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Washington, London und Tel Aviv in Palästina verstrickt
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 20. MÄRZ 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Thierry Meyssan – http://www.voltairenet.org
Als Ergebnis der Intervention Washingtons hat Israel aufgehört, die
Gaza-Bevölkerung zu massakrieren, um Palästina ethnisch zu säubern und
dort seine Siedlungen auszuweiten. Darüber hinaus hat Israel der Passage
humanitärer Hilfe für die eingeschlossenen Zivilisten zugestimmt. Doch
weder die revisionistischen Zionisten von Benjamin Netanjahu noch die
Hamas von Ismail Haniyeh haben eine Lösung gefunden. Diese beiden
Gruppen, die für sich in Anspruch nehmen, Juden bzw. Araber zu
verteidigen, setzen in Wirklichkeit das britische Kolonialprojekt fort,
welches 1915 von Lord Spencer formuliert wurde: eine Region, die nicht
in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.
Seit 1948 ist die einzige Lösung, die immer wieder aufgeschoben wurde,
die eines einzigen binationalen Staates, wie es in der UN-Resolution 181
festgelegt ist.
Die Vereinigten Staaten, die geplant hatten, vorgezogene Neuwahlen in
Israel zu provozieren und darauf zu drängen, dass General Benny Gantz an
die Macht kommt, wurden enttäuscht [1].
Als Benny Gantz in Washington eingeladen war, erwies er sich als weniger
gefügig als erwartet: Er unterschied sich zwar von Benjamin Netanjahus
“revisionistischen Zionisten”, indem er das Recht der Araber anerkannte,
in ihrem Land zu leben, aber er zeigte seine Entschlossenheit, die
Hamas von Gaza auszurotten. Nun, die historische Hamas ist jedoch nichts
anderes als der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft, ein
Instrument der Vorherrschaft des Vereinigten Königreichs.
Es sei daran erinnert, dass sich die Hamas seit 2017 offiziell aus der
Bruderschaft zurückgezogen hat, aber ihre wichtigsten Führer sind immer
noch Mitglieder und setzen ihre Strategie langfristig um. Während des
Krieges gegen Syrien kämpfte die Hamas an der Seite der NATO und Israels
gegen die Arabische Republik Syrien.
Die Hamas-Strömung, die sich von der Bruderschaft trennte, hat mit
Syrien am 19. Oktober 2022 Frieden geschlossen. Präsident Baschar
al-Assad empfing dessen Staatschef Khalil Hayya in Damaskus. Ein Treffen
mit der von Khaled Meshal verkörperten Strömung der Muslimbruderschaft
lehnt er hingegen weiterhin ab.
Seit Beginn der Operation “Eisernes Schwert” jagt und tötet Israel
Hamas-Mitglieder, die sich dem palästinensischen Widerstand
angeschlossen haben, und verschont jene, die Mitglieder der Bruderschaft
geblieben sind. So ermordete der israelische Generalstab in Beirut die
Nummer 2 des politischen Flügels der Hamas, Saleh al-Arouri [2].
Letzterer war nämlich wegen seiner Opposition gegen die
Muslimbruderschaft aus Katar ausgewiesen worden.
General Benny Gantz machte auf seiner Rückreise nach Israel einen
Zwischenstopp in London. Wir wissen, dass er selbst die Initiative zu
diesem Zwischenstopp ergriffen hat und dass Premierminister Benjamin
Netanjahu alles getan hat, um sicherzustellen, dass er nicht in den
Genuss der diplomatischen Immunität im Vereinigten Königreich kommt, auf
die Gefahr hin, dort wegen Mittäterschaft an Verbrechen gegen die
Menschlichkeit verhaftet zu werden [3]. Wie auch immer, Benny Gantz
machte in London die gleichen Bemerkungen wie in Washington: Er war
bestrebt, sowohl das Massaker in Gaza zu stoppen, als auch die Operation
gegen die Hamas fortzusetzen. Er bestätigte damit seinen erstaunten
Gesprächspartnern, dass er die Drohungen von Rabbiner Uzi Sharbaf
während der “Konferenz für den Sieg Israels” [4] ebenso fürchte wie sie,
dass er aber auch die Muslimbrüder bekämpfen werde.
Egal, was die Briten sagen, sie kontrollieren immer noch die
Bruderschaft. Das haben wir in den Kriegen gegen Libyen und Syrien
gesehen. Sie waren verantwortlich für die Kommunikation dieser geheimen
Organisation und aller ihrer Milizen. In einigen Fällen versorgten sie
sie mit Waffen und Geheimdienstinformationen.
Die Angelsachsen befinden sich also wieder am Ausgangspunkt: 1915
wollten sie mit Lord Herbert Samuels Memorandum über Die Zukunft
Palästinas (also vor Lord Balfours Erklärung) einen unabhängigen
jüdischen Staat in Palästina unterstützen, aber nicht stark genug, um
sich selbst verteidigen zu können. In der Folge brachen die Anhänger von
Volodymyr Jabotinsky, einem historischen Verbündeten von Benito
Mussolini, und damit einem “Faschisten” im vollen Sinne des Wortes, mit
London und versuchten, ihr koloniales Projekt auf die gleiche Weise
fortzusetzen, wie es Cecile Rhodes in Rhodesien wenig später tat. Die
Briten waren zusammen mit den Amerikanern während des Kalten Krieges
gezwungen, ihre Feinde für sich arbeiten zu lassen. 75 Jahre später ist
die Situation die gleiche: Israel ist nicht stark genug, um sich alleine
zu verteidigen, aber die Angelsachsen weigern sich, das Massaker an den
Arabern Palästinas am helllichten Tag zu billigen. Wenn sie Israel
bewaffnen, besudeln sie sich vor der Öffentlichkeit mit Blut, wenn sie
es nicht tun, verlieren sie den letzten Rest des britischen Empires [5].
