Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28152
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 41, Juni 2022
Alles Theater mit dem Feindbild Russland
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Russlands Eingreifen in der Ukraine: völkerrechtswidrig? Nein, denn:
"Von der Regel des Gewaltverbots nach Art. 2 Nr. 4 der UN-Charta gibt es
die Ausnahme in Artikel 51: 'das naturgegebene Recht zur individuellen
oder kollektiven Selbstverteidigung'. Nach den Verträgen über Beistand
und Freundschaft zwischen Russland und den Donbass-Republiken waren die
Bedingungen für die Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung gemäß
UN-Charta gegeben. Russland führt also keinen 'Angriffskrieg' und es hat
auch keinen Krieg 'begonnen', denn es griff in einen schon acht Jahre
dauernden Krieg ein..." So formuliert es in aller Klarheit der Deutsche
Freidenker-Verband. (1) Der US-Friedensrat bekräftigt diese Sichtweise:
"Auf der Grundlage von Artikel 51 hat die Russische Föderation ihr Recht
auf Selbstverteidigung geltend gemacht und den Sicherheitsrat
ordnungsgemäß informiert. Russland bringt wichtige Argumente für seine
Anwendung von Gewalt nach Artikel 51 vor." (2) Zudem darf nicht
übersehen werden, dass es die NATO ist, die seit Jahren aggressiv
gegenüber Russland auftritt.
Doch diese Darlegung der Sachlage ist im "Westen" die Ausnahme.
Ansonsten wird das Feindbild Russland geschürt. Aus dem Munde der NATO
und ihrer Handlanger ist zu hören: "Wir fordern Russland auf, seinen
militärischen Angriff unverzüglich einzustellen... und von dem
eingeschlagenen Weg der Aggression abzulassen." (Erklärung der Staats-
und Regierungschefs der NATO, 25. Februar 2022) (3) "Die NATO und die EU
sind sich einig in der scharfen Verurteilung der russischen Aggression
gegen die Ukraine." (NATO-Außenminister, 4. März 2022) (4) "Die EU
verurteilt die Entscheidung Putins, die nicht von der Regierung
kontrollierten Gebiete von Donezk und Luhansk anzuerkennen, sowie die
grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression Russlands gegen
die Ukraine aufs Schärfste." (Europäischer Rat, 23. Juni 2022) (5) "Am
24. Februar hat Russland völkerrechtswidrig die Ukraine angegriffen."
(Auswärtiges Amt der BRD, 4. Juni 2022) (6)
Es wäre zu erwarten, dass sich Friedensbewegung und Linke gegen das
Schüren des Feindbilds Russland wenden. Doch weitgehend Fehlanzeige!
Erklärungen aus der so genannten Friedensbewegung bedienen dieses
Feindbild im Stile der NATO. So heißt es z.B.: "Wir verurteilen die
militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es
keine Rechtfertigung." (Erklärung von Willi van Ooyen und Executive
Director des International Peace Bureau Reiner Braun, 24. Februar 2022)
(7) Oder: "Der Krieg tobt in Europa. Mit ihrem völkerrechtswidrigen
Angriff hat die russische Führung unendliches Leid über die Menschen in
der Ukraine... gebracht. Jeden Tag wird der Krieg brutaler und
zerstörerischer." (Aufruf der Initiative "Abrüsten statt Aufrüsten" zu
den Ostermärschen 2022, 15. April 2022, mit Willi van Ooyen und Reiner
Braun als Unterzeichner) (8) Oder: "Der völkerrechtswidrige Angriff
Putins auf die Ukraine ist der erste konventionelle Krieg, der
unmittelbar unter dem Atomschirm Russlands stattfindet." (Reiner Braun
und der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Michael Müller am 26. April
2022 in der Frankfurter Rundschau) (9)
Dazu eine Zwischenbemerkung: die Initiative "Abrüsten statt Aufrüsten"
mit den führenden Köpfen Willi van Ooyen und Reiner Braun wehrt sich mit
aller Verbissenheit gegen die Forderung nach Austritt aus der NATO und
Kündigung des Truppenstationierungsvertrags. (10) Und die Naturfreunde
mit Michael Müller an der Spitze sind die Organisation, die auf üble
Weise gegen die Grundrechtebewegung Stimmung macht – sie z.B. als
"Sammelbecken Deutschnationaler, AfDler und Esoteriker" diffamiert (11) –
und die Freidenker-Veranstaltung "Linker Liedersommer" im Juni 2022 mit
perfiden Unterstellungen fast zu Fall gebracht hätte (12).
