Samstag, 18. November 2023

Kommt der Tag der Wahrheit für den Internationalen Strafgerichtshof? LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/11/18/kommt-der-tag-der-wahrheit-fuer-den-internationalen-strafgerichtshof/

Kommt der Tag der Wahrheit für den Internationalen Strafgerichtshof?

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 18. NOVEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


von Thomas Röper – http://www.anti-spiegel.ru

Der Internationale Strafgerichtshof hat nun die Gelegenheit, der ganzen Welt zu zeigen, dass er ein neutraler Gerichtshof ist, denn fünf Staaten haben sich wegen israelischer Kriegsverbrechen an den Gerichtshof gewandt. Wenn er darauf nicht reagiert, stellt er seine Existenzberechtigung in Frage.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist für die Staaten zuständig, die dem Rom-Statut beigetreten sind. Der IStGH ist zuständig, wenn Klage der Täter aus einem Mitgliedsstaat kommt oder wenn die Straftaten in einem Mitgliedsstaat begangen wurden. Der IStGH hat jedoch den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin ausgestellt, obwohl Russland nicht dem Rom-Statut beigetreten ist und obwohl auch die Ukraine, auf deren Gebiet die angeblichen russischen Kriegsverbrechen nach Meinung des IStGH stattgefunden haben, das Rom-Statut nicht ratifiziert hat.

Damit hat der IStGH auf anschauliche Weise gegen seine eigenen Regeln verstoßen, um die Wünsche des Westens zu erfüllen. Dazu, dass der Westen den IStGH kontrolliert, kommen wir noch.

Israel und der IStGH
Offenbar haben sich einige Staaten ein Beispiel an dem Vorgehen genommen, denn fünf Länder haben die Anklagebehörde des IStGH gebeten, die Lage in Palästina zu untersuchen, obwohl auch Israel nicht Mitglied des Rom-Statutes ist, teilte der Ankläger Karim Khan mit. Ihm zufolge haben Bangladesch, Bolivien, Dschibuti, die Komoren, Südafrika und Dschibuti eine Untersuchung beantragt.

Zuvor hatten schon ein ehemaliges Mitglied des türkischen Parlaments und Istanbuler Staatsanwälte beim IStGH eine Petition gegen den israelischen Premierminister eingereicht, in der argumentiert wird, dass Netanjahu „vor den Augen der Welt Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, Krieg geführt und Völkermord begangen hat“, wofür er gemäß den internationalen Strafrechtsnormen vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden sollte. Zwar ist eine Anrufung des IStGH im Namen des türkischen Staates unmöglich, da Ankara das Rom-Statut nicht unterzeichnet hat, aber die Türkei kann die Staatsanwaltschaft des Gerichtshofs in Den Haag über staatliche Strukturen und NGOs über Verbrechen informieren.

Nach der Logik, der Ankläger Khan bei Präsident Putin gefolgt ist, müsste man in den nächsten Wochen oder Monaten Haftbefehle gegen Verantwortliche aus der israelischen Staats- und/oder Armeeführung erwarten. Das wird natürlich nicht passieren, denn die Anträge haben nur symbolische Bedeutung, da der IStGH bereits seit dem 3. März 2021 Verbrechen untersucht, die seit dem 13. Juni 2014 im Gazastreifen und im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, begangen wurden und in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallen. Khan erklärte, die Ermittlungen würden fortgesetzt und sich bis zur Eskalation der Feindseligkeiten nach den Anschlägen vom 7. Oktober 2023 erstrecken.

Der unterschiedliche Umgang des IStGH mit Israel und Russland zeigt, dass der IStGH kein Mittel der Rechtsprechung, sondern ein politisches Instrument des Westens ist.

Israels Drohung
Der israelische Botschafter in Moskau wurde im russischen Fernsehen nach der Klage aus der Türkei gegen den israelischen Premierminister gefragt und er antwortete, die wäre vor dem IStGH wäre zwecklos. Auf die Frage des Moderators, ob eine solche Klage vor dem IStGH Erfolg haben könnte, gab der israelische Botschafter folgende negative Antwort:

„Ich denke, es ist unglaublich, weil es sofort zu ähnlichen Klagen gegen andere Länder führen wird. Ich möchte keine Namen nennen, aber es könnten mehrere sein“

Das war eine sehr offene Drohung gegen bestimmte Länder des Westens. Großbritannien und die Niederlande zum Beispiel, deren Soldaten im Irak Kriegsverbrechen begangen haben, die nie vom IStGH behandelt wurden, sind Mitglieder des IStGH. Und nach der bei Präsident Putin angewandten Logik könnte der IStGH sogar gegen die USA vorgehen.

Ob Israel die Macht hat, vor dem IStGH für solche Anklagen gegen westliche Staaten zu sorgen, ist Spekulation, aber die Verbindungen Israels in westlichen Netzwerken sind bekanntlich sehr gut. In jedem Fall war das eine sehr offen ausgesprochene Drohung an den Westen, seinen Gerichtshof nicht gegen Israel ermitteln zu lassen.

Der IStGH demontiert seine Reputation derzeit vor der ganzen Welt, weil seine Doppelmoral offen sichtbar wird.

Der vom Westen kontrollierte IStGH
Dass der Internationale Strafgerichtshof dem Willen des Westens gefolgt ist und gegen Russland Haftbefehle ausgesprochen hat, ist nicht überraschend, weil praktisch alle Richter des Gerichtshofes aus den Staaten des Westens kommen. Von den derzeit 18 am Gerichtshof tätigen Richtern kommen elf aus Staaten des US-geführten Westens, wobei acht Richter aus NATO-Staaten sind (Tschechien, Großbritannien, Frankreich, Polen, Deutschland, Ungarn, Italien und Kanada) und weitere drei Richter ebenfalls aus Staaten kommen, die zum Machtbereich des US-geführten Westens gehören (Japan, Philippinen und Südkorea). Hinzu kommen noch Richter aus Staaten, die politisch ebenfalls dem Westen folgen (zum Beispiel Trinidad und Tobago oder die Dominikanische Republik).

