75 Jahre Nato: Die „blutige Geschichte“ des angeblichen Verteidigungsbündnisses
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 4. APRIL 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru
In diesem Jahr steht das 75-jährige Jubiläum der NATO an. Zu dem Anlass
hat der Chef des russischen Sicherheitsrates ein Interview gegeben, in
dem er die russische Sicht auf die NATO schonungslos erklärt hat.
Nikolaj Patruschew, der Chef des russischen Sicherheitsrates, hat einer
russischen Zeitung aus Anlass des anstehenden 75. Geburtstages der NATO
ein Interview gegeben, in dem er die russische Sicht auf die NATO
aufgezeigt hat. Ich habe das Interview übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
„Blutige Geschichte“: Nikolai Patruschew erklärt, wozu die NATO in 75 Jahren gekommen ist
Am 4. April jährt sich die Gründung der Nordatlantikvertrags-Organisation – NATO – zum 75 Mal.
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew erklärte
gegenüber aif.ru, welche Rolle dieses Bündnis in der Weltpolitik
gespielt hat und wie sein Hauptziel die „Eindämmung“ Russlands wurde.
Frage: Nikolai Platonovitsch, die Staatsoberhäupter der
NATO-Mitgliedsstaaten planen, den Jahrestag im Juli während des
Washingtoner Gipfels des Bündnisses zu feiern. Aber im Rest der Welt
werden viele nicht feiern, denn in ihren Augen hat sich diese
Organisation in diesen 75 Jahren einen Ruf als Hauptaggressor der Welt
erworben. Sind Sie damit einverstanden?
Patruschew: Urteilen Sie selbst. Der Jahrestag der Gründung der NATO
fiel praktisch mit dem 25. Jahrestag der groß angelegten Bombardierung
Jugoslawiens zusammen, als die Flugzeuge der Nordatlantischen Allianz
unter dem Deckmantel der „Verteidigung der Menschenrechte und der
Demokratie“ unbewaffnete Menschen gnadenlos massakrierten. Bei den
Bombardierungen wurden mehr als 2.500 Menschen getötet und mehr als
12.000 Zivilisten verletzt. Die genaue Zahl der Todesopfer der Operation
steht noch nicht fest. Der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran
führte zu einer Verseuchung des Bodens und einem mehrfachen Anstieg von
Krebserkrankungen in der Bevölkerung, die auch ein Vierteljahrhundert
nach der NATO-Aggression noch immer Menschen töten.
Die NATO hat in den 75 Jahren ihres Bestehens mehr als 20 größere
militärische Operationen durchgeführt. Darüber hinaus haben sich
einzelne Länder des Bündnisses wiederholt an Militärkoalitionen
außerhalb des Blocks beteiligt, die von den USA gebildet wurden, um ihre
globalen Ambitionen in verschiedenen Regionen der Welt zu befriedigen –
in Vietnam, Irak, Libyen, Afghanistan und Dutzenden anderer bewaffneter
Konflikte. Es ist daher lächerlich, dass der Block versucht, die
Tatsachen der Zerstörung von Städten und Ländern und der Tötung
Tausender Zivilisten zu leugnen und mehr noch, zu beschönigen.
Ich werde mich nicht in die blutige Geschichte der NATO vertiefen, aber
man muss sie kennen, um das Wesen des Bündnisses als stabile,
immerwährende Quelle von Gefahren, Krisen und Konflikten zu verstehen.
Frage: Nach dem Text des Nordatlantikvertrags ist das Bündnis nicht nur
ein militärisches, sondern auch ein politisches Bündnis. Wie sieht Ihrer
Meinung nach seine Politik aus?
Patruschew: Die gesamte Politik der NATO beruht auf den Anweisungen
Washingtons. Washington nutzt das Bündnis, um seine bewaffnete Präsenz
in Europa aufrechtzuerhalten und um zu demonstrieren, dass seine
Satelliten seine Unverzichtbarkeit bei der Gewährleistung der Sicherheit
dieses Kontinents unterstützen. Darüber hinaus soll der von den USA
kontrollierte Militärblock mit Hilfe militärischer, wirtschaftlicher,
informationeller und sonstiger Mittel ungebührlichen Druck des so
genannten „kollektiven Westens“ auf die souveränen Staaten der Welt
ausüben.
Die NATO wird als Instrument Washingtons zur Führung „hybrider Kriege“
eingesetzt. Ihre Mitglieder befolgen gehorsam die Anweisungen zur
Verhängung von Wirtschaftssanktionen, zum „Einfrieren“ von
Finanzmitteln, zur Durchführung von nachrichtendienstlichen Aktivitäten,
psychologischen Operationen und Cyberangriffen und beteiligen sich an
Aktionen zur Untergrabung und Desorganisation des Systems der
staatlichen Verwaltung von Ländern, die nicht mit der Politik der
Angelsachsen einverstanden sind. Dabei schreckt das Bündnis auch nicht
davor zurück, Terrororganisationen für seine Interessen einzusetzen.
