Sonntag, 7. November 2021

Grüner Kriegskurs - Jürgen Wagner, RotFuchs - November 2021

 Entnommen: http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2021/RF-286-11-21.pdf

AKTUELLES AUS dem „RotFuchs“ November 2021


Grüner Kriegskurs


Daß in Deutschland unter den aktuellen Machtverhältnissen nur regiert, wer sich rückhaltlos zum Krieg bekennt, wußte schon der designierte Außenminister Joseph Fischer, als er – bereits gewählt, allerdings noch nicht im Amt – im Oktober 1998 zusammen mit dem künftigen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der damaligen US-Regierung versicherte, an ihnen werde ein Angriffskrieg gegen Jugoslawien nicht scheitern. Und so war es dann auch. So lange wollten der aktuelle Grünen-Chef und mögliche künftige Außenminister Robert Habeck und andere aber nicht warten. Noch vor der Bundestagswahl im September wurde damit begonnen, die allerletzten friedenspolitischen Positionen der Partei zu schreddern.


NATO & Nukleare Teilhabe

Zunächst setzte Habeck der Linkspartei die Pistole auf die Brust, als er ihr bereits im Mai in bester grüner Manier ins Stammbuch schrieb, in Deutschland schließe eine Regierungsfähigkeit ein Bekenntnis zur NATO ein. Auch von der Forderung nach einem sofortigen Abzug der in Deutschland im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ der NATO lagernden US-Atomwaffen wollen prominente Grüne inzwischen nichts mehr wissen. Wenn etwa der Grünen-Haushälter und Verteidigungspolitiker Tobias Lindner von einem Zeitfenster zwischen 2030 und 2035 spricht, das hierfür „realistisch“ angepeilt werden könne, wird klar, daß hier der St. Nimmerleinstag gemeint ist. Ganz ähnlich scheint dies auch Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zu sehen, die damit unter Beweis stellt, daß auch ihr keine (frühere) friedenspolitische Position ernsthaft heilig ist: „Wir können ja nicht einfach sagen, wir schicken die US-Atomwaffen mal eben zurück in die USA.“

Noch weiter ging bereits Anfang des Jahres das Papier „Transatlantisch? Traut Euch!“, dessen Ko-Autorin Ellen Ueberschär auch als eine von zwei Vorständen der Grünen-nahen Böll-Stiftung fungiert (ihr Mit-Autor war im Übrigen Patrick Keller, der Vizepräsident der „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“). Mit kaum überbietbarem Pathos wird darin schwadroniert, die NATO sei der „Glutkern des Westens“, weshalb das Bündnis massiv gestärkt werden müsse, damit die USA nicht von der Fahne gehen und am Ende sogar noch ihre Atomwaffen aus Deutschland abziehen würden: „Das kann nur durch eine ambitionierte neue Übereinkunft gelingen, die im Kern besagt: Die europäischen NATO-Staaten – mit Deutschland an erster Stelle – erhöhen ihre Fähigkeiten zur konventionellen Verteidigung erheblich. Dadurch entlasten sie die USA in Europa und erleichtern es ihnen, sich auf den Indo-Pazifik zu konzentrieren und dort die Interessen der liberalen Demokratien zu schützen. Im Gegenzug bekräftigen die USA ihr Bekenntnis zur Verteidigung des gemeinsamen Bündnisgebietes und untermauern es durch ihre nukleare Schutzzusage sowie ihre dauerhafte militärische Präsenz in Europa.“ Nach der NATO machte Grünen-Chef Habeck kurz darauf mit der Aussage von sich reden, die Forderung nach „Defensivwaffen“ für die Ukraine sei berechtigt. Als es daraufhin Kritik hagelte, ging er mit teils reichlich dubiosen Argumenten zur Verteidigung über: „Alle reden dauernd von mehr europäischer Souveränität. Ich auch. Wenn diese Rede irgendeinen Sinn hat, dann muß sich das doch zum Beispiel im Donbass beweisen.“