Die Herkunft der Verantwortlichen beim Internationalen Gerichtshof stellt sicher, dass der Gerichtshof die politischen Wünsche des Westens ausführt. Und genau das erleben wir ja auch in der Praxis, denn der Internationale Strafgerichtshof hat nie gegen US-Präsidenten ermittelt, obwohl zum Beispiel George Bush Junior unbestritten illegal den Irak überfallen hat und dabei massenhaft Kriegsverbrechen begangen wurden, wofür ebenfalls niemand bestraft wurde.

Obwohl Großbritannien Mitglied des Rom-Statutes ist und an dem illegalen Angriff auf den Irak beteiligt war, gab es auch keine Klagen gegen die Verantwortlichen aus Großbritannien.

Der Westen hat bei der Gründung des Internationalen Gerichtshofes sichergestellt, dass der Gerichtshof die Entscheidungen trifft, die der Westen haben möchte. Und im Falle des Haftbefehls gegen Putin wurde das sogar offen von der EU finanziert.

Ankläger Khan und der gekaufte Haftbefehl gegen Putin
Auch die Rolle des Anklägers Khan ist bemerkenswert. Am 21. Februar 2023 wurde der Bruder des IStGH-Anklägers Karim Khan, der ehemalige britische Abgeordnete Imran Khan, der der Pädophilie beschuldigt wird, vorzeitig aus einem englischen Gefängnis entlassen. Er hatte dort weniger als die Hälfte seiner Strafe abgesessen.

Der nächste Schritt war logisch und vorhersehbar: Am 22. Februar, also nur einen Tag später, hat Staatsanwalts Karim Khan eine Eingabe an die Vorverfahrenskammer geschickt, in der die Genehmigung der „Haftbefehle“ beantragt wurde. Aber die Kammer zögerte.

Daraufhin organisierte London eine Geberkonferenz für den Internationalen Strafgerichtshof, legte als Termin den 20. März fest und deutete dem Internationalen Strafgerichtshof offen an, dass vor diesem Termin Ergebnisse vorliegen müssen, wenn Den Haag britisches Geld sehen will.

Die Richter des IStGH sind, wie sich zeigte, leicht zu kaufen, denn am17. März, vier Tage nach der öffentlichen Ankündigung der Konferenz und drei Tage vor ihrem Stattfinden, stellte der IStGH den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Ombudsfrau für Kinderrechte Lvova-Belova aus.

Auch die EU hat für den Haftbefehl bezahlt
Am 8. Juni 2022 hat die EU in einer Presseerklärung mitgeteilt, die „Ermittlungen“ des Internationalen Strafgerichtshofes zu Kriegsverbrechen in der Ukraine finanziell mit mehreren Millionen Euro zu unterstützen. Die Entscheidung darüber ist schon früher gefallen und in der Presseerklärung klang das so:

„Bereits am 25. April (2022) haben Eurojust und der IStGH vereinbart, ihre Kräfte zu bündeln und den Gerichtshof an der gemeinsamen Ermittlungsgruppe der EU zu beteiligen. Informationen über mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden derzeit gesammelt, um in Zukunft Ermittlungen und Gerichtsurteile zu ermöglichen und Verantwortliche für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.“

Man könnte meinen, dass das begrüßenswert gewesen wäre, waren die Ermittlungen jedoch einseitig. Gegen die Ukraine wurde und wird nicht ermittelt. Die Kriegsverbrechen, die von ukrainischer Seite zu der Zeit unbestritten schon begangen wurden, hat der Internationale Strafgerichtshof ausdrücklich nicht untersucht. Das ist keine Unterstellung von mir, das wurde in der Presseerklärung der EU deutlich gesagt:

„Das Projekt soll dazu beitragen, die Straflosigkeit bei internationalen Verbrechen weltweit zu bekämpfen. Somit werden auch die laufenden Ermittlungen zu den russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine verstärkt. (…) Es darf keine Straffreiheit für die unter russischer Besatzung begangenen Verbrechen geben.“

Damals hat die EU mitgeteilt, dass sie 7,25 Millionen Euro explizit für Ermittlungen gegen Russland bereitgestellt hat. Inzwischen wurde die Summe sogar erhöht, wie EU-Justizkommissar Didier Reynders am 20. März 2023 verkündet hat:

„Seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat die EU-Kommission 10 Millionen Euro zur Unterstützung der Arbeit des IStGH in der Ukraine bereitgestellt. Und lassen Sie mich Ihnen versichern, dass die EU weiterhin bereit ist, die notwendige materielle Unterstützung zu leisten, da die Lage in der Ukraine eine angemessene Reaktion erfordert. Vor kurzem hat die Kommission beschlossen, die EU-Unterstützung bis 2025 in Höhe von 3 Millionen Euro fortzusetzen. Darüber hinaus erörtern die Europäische Kommission, der EU-Rat und die Länder der Gemeinschaft die Koordinierung und ein Ersuchen um zusätzliche Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs“

Diese Einseitigkeit des IStGH ist also lange bekannt, aber anscheinend machen sich einige Staaten des Globalen Südens regelrecht „einen Spaß“ daraus, am Beispiel Israel noch einmal explizit aufzuzeigen, wessen parteiisches Instrument der IStGH ist.


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