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Die Wahl als Farce – in Russland oder in Deutschland?
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 16. MÄRZ 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Dagmar Henn – https://meinungsfreiheit.rtde.life
Drei Tage lang wird jetzt in Russland gewählt, und die deutsche
Berichterstattung verwendet viel Mühe darauf, dem Publikum einzureden,
das sei eigentlich gar keine Wahl. Weil nicht demokratisch. Das ist
schon Werfen mit Felsbrocken im Glashaus.
Angesichts der russischen Präsidentschaftswahlen laufen die
Kommentatoren der deutschen Medien wieder zu Hochform auf, was nicht
sonderlich überrascht. Das Einzige, was an diesen Veröffentlichungen
irritierend ist, ist, dass auch Sahra Wagenknecht bedingungslos in
diesen Chor mit einstimmt, die russische Wahl zur Farce erklärt und ihre
Position, Verhandlungen mit Russland zu suchen, auch noch damit
begründet, dass “mit diesem Kurs unter dem sozialdemokratischen
Bundeskanzler Willy Brandt der Wandel im Osten eingeleitet” worden,
sprich, ein Regimewechsel auf den Weg gebracht worden sei.
Donald Trump: Ein Schritt bis zum Sieg – oder bis zum Attentat
Dabei hätte allein der Jagdinstinkt dafür sorgen müssen, dass die
Antwort anders lautet. Schließlich läuft in Deutschland seit dreißig
Jahren unerbittlich das gleiche Programm. Egal, welche Koalition am Ende
regiert, die Armutsquote steigt, die Wohnungsfrage bleibt ungelöst, die
Renten sinken, die Arbeitsverhältnisse verschlechtern sich. Nun, seit
neuestem gibt es auch noch Deindustrialisierung als Bonus, und massive
Einwanderung, aber auch hier kann man im Grunde wählen, was man will,
ohne am Ergebnis etwas zu ändern. Die Antwort auf eine Frage nach den
Wahlen in Russland hätte also schlicht lauten können: Ich finde, wir
müssen uns erst einmal um die Demokratie in Deutschland kümmern.
die tagesschau ließ sich ihre ausführliche Einschätzung gleich aus der
BND-Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) liefern, von deren
“Russland-Expertin” Sabine Fischer. Und diese Bewertung steigt gleich
ein mit “Putin hat kein Wahlprogramm im eigentlichen Sinne, das würde
man auch auf seiner Kampagnenwebseite vergeblich suchen. Das Programm
Putins ist Putin selbst.”
Welch ein Glück, dass die entscheidenden Reden Putins in Deutschland
nicht wiedergegeben werden. Und dass man es als feste Sicht etabliert
hat, da spreche nur eine Person. Wobei man voraussetzen muss, dass alle
Beteiligten wissen, welchen Unfug sie damit erzählen, weil nicht einmal
ein Dorfbürgermeister die Planungen für den nächsten Jahrmarkt bekannt
gibt, ohne sich vorher mit allen Beteiligten abgestimmt zu haben.
Und es ist noch in einer anderen Hinsicht nützlich, diese Reden nicht
wiederzugeben. Wenn beispielsweise ein Ziel gesetzt wird, die
Armutsquote weiter zu senken, könnte das den Deutschen komisch
vorkommen, weil deutsche Regierungen sich im Grunde so verhalten, als
wäre eine steigende Armutsquote ein Zeichen besonderen Erfolgs. Oder so
etwas wie Wohnungsbaupläne, die tatsächlich umgesetzt werden. Dieses
ganze überprüfbare, messbare Zeug. Was hätten die Ampelparteien in
dieser Hinsicht zu bieten? Wir haben es erreicht, dass die Mieten weiter
steigen, Industriebetriebe geschlossen werden und das Gesundheitssystem
vor die Hunde geht?