Frage: Es ist bekannt, dass ursprünglich zwölf Länder Europas und
Nordamerikas der NATO beigetreten sind, um dem Einfluss ihres vorherigen
Verbündeten in der Anti-Hitler-Koalition, der Sowjetunion,
entgegenzuwirken…
Patruschew: Früher waren die USA, England und ihre Satelliten sich nicht
zu schade, verlogen zu behaupten, das Bündnis sei gegründet worden, um
den „aggressiven Bestrebungen“ des Warschauer-Paktes entgegenzuwirken.
Dabei verschweigen sie, dass der Warschauer Pakt am 14. Mai 1955
unterzeichnet wurde, also sechs Jahre nach der Gründung der NATO. Es sei
daran erinnert, dass dank der Gründung des Warschauer-Paktes viele
Jahre lang militärische Gleichheit und Frieden in Europa herrschten.
Von seiner Gründung bis zum Ende des Kalten Krieges wuchs die NATO um
nur vier Mitglieder. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der
Auflösung des Warschauer-Paktes durchlief die NATO mehrere
Erweiterungswellen, vor allem durch die Aufnahme ehemaliger europäischer
Verbündeter der UdSSR. Heute umfasst die NATO 32 Staaten mit insgesamt
etwa vier Millionen Soldaten in den Streitkräften. Weitere fünf Staaten
nehmen an den Programmen zur Erweiterung der NATO-Partnerschaft teil.
Frage: Der NATO-Block, eine Erfindung des Kalten Krieges, schien nach
dem Zusammenbruch der UdSSR und des Warschauer-Paktes den Sinn seiner
Existenz verloren zu haben. Sogar die Frage eines NATO-Beitritts
Russlands wurde ernsthaft diskutiert. Wer hat Ihrer Meinung nach davon
profitiert, dass wir wieder zu Gegnern geworden sind?
Patruschew: In den 1990er Jahren haben die NATO-Mitglieder bewusst
versucht, uns davon zu überzeugen, dass sie Pragmatiker sind, die an
einer gemeinsamen militärischen und politischen Zusammenarbeit mit
Russland interessiert sind, um Frieden und Stabilität in Europa zu
bewahren. In Wirklichkeit sah der Westen den Zusammenbruch der
Sowjetunion nur als eine der Etappen der Konfrontation mit Russland. Die
Schwächung unseres Landes als wirtschaftlicher und politischer
Konkurrent und seine anschließende Entfernung von der politischen
Weltkarte durch seine Zerstückelung waren die langfristigen
strategischen Ziele Washingtons, Londons und der von ihnen
kontrollierten Länder des kollektiven Westens. Deshalb haben die
Verantwortlichen in Brüssel unseren Staat als die Hauptquelle der
Bedrohung für die europäische Sicherheit bezeichnet und dies
ausdrücklich im strategischen Konzept der NATO verankert.
Frage: Neulich erklärte der Leiter des NATO-Militärausschusses, Rob
Bauer, dass die NATO für einem offenen Krieg mit Russland bereit sei. Es
sieht so aus, als ob sie nicht an eine Aussöhnung denken?
Patruschew: Diese Aussage steht im Einklang mit der gesamten
NATO-Politik. Im März legte NATO-Generalsekretär Stoltenberg einen
Jahresbericht über die Aktivitäten der Organisation im vergangenen Jahr
vor. Das gesamte Dokument konzentriert sich auf die Hauptaufgabe – die
„Eindämmung“ Russlands und insbesondere Chinas, die NATO ist also
unverblümt über ihr geografisches Mandat hinausgegangen und hat ihre
globalen Ambitionen offen verkündet.
Die NATO verstärkt systematisch ihr militärisches Potenzial entlang
unserer Grenzen von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer. Sogar der
Begriff „Ostflanke der NATO“ taucht in den Reden und Dokumenten der
führenden Politiker des Bündnisses auf, zu dem alle osteuropäischen
Länder gehören, die an Russland und das verbündete Weißrussland grenzen,
sowie Rumänien und in jüngster Zeit auch Schweden und Finnland. Die
Führung des Bündnisses macht keinen Hehl daraus, dass das größte
Militärmanöver in der Nähe der russischen Grenzen seit dem Zusammenbruch
der Sowjetunion, „Steadfast Defender 2024“, das derzeit in Europa
stattfindet, darauf abzielt, Russland „einzudämmen“. Allein im letzten
Jahr haben die NATO und ihre Mitgliedsstaaten 130 Bündnis- und über
1.000 nationale Manöver und Trainingseinheiten durchgeführt.
Wohlgemerkt, nicht in einem Jahrzehnt, sondern in einem Jahr, in 2023.
Frage: Viele Menschen in Russland sind davon überzeugt, dass Washington
seit den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion versucht,
die Ukraine zu einem militärischen Brückenkopf für eine strategische
Niederlage unseres Landes zu machen. Teilen Sie diese Meinung?