Doch Reiner Braun, Willi van Ooyen und Michael Müller befinden sich in
"bester" Gesellschaft. Einige weitere Beispiele: "Am 24. Februar
überfiel Russland unter Präsident Wladimir Putin die Ukraine... Dieser
Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen. Putin trägt die volle
Verantwortung für die Toten und die Menschen auf der Flucht. Putins
Begründungen für den Krieg sind Lügen und Propaganda." (derAppell, März
2022) (13) "Der Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine und die
Anerkennung von Donezk und Luhansk sind falsch, völkerrechtswidrig und
brandgefährlich. Die militärische Aggression ist durch nichts zu
rechtfertigen." (IMI-Mitarbeiterin Claudia Haydt, 24. Februar 2022) (14)
"Man muss ganz klar sagen: das was da jetzt stattfindet, ist ein
barbarischer, völkerrechtswidriger Krieg, für den es keinerlei
Rechtfertigung, keine Entschuldigung gibt." (Sahra Wagenknecht, 25.
Februar 2022) (15) "Russlands Invasion der Ukraine ist ein Akt der
Aggression und eine Menschenrechtskatastrophe." (Amnesty Deutschland, 1.
März 2022) (16) "Wir sind bestürzt über den Bruch des Völkerrechts und
die russische Invasion in die Ukraine." (Ostermarsch-Aufruf 2022,
Bremen) (17) "Der völkerrechtswidrige Einmarsch russischer Truppen in
die Ukraine hat den Krieg erneut nach Europa... zurückgebracht."
Gemeinsamer Ostermarsch-Aufruf 2022 von "Kooperation für den Frieden"
und "Bundesausschuss Friedensratschlag") (18) "Mit seinem
völkerrechtswidrigen Angriff hat Russland unendliches Leid über die
Menschen in der Ukraine gebracht." (Aufruf des DGB zu den Ostermärschen
2022) (19) "Wir sind uns einig über die Verurteilung des russischen
Einmarschs in die Ukraine. Die Entscheidung von Präsident Putin zu
diesem Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen." (Sören Pellmann, MdB
DIE LINKE, beim Ostermarsch 2022) (20) "Unsere Forderungen sind
eindeutig: Herr Putin, beenden Sie umgehend den Angriffskrieg auf die
Ukraine! Beenden Sie den Bruch des Völkerrechts!" (Christian
Wechselbaum, IG Bauen-Agrar-Umwelt, beim Ostermarsch 2022) (21) "Durch
den brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine sterben
jeden Tag Menschen. Millionen Menschen, insbesondere Frauen und Kinder,
sind auf der Flucht. Dieser Krieg ist auch ein Angriff auf die
europäische Friedensordnung..." (Aufruf des DGB zum 1. Mai 2022) (22)
"Gemeinsam verurteilen wir den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
Russlands gegen die Ukraine." (IPPNW-Aufruf zur Kundgebung am 3. Juni
2022 in Berlin) (23)
Es ist wie schon so oft, z.B. 2011, als die NATO den eindeutig
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Libyen geführt hat.
Allenthalben wurde das kriegslegitimierende Feindbild Gaddafi geschürt –
flankiert von wesentlichen Teilen der Friedensbewegung und der Linken.
Jan van Aken (Die Linke) am 18.3.2011 im Bundestag: "Natürlich ist es
völlig richtig, das mörderische Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind
wir uns hier alle einig." (24) In einer Erklärung des Aachener
Friedenspreises vom 6.3.2011 heißt es: "Mit großer Sorge beobachten wir
das brutale und mörderische Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die
eigene Bevölkerung. Wir verurteilen dieses Vorgehen entschieden." (24)
Und bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist am 3.3.2011 zu
lesen: "Mit einer ungeheuren Brutalität versuchen gegenwärtig die
Truppen des Diktators Muammar al Gaddafi den Aufstand in Libyen
niederzuschlagen... Muammar Gaddafi ist ein Verbrecher und er gehört vor
Gericht – besser früher als später." (24) Damit stellt sich die Frage:
was sind das für Steuerungsmechanismen, die Friedensbewegung und Linke
hinsichtlich der Kernaussagen immer wieder auf NATO-Kurs bringen?
Veröffentlichung (in erweiterter Fassung) aus der Quartalsschrift DAS
KROKODIL, Ausgabe 41 (Juni 2022) – Grundsatzschrift über die Freiheit
des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal)
satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
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