Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29193
Die Friedensbewegung befreien!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Wie ist es um die Friedensbewegung bestellt? Ist sie eine Gefahr für die
Kriegstreiber? Oder ist sie in Gefahr, zum Instrument der Kriegstreiber
zu werden? Die Antwort ist eher erschreckend als ermutigend. Die
strategische Kommunikation läuft schon seit Jahrzehnten. Sie ist auch
heute in vollem Gange. Und sie hat nicht nur Spuren hinterlassen sondern
eher eine Verwüstung angerichtet. Daraus ergibt sich die Frage, wie dem
zu begegnen ist.
Zunächst ist festzustellen, dass (zu) große Teile der Friedensbewegung
sich NATO-konform verhalten. Aus Sicht eines Kriegsbündnisses ist es
sehr lohnend, Protestbewegungen in den Griff zu nehmen und sie gegen
unabhängige Gruppen auftreten zu lassen. Dieser Prozess ist in der
traditionellen Friedensbewegung weit fortgeschritten. Das zeigt sich
z.B. in Aachen, wo DFG-VK, VVN-BdA, pax christi und IPPNW eine
Zusammenarbeit mit den aus dem Spektrum der Grundrechtebewegung
entstandenen „Aachenern für eine menschliche Zukunft“ rigoros
ausschlagen und öffentlich bekunden: „Als friedensbewegte Organisationen
in Aachen distanzieren wir uns… eindeutig von den Demonstrationen der
so genannten Querdenkerbewegung. Wir werden weder heute noch künftig mit
Menschen dieser Bewegung zusammen arbeiten und wehren uns gegen eine
evtl. Beteiligung aus diesen Reihen bei unseren Veranstaltungen oder
Aktionen.“ Die „Aachener für eine menschliche Zukunft“ sind ein Beispiel
für Gruppen, die sich nicht verunsichern oder vereinnahmen lassen.
Diffamierende Konfrontation ist die eine, vereinnahmende,
strangulierende Umarmung die andere Strategie. So sind in der aus der
Grundrechtebewegung hervorgegangenen Friedensbewegung Bestrebungen, sie
unschädlich zu machen, nicht zu übersehen. Es geht darum, ihr die Spitze
zu nehmen, sie zu entgraten, sie auszugrenzen oder gar einzustampfen.
Teile der authentischen Friedensbewegung werden in Bündnisse gelockt, um
sie über Mechanismen wie die Unterordnung unter einen Minimalkonsens zu
kastrieren. Derartiges war 2014/15 beim „Friedenswinter“ zu beobachten,
als es darum ging, die nach dem Putsch in der Ukraine entstandene „neue
Friedensbewegung“ mit Teilen der traditionellen Friedensbewegung
zusammenzubringen. Und zurzeit wiederholt sich das in ähnlicher Form in
Bündnissen, die die Grundrechtebewegung mit Teilen der traditionellen
Friedensbewegung zusammenbringt.
Aber auch in einer Partei wie der Basisdemokratischen Partei Deutschland
(kurz: dieBasis) sind Kräfte sichtbar, die deren friedenspolitisches
Profil bekämpfen. Das zeigt sich z.B., wenn ausgerechnet die besonders
wirkmächtige Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags
(also Verbannung ausländischer Streitkräfte) beim Konsensierungsprozess
„vom Band genommen“ wird – also aus dem Katalog von Aussagen, die von
den Parteimitgliedern bewertet werden sollen, entfernt wird.
