MORGENROT
LEBENS-TRÄUME
IN
TITANIC-ZEITEN
Unter
diesem Titel veröffentlichte der Autor Harry Popow im
veröffentlichte der Autor Harry Popow im Juni 2022 aus aktuellem
Anlass sein neues Buch.
Sprache: Deutsch
Format: DIN
A5 hoch
Seiten: 482
Altersempfehlung: Erwachsene (18 -
99)
Erscheiungsdatum: 18.06.2022
ISBN: 9783756506316
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Leseproben
7.
Folge
S.91
Das
verbotene Tagebuch
Henry hat einen weiteren Entschluss gefasst. Er will ab sofort – nicht täglich, nur sporadisch - Tagebuch führen, obwohl das in der Armee verboten ist. Er schreibt zum Beispiel: Wie komme ich nur darauf, ein Tagebuch zu führen? Es sind meine, oft sich widersprechenden Gedanken und Gefühle, die man ansonsten schwer ausdrücken kann. Mein erster Grundsatz - vernünftig sein. Es liegt in meinem Wesen, nicht sehr humorvoll zu sein, aber ich lese und grübele gerne. Mich interessiert beispielsweise die Figur von Petschorin in dem Buch „Ein Held unserer Zeit“ von Lermontow. Seine Festigkeit und seine ganze Persönlichkeit. Auch, wie er den Frauen gegenübertritt. Lermontow schreibt von „Ruhe als das Kennzeichen einer großen, wenn auch verborgenen Kraft; Fülle und Tiefe der Gefühle und Gedanken gestatten keine rasenden Ausbrüche“. Ich will mich durch meine Notizen noch besser kontrollieren, erkennen, erziehen! Ich hasse unbeherrschtes, nur den Emotionen nachgebendes Tun. Vorausdenken, genaues Kalkulieren, vor allem, um Zufälligkeiten zu vermeiden, das ist es, was ich will. Vielleicht deshalb, weil ich nicht reaktionsschnell genug bin? Weil Schlagfertigkeit mir nicht liegt? Deshalb wohl fühle ich mich manchmal als einer, der für alles, was er tut, einmal Rechenschaft ablegen müsste. Wofür? Vor wem? Warum? Ich weiß es nicht, es ist ein ganz und gar unbestimmtes Gefühl, so, als würde ich mir meiner Handlungen nicht so sicher sein, ob im Privaten oder darüber hinaus. Mangelndes Selbstvertrauen? Weil Unwägbares mich übertölpeln könnte? Angst, mich - wie mein Vater, der ein Choleriker war - auch mal vergessen zu können? Schriftlich Fixiertes also als Selbstkontrolle, nicht mehr und nicht weniger.
Henry war alleine im Theater von Plauen - „Freier Wind“ von Isaak Dunajewski. Ist es Liebe - Cleo? Ist er nicht fähig, um ein Mädchen zu kämpfen? Er muss immer alles gut überlegen, richtig vorbereiten – ihm ist das durchaus bewusst. Aber bei äußerst guter Laune kann er sogar temperamentvoll sein, glaubt er.
Sonntag. Es ist gegen 18.00 Uhr. Es schneit, richtiges Aprilwetter. Eigentlich hat Henry heute Ausgang - hat aber keine Lust. Gestern war er bei Cleo. Überhaupt - die ganze Familie wirkt auf ihn sehr anziehend, sie ist interessant, aufgeschlossen und völlig unkonventionell. Mit dem Bruder Peter versteht er sich ebenfalls prima. Auf Tonbändern hat der die tollste Musik, vom Westen natürlich. Am Sonnabend wollen die jungen Leute zu fünft ins Theater und sich das Stück „Das Tagebuch der Anne Frank“ ansehen. „Hoffentlich kommen Mama und meine Schwester zu Ostern nach Plauen“, denkt der junge Mann. Inzwischen ist es spät geworden. Er fängt an zu spinnen, träumt so mancherlei schöne Situationen mit IHR herbei ...
Henry notiert in seinem Büchlein: Cleo ist sehr intelligent, starker eigener Wille, legt gewisse Zurückhaltung an den Tag, möchte sich wohl noch nicht binden. Vorurteil in Bezug auf die Uniform? Aber ja. Ich muss auch zurückhaltend sein, um so ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Bin ich abgestumpft, zu misstrauisch? Bin ich im Bergbau, in Schwerin und in Erfurt während der Offiziersschulzeit zu sehr von Mädchen enttäuscht worden? Was heißt enttäuscht? Habe ich mich denn für irgend eines ernsthaft interessiert? Doch! Marlis! Dieses zarte Mädchen mit der reizenden Figur! Diese mitunter gehobene Kommunikation! Schließlich geht sie ja auch sonntags zum Pferderennen in Leipzig. Und ich war auch noch niemals bei ihr zu Hause. Was soll’s also? So kam es, dass die Grenze über das sehr angenehme aber doch distanzierte Miteinander bisher nicht überwunden wurde. Ich muss viel an mir arbeiten, muss umgänglicher werden, auch wissender, gebildeter als bisher, denn bald soll ich ja andere Menschen in der Truppe erziehen, für sie verantwortlich sein.
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