Putin: Wahlergebnis wird Entwicklung Russlands in den kommenden Jahren beeinflussen
“Kein Programm” übersetzt sich, wenn man die Rede zur Lage der Nation
als das programmatische Ereignis wahrnimmt, das sie tatsächlich ist, in
eine lange Liste ausgesprochen detaillierter Vorhaben, die sich an einem
zentralen Punkt von den in Deutschland üblichen Wahlprogrammen
unterscheiden: Sie werden wirklich umgesetzt. Und weil konkrete Zahlen
genannt werden, können die Wähler sogar überprüfen, wie weit sie
umgesetzt wurden, und in welchen Bereichen die Umsetzung langsam oder
mangelhaft erfolgte.
euronews berichtet übrigens, Putin habe versprochen, “mehr staatliche
Mittel in die Bereiche Gesundheit, Bildung, Wissenschaft, Kultur und
Sport zu investieren und gleichzeitig die Bemühungen zur Beseitigung der
Armut fortzusetzen”. Sofern diese Versprechen glaubwürdig sind (und an
diesem Punkt sticht Putin seine westlichen Pendants immer aus), sollte
das als Programm genügen.
Gut, an ein paar Stellen gibt es auch in Deutschland Zahlen. Da war
dieses Ding mit der Million Ladestellen für Elektroautos. Da ist die
ganze Energiewende. Aber die Liste von Täuschung, Lügen und Versagen ist
mindestens genauso lang. Und wie man an der Million Ladesäulen sehen
kann, sobald feststeht, dass aus diesem Werbeslogan nichts wird, wird er
dem Vergessen anheimgegeben.
Man wolle achtzig Prozent Wahlbeteiligung erreichen, erklärt Frau
Fischer, und ein ebenso hohes Ergebnis für Putin, aber “die eigentliche
Unterstützung dürfte wesentlich niedriger sein”. Dabei berichtet immer
wieder ein vom Westen finanziertes Umfrageinstitut, die Zustimmungswerte
für Putin lägen extrem hoch. Wenn man sie mit jenen für Bundeskanzler
Olaf Scholz vergleicht …, aber wie gesagt, da ist ja das westliche
Dilemma. Egal, was man ankreuzt, es gibt immer NATO, EU, Klimawahn und
Kolonialkriege. Ja, schon zu Gründungszeiten der Linken vor inzwischen
zwanzig Jahren stand fest, dass das Kreuz auf dem Wahlzettel nur noch
wenig Bedeutung hat. Seitdem wurden immer mehr Kompetenzen auf die
“Kommission” genannte EU-Regierung verlagert, die überhaupt niemand
jemals gewählt hat.
Verfassungsrechtler: Eingeschränkte Meinungsfreiheit “erstickt Demokratie Zentimeter um Zentimeter”
Also nicht nur, dass die Politik, die aus den Wahlen hervorgeht, nichts
mit den Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung zu tun hat, selbst die
derart gewählte Regierung ist einem Gremium untergeordnet, das nicht
einmal mehr formell demokratisch ist.
die tagesschau fragt Frau Fischer: “Das ist ein Modell, das in der
Wirtschafts- und Sozialpolitik stark auf staatlichen Impulsen beruht.
Sind die darin liegenden Widersprüche nicht irgendwann zu groß und auch
riskant für Putin?”
Eine witzige Frage, wenn man sich noch daran erinnert, dass in den
Zeiten, als Wirtschafts- und Sozialpolitik selbst im Westen Deutschlands
noch kein Euphemismus für die Abrissbirne war, es sich ebenfalls um ein
“Modell” handelte, “das in der Wirtschafts- und Sozialpolitik stark auf
staatlichen Impulsen beruht”. Putin ist kein Kommunist, aber wenn man
sich die sozialpolitischen Daten ansieht, ist er ein klassischer
Sozialdemokrat (und das ist ausnahmsweise nicht als Verweis auf den
Intrigantenstadl SPD gemeint).
Fischer kann so etwas natürlich nicht eingestehen, und muss als
Auftragnehmerin des BND eine russische Opposition zusammenfantasieren,
die viel größer sei, als man annähme, denn schließlich seien “200.000
Menschen das hohe persönliche Risiko eingegangen”, für einen
westorientierten Kandidaten zu unterschreiben.
