Freitag, 24. Juni 2022

Der Westen rüstet zum Weltkrieg - RotFuchs

 Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2022/RF-293-06-22.pdf



RotFuchs, Juni 2022


Der Westen rüstet zum Weltkrieg


Vor kurzem las ich wieder einmal den einzigen Roman Oscar Wildes, sein 1890 erschienenes Meisterwerk „Das Bildnis des Dorian Gray“. Es ist nicht nur eine sozialkritische Auseinandersetzung des Autors mit den gesellschaftlichen Zuständen seiner Zeit. Die Figur Dorian Gray, so scheint mir, steht gleichsam als Metapher für ein ganzes Gesellschaftssystem. Dorian Gray ist ein sehr schöner junger Mann, der es schafft, durch seine auf den ersten Blick einnehmende Erscheinung jeden Menschen zu beeinflussen, zu manipulieren und am Ende, wenn er sein Gegenüber bis zur Neige emotional ausgeplündert hat, zu zerstören. Dabei ist die Schönheit des Mannes nur das Werk teuflischer Kräfte. Sein wahres Ich ist in einem Porträt gefangen, das an seiner statt altert und deshalb verborgen im Dunkel eines Dachbodens ein geheimes Dasein fristet. Gray meidet den von Jahr zu Jahr abstoßender werdenden Anblick seiner selbst auf der Leinwand und stürzt sich immer hemmungsloser in ein Leben des Genusses und Rausches, wobei er gewissenlos jeden aus dem Weg räumt, der seiner Sucht nach grenzenloser Bereicherung und absolutem Vergnügen im Wege steht. Unfähig zu selbstloser Liebe und echter Freundschaft vermag er nichts dem Leben Zugewandtes zu erschaffen. Schließlich aber kann er seinem eigenen Ich nicht entkommen. Die Maske aus Lüge und Täuschung fällt, der trügende Schein kann nicht mehr blenden. So wird Dorian Gray dann doch noch durch den Anblick seiner monströsen, wahren Fratze auf dem Bildnis vernichtet.


Wer denkt da nicht an das äußerlich schillernde Gewand des Kapitalismus, der selbstzerstörerische Egozentrik zur Tugend erklärt und der den Narzismus seiner moralisch verkommenen „Eliten“ als Selbstverwirklichung verkauft.


Nun geht es diesem System ähnlich wie Dorian Gray. Es sind ihm Konkurrenten erwachsen, die seiner rauschhaften Hemmungslosigkeit Grenzen setzen. Da er unfähig ist, im Einklang mit anderen zu leben, weil das die Fähigkeit zu teilen voraussetzen würde, bleibt ihm nur der wahnsinnige Gedanke an die Zerstörung jedes Widersachers, der es wagt, ihm entgegenzutreten. Moralisch eigentlich schon lange innerlich tot wie Dorian Gray, flüchtet er sich in immer apokalyptischere Szenarien, die sein eigenes Überleben sichern sollen. Eine solche aberwitzige Idee des „Wertewestens“ gipfelt in dem Glauben von der Begrenzbarkeit und Gewinnbarkeit eines Atomkrieges gegen die Rivalen Rußland und China. Es ist, als würden USA und NATO nun, wie es Hitler mit seinen „Wunderwaffen“ tat, nach dem Strohhalm greifen, an den man sich klammert, um wider jede Vernunft an eine eigene Zukunft glauben zu können. Doch so wie sich Hitler am Ende in seinem Bunker in einem Rausch aus Lebenslügen und Selbstbetrug über die von ihn selbst geschaffene Apokalypse hinwegretten wollte, scheinen auch Führungseliten der USA und der NATO dem Wahn verfallen zu sein, einen begrenzten Atomkrieg führen und gewinnen zu können.


Eine Umkehr, weg von totaler Bereicherung, Machtbesessenheit und Gewalt, ist im Denken der Herrschenden nicht vorgesehen. Es ist höchste Zeit, daß ein großes Aufstehen und ein Erwachen einsetzt, wenn wir nicht Opfer dieses verbrecherischen Wahnsinns werden wollen.

Ulrich Guhl Strausberg




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