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Gemeinsam für
den Frieden – Ein Aufruf zur Vernunft
Zur Erinnerung und Mahnung an den
22.06.1941, dem Tag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die
Sowjetunion, fand am 16.06.2021 eine Pressekonferenz des Verbandes
zur Pflege der Traditionen der NVA und GT der DDR und von ISOR e.V.
statt. Dort wurde der Aufruf „Gemeinsam für den Frieden“ von
Militärs aus Ost und West vorgestellt.
Wir
dokumentieren den Aufruf sowie die Rede von Generalleutnant a.D.
Manfred Grätz
Gemeinsam
für den Frieden – Ein Aufruf zur Vernunft
Angesichts der militärischen und politischen
Situation der Welt von heute wird der Kampf um den Frieden immer mehr
zum zentralen Anliegen aller vernünftigen Menschen.
Ehemalige
oder heute noch aktive Militärs in Ost und West haben diesbezüglich
eine besondere Verantwortung, weil sie die Folgen von Kriegen
kennen.
Frieden ist heute nur erreichbar, wenn wir
zurückkehren zu den Prinzipien, auf denen 1945 nach zwei Weltkriegen
auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen die Nachkriegsordnung
aufgebaut wurde:
Achtung der souveränen Gleichheit aller
Staaten, gleich ob groß oder klein
Verzicht auf die Androhung und
Anwendung von Gewalt
Zu diesen Prinzipien müssen wir
zurückkehren, vor allem angesichts des Vernichtungspotentials von
Atomwaffen und Massenvernichtungsmitteln sowie der Ausdehnung des
militärischen und wissenschaftlichen Wettrüstens auf immer neue
Gebiete, bis hin zum Kosmos.
Deshalb rufen wir auf zur
Besinnung auf eine Politik des gegenseitigen Respekts und der
Zusammenarbeit, vor allem der ständigen Mitglieder des
Sicherheitsrates der UNO, denen als Atommächte eine besondere Rolle
zukommt.
Unser Land, eine der stärksten Wirtschaftsmächte
der Welt, trägt wegen seiner Geschichte dabei eine besondere
Verantwortung.
Soldaten der höheren Führungsebene erkennen
auch bei uns ihre Verantwortung, die Politiker zu einer Politik der
Friedenserhaltung und Zusammenarbeit aufzurufen.
Wer heute
über Mittel verfügt, die über Leben oder Tod entscheiden, kann
sich nicht mehr als bloßer Befehlsempfänger der Politik sehen. Wer
diese Verantwortung auf seinen Schultern trägt, hat nicht nur die
Pflicht, sondern auch das Recht, eine Politik einzufordern, die das
gemeinsame Überleben aller sichert.
Die Sorge um die
Erhaltung des Friedens und die Wahrnehmung unserer Verantwortung für
die Zukunft sollte uns über alle sonstigen Unterschiede hinweg
einen. Diese Erde gehört nicht nur uns, sie gehört auch den
Generationen, die noch ins Leben treten werden.
Alle, die die
Sorge um die Erhaltung des Friedens und des Überlebens mit uns
teilen, sind willkommen, unabhängig von ihrer Nationalität,
Profession, ihrem Alter, Geschlecht und Glaubensbekenntnis.
Wir
fordern von unseren Regierungen, Konflikte mit friedlichen Mitteln
unter Beachtung der Interessen der Mehrheit der Menschen zu
lösen.
Unsere Regierungen sollen eine Politik der
Zusammenarbeit führen und gegen andere Länder keine Politik
betreiben, die sie zwingen könnte, ihre Interessen mit militärischen
Mitteln zu schützen.
Als Militärs fordern wir, den über
Jahrzehnte erfolgreichen Prozess der Rüstungskontrolle auf allen
Ebenen fortzusetzen. Er ist seit über einem halben Jahrhundert
Beweis dafür, dass bei entsprechendem politischem Willen und
gegenseitiger Achtung auch komplizierte Probleme unter strikter
Kontrolle einvernehmlich lösbar sind.
Allen ist klar, dieser
Prozess bedarf seiner Anpassung an die Veränderungen in der
Welt.
Gemeinsam mit vielen gleichgesinnten
Verantwortungsträgern rufen wir deshalb dazu auf, innezuhalten mit
der Zerstörung des Völkerrechts und der elementaren
Lebensgrundlagen der Völker.
