Investitionsabkommen
zwischen EU und China verschärft Spannungen mit den USA
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 5. JANUAR 2021
von
Nick Beams – http://www.wsws.org
Die Europäische Union und China haben sich auf ein
Investitionsabkommen geeinigt, das europäischen Konzernen den Zugang
zu den chinesischen Märkten öffnet. Zugleich stellt es eine Gefahr
für das erklärte Ziel der künftigen Biden-Reigeurng in den USA
dar, seine Verbündeten in einer Front gegen China zu vereinen.
Die
Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und
der chinesische Präsident Xi Jinping gaben am Mittwoch den Abschluss
des Abkommens bekannt. Die Verhandlungen dauerten bereits seit 2014
an, bis vor wenigen Monaten herrschte jedoch scheinbar
Stillstand.
Nach der US-Präsidentschaftswahl im letzten
November führte eine konzertierte Anstrengung von Bundeskanzlerin
Angela Merkel und Xi jedoch zur Einigung.
Der
EU-Handelsbeauftragte Valdis Dombrovskis erklärte gegenüber der
Financial Times, der Deal beinhalte die „ehrgeizigsten Ergebnisse“
im Bereich Marktzugang, denen China jemals zugestimmt hat. Die
europäischen Unternehmen hätten mehr Sicherheit und Planbarkeit bei
ihren Operationen, zudem gebe es „sehr willkommene Änderungen der
Spielregeln, weil die Handels- und Investitionsbeziehungen mit China
lange Zeit sehr unausgewogen waren.“
Auch der Präsident des
Europäischen Rates Charles Michel erklärte, das
Investitionsabkommen würde dazu beitragen, die „Handels- und
Investitionsabkommen zwischen der EU und China wieder ins
Gleichgewicht zu bringen.“ Europäische Investoren erhielten in
beispiellosem Umfang Zugang zu den Märkten, sodass sie den
Unternehmen „Sicherheit und Planbarkeit bei ihren Operationen
bieten können.“
Der Deal hebt im Bereich
Finanzdienstleistungen die Vorbedingungen für die Gründung von
Joint Ventures auf, für die Autoproduktion ist dies ebenfalls
geplant. Europäische Konzerne sollen weiteren Zugang im Bereich
Gesundheitsdienstleistungen, Cloud Computing und Elektrofahrzeuge
erhalten. China hat außerdem zugestimmt, europäische Unternehmen
bei der Vergabe von Aufträgen nicht gegenüber staatseigenen und
staatlich subventionierten chinesischen Firmen zu
benachteiligen.
Dombrovskis erklärte, die EU habe im Bereich
Finanzdienstleistungen die gleichen Vergünstigungen ausgehandelt wie
in dem Handelsabkommen Phase 1, das China im letzten Januar mit den
USA ausgehandelt hat.
Um den Widerstand von Ländern und
Parteien innerhalb der EU abzuwehren, erklärte sich China bereit,
sich an die Bedingungen des Pariser Klimaschutzabkommens zu halten
und sich um die Ratifizierung internationaler arbeitsrechtlicher
Standards in Bezug auf Zwangsarbeit zu bemühen.
China wird
gemäß dem Abkommen größeren Zugang zu einigen Bereichen der
Fertigungsindustrie in der EU und der Energiebranche
erhalten.
Pekings größter Triumph ist jedoch im politischen
Bereich. Xi hatte während der Verhandlungen direkt mit Merkel und
dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesprochen.
Angesichts der Kritik aus Teilen Chinas, seine Politik habe wegen der
Handels- und Wirtschaftskriegsmaßnahmen der Trump-Regierung zur
Isolation Pekings geführt, war es ihm wichtig, das Abkommen
abzuschließen.
Dieser Druck wird sich unter Biden nicht
verringern und könnte sich sogar noch verschärfen. Während Trump
auf einen Alleingang der USA gesetzt hat, wollen die Demokraten die
europäischen Mächte und weitere Staaten in ihren Kurs gegen China
miteinbeziehen.
Xi war es wichtig, das Abkommen noch vor der
geplanten Machtübernahme der Biden-Regierung am 20. Januar
abzuschließen. Die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua
erklärte, Xi habe in seinem Telefonat mit Macron erklärt, die
Beziehungen zwischen China und der EU hätten „unter den neuen
Umständen eine größere globale und strategische Bedeutung
gewonnen.“
Noah Barkin, ein Spezialist für
europäisch-chinesische Beziehungen bei dem Beratungsunternehmen
Rhodium, erklärte letzten Monat in einer Mitteilung, der Deal sei
ein Rückschlag für die transatlantische Kooperation gegen Peking
und bezeichnete ihn als „geopolitischen Coup für China.“
Er
schrieb: „Eine solche transatlantische Front zu verhindern, hatte
für die chinesische Führung immer oberste Priorität und erklärt
vermutlich auch, warum Xi Jinping in letzter Minute interveniert hat,
um den Deal abzuschließen. Somit erklärt sich auch Pekings
Beharren, dass der Deal noch vor Bidens Amtsübernahme abgeschlossen
sein muss.“
Von europäischer Seite her ging die
Hauptinitiative von Merkel aus, die sich davon zusätzliche Vorteile
für die deutschen Autokonzerne wie Daimler und VW bei ihrer
industriellen Produktion in China verspricht.
