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Egon Krenz: Verkehrte Geschichte
15. Mai 2024
,
Verbot
von Egon Krenz
per E-Mail verbreitet
Seit 1951 war ich in der Regel dabei, wenn Millionen DDR- Bürger auch am
Treptower Ehrenmal die sowjetischen Opfer ehrten, die für unsere
Freiheit vom Faschismus ihr Leben gaben. Immer hatte ich das Gefühl,
leben zu können, weil sie ihr Leben für uns gaben.
Dieses Jahr packte mich der Zorn: Eine polizeiliche Verfügung verdrehte
in mehreren Punkten die geschichtliche Wahrheit über den Zweiten
Weltkrieg: Die Sieger von einst wurden zu Opfern der Besiegten gemacht.
Es wurde untersagt, ein Duplikat des roten Banners zu zeigen, das 1945
auf dem Dach des Reichstages als Zeichen des Sieges über den deutschen
Faschismus gehisst wurde.
Empörend finde ich auch, dass das Singen oder Abspielen „aller Varianten
des Liedes ‘Der Heilige Krieg`“ verboten worden war. Der Text entstand
nur wenige Tage nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion. Die
deutsche Übersetzung verfasste der Antifaschist Stefan Hermlin. Wenn der
Arbeitersänger Ernst Busch sie sang, verstand jeder den Appell aus dem
Lied des Großen Vaterländischen Krieges:
„Den Nazihorden Widerstand
Tod der Faschistenmacht!‘“.
Mein inzwischen betagter russischer Freund, mit dem ich 1964 in Moskau
ein Zimmer im Internat teilte, fragte mich gestern per E- mail, warum
darf man in Deutschland nicht gegen die Nazis singen?
Diese Frage war keineswegs „russische Propaganda“, sondern am Tag des
Sieges deutsche Realität. Es zeigt, wohin es führt, wenn der
Ukrainekrieg zur Verfälschung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges
instrumentalisiert wird.
Es wäre an der Zeit, dass die führenden deutschen Politiker sich endlich
wieder an die staatsmännische Rede von Bundespräsident von Weizsäcker
erinnern, der 1985 der westdeutschen Bevölkerung den 8. Mai als „Tag der
Befreiung“ erklärte.
Frieden gibt s nur mit Russland, nicht gegen das größte Flächenland der
Welt. Alles andere ist erfahrungsgemäß objektiv gegen die nationalen
Interessen der Deutschen gerichtet.
Egon Krenz, Dierhagen, war u.a. Erster Sekretär des Zentralrats der FDJ,
Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED,
stellvertretender und zuletzt Vorsitzender des Staatsrates der DDR
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrage
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