder zu sehen.
Ich sage das nicht wegen Corona; ich sage
das, weil seit 2014 das Damoklesschwert eines großen Krieges über
uns hängt und wir ein weiteres Jahr überstanden haben, ohne dass es
herabgesaust ist. Ein Jahr, das bizarr war und viele Gefühle erregt
hat.
Scham,
angesichts der tiefen Korruption, die in der Bundesrepublik
inzwischen völlig ungehemmt ausgelebt wird. Die vielen Betrügereien
rund um Corona, vom Maskenskandal bis zum Betrug bei der Zahl der
Intensivbetten, sind nur ein kleiner Ausschnitt.
Entsetzen
darüber, wie weit der Verfall der gewöhnlichen staatlichen
Strukturen fortgeschritten ist, des Teils des Staats, der nicht zur
Unterdrückung dient, und der bei der Flutkatastrophe völlig versagt
hat. Ein Verfall, der durch die Corona-Maßnahmen mit kaum mehr
erreichbaren Behörden und Ärzten, die nur noch zum Impfen zur
Verfügung stehen, noch beschleunigt wird.
Erschütterung
und Befremden über eine angeblich der Seuchenbekämpfung dienenden
Politik, die tief in jene Bereiche einschneidet, die uns zu Menschen
machen – Kommunikation, Nähe, Berührung, Zuwendung. Die – ohne
Einsatz sichtbarer Gewalt – Menschen den Lebensmut raubt und sie in
Verzweiflung stürzt.
Zorn
über politische Manöver wie den Versuch, der DKP die Eigenschaft
einer Partei abzuerkennen, Manöver, die selbst die Grundlagen des
bürgerlichen Rechts vollständig ignorieren und noch einmal
unterstreichen, dass wir uns längst am äußersten Rand der
bürgerlichen Demokratie befinden, dort, wo sie nur noch eine
Handbreite vom Faschismus entfernt ist.
Wir sehen, wie materielles
und seelisches Elend immer tiefer in die Bevölkerung einschneiden,
während die Verursacher und Profiteure, die sichtbaren Exponenten
des obersten Teils der herrschenden Klasse wie ein Bill Gates, zu
„Philanthropen“, zu Menschenfreunden stilisiert werden und sich
die Medien diesen Herrschaften gegenüber vor Kratzfüssigkeit
überschlagen.
Lenin schrieb, der Imperialismus sei der
Kapitalismus, der in Fäulnis übergegangen ist. Das Miasma dieser
Fäulnis dünstet noch durch die Masken, die zu tragen wir gezwungen
werden.
Das Land, aus dem wir kommen, war anders. Nüchtern,
verlässlich. Was gesagt wurde, das wurde nach besten Möglichkeiten
auch getan. Menschlichkeit war nichts, was täglich lauthals
gepredigt werden musste, sondern etwas, was einfach da war, als
Voraussetzung des Denkens und Handelns. Not wahrzunehmen war
gleichbedeutend mit dem Auftrag, ihr abzuhelfen. Für das Getane wie
für das Nichtgetane Rechenschaft abzulegen, war uns
selbstverständlich, so wie es die Hilfe füreinander ebenfalls war,
von der Jugend bis ins Alter. So ein Land zu lieben, war
leicht.
Dieses Deutschland, das über uns kam, ist ein
täglicher Schmerz. Es ist aufgedonnert, aber hirnlos;
herrschsüchtig, zickig, aber lieblos; großsprecherisch, aber bar
jeder Verlässlichkeit; und wir klammern uns an die Hoffnung, dass
unter der dicken Schminke, hinter der falschen Fassade doch noch
irgendwo genug Nüchternes, Praktisches, Klares verborgen ist, unsere
alte Liebe wieder zum Leben zu erwecken.
Der Kapitalismus im
Endstadium hat die Vernunft verabschiedet; wendet sich von jeder
einzelnen Errungenschaft ab, die er einst in seiner revolutionären
Phase der Menschheit gebracht hatte. An die Stelle der feudalen
Religion sind moralgetränkte Pseudobegriffe getreten, wie der
Klimawandel oder das, was als „Antirassismus“ ausgegeben wird,
deren Anhänger mit religiösem Eifer alles Abweichende zur Ketzerei
erklären: Klimawandelleugner, Querdenker. Ein Glauben, der nicht
mehr das menschliche Ideal in den Himmel hebt, sondern dessen Ideal
völlig von menschlichen Zügen befreit ist, von Materialität, von
Geschichte; der vergottete Antimensch.