Kapital-Verbrecher entmachten
Wie lässt sich wirkungsvoll dazu beitragen, Krieg aus dieser Welt zu
verbannen? Die Antwort ist im Prinzip einfach. Die Kapital-Verbrecher,
die die Kriege organisieren, müssen entmachtet werden. Dazu muss erst
einmal klar sein, wer die Kapital-Verbrecher sind. Beginnen wir 1999 in
Europa. Vor 25 Jahren haben die Kapital-Verbrecher basierend auf
Lügenmärchen einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik
Jugoslawien organisiert. In Deutschland waren Bundeskanzler,
Außenminister und der so genannte Verteidigungsminister an diesem
Verbrechen beteiligt. Im Jahr 2001 haben die Kapital-Verbrecher die
Operation 9/11 organisiert, um im so genannten „Krieg gegen den Terror“
völkerrechtswidrig erst 2001 Afghanistan und dann 2003 mit einer
„Koalition der Willigen“ den Irak zu überfallen. 2011 haben die
Kapital-Verbrecher die Operation „Arabischer Frühling“ organisiert, um
gegen Libyen und Syrien loszuschlagen. 2014 haben die Kapital-Verbrecher
den Putsch in der Ukraine organisiert und den Stellvertreterkrieg gegen
Russland vom Zaun gebrochen. Und am 7. Oktober 2023 haben sie –
begleitet von einer Propaganda-Lawine – mit einem Massaker an der
Bevölkerung von Gaza begonnen – ausgeführt von ihrem Bollwerk Israel,
einem Staat, der sich im Laufe von mehr als 70 Jahren Völker- und
Menschenrecht missachtend zu dem entwickelt hat, was er heute ist: ein
terrorisierender Apartheidstaat.
Trugbild von den USA als dem großen Befreier enttarnen
Die strategische Kommunikation des anglo-amerikanischen Imperiums ist
gut in Verwirrspielen, Desinformation und Desorientierung. Und das schon
seit Jahrzehnten. Weit verbreitet – auch in der Friedensbewegung – ist
die Annahme, dass die USA wesentlich dazu beigetragen haben, Deutschland
1945 vom Faschismus zu befreien. Welchen Beitrag sie geleistet haben,
den Faschismus entstehen zu lassen, ist kaum im Bewusstsein.
Insbesondere der Blick auf die in Basel ansässige „Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ) reicht aus, um das
beschönigende Trugbild von den USA als dem großen Befreier zu enttarnen.
Adam LeBor schreibt in seinem Buch „Der Turm zu Basel“ über die BIZ:
„Sie finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis.“ (1)
Sie war ein entscheidendes Instrument bei der Umsetzung der Strategie,
das Böse zu züchten, von dem es dann die Welt zu befreien galt. Im Buch
„Verhängnisvolle Freundschaft“ von Werner Rügemer liest sich das so:
„Für die Kriegsgeschäfte wurde zum 1. Januar 1940 wieder ein
Wall-Street-Banker zum BIZ-Präsidenten: Thomas McKittrick.“ (2) Für
Hitler-Deutschland saß der Verbindungsmann zwischen deutschen und
britisch-US-amerikanischen Finanzkreisen, Kurt Freiherr von Schröder, im
Verwaltungsrat der BIZ. Er war auch derjenige, der beim Geheimtreffen
mit Hitler und von Papen am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa die
Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt hatte. Damit bestätigt sich, was der
Historiker Guido Giacomo Preparata in seinem Buch „Conjuring Hitler –
How Britain and America made the Third Reich“ (zu deutsch: „Hitler
heraufbeschwören – Wie Großbritannien und USA das Dritte Reich haben
entstehen lassen“) darlegt.
Insgesamt lässt sich bilanzieren: Ergebnis des Krieges von 1939 bis 1945
ist eine ausgeblutete Sowjetunion und ein (West-)Deutschland als
Vasallenstaat im US-Imperium. Und es ist ein Jahrhundertfeindbild
geschaffen. Der einst geförderte „Führer“ ist zur Inkarnation des Bösen
mutiert, auf den bei der Schaffung neuer Feindbilder bei Bedarf Bezug
genommen werden kann: z.B. Milosevic, Saddam Hussein, Ahmadinedschad,
Gaddafi und heute Putin. Zu oft gelingt es, diese
Feindbildkonstruktionen in die Friedensbewegung einzuschleusen. Hingegen
gelten die (westlichen) Alliierten als die Guten, wenngleich sie in
Hiroshima, Nagasaki und deutschen Städten wie Dresden, Hamburg, Köln und
vielen anderen himmelschreiende Kriegsverbrechen begangen haben, deren
die Friedensbewegung in rituellen Proklamationen gedenkt, jedoch meist
ohne die Schuldigen anzuprangern.
Wer oder was ist das „International Peace Bureau"?
