Donnerstag, 18. August 2022

MORGENROT - LESEPROBEN - 9. Folge

 

MORGENROT

LEBENS-TRÄUME

IN

TITANIC-ZEITEN









Unter diesem Titel veröffentlichte der Autor Harry Popow im veröffentlichte der Autor Harry Popow im Juni 2022 aus aktuellem Anlass sein neues Buch.


Sprache: Deutsch
Format: DIN A5 hoch
Seiten: 482
Altersempfehlung: Erwachsene (18 - 99)
Erscheiungsdatum: 18.06.2022
ISBN: 9783756506316

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Leseproben
9. Folge

S.101




Ab in die „Taiga“


Pinnow bei Angermünde. Dorthin ist Henry mit noch anderen jungen Offizieren verfrachtet worden. Die Enttäuschung sitzt tief in ihm. Wer zuviel träumt, kommt ins Stolpern. Henry notiert in seinem Büchlein: Ha, ha! Eine wunderbare Sache – Pinnow!! Pinnow? Kenne ich nicht. Ein Name wie Schall und Rauch für mich. Gestern schon in Angermünde gewesen. Nachts Heimweg - neun Kilometer Alleingang auf einsamer Straße, keine Zugverbindung mehr zu nächtlicher Stunde zwischen Angermünde und Schwedt/Oder. Die Kaserne am Ortsrand von Pinnow: Niedrige grau-grüne Steinbaracken ducken sich unter hohen Kiefern, Stabsgebäude und Ledigenheim zweistöckig. „Taiga!“ Wo bin ich gelandet? Alles hin – verlorene Illusionen! Man geht doch erst richtig mit einer der eigenen Person entsprechenden Tätigkeit auf. Dann erst kann man doch zeigen, was in einem steckt, wozu man fähig ist – ich bleibe wohl der „ewige Träumer“?!


Die Kreisstadt Angermünde. Auch für diesen Ort hat der junge und leicht verwöhnte und anspruchsvolle Henry nichts als Sarkasmus übrig. Er schreibt: Eine Stadt, die sich hier im Norden inmitten der kleinen „niedlichen“ Ortschaften nicht sehr wesentlich heraushebt. Es fällt ohnehin nicht weiter auf, dass hier ein Theater fehlt. Umsonst, hier nach einem Kaufhaus zu suchen, umsonst, eventuell einen schwarzen einreihigen Anzug zu bekommen, umsonst, hier versuchen zu wollen, ungesehen ausgehen zu dürfen. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs befindet sich der „Berliner Hof“, Hotel und Tanzrestaurant zugleich. Will man die „Hauptstraße“ überqueren, so benötigt man dazu einige Zeit, denn der nicht abreißende Strom der vielen chromblitzenden Autos lässt das einfach nicht zu. Das ist noch nicht alles. Hohe Straßenlaternen erleuchten die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte dieses großartigen Angermünde. Und erst die vielen Menschen. Dabei ist es durchaus möglich, dass einem die gleiche Person fünfmal in einer knappen Stunde begegnet. „Guten Tag“, „guten Tag“, dazu ein freundliches Lächeln, jenes sofort bei einem der Begrüßten auf den Lippen erstirbt, sobald diese Person etwas über jene andere „sehr Interessantes“ zu tratschen weiß. Mit durchaus guter Laune und Gesinnung öffnet man die dunkle Tür zum „Berliner Hof“. Auf dich treffen augenblicklich mit aller unangenehmen Wucht die mit frecher Neugier gespeisten kleinstädtischen Blicke. Ein Neuer, was will der denn hier? Falls die Tanzkapelle in diesem Moment nicht ihren pflichtvollen Beitrag zu so einem netten Abend leistet, ist das doppelt schlimm. Ein befreiendes Aufatmen, wenn man noch einen Platz erwischt. Möchte man dagegen lieber einen anderen „Pressluftschuppen“ kennenlernen, wo Höflichkeit und Anstand noch hoch im Kurs stehen, dann sollte man die Gaststätte „Ueckermark“ aufsuchen. Dort kann man sich ein Andenken holen - garantiert ein blaues Auge. Was ist Glück? Lebensfreude? Ausdruck der eigenen Kraft, Selbstbewusstsein, Erfolge, Bezwingen der Natur, der Lüfte, des Kosmos, Moral? Ungläubigkeit und Gleichgültigkeit der Mitmenschen zwingen zu noch größerer Deutlichkeit, zu noch größeren Anstrengungen, sein eigenes Profil auszuarbeiten, der Mittelmäßigkeit Paroli zu bieten! Große Worte um ein Nichts?


In einem der ersten Briefe an Cleo verschafft sich Henry ein wenig Luft: „Pinnow ist ein kleines, langweiliges Dorf. Eine Kirche, ein Konsum und ne Kneipe. Kein Theater, kein Niveau. Banales und langweiliges Geschwätz. Fünfzehn Minuten Bahnfahrt von Pinnow nach Angermünde. Eine Kleinstadt. Kleine, bald zusammenfallende Häuser, gepflasterte Straßen. Meine Gefühle sind wie abgestorben. Wie ich beurteilen kann, habe ich mich bisher gegenüber den Soldaten nicht überworfen und nicht ‚vergessen‘. Hier muss man viel Verständnis aufbringen. Viele Soldaten haben nur sechs bis sieben Klassen Grundschule besucht und sind tatsächlich sehr unwissend. Aber man darf den Mut nicht sinken lassen. Man muss immer das Gute und Schöne im Auge behalten. Im Moment sitze ich in der Wohnstube eines Stellmachers im Dorf Schönermark in der Nähe von Angermünde. Hier bin ich mit noch einem Genossen. Wir bleiben zwei bis drei Wochen, also alleine auf einem Dorf auf Dienstreise. Das macht Spaß, wir gehen nach Belieben schlafen, stehen auf wie es uns gefällt. Allerdings müssen wir uns selbst verpflegen. Die Dörfer, die wir aufsuchen müssen, sind sozusagen ganz schöne ‚Kack-Nester‘. Olle Katen, bloß die Schilfdächer fehlen - das sind die Behausungen der ‚Ureinwohner‘. Von Straßen kann man überhaupt nicht sprechen - es sind in den feuchten Jahreszeiten wahre Schlammwege, dreckig und verkommen. Natürlich fehlt auch eine Wegebeleuchtung. Geht man abends die stockfinstere ‚Dorfstraße‘ entlang, dann sieht man hin und wieder ein auf- und ab tanzendes Lichtlein, wie Glühwürmchen. Man ist mit Taschenlampen unterwegs, sich vorsichtig zur einzigen Kneipe vortastend. Sogar auch die Mädchen stehen den Männern im Saufen nicht nach. Kino ist auf dem Dorfe nur zweimal im Monat. Traurig aber wahr.“










































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