Diese Neigung zum
idealistischen Irresein hat ihre Wurzeln tief in der Agonie der
Ökonomie. Die treibenden Gruppen des Kapitals sind jene, die selbst
gar keinen Bezug zur materiellen Produktion mehr haben; die dem
Glauben verfallen sind, dass Geld Geld heckt; die aus dem Wissen, das
sich die Menschheit erarbeitet hat, Privatbesitz machen und
inzwischen selbst die Luft besteuern. Um ihre Ansprüche, die längst
durch reales Mehrprodukt nicht mehr gedeckt werden können, zu
befriedigen, verfallen Brücken und Straßen, werden die Löhne so
weit gedrückt, dass Kinder zum Luxus werden, wird jedes Stück
Infrastruktur, vom Gesundheitswesen über die Energieversorgung bis
zur Bildung, Schritt für Schritt privatisiert und zerstört. Jede
Vorstellung von Zukunft wird durch einen apokalyptischen Schrecken
ersetzt, der, gleich ob nun als Pandemie oder als Klimawandel, nur
dazu dienen soll, noch das letzte bisschen Wohlstand aus dem Volk
herauszupressen.
Was wir erlebten, als das Volksvermögen
unseres Staates DDR verschleudert wurde, war nur der unschuldige
Anfang. Der Staat, in dem wir heute leben, erfüllt von den vielen
Aufgaben, die ein Staat hat, nur noch zwei: für die Unterdrückung
der Besitzlosen zu sorgen und so viel Geld wie möglich an die
Besitzenden weiterzureichen. Wie es mit der grundlegenden Aufgabe,
das Überleben der Bevölkerung zu sichern, steht, zeigen zwei Punkte
zur Genüge: die Tatsache, dass dank Biogasproduktion inzwischen 80
Prozent der pflanzlichen Nahrungsmittel importiert werden müssen,
und das Totalversagen angesichts einer angekündigten Flut.
Nicht
einmal die Funktion als ideeller Gesamtkapitalist ist noch gesichert
– materielle Produktion ist auf ein verlässliches Stromnetz und
auf befahrbare Straßen angewiesen; jeder, der sich in der Materie
auskennt, weiß, dass viele der großen Brücken, die seit
Jahrzehnten nicht gewartet wurden, demnächst nur noch gesperrt
werden können, und die pathetisch verkündete Energiewende wird
dafür sorgen, dass auch der Strom nicht mehr sicher ist.
Es
ist nicht nur das ökonomische System, das in Fäulnis übergegangen
ist; es ist die Kultur, es sind selbst die Gebäude, es sind die
Beziehungen zwischen den Menschen. Wie oft erlebe ich es, dass der
Mangel an menschlicher Zuwendung, an sozialem Leben bei denen, die
ich pflege, nicht nur die Lebenslust nimmt, sondern auch in
ungerichtete Aggression umschlägt. Selbst des unschuldigsten
Lächelns beraubt, begegnen sich die Menschen mit Misstrauen und
Zorn. Dieses Land verfault bei lebendigem Leib.
Dem großen
Bruder jenseits des Atlantiks geht es nicht anders. Die Stadt Las
Vegas lieferte dafür ein schönes Beispiel – statt den vielen
Obdachlosen während der „Lockdown“ genannten Gefangenschaft
Unterkunft in den vielen leerstehenden Hotels zu gewähren,
verfrachtete sie sie auf einen Parkplatz. Auf dem dann die Linien,
die die Stellplätze für die Autos voneinander trennen, die Grenzen
des Bereichs darstellten, in dem die Untergebrachten zu existieren
hatten. Die Stadt San Francisco stellt für 20.000 Dollar das Stück
neue Abfallkörbe auf die Straßen, während die Obdachlosen in Skid
Row zwischen ihren Exkrementen leben müssen und an Typhus
verenden.
Zu unserem Glück wie zu unserem Elend stehen wir an
einer Zeitenwende. Zum Glück, weil wir nach China blicken können
und wahrnehmen, dass die Menschheit wie die Menschlichkeit noch
vorhanden sind, dass diese nüchterne Verlässlichkeit, die wir von
einer guten Ordnung erwarten, immer noch bis in den Himmel trägt und
zugleich im letzten Winkel die Armut beendet.
Zum Glück, weil
die großen Räuber, voran die Vereinigten Staaten, gleich hinterher
aber dieses Großdeutschland, an ihre Grenzen stoßen, ihre Pläne
scheitern. Sie zusehen müssen, wie sich mit Lateinamerika und Afrika
ganze Kontinente langsam, nicht ohne Rückschläge, aber unaufhaltsam
aus ihrem Zugriff befreien. Zum Glück, weil dieser Gegenpol, der
sich um China und Russland gebildet hat, militärisch stark genug
ist, keine Zugeständnisse machen zu müssen.