Die Präsidentin
des Verbandes der deutschen Autoindustrie, Hildegard Müller,
erklärte kurz vor der Bekanntgabe des Abkommens, es würde „die
weitere Annäherung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen
wichtigen Automobilmärkten fördern und Anreize für mehr Handel und
Investitionen zwischen China und der EU bieten.“
Die
künftige Biden-Regierung hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie
dies ablehnt.
Im Vorfeld der Ankündigung des Deals twitterte
Jake Sullivan, den Biden zum nationalen Sicherheitsberater nominiert
hat, die künftige Regierung „würde frühe Konsultationen mit
unseren europäischen Partnern über unsere gemeinsamen Bedenken
wegen Chinas wirtschaftlichen Praktiken begrüßen.“
Ein
ehemaliges Mitglied der Obama-Regierung erklärte gegenüber der
Financial Times, Pekings Drängen auf einen Abschluss der
Verhandlungen sei Teil bewusster Versuche, die Aussicht auf eine
größere Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU gegen China
unter der kommenden Regierung zu torpedieren. Sullivan hatte
praktisch gefordert, die Dinge „zu verlangsamen“, aber das
geschehe nicht.
Die Trump-Regierung hatte sich zuvor mit einer
Erklärung von John Ullyot zu Wort gemeldet, einem Sprecher des
Nationalen Sicherheitsrates.
„Unsere Verbündeten und
Partner sind zunehmend der Meinung, dass die offensichtliche
Herangehensweise gegenüber Peking ‚Misstrauen und verifizieren‘
lautet. Jede Verpflichtung [Chinas], die nicht mit klaren
Bestärkungs- und Verifizierungsmaßnahmen einhergeht, ist nur ein
Propagandasieg für [die Kommunistische Partei Chinas].“
Auch
in Teilen der EU herrscht beträchtlicher Widerstand gegen das
Abkommen. Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments
für die Beziehungen zu China, Reinhard Bütikofer, erklärte letzten
Dienstag, das Abkommen sei ein strategischer Fehler. Die EU gebe sich
hinsichtlich Pekings Zugeständnissen bei Arbeitnehmerrechten „mit
einem Geschwätz zufrieden“, erklärte er im Deutschlandfunk.
Menschenrechtsorganisationen werfen China vor, es würde in der
Provinz Xinjiang im großen Stil inhaftierte Uiguren als
Zwangsarbeiter einsetzen, was Peking leugnet.
Das Abkommen hat
die Frage aufgeworfen, ob und wie die EU im Umgang mit China mit der
neuen Biden-Regierung kooperieren wird. Ende November veröffentlichte
die Europäische Kommission ein Papier, in dem sie ein Bündnis mit
den USA forderte, um die Konflikte während der Zeit der
Trump-Regierung beizulegen.
Darin hieß es, die Partnerschaft
zwischen den USA und der EU brauche „Wartung und Erneuerung“,
damit die demokratische Welt ihre Interessen gegen „autoritäre
Mächte“ und „geschlossene Wirtschaften“ durchsetzen kann, die
„die Offenheit ausnutzen, von denen unsere eigenen Gesellschaften
abhängig sind.“
Die Kritiker des Abkommens behaupten, er
werde eine Partnerschaft gegen China schwächen. EU-Handelskommissar
Dombrovskis erklärte jedoch gegenüber der Financial Times, das
Abkommen könnte beiden Ländern helfen, China zu Verpflichtungen zu
zwingen.
Er erklärte, die EU wolle „eng mit den USA
zusammenarbeiten“ und betrachte weder das Phase I-Abkommen mit der
Trump-Regierung noch das Investitionsabkommen mit der EU als eine
„Behinderung dieser Zusammenarbeit in irgendeiner Form.“
Das
Abkommen muss noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden,
bevor es in Kraft tritt. Seine Gegner in den USA werden mit
Sicherheit versuchen, die Ratifizierung zu blockieren.
Angesichts
der schweren Abfuhr, die die USA durch die Ankündigung des von der
EU und Merkel forcierten Abkommens erlitten haben, könnte die
Biden-Regierung beschließen, Trumps Kurs fortzusetzen.
Thomas
Wright vom einflussreichen Brookings Institute erklärte, die
Entscheidung der EU sei „zweifellos schädlich und wird bei vielen
die berechtigte Frage aufwerfen, ob es Bidens Zeit wert ist, große
Stücke auf Europa zu
halten.“
https://www.wsws.org/de/articles/2021/01/05/chin-j05.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen