Mittwoch, 20. Juli 2022

MORGENROT - Leseproben - H.P.

 

MORGENROT


LEBENS-TRÄUME

IN

TITANIC-ZEITEN


Unter diesem Titel veröffentlichte der Autor Harry Popow im Juni 2022 aus aktuellem Anlass sein neues Buch.




Sprache: Deutsch

Format: DIN A5 hoch

Seiten: 480

Altersempfehlung: Erwachsene (18 - 99)

Erscheinungsdatum: 18.06.2022

ISBN: 9783756506316


Zu bestellen: https://www.epubli.de//shop/buch/MORGENROT-Harry-Popow-9783756506316/127368



Klappentext:


Das von Harry Popow vorgelegte Werk nennt sich nicht ohne Grund „MORGENROT“. Ein Titel, der vor allem an jene Generation erinnern soll, die nach der Befreiung vom Faschismus mit viel Mühe aus den Trümmern an materiellen Werten und denen in den Köpfen versucht haben, zunächst mit viel Erfolg, einen neuen Staat zu errichten, dem als wichtigstes Anliegen nicht nur die Entmachtung der einst herrschenden Geldeliten, die Beerdigung sämtlicher Kriegsgelüste als geschichtliche Notwendigkeit oblag, sondern vor allem dem friedlichen Aufbau sowie dem militärischen Schutz des Arbeiter- und Bauern- Staates.


Die 480 Seiten umfassende Lektüre teilt der Autor in fünf Abschnitte: Mit Vorkriegszeit skizziert er die erneute brandgefährliche Vorkriegssituation des Jahres 2022. In den weiteren Kapiteln berichtet er vom persönlichen Erleben vor und nach 1945, den neunjährigen Aufenthalt in Schweden nach der Annexion der DDR, die Rückkehr nach Deutschland sowie die nach wie vor geistig intensiven Jahre am Rande Berlins als Blogger, Rezensent und Autor.


Der bald 86-Jährige versteht dies als sehr kleinen persönlichen Beitrag im Widerstand gegen die Diktatur der Kapitalmacht, als Traum von einem Neubeginn hin zu einem neuen MORGENROT.


Das Buch ist gleichzeitig ein nach über 60 Ehejahren sehr authentischer Liebesroman zwischen seiner Frau Cleo und ihm, zwischen allen Kindern, Enkeln und Urenkeln einer großen und wunderbaren Familie.



Leseproben

1. Folge

S. 41

Der Volltreffer


Plauen. Offiziersschule. Die Nacht zum 15. Februar 1957, einem Freitag, da schrillte die Sirene. Alarm! In Sekunden schlüpfen die Schüler des dritten Lehrjahres geübt in die Klamotten. Waffen empfangen, abmarschbereit! Ein kilometerlanger Marsch. Bei Eis und Schnee. Über Wald- und Feldwege, im unwegsamen Gelände. Zwischendurch die berüchtigten Einlagen: „Flieger von rechts, Maschinengewehrfeuer von links, chemischer Alarm, vor uns Baumsperre!“ Schnelles Fassen von Entschlüssen. Und da ist jeder mal dran, schließlich müssen die Männer jetzt ganze Züge im „Gefecht“ führen. Da entscheidest du im Ernstfall mit über Tod oder Leben von dreißig Mann. Viel Kopfarbeit ist also angesagt. Erst am späten Nachmittag marschieren (oder schleichen) die Schüler durch das Kasernentor zurück in die Unterkunft. Etwa fünfzig Kilometer haben sie unter die Füße genommen. Kaputt und todmüde sind sie. Da heißt es auf einmal, noch am gleichen Abend sollen oder dürfen sie zum Faschingsabend, also zum Tanz! Die DAKO, die Damenkonfektion von Plauen, der Patenbetrieb, hätte eingeladen. Einige Unentwegte jubeln. Andere fluchen, auch Henry. Er denkt an Erfurt zurück. Nach einem zweitägigen 70-Kilometermarsch, bei einigen Schülern drang bereits das Blut durch die Socken, hieß es in der Kaserne plötzlich, wer will, kann noch ausgehen. Und die ganz Kühnen zogen sich um, die Blasen bekamen Jod, und ab durch das Kasernentor. Henry nicht. Sich mit mehr oder weniger Schmerzen über die Tanzfläche schleichen oder einfach nur Bier saufen? Wozu die Mühe? So, und heute Abend? Kurze Überlegung: Immerhin eine weitere gute Gelegenheit – muss er sich ehrlich eingestehen – auf nette und niveauvolle Bekanntschaften, keine Weiber von gewöhnlichen Schwofabenden. Sein Entschluss: Er wird dabei sein. Was er nicht bedachte, auch die Näherinnen und Bandarbeiterinnen sowie die Lehrlinge der DAKO freuten sich auf den Abend mit den Jungs. Nur eine nicht, wie Henry später erfuhr. Sie mochte das ganze nicht. Im Gegenteil. Sie wollte wieder fort, so schnell wie möglich. Und so belagert sie den Lehrausbilder, um eine Unterschrift zu bekommen für das Berichtsheft, denn die Teilnahme wird als gesellschaftliche Tätigkeit bewertet. Nach dem Vermerk hätte sie sofort verschwinden können. Doch sie muss vorerst bleiben. Mit Widerwillen sitzt sie also still und ungeduldig an einem Tisch, sieht sich kaum um, und wenn, dann mit einem geringschätzigen und abwertenden Blick. Doch einmal, da stutzt sie. Geht doch einer der Offiziersschüler, sehr schlank, schmales Gesicht, schwarze Haare, über die Tanzfläche. Und wie der geht, stolz und fast schwebend. „Mein Gott, wie ist denn das passiert“, denkt sie. Wie und durch wen kam der denn in diesen Verein? Der sieht ja aus wie einer aus dem Adelsnest. Hoffentlich kommt der nicht und holt dich, da kriegste nur Probleme. Und damit stößt sie diese Gedanken wieder weit von sich, für sie hat sich ja ohnehin alles erledigt. Schon schaut sie wiederholt auf ihre Armbanduhr. Was geht es sie an, wer da noch so rumscharwenzelt von diesen Uniformierten, die sie ohnehin nicht mag, überhaupt nicht.

