Montag, 25. Juli 2022

Schießprogramm - Arnold Schölzel - jW

 

Entnommen: https://www.jungewelt.de/artikel/431086.schie%C3%9Fprogramm.html


Schießprogramm


Von Arnold Schölzel

Der antirussische Hass, den die Kriegsmedien des Westens tagaus, tagein verbreiten, wird zumeist nebenbei, also argumentationsfrei praktiziert. So schreibt z. B. der Politikressortleiter der Süddeutschen Zeitung (SZ), Stefan Kornelius, am Montag in einem Kommentar zur Reise des US-Präsidenten nach Saudi-Arabien: »Der Ölpreis wird nach wie vor durch die globale Fördermenge bestimmt, und wenn Russland als Marktfaktor ausfällt beziehungsweise zum unkalkulierbaren Preistreiber wird, braucht auch ein Joe Biden das Wohlwollen der Golfstaaten, um den Preis an der Tankstelle zu stabilisieren.« Wer den Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland für eine Art Naturgesetzlichkeit hält, muss russische Reaktionen für »unkalkulierbar« und preistreiberisch halten. Kornelius hat so en passant durchblicken lassen: Nach den »Regeln« der Biden, Scholz etc. sind die Russen eine Art Irrläufer im politischen Kosmos. Warum reagieren die auf Sanktionen mit Mehrverkauf von Öl an andere Länder, anstatt um die vom Westen geklauten Finanzen zu betteln? Sie sehen eben nur wie Europäer aus, wie eine weise Frau bei »Lanz« gesagt hat.

Ähnlich lügt am selben Tag dpa mit Wahrem. Die Nachrichtenagentur baut in einen Text unter der Überschrift »Ukraine: Russische Armee greift bei Awdijiwka nahe Stadt Donezk an« den Satz ein: »Donezk war zuletzt häufig das Ziel ukrainischer Artillerieangriffe.« Das ist richtig. Mit der vom Westen gelieferten Artillerie war der Beschuss von Schulen, Krankenhäusern und Wohnblöcken so stark wie noch nie seit acht Jahren. Die Faschistenbataillone, die hier seit 2014 in der »antiterroristischen Operation« russischsprachige »Schaben« zu vernichten versuchen, verfügen endlich über die erwünschten Kanonen. Selbstverständlich steht weder bei dpa noch sonst irgendwo in den freien Stimmen etwas vom Krieg Kiews seit 2014, es geht ja nur um 14.000 Tote.

Neben solch anstrengungslos abgesonderter Nebensatzesoterik findet sich auch die gute alte Untermenschenrhetorik, zivilisiert versteht sich. Also wurde z. B. der von einem Altnazitheologen erzogene Kriegspfaffe Joachim Gauck bei »Lanz« am 13. Juli vor die Kameras gesetzt, um zu bekennen, dass er gegen den Russen zu den Waffen greifen und schießen würde (siehe jW vom 20. Juli). Wer noch ARD, ZDF etc. einschaltet, war offenbar nicht überrascht. Es gab kaum öffentliche Reaktionen. Gauck ist schließlich die Verkörperung des heutigen Fernsehprogramms.

Genug ist das aber nicht. Also legte die Taz am 20. Juli nach und veröffentlichte online einen Kommentar des Ex-SDSlers, Exmaoisten, Exgrünen und auf Rügen in den 90ern als stellvertretender Landrat gescheiterten Exkommunalpolitikers Udo Knapp aus der Taz-Zeitschrift Futurzwei: »Gibt der Westen auf?« Knapp wittert, was Gauck fehlt: Zum Ruf nach der Knarre gehört in der westlichen Zivilisation der nach der Bibel. Die enthält allerdings auch Friedensgebote, also Böses. Knapp sorgt sich, der Westen handele z. B. nach Matthäus 5,39: »Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.« Denn Waffenlieferungen und Wirtschaftskrieg sind nach Prophet Knapp nur Hinhalten der anderen Backe, letztlich Selbstaufgabe. Genau die wolle Putin erzwingen. Vermeiden könne »der Westen diese Entwicklung nur, wenn er sich dazu durchringen würde, mit eigenen Bodentruppen an der Seite der ukrainischen Armee die völkerrechtswidrig eingedrungenen Armeen Putins hinter die Grenzen Russlands zurückzutreiben«. Die Frage steht demnach: Matthäus oder Udo Knapp einschließlich Taz, SZ, »Lanz«, Gauck und alle übrigen Freunde des dritten Weltkrieges. Sieht Knapp richtig.


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