Eine nicht unbedeutende Rolle in der Friedensbewegung spielt das
„International Peace Bureau“ (IPB) – in Deutschland mit Sitz in der
Berliner Marienstraße. Auf die Feststellung, dass sich auf der
Spenderliste für ein „Peace-Event“ in Sarajevo im Jahr 2014 „neben
Ministerien auch die USAID“ (United States Agency for International
Development) befinde, und die Frage, ob das die richtigen Geldgeber
seien, sagt der damalige Co-Präsident des IPB, Reiner Braun, in einem
Interview, das das „Neue Deutschland“ mit ihm führt: „Wir bekommen
Gelder von mehreren Regierungen, der finnischen und der französischen.
Und über die deutsche Botschaft auch von der Bundesregierung.“ In einer
Nachfrage gezielt auf die „Gelder der USAID, die stark in die
Sicherheitsstrategie der USA integriert ist", streitet Rainer Braun dies
nicht ab und antwortet: „Alle hier aktiven Friedensgruppierungen und
viele zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen in Bosnien-Herzegowina
und in den anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien leben davon, dass
sie von der USAID oder der EU finanziell unterstützt werden."
Elsa Rassbach (3) schreibt 2014 in einem Offenen Brief: „USAID hat eine
führende Rolle bei den Bestrebungen der USA zum 'Regimewechsel' in der
Ukraine gespielt. USAID unterstützt natürlich die Putschregierung in
Kiew, der ausgewiesene Faschisten angehören und die Terror und Tod über
unzählige Ukrainer gebracht hat. In den letzten zwanzig Jahren hat USAID
1,8 Milliarden Dollar in verschiedene ukrainische Projekte gepumpt… Und
hier in Deutschland arbeitet USAID mit AFRICOM, dem United States
Africa Command in Stuttgart, zusammen, das zum Pentagon gehört und das
zentrale Kommando für alle militärischen Unternehmungen der USA in
Afrika ist… Zusammenfassend lässt sich sagen, dass USAID der brutalen
neokolonialen Politik in Afrika ein 'humanitäres' Mäntelchen umhängt.
USAID ist der Handschuh auf der massiven US-Militärfaust.“ (4)
Ende September 2015 entstand die Aktion „Stopp Ramstein“: Das klingt so,
als ginge es vorrangig um die Schließung der US-Militär-Basis. Doch die
Forderungen im Aufruf beschränken sich in erster Linie darauf, die
Bundesregierung möge die Nutzung von Ramstein speziell für den Einsatz
von Drohnen unterbinden. Forderungen, die darauf hinauslaufen, alle
US-Militäreinrichtungen in Deutschland zu schließen, werden weitgehend
ausgeblendet. Eine Initiative aus dem Spektrum der „Neuen
Friedensbewegung“, die im Mai 2015 in Ramstein und Kaiserslautern unter
dem Motto „USA go home“ genau diese Forderung aufstellte, wurde mit der
Schaffung von „Stopp Ramstein“ ausgebremst. Obwohl im Oktober 2018 bei
einer Aktionskonferenz von „Stopp Ramstein“ einstimmig beschlossen
wurde, die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags
neben der Drohnenthematik zu einem weiteren Leitgedanken der Kampagne
„Stopp Ramstein“ zu machen, wurde das nicht Realität. Auch heute noch
prangt auf deren website ausschließlich das Motto „Keinen
Drohnenkrieg!“. Das war ganz anders bei der 2020 entstandenen, der
Grundrechtebewegung verbundenen Initiative mit dem ähnlich klingenden
Namen „Kündigt Ramstein Airbase". Sie hat nach entsprechender Anregung
die Forderungen nach Austritt aus der NATO und Kündigung des
Stationierungsvertrags unverzüglich in den Kopf ihrer website
aufgenommen.