Den sie da trotzdem genauer kurz ins Auge fasst, das ist Henry. Er spürt trotz aller Müdigkeit sehr genau, jemand mustert ihn. Sein Blick geht nach links. An einem Tisch sitzen zwei junge Mädchen. Die eine kannst du vergessen, doofes Gesicht, furchtbar gewöhnlich. Aber die rechts daneben!! Ho, ho! Zwei ernste und wunderschöne Augen. Mit einem Schlag ist der junge Mann hellwach. Die Augen des Mädchens schauen in seine Richtung, aber es verzieht keine Miene. Ihr Blick scheint durch ihn hindurch zu gehen, er wirkt gedankenverloren, rätselhaft. Eine Kraft geht von diesem jungen Mädchen aus – er kann das nicht näher deuten. Und warum sieht sie überhaupt her? Henry wird ein wenig unruhig, denn die faszinierenden Augen schweifen schließlich ab, denken gar nicht mehr daran, bei ihm zu bleiben. Guck doch noch mal, bitte, dann weiß ich, quatsch, dann kann ich hoffen, mit dir tanzen zu dürfen, dieser Gedanke schießt Henry durch den Kopf. Ihm wird heiß, denn nun muss er einen Entschluss fassen, was aber nicht gelehrt wurde wie bei der vorangegangenen Übung. Und schon legt die Drei-Mann-Kapelle wieder los. Ob sie mit mir tanzen wird? Noch ehe er aufspringt, ist Dieter, der Lockenkopf, bereits am Ball – bei der Schönen. ,Ich blöder Kerl‘, Henry ist entsetzt. Ihm bleibt fast die Luft weg. Und verteufelt noch mal, er kann es nicht fassen, da legt doch der Dieter, der Mädchen Aufreißer, sofort seinen Kopf an den ihren, aber sie wehrt ihn ab, hält ihn auf Abstand. Gott sei Dank. Ein Pressefotograf sucht seine Motive, wie dem Offiziersschüler scheint, hat er auch SIE im Visier. Schließlich gelingt es ihm, er tanzt mit ihr. Sie ist zart, sehr schmal, in dunkler Spitzenbluse. Ihm fällt auf, sie lässt sich nicht ohne weiteres wie andere führen. Auch ihn hält sie auf Abstand. Aber sie zittert kaum merklich, Henry spürt das. Ist sie unsicher? Was geht in ihr vor? Und was soll man reden? Fragen über die Berufsziele? Eine etwas niveauvolle „Blabla-Unterhaltung“ kommt zustande, da sind die drei Tanzrunden beendet. Ehe er nach dem Tanz seine weitere Strategie durchhecheln kann und schnell mal einen neuen Augenblick zu ihrem Platz wirft, ist sie plötzlich weg. Zur Toilette? Und wenn sie nun schon nach Hause wollte? Er holt seinen Mantel aus der Garderobe und stürzt hinaus. Keine Menschenseele. Im Laufschritt zur Straßenbahnendstelle, vielleicht erwische ich sie noch, bangt er. Tatsächlich, Henry entdeckt sie auf der hinteren Plattform der Straßenbahn. Da klingelt der Schaffner bereits ab. Mit Schrecken fällt ihm ein, er hat ja keine Adresse. Blitzschnell springt er auf die Plattform, und die ernste Schöne sagt ihm mit einer verdächtigen Schnelligkeit ihren Namen und wo sie wohnt. Mit Mühe wiederholt Henry auf dem Weg zum Kasernengebäude so für sich Vorname, Name, Straße und Hausnummer, bis er im Hundert Mann-Schlafsaal aus dem Nachtschrank endlich Zettel und Bleistift angelt und mit zitternder Hand notieren kann: Cleo, Diesterwegstraße... Sehr viel später erfährt er, sie hatte lediglich Mitleid mit ihm …





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