Aus dem Buch "Der Mensch im Teufelskreis - Dr. FAUSTUS Auferstehung" / Autor: Harry Popow
AUF
DER STRAßE...
Diese Geschichte begab sich, sagen Zeitzeugen, als sich in jüngster Zeit (2020/2021) über Land und Leute, gar über den ganzen Planeten, eine unheimliche Stille ausbreitete – eine tödliche. Ein Virus ging um, und die Menschen verschanzten sich hinter Mundmasken und hinter den Mauern ihrer Häuser. Wie so oft in Gefahrensituationen beschlich den einen oder anderen diese oder jene Erinnerung, als es noch menschengemachte tödliche und maschinell betriebene Abschlachtungen gab.
Dritter Textauszug:
S: 32 - 35
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S.
12: Er ist sich mit Kant darüber klar, daß, wie er selbst sagt,
kein „Beschauen ohne Denken“ möglich ist, so daß wir, wie er
ebenfalls ausdrücklich betont, „schon bei jedem aufmerksamen Blick
in die Welt theoretisieren“. 6)
(Goethe und die
Philosophie, Bruno Bauch (1877-1942), 1st Edition / ISBN:
978-9-92500-378-5)
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FAUST,
im langen Oberkleid recht altertümlich gekleidet, begibt sich auf
Suche nach einem Unterschlupf. Doch er hat kein Geld, keinen Taler
oder Gulden, wie früher üblich. Was tun? Wie manche ihn auch
anschauen - „wie der schon aussieht, so verlottert“. Neben einem
Hauseingang hockt ein in die Jahre gekommener Bürger, neben sich
einen Hut. Darin wenige Geldstücke. Der tut dem FAUST Leid, denn
andere Leute beachten ihn nicht. Ein Ausgestoßener. FAUST tritt
näher, zeigt seine leere Kleidertasche. Da winkt der Mann, so um die
dreißig Jahre alt, den neugierigen FAUST zu sich heran und lädt ihn
ein, an seiner Seite Platz zu nehmen. So wie er aussehe sei er wohl
ebenfalls ein Obdachloser. FAUST überrascht diese Einladung nicht,
denn Nächstenliebe hat er auch zu Goethes Zeiten erlebt. Er nimmt
das Angebot dankend an und setzt sich neben ihn auf den
Betonfußboden, auf dem sein Gastgeber eine Decke ausgebreitet hat.
„Woher kommste denn, ick heiße übrigens Willi“, sagt dieser und
FAUST sieht in ein freundliches Gesicht und antwortet: „Und ich bin
FAUST. Woher ich komme? Das ist eine lange Geschichte“.
Sie
reichen sich die Hand.
Der Obdachlose grinst: „FAUST?
Das ich nicht lache. Der lebte doch gar nicht, war doch nur eine
literarische Gestalt, ich glaube von Goethe. Das weiß ich noch von
der Schule. Aber schieß los. Alle haben in diesem Land ihre sehr
persönlichen Geschichten, mal traurig, mal der Erinnerung wert. Wie
du ausschaust, könntest du direkt von der Bühne kommen, auf der
sich neuerdings alle möglichen Leute in seltsamen Kostümen
präsentieren wollen, um sich interessant zu machen und um ein bissel
Kohle zu machen.“
FAUST ist froh, wenigstens ein paar
Worte mit diesem Städter wechseln zu können. Und so erzählt er von
einem Land, das vor über 150 Jahren so wie heute noch gar nicht
existierte: „Das waren über 300 Fürstentümer und es herrschte
Elend und Not. Und die Orthodoxe Kirche hatte das Sagen.“ Die
würden sich als eine Vereinigung alles Seienden sehen, dazu
bestimmt, alles was da ist, Gott und die Schöpfung, in sich
zusammenzuschließen. Sie sei die Erfüllung des ewigen Planes
Gottes, fügte FAUST hinzu.
Willi schüttelt den Kopf. Vom
Glauben an Gott halte er nicht viel. Er habe es mit der Realität.
Und baue auf die eigene Kraft.
FAUST stimmt ihm zu. Auch der
Urfaust am Ende des 16. Jahrhunderts rebellierte gegen die Macht
Gottes, vor allem gegen die Herrschaft des Patriarchats. Das
bedeutete früher die "Herrschaft der Väter". Man hatte es
mit Herrschern und Beherrschten zu tun, mit Unterdrückern und
Unterdrückten, Tätern und Opfern. Und die Frauen litten darunter.
Der Urfaust? Willi kann sich nur an
Goethes FAUST erinnern, aus der Schulzeit, als er Abitur machte. „Wie
hat die Kirche reagiert, wenn dieser Urfaust angeblich so gegen sie
kämpfte?“
FAUST: „Er wurde beschimpft und
gejagt. Er stünde mit dem Teufel im Bunde.“
Willi lacht:
„Dann müssten ja heute in diesem längst vereinigten Deutschland
während der Corona-Pandemie ja tausende Protestanten gegen die
Willkür des Staates als Teufel gestempelt und gejagt werden.“
Der
Obdachlose unterbricht sich, denn sein neuer Bekannter mit langem
Bart und unbekanntem Gewand ist unversehens eingeschlafen.