Während dem 1950 gegründeten Weltfriedensrat mit Sitz zunächst in Paris
kommunistische Orientierung zugeschrieben wurde, ist das unter
Vorspiegelung des Eindrucks einer Rechtsnachfolge des 1891 von Bertha
von Suttner initiierten IPB 1964 neu gegründete „International Peace
Bureau“ offensichtlich konträr westlich ausgerichtet, wie es in der
Positionierung zum NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland deutlich
wird. Das IPB versäumt keine Gelegenheit, NATO-konforme Feindbildparolen
vom „russischen Angriffskrieg“ zu postulieren, während von der
US-Sektion des Weltfriedensrates, dem „US Peace Council“, die
Einschätzung der UN-Konformität des russischen Eingreifens nach Artikel
51 der UN-Charta vertreten wird. (5)
Feindbilder: entscheidende Voraussetzung für Kriege
Gleich am Tag des Eingreifen Russlands – am 24. Februar 2022 – in den
seit 2014 im Osten der Ukraine laufenden Krieg Kiews gegen die
Bevölkerung, die sich dem seitens der USA mit fünf Milliarden Dollar
herbeigeführten Euro-Maidan-Putsch von 2014 nicht fügen wollten,
erklären Reiner Braun und Willi van Ooyen: „Wir verurteilen die
militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es
keine Rechtfertigung.“ (6) Bereits drei Tage zuvor hatten die beiden die
Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk durch die Russische
Föderation verurteilt: „Die Anerkennung der Republiken eskaliert den
Konflikt.“ (7) Am 26. April 2022 schreiben der IPB-Funktionär und der
Naturfreunde-Vorsitzende Michael Müller in der Frankfurter Rundschau vom
„Völkerrechtswidrigen Angriff Putins". Für den zuvorderst vom
„International Peace Bureau“ organisierten „Friedensgipfel“ im Juni 2023
in Wien wird geworben mit einem Aufruf, in dem es heißt: „Wir
verurteilen die illegale russische Invasion in der Ukraine...“ (8)
Häufig wird das Prinzip der Äquidistanz praktiziert. Raubmörder und
Beraubte werden auf die gleiche Stufe gestellt. Zwar die NATO zu
kritisieren, aber doch zu schreiben „Wir verurteilen den russischen
Einmarsch vom 24.2.2022“ wie im Aufruf zur Demonstration vom 25.
November 2023 in Berlin, bei dessen Organisation wiederum das
„International Peace Bureau“ eine zentrale Rolle gespielt hat, ist ein
fragwürdiger Weg. Damit findet die Sprache des Kriegstreibers NATO
Eingang in die Friedensbewegung.
Aber die hier Genannten sind bei weitem nicht die einzigen, die das
NATO-Narrativ bedienen. „Völkerrechtswidriger Angriff“ heißt es bei
„Abrüsten statt Aufrüsten“ zu den Ostermärschen 2022. (9) „Barbarischer,
völkerrechtswidriger Krieg, für den es keinerlei Rechtfertigung...
gibt“ ist eine Formulierung von Sahra Wagenknecht am 25. Februar 2022.
(10) „Akt der Aggression und Menschenrechtskatastrophe“ ist die
Einschätzung von Amnesty Deutschland am 1. März 2022. (11) Vom
„völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen“ schreiben
„Kooperation für den Frieden“ und „Bundesausschuss Friedensratschlag“ im
Ostermarsch-Aufruf 2022. (12) Auch der DGB stimmt in diesen Chor ein:
„Völkerrechtswidriger Angriff“ im Aufruf zu den Ostermärschen 2022 (13),
„Brutaler völkerrechtswidriger Angriffskrieg... Angriff auf die
europäische Friedensordnung“ im Aufruf des DGB zum 1. Mai 2022 (14). Das
erste Kapitel des 2024 erschienenen Buchs „Die NATO“ des BSW-Mitglieds
Sevim Dagdelen beginnt mit dem Satz: „Seit dem 24. Februar 2022, dem
Beginn der völkerrechtswidrigen Invasion Russlands in der Ukraine, sieht
sich die NATO in einem Stellvertreterkrieg mit globaler Dimension."
(15)
Dabei ließe es sich ganz anders sehen: Der Schweizer Geheimdienstanalyst
Jacques Baud formuliert es in seinem Buch „Putin – Herr des
Geschehens?“ so: „Dadurch, dass er [Putin] am 21. Februar [2022] die
Unabhängigkeit der zwei Donbass-Republiken anerkannt hat, und dank der
am selben Tag unterzeichneten Verträge zur Freundschaft und
gegenseitigen Hilfe kann Wladimir Putin sich auf den Artikel 51 der
UN-Charta [Recht auf kollektive Selbstverteidigung] berufen, um auf die
Offensive gegen die Donbass-Bevölkerung zu reagieren.“ (16) In Artikel
51 heißt es: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten
Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das
naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven
Selbstverteidigung…“ Das ziehen neben dem US Peace Council im
Weltfriedensrat auch die friedenspolitischen Organisationen
Bundesverband Arbeiterfotografie und der Deutsche Freidenker-Verband in
Betracht.