Es geht um unser Aller
Überleben!
Heute werden dafür die Weichen
gestellt!
Generaloberst a.D. Fritz Streletz
Generalleutnant
a.D. Manfred Grätz
Generalleutnant a.D. Wolfgang
Neidhardt
Generalmajor a.D. Manfred Jonischkies
Konteradmiral
a.D. Gerhard Müller
Oberst a.D. Frithjof Banisch
Oberst a.D.
Herbert Prauß
Oberstarzt Dr. Georg Ludvik (Österreich)
Kapitän
zur See a.D. Gerhard Matthes
Oberstleutnant a.D. Siegfried
Eichner
Major a.D. (Bw) Florian Pfaff
Generaloberst Vitali Asarew (RF)
Generalleutnant a.D. Horst
Sylla
Generalmajor a.D. Sebald Daum
Generalmajor a. D. Dr.
Günter Voigt
Oberst a. D. Friedemann Munkelt
Oberst a.D. Bernd
Biedermann
Oberst a.D. Nikolai W. Tschuikow (RF)
Kapitän z.
See a.D. Werner Murzynowski
Kapitan 1. Ranges a.D. Mikhail Pyresin
(RF)
Major a.D. Rainer Paskowsky
Berlin, 16. Juni 2021
Einen
nochmaligen 22. Juni 1941 darf es nicht geben
Rede von Generalleutnant a.D. Manfred Grätz auf
der Pressekonferenz am 16.06.2021
Schon einmal, vor
nunmehr sechs Jahren, wandten wir uns mit einem Aufruf „Soldaten
für den Frieden“ an die Öffentlichkeit.
Anlässlich des
70. Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus durch die einstige
Antihitlerkoalition brachten wir damals unsere Sorge um die Erhaltung
des Friedens und den Fortbestand der Zivilisation in Europa zum
Ausdruck.
Wir konstatierten, dass der Krieg wieder zum
ständigen Begleiter der Menschheit geworden ist, dass die von den
USA und ihren Verbündeten betriebenen Bemühungen um die Neuordnung
der Welt immer deutlicher und aggressiver spürbar wurden und dass
vor allem die NATO-Osterweiterung in Richtung Russland unaufhaltsam
vorangetrieben wurde.
Eben weil wir als ehemalige Militärs
sehr gut wissen, was Krieg bedeutet, erhoben wir bereits damals
unsere Stimme gegen den Krieg, für den Frieden.
Heute nun, am
Vorabend des 80. Jahrestages des Überfalls Hitlerdeutschlands auf
die Sowjetunion, jenes 22. Juni 1941, der sich mit blutigen Lettern
für immer in den Geschichtsbüchern der Menschheit verewigt hat,
melden wir uns erneut zu Wort.
Unser Gewissen treibt uns
voran.
Unsere moralische Verantwortung als ehemalige Militärs,
die wissen was Krieg bedeutet und die Jahrzehnte für die Erhaltung
des Friedens ihren Dienst verrichtet haben, lässt uns nicht ruhen,
lässt uns mahnen, auch warnen.
Das sind wir uns selbst, mehr
noch den jüngeren Generationen, die ihr Leben noch vor sich haben,
schuldig.
Schweigen ist nicht unsere Art. Und deshalb erheben
wir erneut unsere Stimme.
Dabei gedenken wir der unzähligen
Opfer des 2. Weltkrieges, unter ihnen der mehr als 27 Millionen
Toten, die allein die Sowjetunion zu beklagen hatte.
Gleichzeitig
bringen wir unsere Sorge zum Ausdruck, die Sorge darum, dass die sich
mehr und mehr zuspitzenden Widersprüche in unserer unruhigen Welt
ausufern könnten in einen neuerlichen Weltenbrand.
Einen
nochmaligen 22. Juni 1941 darf es nicht geben.
Die
Widersprüche zwischen den führenden Mächten sind so groß wie nie.
USA, NATO, EU und Verbündete in Asien auf der einen Seite, Russland
und China auf der anderen. Der Kampf um monopolaren Führungsanspruch
der USA stößt auf den Widerstand von Russland und China, die um
eine multipolare Welt bemüht sind. Dieser Widerspruch vertieft die
Gräben für Gesprächs- und Verständigungsbereitschaft zunehmend,
was wiederum die latent existierende Kriegsgefahr nicht geringer
werden lässt.