Generell läßt sich wohl sagen, daß das Verhältnis zu Rüstungsgütern für die meisten Grünen heute weit entspannter ist als dies noch in früheren Jahren der Fall war. Selbst die Position zur Bewaffnung von Drohnen wurde beim Online-Parteitag der Grünen im Juni 2021 begradigt, indem sich dort mit 347 von 728 Delegierten eine knappe Mehrheit der Delegierten dafür aussprach, den Einsatz bewaffneter Drohnen zu prüfen.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, die belegen, daß die Grünen längst sturmreif geschossen sind – besonders konfrontativ fallen die Positionen gegenüber China und Rußland aus. Hier tun sich führende Grüne schon seit vielen Jahren als Speerspitze in Sachen Stimmungsmache gegen diese beiden Länder unangenehm hervor – gerne auch verknüpft mit einem Plädoyer für die Aufrüstung der Europäischen Union. Am 16. April 2020 veröffentlichte Papier zum Beispiel die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner das Papier „Grüne vernetzte Außenpolitik für eine Welt in Unordnung“, in dem es hieß: „Wir erleben die Rückkehr des geopolitischen Wettbewerbs. Revisionistische Kräfte, wie China und Rußland, versuchen die Welt neu zu ordnen. […] Europa muß als geopolitischer Akteur erwachsen werden. […] Wenn wir nicht zusammenstehen, dann werden wir Schachbrettfiguren, im Spiel der Großmächte.“ Auch Annalena Baerbock hat sich voll dem Gerede vom „Wettstreit der Systeme“ verschrieben, unter dessen Vorzeichen sie sich für eine „Perspektive einer Ukraine in der EU und in der NATO“ ausspricht. China geißelt sie für seine „knallharte Machtpolitik“, weshalb die „liberalen Demokratien“ eine Mischung aus „Dialog und Härte“ finden müßten.

Somit verwundert es auch nur noch wenig, daß die Grünen für ihre harte Haltung gegenüber den erklärten Rivalen Rußland und China viel Applaus in den bürgerlichen Medien erhält. Allerdings wird dies zumeist mit dem Hinweis verbunden, dann müßte die Partei auch konsequent sein und sich weiteren drastischen Erhöhungen des Militärhaushaltes nicht verschließen. Doch auch hier sind die Grünen bereits weite Wege gegangen: Zwar stellte sich Annalena Baerbock bislang nicht vorbehaltlos hinter das sogenannte 2-Prozent-Aufrüstungsziel der NATO. Allerdings lassen ihre Positionen auch hier viel zu wünschen übrig, wenn sie etwa das Märchen wiederholt, unter den Verteidigungsministern Karl-Theodor zu Guttenberg (2009–2011) und Thomas de Maizière (2011–2013) sei bei der Bundeswehr „massiv gespart worden“. Das entspricht schlicht nicht den Tatsachen, der Etat wurde in dieser Zeit nur nicht in dem Maß erhöht wie in den Jahren davor und vor allem danach. Vor allem aber sieht sie trotz der absurden Steigerungen des Militärhaushaltes zwischen 2010 (31,1 Mrd. €) und 2021 (46,9 Mrd. €) Bedarf für noch mehr Geld. Schon letzten November gab sie dazu ihre Rüstungsformel zum Besten, die sie seither beständig wiederholt: „Wir müssen uns da ehrlich machen. Ja, in manchen Bereichen muß man mehr investieren, damit Gewehre schießen und Nachtsichtgeräte funktionieren.“ Jürgen Wagner


Quelle: IMI-Standpunkt 2021/049. 30.August 2021

Redaktionell gekürzt



Ein dringendes Anliegen des „RotFuchs“:

Auf der Seite 27 des Oktoberheftes schreiben Dr. Arnold Schölzel, Bruni Steiniger, Wolfgang Dockhorn und Jürgen Claußner u.a.:

Wir sind der Meinung, daß die Verantwortung des „RotFuchs“ – sowohl der Zeitschrift wie des Fördervereins – wächst. Der Imperialismus steigert die Kriegsgefahr und pfeift auf seine Rechtsordnung. Für Letzteres ist der Versuch, die DKP von den Bundestagswahlen auszuschließen und ihr den Parteistatus zu entziehen, ein besonders drastisches Beispiel. Das wurde vorläufig gestoppt, aber angesichts ähnlicher Attacken auf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes–Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und auf die Tageszeitung „junge Welt“ läßt sich feststellen: Linke Stimmen in der BRD sollen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden.

Gleichzeitig sympathisieren Teile des Staatsapparates mit Faschisten, sitzen Nazi-Abgeordnete in allen deutschen Landesparlamenten und im Bundestag. In dieser Situation mehren sich in der Partei Die Linke Stimmen, die deren friedenspolitische Positionen revidieren wollen. Der „RotFuchs“ bleibt gerade in diesem Punkt kompromißlos parteilich – so wie in der Verteidigung der DDR und der Traditionen der Arbeiterbewegung. Wir halten den Kampf für den Frieden und gegen imperialistischen Krieg heute für die wichtigste Aufgabe von Kommunisten, Sozialisten und allen anderen Linken. Aus unserer Sicht ist es dringend nötig, den Einfluß unserer „Tribüne“ zu erweitern. (…)

Wer noch nicht Mitglied im „RotFuchs“-Förderverein ist, der kann dies gerne werden. Ein Anruf genügt: 030-241 26 73. Wir, die „RotFuchs“-Macher, brauchen Eure Hilfe, damit die von ihren Freunden und Mitstreitern geliebte und vom Gegner gehaßte
kommunistisch-sozialistische Zeitschrift weiter erscheinen und
verbreitet werden kann.


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