Das Bedienen von Feindbildern hat in der „Linken“ und der
„Friedensbewegung“ Tradition. Der LINKE Jan van Aken spricht am
18.3.2011 im Bundestag vom „mörderischen Treiben von Gaddafi". (17) In
einer Erklärung des Aachener Friedenspreises vom 6.3.2011 wird vom
„brutalen und mörderischen Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die eigene
Bevölkerung“ gesprochen. (18) Und die Informationsstelle
Militarisierung (IMI) schreibt am 3.3.2011 von der „ungeheuren
Brutalität... des Diktators Muammar al Gaddafi... Gaddafi ist ein
Verbrecher und er gehört vor Gericht". (19) Am 3. Oktober 2015 äußert
sich Sahra Wagenknecht bei der jährlichen Friedensdemo in Kalkar:
„Natürlich ist auch Assad ein blutiger Diktator". (20) Kurz darauf – am
4. Dezember 2015 – hält sie eine Rede im Bundestag und nennt den
gewählten Präsidenten Syriens, Assad, einen „Diktator, der sein Land
brutal unterdrückt". (21) Und im Aufruf des DGB zum Antikriegstag 1999
hatte es geheißen: „NATO griff ein, weil [Serbiens] Völkervertreibung
und Massenmord durch Verhandlungen nicht gestoppt werden konnten." (22)
Ruf nach glaubwürdiger Diplomatie?
Psychologische Kriegsführung läuft (in der Regel) unterhalb der
Bewusstseinsschwelle, wie es der Autor Jonas Tögel in seinem Buch
„Kognitive Kriegsführung“ über das aktuelle Psycho-Programm der NATO
ausführt. (23) Es gebe seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen großen
Katalog an derartigen Beeinflussungsinstrumenten. Wer informiert über
diese Techniken ist, sei besser gewappnet. Zu den Manipulationstechniken
zählen neben der ständigen Wiederholung von „Glaubenssätzen“ – auch von
Feindbildern – Desinformation und das Ausblenden von Zusammenhängen.
Wenn im oben genannten DGB-Aufruf von „Völkervertreibung und
Massenmord“, die „durch Verhandlungen nicht gestoppt werden konnten“,
die Rede ist, entfällt in diesem Vorwurf die Unannehmbarkeit des
Vertrags von Rambouillet (24) mit Annex B, der Serbien die Stationierung
von NATO-Truppen abverlangte. Auf Informationsebene wird hingegen
unterschlagen, dass USA und NATO mit deutscher Beteiligung in Europa
einen völkerrechtswidrigen Angriff führten – zumal mit der
Hinterlassenschaft von über viereinhalb Milliarden Jahren radioaktiver
Verseuchung und Vergiftung durch Uran ummantelte Geschosse (DU,
Depleated Uranium Munition), die – wie im ebenfalls völkerrechtswidrigen
Krieg der USA im Irak 1991 und 2003 – ganze Regionen unbewohnbar machen
und die Bevölkerung hochaggressivem Mehrfachkrebs aussetzt sowie
Genveränderungen über Generationen, die missgebildete Säuglinge zur
Folge haben. (25) Demgegenüber präsentierten die Kriegstreiber die
rührselige Propaganda-Geschichte der inzwischen enttarnten
Brutkastenlüge. Die Rufe der Friedensbewegung nach Einsatz von
Diplomatie sind sicher berechtigt. Aber es muss deutlich gemacht werden,
dass Verhandlungen allzu häufig unterlaufen werden – wie in Rambouillet
1999, wie bei der fortgesetzten palästinensische Katastrophe trotz Oslo
1980 (26), wie bei Zusagen an Gorbatschow hinsichtlich
NATO-Osterweiterung 1990 und wie vor allem bei den hintertriebenen
Minsker Abkommen auch durch die deutsche Regierung..