Die NATO ist dabei, sich neu aufzustellen,
nachzulesen im jüngsten Dokument „NATO 2030“.
Die
Marschrichtung ist klar und eindeutig definiert. Sie weist – wieder
einmal – gen Osten.
Russland wird zum „Feind“ erklärt.
Russland ist die „Hauptbedrohung“, der sich die NATO gegenüber
sieht. Russland ist an allem schuld! So die Hauptargumentationslinie
des Westens in Kurzfassung. Wie heuchlerisch, wie lügenhaft, welche
Verdrehung der Tatsachen!
Lassen wir doch einfach ein paar
wenige Fakten sprechen, um zu verdeutlichen, wer wen bedroht und wer
wen zu fürchten hat.
Nehmen wir militärische Konfrontationen
in Grenznähe zu Russland durch NATO – Präsenz, kleinere und
größere Übungen und Manöver.
Das jüngste NATO-Großmanöver
“Defender 2021“ möge als Beispiel stehen.
ca. 31.000 Mann
aus 28 Staaten, US-geführt, in Ost- und Südosteuropa
darunter
auch Nicht-NATO-Staaten wie Ukraine und Georgien
Übungen in
Albanien, Kroatien, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, also an der
Südflanke, sowie in den Baltischen Staaten im Norden.
All
das in Grenznähe und in Richtung Russland.
Und dazu natürlich
die Beschuldigungen gegen Russland wegen Aggressivität und Bedrohung
der östlichen NATO-Bündnispartner.
Welch´ schizophrene
Argumentation:
Manöver vor den Grenzen Russlands dienen der
Sicherheit der osteuropäischen NATO-Verbündeten.
Manöver
Russlands auf dessen eigenem Territorium werden zu Aggressivität und
Kriegsgefahr hochstilisiert.
Oder nehmen wir die seit dem
NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016 anhaltende Stationierung von
NATO-Kontingenten im Baltikum, an der Südflanke und in Polen.
Schon
ein flüchtiger Blick auf die Landkarte genügt. Man muss kein
Militär sein, um die eindeutige Umklammerung Russlands zu
erkennen.
Und wieder die Frage: Wer bedroht wen?
Schließlich
noch ein Wort zum Anheizen der Rüstung.
Sipri, das Stockholm
International Peace Research Institute, schreibt von einem globalen
Rüstungsboom auch unter Corona-Bedingungen, und davon, dass so viel
Geld letztmalig 1988 ausgegeben wurde, und damals herrschte noch der
Kalte Krieg (der ohnehin nie beendet wurde und gegenwärtig wieder
deutlicher angeheizt wird). Lassen wir nur einige wenige Zahlen
sprechen:
Unvorstellbare 1.981 Mrd. US-Dollar wurden 2020
ausgegeben. Das sind weltweit 2,4 % des Bruttosozialproduktes und
noch einmal 2,6 % mehr als im vorangegangenen Jahr.
An diesen
Ausgaben sind beteiligt:
USA mit 39 %
China – 13
%
Indien – 3,7 %
Russland – 3,1 %
Deutschland – 2,7
%
Frankreich – 2,7 %
Auch wenn diese Zahlen für sich
sprechen, vielleicht nur so viel:
Die unangefochtene Führung
der USA in diesem Ranking verdeutlicht einmal mehr ihren alleinigen
Führungsanspruch. Selbst der immer noch deutliche zweite Platz
dahinter von China, lediglich ein Drittel der Größenordnung der
USA, nimmt sich da schon relativ bescheiden aus.
Und Russland,
der von der westlichen Welt so gefürchtete gefährliche Aggressor,
mit 3,1 % weit abgeschlagen?
Auch in diesem Vergleich zeigen
sich Heuchelei und Demagogie des westlichen Mainstreams.
Aber,
und das sollten sich unsere Regierenden zu Gemüte führen, wenn
Deutschland und Frankreich, beide für sich schon nahe bei Russland,
beide zusammen aber deutlich mehr ausgeben als Russland, dann spricht
auch das wiederum eine sehr deutliche Sprache! Vielleicht ergeben
sich daraus auch Folgerungen für unseren Rüstungsetat und nicht
zuletzt auch Überlegungen für das Verhalten zu Russland.
Lassen
wir es dabei bewenden.