Entgegen einer landläufigen Meinung hat die Muslimbruderschaft nie
versucht, einen palästinensischen Staat unabhängig von einem jüdischen
Staat zu errichten (wie von Lord William Peels Kolonialkommission
vorgeschlagen und als “Zwei-Staaten-Lösung” populär gemacht), noch einen
föderierten palästinensischen Staat mit einem jüdischen Staat innerhalb
eines binationalen Staates (wie von den Vereinten Nationen
beschlossen). Der Unterschied zwischen diesen beiden Projekten besteht
darin, dass das erste die Gleichheit der Araber untereinander und der
Juden untereinander gewährleistet, während das zweite das Ziel der
Gleichheit aller Menschen, ob Araber oder Juden, ansteuert.
Hassan el-Banna, der Gründer der Bruderschaft, bat in seinem Brief an
den (pro-britischen) ägyptischen Premierminister Mustafa el-Nahas
Pascha, “die Wiederherstellung des Kalifats in Übereinstimmung mit der
vom Islam geforderten Einheit” vorzubereiten. Während ihrer ersten Phase
verkündete die Hamas auf ähnliche Weise in ihrer Charta, dass sie einen
Staat für Muslime (das Kalifat) errichten wolle. Als jedoch 2017 ein
Teil ihrer Basis die Bruderschaft, die gerade in Syrien verloren hatte,
ablehnte, verabschiedete sie eine Charta, die sich für einen
unabhängigen palästinensischen Staat (im Sinne der Peel-Kommission und
der “Zwei-Staaten-Lösung”) aussprach. Das jüngste Pamphlet der Hamas,
Our Narrative… Die Operation Al-Aqsa Flood [6] markiert jedoch einen
Rückschritt, indem es die acht Forderungen der historischen Hamas
präsentiert. Es bekräftigt, dass es die israelische Besatzung ablehnt,
sich aber nicht für einen palästinensischen Staat ausspricht, da das
Ziel der Bruderschaft die Wiederherstellung eines Kalifats, d.h. eines
supranationalen Staates für alle muslimischen Völker, ist.
Auch Israel befindet sich in einer Sackgasse. Es weiß nicht, was zu tun
ist. Das Kriegskabinett (d.h. sowohl Benjamin Netanjahus jüdische
Suprematisten als auch Benny Gantz’ Demokraten) beabsichtigt, die Hamas
zu zerstören, auch in Rafah. Doch alle Experten, einschließlich
ehemaliger Shin Bet- und Mossad-Chefs, sind sich einig, dass das Problem
nicht eine bestimmte Organisation ist, sondern die politische
Situation, die den Widerstand antreibt. Selbst wenn man eine völlige
Zerstörung der Hamas unterstellt, würde unter den gegebenen Bedingungen,
nur die Schaffung eines neuen Widerstandsnetzwerks gefördert und nicht
garantiert, dass ein neuer 7. Oktober unmöglich würde.
Darüber hinaus haben die “revisionistischen Zionisten” ihr Projekt der
Vertreibung der Araber aus Palästina (“ein Land ohne Volk, für ein Volk
ohne Land”) nicht aufgegeben. Aus ihrer Sicht könnte die vom Pentagon
veranlasste Schaffung einer schwimmenden Insel vor der Küste des
Gazastreifens innerhalb von zwei Monaten dazu beitragen, diesen Plan
wiederzubeleben. Die Landungsstelle humanitärer Hilfsgüter könnte sich
fast augenblicklich in eine Schiffsanlegestelle für das Exil verwandeln,
wie es die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PLFL) anprangert. Man
erinnere sich, dass die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula
von der Leyen, zu Beginn der Krise in Kairo ankündigte, dass die EU
bereit sei, eine Million Menschen aus dem Gazastreifen aufzunehmen.
Afrikanische Staaten waren vom Büro von Benjamin Netanjahu kontaktiert
worden. Die Presse zitierte den Tschad, Ruanda und den Kongo, die alle
drei dies jedoch dementierten [7].
Würde eine solche Wendung stattfinden, würde der
ägyptisch-palästinensische Grenzübergang in Rafah seinen Nutzen
verlieren. Israel würde dies ausnutzen, um Ägypten von jeder politischen
Entscheidung auszuschließen. Kairo hat sich nämlich lange Zeit
geweigert, die Bewohner des Gazastreifens ins Exil gehen zu lassen und
erst letzten Monat ein Lager im nahen Sinai errichtet, um dort 1 Million
von ihnen zu beherbergen [8].
Tatsächlich zwang die Intervention der Vereinigten Staaten Israel, die
ethnische Säuberung des Gazastreifens aufzugeben und der Lieferung
humanitärer Hilfe zuzustimmen. Das ist ein großer Schritt vorwärts. Aber
Washington ebnete nicht den Weg für den Frieden, denn das würde nicht
nur die Entlassung der jüdischen Faschisten bedeuten, sondern auch das
Ende des britischen Kolonialprojekts in Palästina.
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
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