Lackmustest „Neuer Krefelder Appell"
Ein Lackmustest, der zeigt, wo Kräfte der „Friedensbewegung“ stehen, ist
der „Neue Krefelder Appell", in dem Krieg an all seinen Fronten
thematisiert wird – an der militärischen wie auch an der
wirtschaftlichen, biologischen und psychologischen – die
Corona-Operation inbegriffen. Während die NATO seit Jahrzehnten in so
genannten Kompetenz- und Exzellenzzentren „Full spectrum Dominance“ (27)
über rein militärisches Vorgehen hinaus vordenkt und praktisch
vorbereiten lässt, konzentrieren sich weite Teile der Friedensbewegung
auf rein rüstungstechnische Aspekte. Der Vertreter des bereits genannten
IPB nimmt diesbezüglich eine Führungsrolle ein. Reiner Braun gehört zu
denen, die den „Neue Krefelder Appell" bekämpfen. Zu den über 130
internationalen Erstunterzeichnern, die aus verschiedenen Bewegungen
(insbesondere der Friedensbewegung, der Grundrechtebewegung und der
Assange-Bewegung) kommen, bemerkt er zusammen mit dem inzwischen
verstorbenen Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum herabwürdigend:
„Die politische Enge des Initiatoren-Kreises... zeigt, dass es sich um
einen Aufruf aus einem bestimmten – unserer Meinung nach – kleinen
Spektrum der ohnehin aktuell nicht großen Friedensbewegung handelt.“
(28) In Verkehrung der Tatsachen behauptet er: „Die Initiatoren des
Aufrufs sind in den letzten Jahren durch spalterische Aktivitäten
aufgefallen...“ Die Verbindung der NATO-Ablehnung mit anderen
politischen Fragen sei „mehr als zweifelhaft“. (29)
Mit seiner Diskreditierung des „Neuen Krefelder Appells“ befindet er
sich – wie viele andere Exponenten der Friedensbewegung und der „Linken“
– im Gleichklang mit der Soros-nahen Organisation „OpenPetition". Ende
März 2020 – gleich zu Beginn der Corona-Operation – war dort die
Petition „Sofortige Aufhebung aller in der Corona-Krise verfügten
Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten!“ auf den Weg gebracht worden.
Nachdem sie gleich zu Beginn – nach nur vier Tagen – von „OpenPetition“
ausgebremst wurde, wurde zum Jahreswechsel 2021/22 die eMail-Funktion,
über die alle zum Schluss immerhin 88.000 Unterzeichner erreicht werden
konnten, gesperrt. Nach einigem Zögern kam das Eingeständnis:
„Desweiteren verlinken sie die Seite https://peaceappeal21.de, auf der
Falschinformationen verbreitet werden.“ Das ist die website, auf der der
„Neue Krefelder Appell“ unterzeichnet werden kann.
Dass Soros-nahe Organisationen dem Appell Steine in den Weg legen
wollen, ist nicht verwunderlich. Es gibt aber eine Vielzahl von Attacken
gegen den „Neuen Krefelder Appell". Damit zeigt sich: Die Strategen des
Krieges haben wesentliche Schaltstellen bis hinein in „linke“ Parteien
und Protestbewegungen mit ihren Kräften besetzt – mit dem Ziel, ein
breites Bündnis über ideologische Grenzen hinweg, wie es zu Beginn der
1980er Jahre erfolgreich war, nicht noch einmal entstehen zu lassen.
Gatekeeper sind voll im Einsatz – z.B. auch als Moderatoren von
Mailing-Listen mit linkem Anstrich. Auch hier werden Informationen, die
auf den „Neuen Krefelder Appell“ hinweisen, nicht durchgelassen. In
breiter Front wird vor der Unterzeichnung „gewarnt". Auch die DFG/VK,
die als Gegner der vom „International Peace Bureau“ befördeten
Friedensbündnisse in Erscheinung tritt, gehört dazu. Die Unterzeichnung
wird sogar über eine Art von Unvereinbarkeitsbeschluss geahndet. Die
„globalisierungskritische“ Organisation attac schließt Mitglieder aus,
die den Appell unterzeichnen.
dieBasis: größte institutionalisierte Friedensbewegung Deutschlands
Im Vortrag „Der Weg zum Frieden: NATO raus aus Deutschland – NATO raus
aus Europa", den der Mitautor Andreas Neumann bei der Konferenz „Frieden
ohne NATO“ der AG Frieden Köln der Partei dieBasis im November 2023 in
Köln gehalten hat, sagt er: wer Mitglied in einer kriminellen
Vereinigung bleiben wolle, mache sich mitschuldig an deren Verbrechen.