Das sog. Raketenabwehrsystem auf dem
Territorium von Polen und Rumänien mit Großradar in der Türkei,
die einseitige Aufkündigung internationaler Verträge, die hybride
Kriegsführung in all ihren Facetten wären weitere Beispiele dafür,
Licht in die heuchlerische Argumentation der westlichen Welt zu
bringen.
Weiterführende Gedanken dazu würde allerdings das
Anliegen dieses Beitrages sprengen.
Unsere Haltung zu Krieg
und Frieden ist eindeutig.
Dafür, für die Erhaltung des
Friedens in der Welt, haben wir Jahrzehnte mit Überzeugung alles
gegeben.
Daran hat sich nichts geändert, auch wenn die
Geschichte anders verlaufen ist, als wir es wollten.
Deshalb
verfolgen wir aufmerksam, wie sich die Sehnsucht der Menschen nach
Frieden, ihre Abscheu vor Krieg und Vernichtung, mehr und mehr, wenn
auch zaghaft und noch viel zu wenig, in Aktionen und Erklärungen
widerspiegelt.
Wir unterstützen alle Bemühungen, alle
Aktivitäten, die geeignet sind, den Regierenden in der Welt, wo auch
immer, zu zeigen, dass Krieg und Gewalt kein Mittel zur Lösung von
Problemen sind.
So haben wir mit großer Aufmerksamkeit den
offenen Brief von ehemaligen französischen Generälen und hohen
Offizieren zur Kenntnis genommen, den sie als Reaktion auf den Plan
„NATO 2030“ an den Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg,
richteten. Die Übereinstimmung unserer Auffassungen zur NATO,
insbesondere zum aggressiven Kurs gegenüber Russland, zur
NATO-Osterweiterung und einer Reihe weiterer Probleme hat uns
veranlasst, dem Unterzeichner des offenen Briefes unseren Aufruf
„Gemeinsam für den Frieden“ zur Kenntnis zu geben.
Die
Antwort darauf war sehr wohlwollend und ermutigend.
Auch aus
Österreich gibt es von einem Oberstarzt (Dr. Georg Ludvik) eine sehr
persönliche Zuschrift über die Sehnsucht der Menschen nach Frieden,
verbunden mit Respekt und Anerkennung für die NVA im Nachhinein.
Er
schließt mit den zustimmenden Worten:
„Möge der Aufruf zu
Frieden und Vernunft ein entsprechendes Echo erfahren, nie verhallen
und fruchtbaren Boden finden.“
In vielen Verbänden,
Vereinigungen und Zivilgesellschaften wird des 22. Juni 1941, jenes
geschichtsträchtigen Datums, in vielfältiger Form gedacht werden.
All diese Aktivitäten finden unsere Anerkennung und Würdigung,
unseren Appell haben wir nicht umsonst überschrieben mit „Gemeinsam
für den Frieden“.
Ein gemeinsamer Appell mehrerer
Ost-West-Gesellschaften soll hier für viele stehen, der unter dem
Titel „Kein Kalter Krieg gegen Russland – Hört auf damit“
bereits viel Aufmerksamkeit und bis heute nahezu Tausend Unterstützer
gefunden hat.
Ich zähle mich zu ihnen.
All diese
Appelle, Willensbekundungen und ehrenden Gedenken anlässlich dieses
denkwürdigen Tages 22.06.1941 sind Mahnung und Verpflichtung
gleichermaßen.
Zu allererst richten sie sich an die
Regierenden in aller Welt, innezuhalten mit kriegerischen
Auseinandersetzungen und für ein friedliches Miteinander zu
sorgen.
Deutschland, dem Verursacher des Vernichtungskrieges
gegen die SU, kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Wer,
wenn nicht die BRD, noch dazu stärkste und einflussreichste Kraft in
der EU, sollte eine eigenständige, von den USA unabhängige
Politik durchsetzen, die auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit
mit Russland gerichtet ist, die dem Frieden und der Verständigung
dient.
Gemeinsam mit Russland für den Frieden. Ohne Russland
wird es in der Welt keinen Frieden geben.
Generalleutnant a.D.
Manfred Grätz war letzter Chef des Hauptstabes der Nationalen
Volksarmee der DDR
Wir danken Joachim Bonatz für die
Unterstützung bei der Bereitstellung der Texte.
Joachim
Bonatz ist Stellv. Vorsitzender des ISOR e.V.,
der
Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger
Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR.
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