Entnommen: https://linkezeitung.de/2020/09/09/china-gewinnt-eine-weitere-weltkrise/
China
gewinnt eine weitere Weltkrise
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅
9. SEPTEMBER 2020 ⋅ EIN KOMMENTAR
von – Dmitri
Kossyrew – https://de.sputniknews.com
Abermals geht das Reich der Mitte stärker aus einer
Wirtschaftskrise hervor als es vorher war. Die Zeitung „New York
Times“ macht dies an Exportzahlen fest: 2018 kamen 12,8 Prozent
aller Exporte auf dem Weltmarkt aus China, 2019 waren es 13,1
Prozent, im zweiten Quartal 2020 sind es 20 Prozent.
Die
Exportzahlen sind ja schon stark, doch noch verlässlicher ist der
Einkaufsmanagerindex PMI für das produzierende Gewerbe (vorwiegend
mittelständische Wirtschaft) und, gesondert, für den
Dienstleistungssektor. Die beiden Indizes zeigen für China im
zurückliegenden Sommer nicht nur eine positive Entwicklung, sondern
laut der Zeitung „South China Morning Post“ eine Steigerung, wie
das Land sie seit Anfang 2011 nicht erlebt hat. Dabei war 2011 schon
kein Durchschnittsjahr für die Volksrepublik, sondern das Jahr, in
dem die Chinesen nach der Weltfinanzkrise zur zweitstärksten
Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen sind.
Einerseits ist der
chinesische Exportboom nachvollziehbar. China war als erstes Land der
Welt in die COVID-19-Quarantäne mit den einhergehenden
Betriebsschließungen gegangen und ging entsprechend als erstes Land
aus der Quarantäne wieder heraus: gerade in der Zeit, in der die
meisten anderen Länder noch unter den Lockdowns ächzten. So waren
es vorwiegend chinesische Waren, die die Konsumlöcher in aller Welt
füllten. Da kommen die 20 Prozent her, die natürlich nicht ewig
währen können, denn Expansionen dieser Größenordnung sind selten
beständig.
Andererseits ist an den chinesischen 20 Prozent
wenig bis gar nichts Begreifliches dran. Denn die Quarantäne brach
in dem Moment über China herein, als die USA mit aller Wucht gegen
die chinesische Industrie und die chinesischen Exporte auf den
Weltmärkten vorgingen. Die oben erwähnte „New York Times“ reibt
sich denn auch verwundert die Augen, wie es sein könne, dass der
Winter 2019/2020, in dem die USA alles an die Zerschlagung der
chinesischen Wirtschaftsmacht setzten, plötzlich mit einem so
überraschenden Exportsommer endete.
In die USA gelangen
chinesische Waren inzwischen mit einem Strafzoll von 25 Prozent. Dass
die Vereinigten Staaten der größte Handelspartner der Chinesen
sind, sei hier nur beiläufig erwähnt: Dorthin liefert China den
Großteil seiner Exporte.
Parallel dazu steht die
Privatwirtschaft nicht nur in den USA selbst, sondern in allen
westlich ausgerichteten Ländern unter enormem Druck:
Produktionsniederlassungen in China sollen geschlossen, die
Lieferketten zurück in die USA oder andere Länder verlagert werden.
Es dürfe nicht sein, dass China die Werkbank der Welt bleibe. Was
die USA als Begründung dafür heranziehen, ist unwesentlich, denn
die Liste der Vorwürfe an Peking ist lang und hat keinen Anspruch
auf Wahrheitsgehalt.
Mitten in dieser für die chinesische
Wirtschaft bedrohlichen Situation bricht die Coronakrise aus. Da ist
es schwer, der Versuchung zu widerstehen, eine simple
Verschwörungstheorie zu stricken: Im Versuch, sich gegen die USA zu
wehren, setze Peking einen Virus aus und gewinne letztlich schon aus
dem Grund, dass das Land schneller auf die neue Bedrohung reagieren
könne. 78 Prozent der amerikanischen Bürger glauben diese
Darstellung jedenfalls, berichtet die Zeitung „South China Morning
Post“.
Tatsächlich ist die Lage weniger spannend und damit
erklärbar, dass die chinesische Industrie, die die ganze Welt
beliefert, sich auf kurze und verfügbare Lieferketten stützt. Was
auch immer chinesische Firmen für die Produktion benötigen, es ist
gleich zur Hand. Dadurch bleiben chinesische Waren, auch die
hochtechnologischen, gegenüber amerikanischen Erzeugnissen selbst
bei einem Zoll von 25 Prozent noch wettbewerbsfähig. Und Analysten
gehen davon aus, dass dies die nächsten 20 bis 30 Jahre so bleiben
werde.
Wie könnte das aussehen? Die Antwort auf diese Frage
ist die Kernherausforderung der internationalen Politik der
absehbaren Zukunft. Die heutige Welt teilt sich in zwei Lager auf:
Länder, die dem Druck aus den USA nachgeben und ihre Verbindungen
nach China kappen (in diesem Lager kämpfen Politiker und Ideologen
gegen wirtschaftliche Realitäten). Und Länder, die nicht mal daran
denken wollen, dem Druck aus Übersee nachzugeben.
Nehmen wir
die Philippinen als Beispiel. Dort wird es im Moment sehr spannend.
Der Außenminister des Landes erklärt nämlich, es sei doch
vorteilhaft, wenn das Land sich den US-Sanktionen gegen einen
chinesischen Baukonzern anschließe. Der Präsident Rodrigo Duterte
hält währenddessen dagegen, es werde keine Sanktionen geben, weil
derselbe chinesische Baukonzern an Bauprojekten im Wert von zehn
Milliarden Dollar auf den Philippinen beteiligt sei, einschließlich
der Errichtung des zweiten Hauptstadtflughafens.
Als
Gegenbeispiel nehmen wir das große Indien. Unter seiner derzeitigen
Regierung gerät das Land ständig in Konflikte mit China und bindet
sich so eng wie möglich an die USA. Allerdings sind die Vereinigten
Staaten dadurch nicht mehr in der Lage, auf die wirtschaftlichen und
sicherheitspolitischen Belange dieses Landes im nötigen Umfang
einzugehen. Und bei dem gegenwärtigen Absturz der beiden
Volkswirtschaften wie bei der tiefen Spaltung im Inneren Amerikas
wird es nur noch schlimmer.
Diese zwei Beispiele sind nur ein
kleiner Ausschnitt aus der Welt der Zukunft – einer Welt, in der es
noch schwieriger sein wird, China die Früchte seiner Anstrengungen
aus der Hand zu
reißen.
https://de.sputniknews.com/kommentare/20200908327897377-china-weltkrise-sieg/
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