Zum Glück, weil
wir, wenn auch aus der Ferne, bestätigt sehen können, dass der Weg
in die Zukunft der Menschheit, den Marx und Engels zuerst skizziert
haben, weiter begangen wird und die Hoffnung, dass die Menschen ohne
die Zwänge der Klassengesellschaft miteinander für ihr eigenes Wohl
wirken können, lebt.
Und zu unserem Elend, weil es bis zu dem
Moment, an dem die hiesigen Mächte untergehen, keine Garantie gibt,
dass sie nicht lieber die Menschheit mit sich reißen. Weil die
Versuchung, sich in einen großen Krieg zu retten, nicht damit
schwindet, dass man ihn wahrscheinlich verlieren würde. Weil
Vernunft in diesen Kreisen, wie auch in den Kreisen der dienstbaren
Politik, ein rares Gut ist. Weil der Wahn des endgültigen Sieges,
den der Westen nach 1989 kultivierte, sich so tief ins Denken
gefressen hat, dass eine veränderte Wirklichkeit schon fast nicht
mehr durchdringt.
Zu unserem Elend, weil wir den Verfall sehen
und nicht aufhalten können. Weil wir wissen, wie eine Zukunft zu
erlangen ist, aber nicht durchdringen können. Weil rund um uns
hysterische Debatten toben und die Menschen immer vielfältiger
gegeneinander gerichtet werden. Was 2014 mit den Vorwürfen von
„Querfront“ begann und noch genug Vernunft vortäuschen konnte,
um viele zu verwirren, was dann 2015 mit dem Vorwurf des Rassismus
gegen jeden, der Merkels Migrationspolitik nicht bejubelte,
fortgesetzt wurde, ist mittlerweile zu einer allgegenwärtigen Zensur
gewachsen, die jede rationale Debatte verhindert und durch das
Einfordern von Bekenntnissen zum jeweils aktuellen Katechismus
ersetzt, und wer die neuen Gesetze in Frankreich mitverfolgt hat, mit
Strafen von einem Jahr Gefängnis für Wirte, die die Impfpässe
ihrer Gäste nicht kontrollieren, und einem halben Jahr für das
unerlaubte Aufsuchen einer Wirtschaft, erkennt, dass der Gruß vor
diesem „Gesslerhut“ mit allen Mitteln eingefordert wird.
Jeder
Schritt dieser Entwicklung hat die wirkliche Gesellschaft und ihre
realen Widersprüche weiter aus der Wahrnehmung gedrängt. Wir
wissen, dass eine Veränderung, echte politische Bewegung, die sich
der realen Probleme annimmt, erst dann möglich ist, wenn die harte,
materielle Wirklichkeit wieder die Oberhand gewinnt. Das wird sie
tun; das zeigte sich ein wenig mit der Flut, nach der auch erst das
Lied vom Klimawandel angestimmt wurde, und dann doch das ganz
konkrete Versagen sichtbar wurde.
So, wie auch sichtbar wurde,
dass die Menschlichkeit immer noch da ist, selbst wenn der staatliche
Apparat ihr abgeschworen hat. Und mitten in der Katastrophe noch die
Dreistigkeit besaß, statt Nahrung und sauberem Wasser – einen
Impfbus zu schicken und die Einhaltung von Abständen bei
Aufräumarbeiten zu kontrollieren. Aber selbst unter Verleumdungen
und von den Behörden behindert ließen sich Hunderte Menschen nicht
abhalten, Hilfe zu leisten.
Die Wirklichkeit lässt sich nicht
ewig verbergen. Nicht der Zustand dieses Landes noch der Zustand des
ökonomischen Systems, und auch dass die Macht dieses
imperialistischen Blocks im Schwinden begriffen ist. Selbst wenn wir
heute in diesem Sumpf nur mit Mühe den Kopf über Wasser halten,
wissen wir doch, wo festes Land ist. Wir werden dieses Wissen
aufbewahren und weitergeben, und weder administrative Verbote noch
Distanzgebote werden daran etwas ändern.
Denn wir wissen, so
wie Brecht geschrieben hat:
Die
Ausbeuter nennen ihn ein Verbrechen.
Aber wir wissen: Er ist das
Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit, sondern
Das Ende
der Tollheit.
Er ist nicht das Chaos
Sondern die Ordnung.
Er
ist das Einfache
Das schwer zu machen
ist.
Quellen:
https://www.okv-ev.de/
Liane
Kilinc: https://youtu.be/lv7zTLJbyrg
Peter Kroh:
https://youtu.be/Ye2vjMzuyzw
Rainer Rupp:
https://www.youtube.com/watch?v=o73Kr_Sq_ms
https://fbko.org/?lang=DE
Scham,
Erschütterung und Befremden, Entsetzen, Zorn | Von Rainer Rupp –
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