Deshalb dürfe es für eine Friedensbewegung, die diesen Namen verdient,
keine Frage sein, was zu fordern ist. „Hier sollten wir uns die
Auffassung des Schriftstellers Rolf Hochhuth zu eigen machen, dass das
Ende Deutschlands allein durch Ausstieg aus der NATO verhindert werden
kann. Auch der Ausstieg aus den so genannten militärischen Strukturen
ist keine Alternative.“ (30) Immer wieder wird zur Begründung, warum es
richtig sei, nur aus den so genannten militärischen Strukturen der NATO
auszusteigen, als Lichtgestalt Charles de Gaulle genannt. Doch
verschwiegen wird dabei, dass seinerzeit – 1966 – gar nicht die
Möglichkeit bestand, aus der NATO als ganzer auszutreten. In Artikel 13
des Nordatlantikvertrags heißt es: „Nach zwanzigjähriger Geltungsdauer
des Vertrags kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein
Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die
Kündigung mitgeteilt hat...“ Der Vertrag trat am 24. August 1949 in
Kraft. Also besteht die Möglichkeit zum Austritt erst seit 1969.
Zu den authentischen Kräften des Friedens gehört zurzeit – wie
Mitautorin Anneliese Fikentscher es am 1. Mai 2024 in Berlin bei einer
Veranstaltung der Freien Linken betonte – dieBasis. Sie ist mit über
20.000 Mitgliedern die „größte institutionalisierte Friedensbewegung
Deutschlands". In der Partei dieBasis ist es gelungen, NATO-Austritt und
Kündigung des Truppenstationierungsvertrags – wie es von der Kampagne
„NATO raus! Raus aus der NATO“ vertreten wird – zur Partei-Position zu
machen. Ein entsprechender Antrag der AG Frieden Köln an den
Bundesparteitag im September 2023 wurde „mit überwältigender Mehrheit“
angenommen. Es heißt darin: „Der Bundesparteitag der Partei dieBasis
sieht die Notwendigkeit, die Bundesrepublik Deutschland zu einem
militärisch neutralen Staat zu machen. Deshalb befürwortet er die
Forderung nach Kündigung des Vertrags über den Aufenthalt ausländischer
Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (auch
Truppenstationierungsvertrag genannt) und den Austritt Deutschlands und
der anderen NATO-Mitglieder in Europa aus der NATO.“ (31) Zudem spricht
sich der Bundesparteitag gegen das Schüren von Feindbildern aus – also
gegen Formulierungen wie „brutaler völkerrechtswidriger Angriffskrieg
Russlands“ bzw. „Putins“ – und gegen Krieg in all seinen Formen – wie
die Operationen „Corona“ und „Klima“ sowie die Einführung einer
digitalen Zentralbank-Währung. Im EU-Wahlprogramm heißt es: „Es gilt,
den militaristischen Charakter der EU mit ihrer Anbindung an die NATO,
ihrer Verpflichtung zur Aufrüstung, der Außerkraftsetzung des Rechts auf
Leben bei der Niederschlagung von Aufruhr oder Aufstand und der Führung
von Kriegen zur Interessenswahrung zu überwinden." (32)
Sehr gerne wird das Verwirrspiel betrieben, derartige linke Positionen
als rechts hinzustellen. Selbst das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist –
wie wir in Sachen Bedienen von Feindbildern gesehen haben – von derart
linken Positionen noch weit entfernt. Es ist eine wichtige Aufgabe, das
zu ändern und konkret umsetzbare Forderungen wie nach Austritt aus der
NATO und Kündigung des Truppenstationierungsvertrags auch in diese neue
Partei – wie natürlich auch in andere Organisationen und Gruppierungen
der Friedensbewegung – vorbei an den „Einflussagenten“, wie Oskar
Lafontaine sie nennt – hineinzutragen. Dies wäre ein wesentlicher
Beitrag, die Friedensbewegung wirkmächtig werden zu lassen und sie aus
dem Griff der NATO zu befreien. Das Motto könnte lauten: Full Spectrum
Peace!