Patruschew: Seit 1995 finden regelmäßig NATO-Manöver in der Ukraine
statt. Und 2004 hat die Werchowna Rada ein Gesetz über den freien Zugang
der NATO-Streitkräfte zum Hoheitsgebiet der Ukraine verabschiedet und
damit die Souveränität des Landes zugunsten des Bündnisses geopfert.
Die verstärkte Militarisierung der Ukraine begann nach dem Staatsstreich
des Westens in Kiew im Februar 2014 und dem von den Ukronazis verübten
Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung. Es gibt unwiderlegbare
Beweise dafür, dass Kiew auf Geheiß der USA und der NATO die Absicht
hatte, das Problem mit den „widerspenstigen“ Regionen mit äußerster
Gewalt zu lösen.
Die NATO ist de facto eine Partei im Ukraine-Konflikt und ist aktiv an
der Organisation des Beschusses russischer Gebiete durch Neonazis
beteiligt. In ihrem Rahmen werden kollektive Beschlüsse über neue
Waffenlieferungen gefasst, deren technische Fähigkeiten und Reichweite
erhöht werden, und NATO-Ausbilder in mehreren Ländern bilden Söldner und
Saboteure für ihre Teilnahme an antirussischen Operationen aus.
Der Plan der USA und der NATO besteht darin, die Ukraine, oder zumindest
einen Teil davon, als antirussisches Gebiet, das ganz im Dienste der
Interessen des nordatlantischen Blocks steht, vollständig unter ihrer
Kontrolle zu halten. In diesem Zusammenhang bleibt die Aufgabe der
Entmilitarisierung der Ukraine aktuell.
Frage: Martin Wijnen, der Befehlshaber der niederländischen Armee,
sagte, dass dringend bis zu 3.000 Freiwillige rekrutiert werden müssen,
die bereit sind, an einem bewaffneten Konflikt mit Russland
teilzunehmen. Glauben Sie, dass die Europäer ernsthaft in den Kampf
ziehen werden?
Patruschew: Das Schüren von Russophobie, die Einschüchterung der eigenen
Bürger durch die imaginäre „russische Bedrohung“, ist zum wichtigsten
Bestandteil der Politik der europäischen Regierungen geworden, die auf
diese Weise versuchen, die Aufmerksamkeit der Menschen von den
wachsenden innenpolitischen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken.
Darüber hinaus wird die Russophobie von Washington und London genutzt,
um andere NATO-Länder durch wirtschaftliche Verpflichtungen fest an sich
zu binden. Die USA profitieren davon, indem sie die Kapazitäten des
militärisch-industriellen Komplexes ausbauen und ihren Verbündeten die
Bedingungen für den Kauf ganz bestimmter Arten von Waffen und Uniformen
von ihren Herstellern diktieren.
Die Verteidigungsausgaben der NATO-Mitgliedstaaten sind in diesem Jahr
auf 50 Prozent der weltweiten Gesamtausgaben gestiegen. Der Haushalt des
Bündnisses ist das neunte Jahr in Folge gewachsen und wird im Jahr 2023
mehr als 1,1 Billionen Dollar erreichen.
Neulich erklärte die estnische Premierministerin, dass sie die
Militärausgaben erhöht und dafür die Steuern im Land anhebt. Sie sei zu
diesem politischen Selbstmord gezwungen, da die Mitglieder des
Bündnisses verpflichtet sind, der Block-Disziplin zu gehorchen, indem
sie die Militärausgaben erhöhen. In diesem Jahr haben bereits 18 Länder
des Bündnisses die „Anweisung“ Washingtons erfüllt, indem sie die
Militärausgaben der NATO auf zwei Prozent des BIP erhöht haben.
Frage: Glauben Sie, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs
bereit sind, die Anweisungen des Weißen Hauses gehorsam zu erfüllen,
auch wenn dies ihren Ländern schadet?
Patruschew: Die europäischen Länder des Blocks haben schon vor langer
Zeit viele Elemente ihrer Souveränität verloren und sind faktisch nur
noch eine wirtschaftliche und politische Stütze des Bündnisses. Unter
diesen Bedingungen werden alle militärischen Pläne der NATO von den
europäischen Regierungen, für die die Ideale der Unabhängigkeit und der
Verantwortung gegenüber den Menschen in ihren eigenen Ländern und deren
Zukunft dem Wunsch gewichen sind, den globalen Ansprüchen Washingtons zu
genügen, gehorsam erfüllt.
Die internationale Sicherheit sollte im Gegenteil als ein einziges und
unteilbares Gut betrachtet werden, das ausnahmslos allen Staaten
gleichermaßen zugute kommen sollte. Genau diesen Ansatz verfolgt
Russland, und unser Land hat eine große Zahl von Gleichgesinnten, und
sie wächst weiter.
Ende der Übersetzung
https://www.anti-spiegel.ru/2024/die-blutige-geschichte-des-angeblichen-verteidigungsbuendnisses/
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