Wahlkampf in den USA laut Putin zunehmend unzivilisierter
“Angesichts des damit verbundenen Risikos muss man die Zahl seiner
Unterstützer sicher multiplizieren. Denn dieser Staat ist so umfassend
und brutal repressiv geworden, dass viele Menschen zu viel Angst haben,
um zu unterschreiben.“
Was für ein Argument. Mit der Masche könnte ich mich auch zur deutschen
Oppositionsführerin erklären, und die fehlende sichtbare Unterstützung
der staatlichen Repression zuschreiben. Dafür könnte ich sogar eine
lange Liste bereits angewandter oder geplanter Maßnahmen anführen. Etwa
Faesers Fantasien zur Überwachung von Finanzströmen. Dutzende
Gerichtsverfahren wegen popliger Facebook-Meinungen. Ich wäre morgen
noch nicht fertig damit. Es gibt ja dieses schöne alte Sprichwort vom
Splitter im Auge des Anderen und dem Balken vor dem eigenen …
“Diese Kandidaten haben kein politisches Gewicht, es ist eine reine
Simulation von Wettbewerb”, meint Frau Fischer noch, bezogen auf die
parlamentarische Opposition in Russland. Das, was sie, wie andere
Vertreter deutscher Medien, als die wahre Opposition darzustellen
versuchen, ist allerdings das, was in Deutschland unter “Sonstige” zu
finden ist. Und selbst da eher die obskure Ecke, wie Tierschutzpartei
oder Partei Bibeltreuer Christen.
In Deutschland gab es übrigens auch keine OSZE-Wahlbeobachtung. Es war
auch gut so, wenn die bei den Berliner Wahlen anwesend gewesen wäre …
“Stillen Protest gegen Krieg und verbreitete Ohnmacht” sieht das ZDF in
Russland; der soll sich in der Wahlbeteiligung ausdrücken. Das ist ein
interessantes Argument, wenn man die Zahl der Nichtwähler in Deutschland
betrachtet. Aber da ist das natürlich etwas ganz Anderes.
In Wirklichkeit geht es bei all diesen Kommentaren und Artikeln gar
nicht um die Wahl in Russland. Schließlich hat man schon seit Jahren die
Diktion etabliert, Russland sei eine “Autokratie”. Im 19. Jahrhundert
verwandte man den Begriff noch auf Deutsch, als “Selbstherrschaft”; in
Wirklichkeit ist die entscheidende Botschaft allerdings, es handle sich
um ein primitiveres Regierungssystem für primitivere Menschen.
Russische Präsidentschaftswahlen: Wahllokale haben geöffnet
Nein, man will vor allem die Gelegenheit nutzen, um noch einmal zu
beteuern, wie demokratisch doch der Westen sei. Das ist nicht nur
schwierig geworden, weil die Manöver im gegenwärtigen US-Wahlkampf so
gar nicht demokratisch wirken, und auch der Verbotsdiskurs, der sich in
Deutschland gegen die AfD richtet, so ein Geschmäckle hat. Je weiter
sich die Folgen entwickeln, die die Unterwürfigkeit gegenüber den
Vereinigten Staaten so nach sich zieht, und die Schäden durch Klimawahn
und der sonstigen im Interesse einer Handvoll Großkonzernen exekutierten
Verarmungspolitik sich ausbreiten, je sichtbarer wird, dass der Westen
seinen Durchschnittsbürgern schlicht nichts mehr zu bieten hat, desto
lauter muss man das Mantra wiederholen, das sei Demokratie.
Aber Demokratie, das ist nicht nur Herrschaft, die vom Volk aus und dann
irgendwohin geht. Demokratie ist Herrschaft durch das Volk für das
Volk. Es ist der letzte Teil dieser Formulierung, der dazu führt, dass
das Vertrauen in die westlichen Regierungen im Keller ist. Und weil eine
Runde Eigenlob anlässlich der russischen Wahlen weder die Souveränität
wieder herstellt, noch die Armutsquote senkt, wird das auch so bleiben.
https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/199487-wahl-als-farce-in-russland/
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