Fußnoten:
1 Adam LeBor, Der Turm zu Basel. BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte, Rotpunktverlag, Zürich 2014
2 Werner Rügemer, Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten, PapyRossa, Köln 2023
3 Elsa Rassbach: Mitglied der feministischen Friedensorganisation Code Pink
4 http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung1/sarajewo2.html
5 https://cooptv.wordpress.com/2022/03/25/erklarung-des-us-friedensrats-zur-militarintervention-russlands-in-der-ukraine/
6 Per Mail-Verteiler "bundesausschuss_friedensratschlag" verschickt am 24.02.2022
7 Per Mail-Verteiler "bundesausschuss_friedensratschlag" verschickt am 21.02.2022
8 https://www.ipb.org/wp-content/uploads/2023/04/DE-ISPUkraine-23-Invitation.pdf
9 https://abruesten.jetzt/2022/04/stoppt-den-krieg-frieden-und-solidaritaet-fuer-die-menschen-in-der-ukraine-2/
10 https://www.youtube.com/watch?v=C9-oJhuYIOI (Minute 00:45)
11 https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/ukraine-russland-invasion-akt-der-aggression-menschenrechtskatastrophe
12 https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2022/erklaerungen/kooperation-bundesausschuss
13 https://koeln-bonn.dgb.de/themen/++co++13d2753c-b4cf-11ec-bc9e-001a4a160123
14 https://mittelhessen.dgb.de/kreisverbaende/vogelsberg/++co++5863f13a-ba56-11ec-aa11-001a4a160123
15 Sevim Dagdelen, Die NATO - Eine Abrechnung mit dem Wertebündnis, Westend, Frankfurt/Main 2024
16 Jacques Baud, Putin – Herr des Geschehens?, Westend, Frankfurt/Main 2023
17 zitiert nach:
https://www.hallo-wippingen.de/_news/2011/03/libyen/van-aken-18.3.2011.pdf
(Originalquelle
http://www.jan-van-aken.de/aktuell/rede-libyen-18.3.2011.html nicht mehr
verfübar)
18 zitiert nach:
http://www.arbeiterfotografie.com/nordafrika/index-nordafrika-0012.html
(Originalquelle
http://www.aachener-friedenspreis.de/uploads/media/Kein_Krieg_gegen_Libyen.pdf
nicht mehr verfübar)
19 zitiert nach:
http://www.arbeiterfotografie.com/nordafrika/index-nordafrika-0012.html
(Originalquelle http://www.imi-online.de/2002.php?id=2258 nicht mehr
verfübar)
20 https://www.youtube.com/watch?v=xpsu3QkwXyM (Minute 03:14)
21 https://dserver.bundestag.de/btp/18/18144.pdf
22 zitiert nach Rede von Sebastian Bahlo: https://www.freidenker.org/?p=14127
23 Jonas Tögel, Kognitive Kriegsführung - Neueste Manipulationstechniken
als Waffengattung der NATO, Westend, Frankfurt/Main 2023
24 https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Rambouillet
25 Siehe hierzu auch: Frieder Wagner, Todesstaub - Made in USA: Uranmunition verseucht die Welt, Wien 2019
26 https://de.wikipedia.org/wiki/Oslo-Friedensprozess
25 Siehe hierzu auch Vortrag "Full Spectrum Dominance" von Wolfgang
Effenberger (http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28875) und
F.William Engdahl, Full Spectrum Dominance, Wiesbaden 2009
(https://archive.org/details/engdahl/engdahl-full-spectrum-dominance)
28 Per Mail-Verteiler von "KoopFrieden" verschickt am 16.12.2021
29 ebenda
30 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28873
31 ebenda
32 https://diebasis-partei.de/wp-content/uploads/2024/04/dieBasis_Wahlprogramm_fuer_die_EU_Wahl_2024_24-04-16.pdf
Erstveröffentlichumg am 15. Juli 2024 in Ausgabe 1 (Sie wollen Krieg!) der Manova-Printpublikation "Gegendruck"
mit weiteren Beiträgen von Eva Borst, Michael Brenner, Klaus-Jürgen
Bruder, Roberto De Lapuente, Elisa Gratias, CJ Hopkins, Angela Mahr,
Ullrich Mies, Jan Oberg, Flo Osrainik, Tom-Oliver Regenauer, Nicolas
Riedl, Jürgen Rose, Roland Rottenfußer, Ilia Ryvkin, Wolfgang
Sachsenröder, Michael Straumann und Raymond Unger sowie Zeichnungen von
Henrich, 160 Seiten, 18 Euro. Bestellen bei gegendruck.eu
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