Indessen war es später Abend
geworden. Auch dem Willi falllen die Augenlider zu, denn auch
Passanten blieben aus, die etwas Geld in seine Mütze hätten werfen
können. Er deckt seinen neuen Freund, den FAUST, mit ein paar
Kleidungsstücken zu und so schlafen sie beide seelenruhig in den
späten Abend hinein.
Bremsen quietschen plötzlich am
Straßenrand. Ein Wagen der Obdachlosenhilfe. Beide noch
Schlummernden schrecken hoch. Polizei? Ein Mann und eine Frau
entsteigen dem Auto. Sie nähern sich den noch Schlummernden. Sie
schütteln sie am Kragen und stellen sich vor: Versorgung für die
Obdachlosen. Sie reichen den beiden ein Päckchen mit Lebensmitteln.
„Donnerwetter!“, ruft der wieder hellwache FAUST. „Ja, man
kümmert sich um uns hilflose Menschen“, erklärt Willi. So etwas
habe er schon öfter mit Freude erlebt. FAUST, des Strebens nach
Wahrheit etwas müde geworden, stellt noch keine Frage. Er isst die
wenigen Mitbringsel, trinkt ein wenig Tee und schwört kurz vor dem
erneuten Einnicken, der Sache auf den Grund zu gehen.
Warum
gibt es Obdachlose? Warum speist man sie mit Almosen ab, statt ihnen
Arbeit und Brot zuzugestehen? Was riet der Bogenschütze Stunden
zuvor im schönen Park Sanssouci? Er solle sich im Straßengewühl
umsehen und sehen lernen. Ja, er sieht bereits ein wenig, und nun?
Wickelt sich in sein langes Gewand aus dem Jahre 1830 und nickt ein,
voller Hoffnung, am nächsten Tag eine Bleibe zu finden und
Entdeckungen über Ursachen und Wirkungen machen zu
können.
Morgendämmerung. Der Gestank von blechernen und
schnell fahrenden Kisten, die Autos genannt werden, breitet sich
zügig aus. Leute eilen zu Haltestellen oder direkt zur Arbeit oder
zum Einkauf.
Zurück zu FAUST im Hauseingang und
seinem „Gastgeber“. Mit Mühe schlagen sie die Augen auf, um das
Elend bei sich selbst nicht zu sehen. Der Magen knurrt. Der
Obdachlose kramt in seiner Tasche und angelt sich einige Stücken
Geld heraus, prüft sie in seiner Hand und nickt. Das reiche für
paar Schrippen, wie Berliner ihre Brötchen liebevoll nennen. Beim
Bäcker um die Ecke jedoch die Enttäuschung. Man dürfe den Laden
wegen der Pandemie nur nach telefonischer Anmeldung und Bestellung
betreten. Entsetzt schütteln beide den Kopf. Wer habe sich denn
solch einen Schwachsinn ausgedacht. Der Obdachlose brüllt laut von
Sch..., während FAUST wieder einmal versucht, hinter den Sinn des
Ganzen zu kommen.
Der
Zeitzeuge
Der aufmerksame Leser des Buches
„Angst und Macht“, Autor Rainer Mausfeld, so findet es auch der
Buchnarr, wird auf Seite 64 folgenden wichtigen Satz finden: „In
Gesellschaften, in denen die Wirtschaft gesellschaftlich eingehegt
ist, sind zentrale Bereiche, wie Ausbildung, Gesundheitswesen,
Sozialversorgung, Alterssicherung, Umweltschutz etc., den
kapitalistischen Marktkräften entzogen. Ihre Organisationsformen
basieren auf vielfältigen Handlungsmotiven jenseits von Konkurrenz
und materiellem Egoismus und unterliegen Kriterien, die sich nicht
auf ökonomische reduzieren lassen.“ Der Kapitalismus tendiere
durch die Ökonomisierung aller menschlichen Verhältnisse zur
Zerstörung derselben. Es müsse gesellschaftlich sichergestellt
werden, „dass die Marktkräfte kontinuierlich eingehegt werden und
sich innerhalb der Gesellschaft nicht verselbständigen“.
In
diesen knapp formulierten Sätzen, von Vernunft und Geschichtswissen
diktiert, mag mancher Leser seine DDR wiedererkannt haben. Das geht
auch dem Buchnarr so. Deshalb beruft er sich auf interessante
Aussagen seiner literarischen Zeitgenossen. 6B)
Harry Popow: "DER MENSCH IM TEUFELSKREIS", Sprache: Deutsch, ISBN: 9783754166666, Format: DIN A5 hoch, Seiten: 384, Erscheinungsdatum: 18.09.2021
https://www.epubli.de/shop/buch/MENSCH-IM-TEUFELSKREIS-Harry-Popow-9783754166666/118378
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